Protokoll der Sitzung vom 20.07.2016

(Dr. Ralf Stegner)

hat deutlich gemacht, dass auch dieser Gerichtshof, der jetzt geplant ist, nicht ansatzweise die Bedingungen an eine Unabhängigkeit der Justiz und Gerichte erfüllt. Ist angesichts dessen nicht eindeutig, dass diese Bedingungen von damals nicht erfüllt sind und dass wir im Bundesrat mit Nein stimmen müssen?

- Herr Kollege Dr. Breyer, ich habe aus einem einzigen Grund Ihre Zwischenbemerkung zugelassen. Zu TTIP und CETA, zum Stand der Verhandlungen, komme ich gleich noch. Die Verhandlung bei TTIP sind ja noch gar nicht beendet. Bei CETA liegt gerade einmal die deutsche Übersetzung des Entwurfs vor.

Ich habe nur deshalb Ihre Zwischenbemerkung zugelassen, weil die anmaßende Form, in der Sie hier reden, was Sie als Demokratie gelten lassen, wie Sie alle anderen beschimpfen, wie Sie das hier vom Rednerpult aus getan haben, in einer Weise inakzeptabel ist, dass ich Ihnen das von diesem Pult aus hier noch einmal ausdrücklich sagen möchte.

(Vereinzelter Beifall SPD, CDU und FDP)

Also wirklich. Ich bin sehr der Meinung, dass man seine Meinung engagiert vertreten soll, aber dass Sie Demokratie für sich in Anspruch nehmen! Ihre Parteikollegin hat eben dreimal Willy Brandt zitiert, um hier die Piratenversion von Demokratie darzulegen. Ich muss sagen, das hat überhaupt gar nichts damit zu tun, was ich unter Demokratie verstehe, aber auch gar nichts.

(Beifall SPD, vereinzelt CDU und FDP)

In der Tat gibt man Bewertungen ab, wenn Ergebnisse vorliegen. So verstehe ich das, wenn man ernst nimmt, was man tut. Die Sozialdemokraten haben - übrigens mit auf mein Betreiben hin - einen Beschluss beim Bundesparteitag gefasst, wo wir Bedingungen formuliert haben.

(Uli König [PIRATEN]: In Ihrem Glashaus ist keine Scheibe mehr übrig!)

Und dieser Landtag hat das auf unseren Antrag hin ebenfalls getan. Nur: Die Ergebnisse liegen noch gar nicht vor, die Ergebnisse liegen nicht vor.

Lassen Sie mich zu TTIP sagen: Meine Einschätzung ist, TTIP ist praktisch tot, weil es in dieser Amtszeit der Obama-Administration nicht mehr zustande kommen wird, und weil die Nachfolger - die potenziell erfolgreichen Kandidaten, sowohl Hillary Clinton als auch Herr Trump -, mit ihrer Buy-American-Haltung, natürlich eine verschärfte Version

vertreten. Das lässt nicht erwarten, dass das noch zum Erfolg führen wird. Deshalb glaube ich: TTIP ist politisch praktisch tot.

Was CETA angeht, ist die Lage anders. Das ist ein gemischtes Abkommen. Ich sage, das ist ein guter Schritt. Das führt nämlich dazu, dass das in allen europäischen Mitgliedstaaten, auch in Bundestag und Bundesrat, ratifiziert werden muss, obwohl die Handelspolitik im Prinzip eine europäische Sache ist. Das haben wir auch beschlossen. Aber hier hängen ein paar mehr Dinge mit dran. Deshalb ist das gut so. Das ist ein Zugewinn an Demokratie.

Ich muss auch sagen: Die neue kanadische Regierung ist eine andere Regierung als die in den Vereinigten Staaten von Amerika und auch eine andere als die Vorgängerregierung, die vorher die Dinge ausgehandelt hat.

(Beifall Dr. Heiner Garg [FDP])

- Ich finde das auch positiv.

Ich sage Ihnen: Für mich ist das Entscheidende, dass sie uns ernst nehmen. Ich sage nicht, ich bin prinzipiell für oder gegen Handelsabkommen, sondern die Bedingungen müssen stimmen. Wenn die wesentlichen Bedingungen erfüllt sind, dann kann man das machen, und wenn die wesentlichen Bedingungen nicht erfüllt sind, weil die Standards nicht eingehalten werden, weil Demokratie nicht stattfindet, weil es den Primat der Politik nicht gibt, dann darf man es nicht tun. Ich finde, das ist eine richtige Haltung.

Ich bin übrigens auch nicht naiv, was die Haltung von Konzernen angeht, wirklich nicht.

(Uli König [PIRATEN]: Ach so!)

- Wissen Sie, Herr Kollege König - - Naja, ich verzichte auf eine Antwort.

(Uli König [PIRATEN]: Erzählen Sie mal!)

- Sie karikieren sich selbst, Herr Kollege.

(Zuruf Uli König [PIRATEN])

Nein, was ich sagen wollte, ist: Ich bin nicht naiv, was Konzerne angeht. Ich halte es aber mit Berthold Brecht, der nämlich gesagt hat:

„Wer kämpft, kann verlieren. Wer nicht kämpft, hat schon verloren.“

Deshalb kämpfe ich dafür, dass wir für eine gute Ausgestaltung solcher Abkommen eintreten und sie am Ende daran messen, ob unsere Standards erfüllt werden.

(Dr. Ralf Stegner)

Ich kann Ihnen nur sagen: Die Sozialdemokratie, da, wo sie mitzureden hat, wird dem Abkommen nicht zustimmen, wenn die wesentlichen Standards nicht erfüllt sind. Aber diese absolutistischen und fundamentalistischen Positionen von der einen und von der anderen Seite sind nicht demokratisch.

Und ein Letztes: Wir gewinnen gar nichts, wenn wir zu Abkommen nur Nein sagen, und die werden dann zwischen Amerika, China, Kanada und sonst irgendjemandem geschlossen. Glaubt irgendjemand, dass unsere Standards so bleiben, dass alles so bleibt, wie es in Deutschland ist, wenn wir uns einfach aus allem herausziehen? Das wird nicht passieren.

(Beifall SPD, FDP und Jette Waldinger- Thiering [SSW])

Wir müssen Einfluss nehmen wollen. Das geschieht durch die Formulierung von Bedingungen, durch gute Bedingungen, die wir stellen. Deshalb sollten wir uns an den Beschluss halten, den wir verabschiedet haben.

(Vereinzelter Beifall SPD)

Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat jetzt Herr Abgeordneter Bernd Voß das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich glaube, ich sage Ihnen nichts Neues, und es ist eine Selbstverständlichkeit: Wenn man aus dem Land zwischen den Meeren kommt, dann weiß man, dass internationaler Ideenaustausch, dass internationaler Handel, uns grundsätzlich voranbringt. Ich glaube, das stellt auch überhaupt keiner infrage. Aber es braucht auch Leitplanken.

Wir müssen, wenn wir sehen, was im Moment in der europäischen Öffentlichkeit bei der Frage des Freihandels läuft, sagen, dass wir es als einen riesigen Erfolg sehen, dass wir endlich eine europäische Debatte zu dem Thema haben. Diese europäische Debatte hat dazu geführt, dass sich die EUKommission dazu entschieden hat, CETA als gemischtes Abkommen einzustufen. Damit besteht auch Klarheit darüber, dass darüber im Bundesrat mit entschieden wird. Ich glaube, dass damit auch Klarheit darüber besteht, dass das nicht vorübergehend in Kraft gesetzt werden kann. Das ist angesichts der weitreichenden Folgen, die dieses Abkommen für den Gestaltungsspielraum der nationa

len, der regionalen und auch der kommunalen Ebene hat, wichtig. Es ist daher auch eine richtige und wichtige Entscheidung.

Wir Grüne haben dazu eine ganz klare Haltung: Wir lehnen das Abkommen in seiner jetzigen Form ab. Eine Zustimmung des Bundesrates kommt daher für uns nicht infrage.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und Wolfgang Dudda [PIRATEN] - Zurufe CDU)

Dafür ist kein neuer Beschluss erforderlich. Dieses Haus hat bereits mehrere Beschlüsse dazu gefasst. Ich will sie hier nicht noch einmal im Einzelnen zitieren, denn ich glaube, das kann ich mir sparen. Aus diesen drei Beschlüssen geht sehr, sehr klar hervor, welche Anforderungen gestellt werden.

Zum Antrag der PIRATEN: Wir stimmen weitgehend mit Ihnen überein, halten ihn für zustimmungsfähig und werden ihn zur weiteren Beratung in den Europaausschuss überweisen.

Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage oder -bemerkung des Abgeordneten Dr. Breyer?

Gern.

Herr Kollege! Erste Frage: Warum stimmen Sie unserem Antrag nicht zu?

Zweite Frage: In dem Beschluss von 2014 sind Bedingungen formuliert. Das heißt, die Frage ist nicht beantwortet, ob CETA diese Bedingungen erfüllt oder nicht. Teilen Sie meine Meinung, dass das eindeutig nicht der Fall ist?

Am Ende dieses Beschlusses heißt es, die Landesregierung soll nicht zustimmen, wenn die Bedingungen nicht erfüllt sind. Ist Ihnen klar, dass es einen Unterschied gibt zwischen nicht zustimmen und ablehnen?

- Es ist mir klar, dass das ein Unterschied ist. Es ist zugleich so, dass wir im letzten Antrag sehr deutlich formuliert haben, dass wir jegliche Form von Sondergerichtsbarkeit ablehnen werden. Ich glaube, der Punkt macht das einfach sehr, sehr deutlich.

Wir werden Ihren Antrag in den Ausschuss schieben, um dort noch einmal intensiv zu beraten, welche Punkte man genauer angucken muss. Sie haben

(Dr. Ralf Stegner)

ja Copy and Paste vom Antrag der Volksinitiative gemacht. Da haben Sie einige Dinge original aus Bayern übernommen, die wir auch noch einmal aus schleswig-holsteinischer Sicht durchkorrigieren müssen. Von daher geht es ab in den Ausschuss mit dem Antrag - so die Mehrheit das nachher beschließt.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich möchte an dieser Stelle noch einmal kurz auf die Anträge von CDU und FDP eingehen. Erst einmal herzlichen Glückwunsch an die CDU, dass sie nach immerhin bummelig weit über drei Jahren intensiver zivilgesellschaftlicher und gelegentlich auch parlamentarischer Debatte aufgewacht ist und gemerkt hat, dass man über CETA und über TTIP intensiv diskutieren sollte. Ich nenne wieder die Stichworte: weibliche und urbane Wählerinnen gewinnen, Landwirtschaft und Verbraucher sind betroffen. Sie haben zusätzlich noch entdeckt, dass der Mittelstand davon betroffen ist.