Protokoll der Sitzung vom 10.06.2016

(Beifall FDP und Petra Nicolaisen [CDU])

Für die Fraktion der PIRATEN hat der Abgeordnete Dr. Patrick Breyer das Wort.

Herr Präsident! Sehr verehrte Damen und Herren! Dieser Bericht spricht in der Tat von einer wachsenden Agitation durch Nationalisten in unserem Land, hervorgerufen im Zusammenhang mit der

Flüchtlingsfrage. Auch die Islamisten, Salafisten, Dschihadisten und Rückkehrer stellen ein Risiko dar. Gerade weil wir diese Risiken ernst nehmen müssen und weil diese Fragen so wichtig sind, sollten wir die Abwehr solcher Gefahren keinem Geheimdienst anvertrauen,

(Beifall Uli König [PIRATEN])

zumal nach den Erfahrungen mit dem NSU-Skandal.

Sein wir einmal ehrlich: Ein Großteil dieser Informationen aus diesem Bericht sind Gemeinplätze, die aus allgemein zugänglichen Quellen entnommen worden sind.

(Beifall Torge Schmidt [PIRATEN])

Die Verhinderung und Verfolgung von Straftaten ist bei uns Aufgabe von Polizei und Justiz, und die arbeiten im Grundsatz offen und werden gegen Einzelne nur aus konkretem Anlass tätig.

Ich finde, die Geheimdienste tun genug zur Unterstützung von Polizei und Justiz in diesen Aufgaben, wenn sie die Strafverfolgung nicht durch Warnungen und Verschleierung vereiteln und wenn sie endlich aufhören würden, kriminelle Strukturen zu finanzieren, um über V-Leute Informationen abzuschöpfen. All das mussten wir hören.

(Beifall Torge Schmidt [PIRATEN])

Es ist kein Geheimnis, dass wir PIRATEN den Verfassungsschutz als Inlandsgeheimdienst ablehnen und erst recht seine weitere personelle Aufrüstung durch SPD, SSW und auch die Grünen im vergangenen Jahr - gerade, wenn damit mehr abgehört und das Internet überwacht werden soll, meine sehr verehrten Damen und Herren.

Für uns PIRATEN sollte ein Verfassungsschutzbericht auch über die Tätigkeit dieses Inlandsgeheimdienstes berichten. Warum finden wir hier eigentlich keine Statistik darüber, welche geheimdienstlichen Mittel wie häufig eingesetzt wurden und was das Ergebnis dieser Überwachung war? Dieses Maß an Transparenz, das es in anderen Ländern und auf Bundesebene längst gibt, wird der Öffentlichkeit in Schleswig-Holstein vorenthalten.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Dafür haben wir extra eine Parlamentarische Kontrollkommis- sion, der auch ein Abgeordneter Ihrer Frakti- on angehört!)

- Warum eigentlich? - In anderen Bundesländern und im Bund, Herr Kollege Kubicki, werden Zahlen zur Überwachung offengelegt und transparent

(Dr. Ekkehard Klug)

gemacht. Genau darauf hat auch die Öffentlichkeit in Schleswig-Holstein einen Anspruch.

Wir brauchen einen jährlichen Überwachungsbericht, der regelmäßig das Ausmaß der Überwachung in unserem Land offenlegt. Wir PIRATEN sind sogar vor den Einigungsausschuss gezogen, um die Beantwortung von Anfragen zur Tätigkeit des Verfassungsschutzes durchzusetzen.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Durchsetzen?)

Das Ergebnis ist: Die Beantwortung wird zwar nicht mehr pauschal verweigert, aber sie wird vertraulich gegeben, und damit hat die Öffentlichkeit auch nichts davon. Meine sehr verehrten Damen und Herren, Transparenz und öffentliche Kontrolle sehen anders aus.

Hinzu kommt, dass dem Unabhängigen Landesdatenschutzzentrum bisher Stellen verweigert werden, die benötigt würden, um die Datenverarbeitung durch den Verfassungsschutz kontrollieren zu können. Das fordert das Landesdatenschutzzentrum seit Langem, bisher aber ohne Erfolg.

Um auf einen letzten Aspekt einzugehen: Wenn der Herr Innenminister bei der Vorstellung dieses Berichts der Öffentlichkeit ernsthaft erklärt, in Schleswig-Holstein bestehe eine hohe Gefahr von Terroranschlägen, dann hat das nichts mit Sicherheit zu tun, sondern mit einer Verunsicherung der Bevölkerung. Was soll denn die Bevölkerung mit dieser Information anfangen, dass eine hohe Gefahr bestehe, aber keine konkreten Hinweise gegeben werden? Das ist doch keine Sicherheit, so etwas in der Öffentlichkeit zu sagen. Das fördert Hysterie, und die können wir hier nicht gebrauchen. - Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall PIRATEN)

Das Wort für die Abgeordneten des SSW hat der Abgeordnete Lars Harms.

(Volker Dornquast [CDU]: Sage mal wieder was Positives!)

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das Jahr 2015 hat erhebliche Herausforderungen für Politik und Gesellschaft mit sich gebracht. Die Bundesrepublik hat deutlich mehr Flüchtlingen Schutz geboten als noch in den Jahren davor. Diese Herausforderung - das haben einige schon erwähnt - hat einiges verändert, sowohl posi

tiv wie auch negativ. Diese gesellschaftliche Herausforderung spiegelt sich zum Teil auch im Verfassungsschutzbericht wider.

Die Flüchtlingssituation wird für die jeweiligen Zwecke genutzt, um Aufmerksamkeit oder gar Zulauf zu generieren. Im Fall von Salafisten werden sogar gezielt Flüchtlinge umworben. Die Flüchtlingsdebatte im Allgemeinen sowie die Flüchtlinge selbst werden zunehmend instrumentalisiert und missbraucht. Dessen sollten wir uns bewusst sein.

Der Bericht über den Verfassungsschutz erörtert, wie bereits bekannt, die unterschiedlichen extremistischen Bewegungen in Schleswig-Holstein und geht darüber hinaus auf die bundesweiten beziehungsweise internationalen Entwicklungen ein. Die Gefahrenlage in Schleswig-Holstein sowie in der gesamten Bundesrepublik ist weiterhin akut.

Die aufgeführten Delikte sprechen für sich. Zudem gilt es, an dieser Stelle die verhinderten Straftaten zu bedenken. Der neueste Fall in Düsseldorf zeigt, dass der Staat durchaus in der Lage ist, präventiv einzugreifen und mögliche Anschläge zu vereiteln. Man kann davon ausgehen, dass auch unsere Verfassungsschützer etwas damit zu tun haben.

Trotzdem gibt es natürlich Herausforderungen. Vor allem mehren sich die Übergriffe auf Flüchtlingsunterkünfte. Die Stimmungsmache durch rechtspopulistische Bewegungen nimmt in diesem Zusammenhang zu. Auch diese Entwicklung gilt es, in Zukunft nicht außer Acht zu lassen, denn sie ist die Grundlage für Rechtsextremismus.

Ein anderer großer Gefahrenfaktor ist zweifelsfrei der religiös motivierte Extremismus. Der Salafismus in Schleswig-Holstein lässt sich schlichtweg nicht mehr kleinreden. Bei der Frage, was vorteilhafter ist, einschlägige Moscheen zu schließen oder weiter in Beobachtung zu halten, würden wir uns als SSW häufig für Letzteres entscheiden, damit wir weiterhin die Bewegungen auch kontrollieren können. Hier müssen wir sehr wachsam sein, um Anschläge und andere Straftaten weiterhin zu verhindern. Deshalb ist ein solches Vorgehen auch in Ordnung.

Noch ein Wort zur PKK, die hier in der Gruppe des sogenannten „nicht islamisch motivierter Extremismus mit Auslandsbezug“ angesiedelt ist: In den letzten Jahrzehnten hat sich die PKK in Deutschland enorm verändert, zudem äußert sich die PKK in Deutschland eben auch deutlich anders als etwa in der Türkei. Von daher müsste man einmal darüber nachdenken, wie viel Raum man dieser Organisation im Bericht und auch in der Arbeit einräu

(Dr. Patrick Breyer)

men sollte, schließlich ist der Bericht ja auch nicht statisch, sondern kann sich inhaltlich auch ändern.

Hier will ich auch ein Beispiel nennen, nämlich die Vereinigung der Verfolgten des Nazi-Regimes. Was wir als SSW ausdrücklich begrüßen, ist nämlich die Tatsache, dass der VVN im Bericht nicht länger auftaucht - eine Anpassung, die nach unserer Auffassung schon längst überfällig war.

Es muss also berichtstechnisch nicht immer alles beim Alten bleiben. Schwerpunkte in der Arbeit können sich durchaus ändern. Und man kann sehen, dass die religiös begründete Gefahr derzeit als wesentlich höher als andere Gefahren einzuschätzen ist. Dem muss sich dann eben auch der Verfassungsschutz entsprechend anpassen.

(Beifall SSW, vereinzelt BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und Beifall Wolfgang Kubicki [FDP])

Was sich jedoch auch immer mehr abzeichnet, ist die Härte der Sprache, wenn es um die politischen Herausforderungen im Land geht. Der Hass in den sozialen Netzwerken nimmt zu. Das gilt für alle Extremismusfälle. Hasskommentare sind keine Seltenheit, und auch verbal verschärft sich der Ton. Gewalt beginnt mit Worten, und das eigentlich ist schon die Wurzel allen Übels. Diese Tatsache zieht sich auch durch den ganzen Bericht. Dahin gehend hat jeder von uns ja auch schon schmerzliche Erfahrungen machen müssen.

Aber kein Verbreiter von Hasskommentaren soll meinen, dass die Demokratie wehrlos ist. Der Schutz der Verfassung geht uns alle an. Und dieser Aufgabe müssen und werden wir uns alle stellen. In dieser Hinsicht ist Zivilcourage durch nichts zu ersetzen - außer durch noch mehr Zivilcourage. Wir dürfen nicht nachlassen, immer wieder für Demokratie, Respekt und Toleranz gegenüber anderen einzustehen. Ein Teil dieser Arbeit, meine Damen und Herren, wird auch vom Verfassungsschutz geleistet. Deswegen ist er auch notwendig wie eh und je.

(Beifall SSW, SPD, FDP und vereinzelt CDU)

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Beratung.

Da kein Antrag gestellt worden ist, erkläre ich den Tagesordnungspunkt für erledigt.

Herr Abgeordneter Kubicki, zur Geschäftsordnung.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Präsident - das kann sich auch zu einem Antrag erstarken -, ich bitte persönlich und im Namen meiner Fraktion darum, dass die Mitarbeiter der Landtagsverwaltung nach Hause geschickt werden. Die meisten von ihnen haben die zehn Stunden, die die Arbeitszeitordnung vorschreibt, bereits überschritten. Ich finde es auch unverantwortlich, dass wir den Mitarbeitern zumuten, weil wir jetzt weiter tagen, darauf zu verzichten, dass sie mit Familienangehörigen oder Kolleginnen und Kollegen die Eröffnung der EM feiern können.

(Beifall FDP, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SSW und vereinzelt CDU)

Wir haben - um das zu sagen - als Fraktion auch unsere Mitarbeiter bereits ins Wochenende entlassen. Ich kann das den anderen Fraktionen auch nur empfehlen, weil wir als Parlament eine Fürsorgepflicht gegenüber unseren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern haben, aber auch gegenüber den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Landtagsverwaltung. - Herzlichen Dank.

(Beifall FDP, CDU, SPD, vereinzelt BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Herr Abgeordneter Kubicki, ich danke Ihnen ausdrücklich für diesen Geschäftsordnungsbeitrag. Ich habe der Reaktion des Hauses entnommen, dass das einstimmige Zustimmung findet. Aus der Fürsorgepflicht des Dienstherrn heraus werde ich das veranlassen. Leider ist der Stenografische Dienst davon ausgenommen. - Das tut mir leid. Der Landtagsdirektor ist natürlich auch ausgenommen. - Da ist mein Leid nicht ganz so groß.

(Heiterkeit)

Ich bitte ihn also, das entsprechend zu veranlassen.