Schutz von Frauen und Kindern sowie besonders schutzbedürftiger Flüchtlinge in den Erstaufnahmeeinrichtungen und Flüchtlingsunterkünften sicherstellen
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zum Thema Schutz von Frauen und Kindern sowie besonders schutzbedürftiger Flüchtlinge in den Erstaufnahmeeinrichtungen und Flüchtlingsunterkünften sicherstellen ist die Landesregierung aufgefordert worden, Bericht zu erstatten. Dieser liegt Ihnen jetzt seit dem 24. Mai 2016 vor.
Für die Landesregierung ist es ein wichtiges Anliegen, die komplexen Themenfelder im Zusammenhang mit besonders schutzbedürftigen Flüchtlingen in diesem Jahr verstärkt in den Blick zu nehmen. Dafür ist zunächst zu bestimmen: Wer sind in diesem Sinne besonders schutzbedürftige Flüchtlinge? Der Fokus dieses Berichtes liegt auf Frauen und Kindern. Als besonders schutzbedürftig gelten insbesondere Schwangere und allein reisende Frauen mit Kindern. Besonderen Schutz bei der Aufnahme und Unterbringung benötigen aber zum Beispiel auch ältere Menschen, Personen mit schweren Erkrankungen oder Personen mit einem Handicap.
Mit der durch den Bund noch nicht umgesetzten EU-Aufnahmerichtlinie gibt es inzwischen eine Definition, wer als besonders schutzbedürftig gilt. Darüber hinaus gehören aber auch beispielsweise Personen dazu, die aufgrund ihrer sexuellen Orientierung von Gewalt bedroht oder betroffen sind und eben auch entsprechend Schutzbedürfnisse in diesem Sinne haben.
Viele, vor allem allein reisende Frauen, leiden an posttraumatischen Belastungsstörungen aufgrund der Fluchterlebnisse und sexueller Gewalt. Sie haben Angst um ihre Kinder oder - bedingt durch die Flucht - Probleme während der Schwangerschaft, um nur einige Beispiele zu nennen.
Bei Kindern gehören ausgeprägte Verlustängste, also Angst vor Trennung von den Eltern, aber auch sexuelle und/oder häusliche Gewalt, die sie erfahren haben, zu den häufigsten Problemen.
Es ist klar, dass hier bei uns Schutz vor Misshandlung und jeglicher Gewalt gewährleistet werden muss. Dabei müssen besondere Schutzbedarfe, beispielsweise von Frauen und Kindern, berücksichtigt werden. Daher muss grundsätzlich für die Arbeit an diesem Thema zwischen der Ebene des Landes und der Ebene der Kommune unterschieden werden. Für die konzeptionelle Erarbeitung eines Gewaltschutzkonzeptes in den Landesunterkünften ist natürlich das Land zuständig. Mein Haus und das Landesamt für Ausländerangelegenheiten formulieren derzeit die verschiedenen bereits vorhandenen
Schutzmaßnahmen zu einem Gewaltschutzkonzept mit konkreten Aufträgen an die Betreuungsverbände in den Landesunterkünften aus. Das Gewaltschutzkonzept ist Teil des Gesamtansatzes der Erstaufnahme und Integrationssteuerung, der aktuell angepasst wird.
Auf kommunaler Ebene gilt natürlich ein dezentraler Grundsatz. Die Kommunen sind primär zuständig und gefordert, für die jeweiligen Regionen und Situationen passende Lösungen zu finden. Das Land unterstützt die Kommunen dabei durch dezentral wirkende Angebote.
Der hier vorliegende Landtagsbericht und der darin enthaltene konzeptionelle Ansatz dient auch als erste Handreichung zum Thema Gewaltschutz. Ab sofort steht er allen Interessierten zur Verfügung.
Wie eingangs gesagt, wird die Landesregierung die komplexen Themenfelder im Zusammenhang mit besonders schutzbedürftigen Flüchtlingen in diesem Jahr weiter verstärkt in den Blick nehmen. Zum Auftakt sind am vergangenen Freitag knapp 130 Teilnehmerinnen und Teilnehmer der gemeinsamen Einladung des MSGBG und des MIB zu der Veranstaltung „Im Blickpunkt: Frauen und Kinder - Umgang mit besonders schutzbedürftigen Flüchtlingen“ im Landeshaus gefolgt.
Diese Veranstaltung soll der Staat für einen intensiveren Dialog durch übergreifende Zusammenarbeit und Vernetzung der Akteure zu diesem Thema sein.
Der Austausch und die Zusammenarbeit sollen vor Ort in den vielfältigen Gremien, die es zu der breiten Themenpalette bereits gibt, fortgeführt werden. Dazu zählen auch gemeinsame Maßnahmen, wie beispielsweise in Form von Veranstaltungen, Broschüren, Regionalkonferenzen oder Quartalsgesprächen.
Mit den genannten Maßnahmen sehe ich unser Land auf einem guten Weg, schutzbedürftige Flüchtlinge auch effektiv vor Gewalt und Missbrauch schützen zu können. - Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Frauen und Kinder sind auf ihrer Flucht äußerst schutzbedürftig, und sie sind neben den allgemeinen Gefahren auf der Flucht auch ganz besonders geschlechtsspezifischer Gewalt ausgesetzt. Frauen sind sehr häufig von den erlittenen Gewalterfahrungen traumatisiert und leiden deshalb.
Auch wenn der Bericht es so darstellen mag, noch gibt es in den Erstaufnahmeunterkünften nicht überall den notwendigen Schutz für Frauen und Kinder. Immer noch werden die Sanitäranlagen zum Teil gemeinschaftlich genutzt, sind nicht nach Geschlechtern getrennt und häufig auch nur unzureichend abschließbar. Zudem fehlt es oft an notwendigen Rückzugsmöglichkeiten zum eigenen Schutz der Frauen und Kinder.
Dies gilt auch für die schutzbedürftige Gruppe der Flüchtlinge, die homosexuell, transgender oder intersexuell sind. Gerade diese Gruppe sieht sich zudem offener Homophobie ausgesetzt. Es ist uns eine Verpflichtung, hierfür einen besonderen Schutz zu gewähren. Hierzu gehören qualitative Standards in den Erstaufnahmeeinrichtungen und Gemeinschaftsunterkünften. Besonders wichtig und erfreulich ist, dass sich die zahlreichen freiwilligen Helferinnen und Helfer engagiert dieses Themas annehmen und gesellschaftlich sensibilisieren.
Seit Anfang des Jahres geht die Anzahl aller Asylsuchenden schrittweise deutlich zurück. Entspannt hat sich auch die Auslastungssituation in den Unterkünften. Diese beträgt zurzeit etwa 12 %. Damit entstehen aber auch Chancen für besondere Angebote. Schutzmaßnahmen und Gewaltprävention sind hier angebracht und erforderlich, wie zum Beispiel Schutzund Betreuungsmaßnahmen für Flüchtlinge. Es muss immer gewährleistet sein, dass es eine separate Unterbringung von besonders Schutzbedürftigen in jeder Erstaufnahmeeinrichtung gibt. Gerade jetzt, bei sinkenden Belegungszahlen, besteht hierfür eine gute Gelegenheit, um endlich Standards zu schaffen und eventuelle Umbauten vorzunehmen.
Die frühzeitige psychologische Betreuung von Flüchtlingen muss noch besser organisiert werden. Traumaambulanzen gibt es derzeit an vier Stand
orten: Kiel, Lübeck, Elmshorn und Schleswig. Hier muss überprüft und geklärt werden, ob das tatsächlich ausreicht. Zudem brauchen wir eine flächendeckende Versorgung mit Dolmetschern, um diesen besonders schutzbedürftigen Menschen zu helfen. Hier leisten die Wohlfahrtsverbände Großes.
Fazit: Es wird eine Menge getan. Nur ist es ebenfalls wichtig, dass die jeweilige Zielgruppe auch immer ausreichend informiert wird. Die Menschen hier bei uns haben das Recht darauf, dass Ihnen geholfen wird, und dafür setzen wir uns gemeinsam ein. - Herzlichen Dank.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich bedanke mich für den durch Innenminister Studt gegebenen Bericht. Es ist so, dass im vergangenen Jahr 35.106 Menschen nach SchleswigHolstein gekommen sind. Etwa ein Viertel dieser Menschen waren Frauen. Die Anzahl der Frauen wächst in diesem Jahr enorm an. Das hat sicherlich auch mit dem Familiennachzug zu tun.
Es trifft zu, wie die Frau Abgeordnete Nicolaisen eben dargestellt hat, dass sich die Situation in den Erstaufnahmeeinrichtungen entspannt. Falsch ist aber, dass es keine getrennten Sanitäranlagen geben würde; das ist komplett falsch. Vielmehr waren die Standards sehr schnell so aufgenommen worden, dass genau auch auf die geschlechterspezifischen Rahmenbedingungen geachtet wurde.
Familien sind getrennt untergebracht. Alleinreisende Frauen sind getrennt untergebracht. Auf die räumlichen Rahmenbedingungen hat das Innenministerium von Anfang an sehr geachtet. Dafür bedanke ich mich angesichts der Situation, wie wir sie im letzten Jahr unter Hochdruck vorgefunden haben. Das ist ganz besonders viel wert.
Neben den getrennten Unterbringungsangeboten, getrennten Sanitärangeboten, also alles das, was man räumlich und technisch machen kann, braucht es aber auch personelle Ausstattung. Ich weiß, dass wir auch insoweit auf einem sehr guten Weg sind; denn es geht in der Tat darum, von Anbeginn gute Betreuung zu leisten.
Ich will auch die Zahlen noch nennen: Unter den Menschen, die zu uns kommen, sind in der Regel 70 % Erwachsene und 30 % Kinder. Die Anzahl der Frauen im ersten Quartal 2016 ist um 30 % angestiegen. Das heißt, wir müssen uns dieser Gruppe in diesem Jahr wirklich noch einmal ganz besonders widmen. Ganz besonders wichtig ist auch die Verweildauer in den Erstaufnahmeeinrichtungen. Diese wird sich möglicherweise weiter verkürzen.
Wichtig dabei ist, auch die Kommunen mit in den Blick zu nehmen. Es gibt bereits einen Leitfaden, um den Kommunen das Handeln zu erleichtern. Aber da noch einmal Hilfestellung zu leisten, ist, glaube ich, etwas, was wir aus Landessicht auch weiterhin tun sollten und tun können. Denn bei der Unterbringung der Frauen und Kinder und der Familien in den Kommunen müssen unbedingt Standards eingehalten werden. Da braucht es eben auch sofortige gute Betreuung, gute Integrationskurse und gute Angebote, gute Sozialberatung, gute Hausprävention, Gewaltprävention. Das alles braucht insbesondere die Gruppe der Frauen.
Der Schutz von Kindern und Jugendlichen darf nicht nur in den Erstaufnahmen in den Blick genommen werden. Vielmehr müssen auch wir die Kommunen weiterhin dabei unterstützen. Das alles werden wir in diesem Jahr tun.
Ich bedanke mich für den Bericht, der sicherlich in den Ausschuss überwiesen wird und den wir dort auch weiter beraten werden. - Vielen Dank.
Das Wort für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat die Fraktionsvorsitzende, die Frau Abgeordnete Eka von Kalben.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lieber Herr Studt, vielen Dank Ihren Bericht. Herzlichen Dank auch an die Staatssekretärin, die, wie ich in der letzten Woche sehen konnte, eine hervorragende Veranstaltung zu dem Thema gemacht hat. Ich finde es wichtig, dass dies ministeriumsübergreifend geschehen ist, weil das ein Thema ist, das man auch genauso angehen soll. Das finde ich sehr schön.
Ehrlich gesagt habe ich einen ganz anderen Eindruck von den Erstaufnahmeeinrichtungen, die ich mir unter genau diesem Aspekt angeschaut ha
be. Insbesondere in Neumünster gibt es ein Extrahaus, das ist so abgeschlossen, dass wir darüber diskutieren mussten, ob Herr Döring überhaupt mit hinein darf. Mein Mitarbeiter musste jedenfalls draußen bleiben, weil das wirklich ein Schutzraum für Frauen ist. Insofern habe ich das Gefühl, dass das Land wirklich auf einem guten Weg ist, natürlich auch deshalb, weil wir jetzt weniger Flüchtlinge haben.
Es gab Zeiten - das wissen wir alle -, in denen es eine sehr starke Überbelegung gab, weshalb es schwierig war, den Schutz nicht nur für Frauen, sondern auch für Kinder, Jugendliche und auch für Homosexuelle aufrechtzuerhalten.
Insoweit sind wir also auf einem guten Weg. Wir haben aber unter Umständen perspektivisch mehr Probleme jetzt auch auf kommunaler Ebene - das haben Sie und Frau Lange ja eben auch gesagt -, wo wir noch Unterstützung leisten müssen. Ich habe neulich den Bericht vom Fall einer Frau bekommen, die nach einem Krankenhausaufenthalt in ein Frauenhaus gehen sollte. Da fehlten zum Beispiel Dolmetscher. Als diese Frau dort war - dort wurde dann zu ihrem Schreck die Tür abgeschlossen -, dachte sie, sie sei in ein Gefängnis gekommen, in ein Frauengefängnis. Das war also eine Frau, die fluchttraumatisiert ist, Gewalt in ihrer Familie erlebt hat. Diese kommt dann noch in einen Schutzraum, dessen Sinn und Zweck sie zunächst gar nicht verstanden hatte.
Das heißt, auch im Bereich Dolmetscher müssen wir etwas mehr tun. Das ist manchmal leichter gesagt als getan, weil man diese nicht einfach einsammeln kann, da sie nicht auf den Bäumen wachsen. Aber dies müssen wir ganz dringend im Blick behalten. Wir müssen uns auf dem Gebiet zugunsten von Mädcheneinrichtungen, Fraueneinrichtungen, Frauenhäusern interkulturell noch ein wenig mehr öffnen.
Abschließend möchte ich noch Folgendes sagen: Wir haben hier im Land wirklich gute Möglichkeiten und sind uns zum Glück offensichtlich auch einig darüber, dass wir auf alle diese Dinge großen Wert legen wollen. Aber im Grunde sind das alles Symptombekämpfungen. Flucht und Vertreibung sind für Frauen, Kinder und andere schutzbedürftige Menschen immer das Schlimmste. Deshalb brauchen wir wirklich - dafür setzen wir uns ein - legale Zugangswege nach Deutschland, um so eine Flucht zu vermeiden und eine bessere Familienzusammenführung herstellen zu können.
Ich würde mir wünschen, dass Sie uns auf Bundesebene dabei unterstützen, damit die Familien sicher hierher kommen können und nicht über den Fluchtweg. - Danke.