Protokoll der Sitzung vom 22.07.2016

Selbstverständlich gibt es auch bei mir den einen oder anderen in der Fraktion, der sich die Frage stellt: Muss man eine solche Festlegung wirklich im Rahmen einer Verfassung klären, oder hätte nicht auch eine einzelgesetzliche Regelung gereicht?

Ich sage Ihnen aber sehr deutlich: Es gibt niemanden in meiner Fraktion, der nicht das unterstützt, was Heiner Garg so treffend in einem weltweit erscheinenden Medium formulierte, indem er sagte, natürlich würde sich die Nicht-Leistung der Kabinettsmitglieder nicht sonderlich verringern. Aber in der Tat, es sollte selbstverständlich sein, dass man in dem Land, für das man arbeitet, auch lebt. Diese Formulierung von Heiner Garg unterstützt meine Fraktion eins zu eins.

(Beifall CDU)

Es ist doch auch ein Armutszeugnis für die SPD in Schleswig-Holstein, dass sie über keinerlei Personen verfügt, die von Herrn Albig für ministeriabel gehalten werden.

Herr Kollege Kubicki, Ihr Versuch, die Debatte ein Stück weit ins Lächerliche zu ziehen, musste aus unserer Sicht misslingen. Sie formulierten: Mit der Verfassung spielt man nicht. - Warum ist es hier Spielen mit der Verfassung, wenn in Hamburg mit Zustimmung der SPD, mit Zustimmung der Grünen und der FDP die exakt gleiche Formulierung in die Landesverfassung geschrieben wurde? Warum ist das da keine Spielerei, aber uns werfen Sie Spiele

(Präsident Klaus Schlie)

rei vor, wenn wir genau die gleiche Formulierung hineinnehmen, die dort mit breiter Mehrheit beschlossen wurde?

(Beifall CDU)

Ich verstehe das überhaupt nicht.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Das macht ja Spaß!)

Die Vorsitzende der Grünen und auch andere haben uns beim letzten Mal Chauvinismus vorgeworfen. Eka von Kalben formulierte wörtlich - ich zitiere -:

„Liebe CDU: Welches Familienbild haben Sie eigentlich, wenn Sie meinen, dass Minister und Ministerinnen mit Familie und Partner für einen Job den Wohnort wechseln müssen, der durchaus in diesem Land auch einmal weniger als fünf Jahre währen kann?“

Das formulierte Eka von Kalben in der letzten Sitzung. Darf ich daraus schließen - da Sie uns da Familienfeindlichkeit vorwerfen -, dass Sie auf der anderen Seite, wenn Frau Ernst jetzt für den Landtag kandidiert, dann auch das Wahlgesetz entsprechend ändern, um das zu ermöglichen? Das wäre doch die notwendige Konsequenz, sonst ist genau das nämlich familienfeindlich, was Sie dort an dieser Stelle machen.

(Zuruf FDP: Das ist aber ein bisschen dünn! - Beate Raudies [SPD]: Das ist nicht dünn! Scheinheilig ist das! Unglaublich!)

- Ich sage Ihnen: Ich halte das auch für ein Stück Scheinheiligkeit, was hier für eine Debatte geführt wird.

(Vereinzelter Beifall CDU)

Denn hier im Landtag werfen Sie uns allen Ernstes Familienfeindlichkeit vor und die Debatte sei nicht zeitgemäß, aber an gleicher Stelle führt BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN in der gleichen Zeit in Bargteheide einen Bürgermeisterwahlkampf, der sich echt gewaschen hat. Dort gab es die Konkurrenzsituation zwischen einer grünen Kandidatin auf der einen und einem CDU-Kandidaten auf der anderen Seite. Die Grünen haben allen Ernstes, weil der CDUKandidat vorher offen erklärt hat, dass er in Hamburg wohnen bleiben wird, eine Kampagne gegen diesen Kandidaten geführt, ihm diese Vorwürfe unterbreitet und für ihre Kandidaten dann mit dem Slogan geworben: „Eine von hier muss es werden!“.

Und wissen Sie, was die Begründung des CDUKandidaten war, dass er nicht umziehen wollte

das hat er auch öffentlich gesagt? Er hat drei kleine Kinder, die nicht aus ihrem sozialen Umfeld herausgerissen werden sollten. Da sage ich an dieser Stelle: Wie familienfeindlich ist denn das, was Sie von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN in Bargteheide getrieben haben?

(Beifall CDU)

Damit Sie uns nicht vorwerfen, wir würden hier sozusagen einen unzulässigen Vergleich ziehen, weil das die kommunale Eben ist: Die Haupträdelsführerin für diese Kampagne war Ruth Kastner, Ihre Landesvorsitzende der Grünen. Das muss man sich einmal vorstellen.

(Beifall CDU - Zuruf der Abgeordneten Eka von Kalben [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Und hier stellen Sie sich so hin!

Sie sollten aber auch wissen, wie das Ergebnis dieser Kampagne war: für uns bitter - wir hätten den Kandidaten gern durchgesetzt. Ausschließlich wegen dieser Kampagne - da können Sie jeden fragen, der das dort vor Ort beobachtet hat - haben sich zwei Drittel der Wählerinnen und Wähler gegen den CDU-Kandidaten entschieden. Und da wollen Sie uns allen Ernstes erzählen, wenn so etwas im Hamburger Umland stattfindet, dass es für die Menschen keine Relevanz hat, wo jemand wohnt, der hier arbeitet?

Sie wissen ganz genau, dass das eine hohe Relevanz hat und Sie sich dieser Diskussion auch stellen müssen. Deswegen bitte ich Sie inständig - wir haben ja heute eine namentliche Abstimmung darüber, auf die sich meine Fraktion sehr freut -: Denken Sie noch einmal darüber nach! Ich hoffe, Sie haben die Zeit genutzt. Eine Anhörung hatten Sie ja nicht; von daher müssen Sie Ihre Auffassung geändert haben, denn sonst würde eine Debatte heute keinen Sinn machen. Ich bitte Sie um Zustimmung zu unserem Gesetzentwurf. - Herzlichen Dank.

(Beifall CDU - Wolfgang Kubicki [FDP]: Das ist ja schön! Hattet ihr denn eine Anhö- rung? Ich komme gleich dazu!)

Das Wort für die SPD-Fraktion hat der Abgeordnete Martin Habersaat.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ein gebürtiger Göttinger war zwölf Jahre lang Oberbür

(Daniel Günther)

germeister von München und Jahre später für kurze Zeit Regierender Bürgermeister von Berlin.

(Zuruf CDU: Na sowas!)

Dieser Mann hatte einen Bruder, der für eine andere Partei zwölf Jahre lang Ministerpräsident in Rheinland-Pfalz war und später noch einmal elf Jahre als Ministerpräsident in Thüringen dranhängte. Ich kann mich nicht entsinnen, dass irgendjemand die Eignung von Hans-Jochen Vogel oder von Bernhard Vogel in Zweifel gezogen hätte, in mehr als einem Bundesland politisch aktiv zu sein.

(Zuruf CDU: Die haben dort gewohnt!)

Wenn wir uns darüber einig sind, dass weder der Geburtsort noch das politische Engagement in einer bestimmten Stadt oder einem bestimmten Bundesland ein Ausschlusskriterium sein kann, auch woanders engagiert und erfolgreich Politik zu gestalten, welche Wertigkeit kann dann der aktuelle Erstwohnsitz haben?

In den Känguru-Chroniken von Marc-Uwe Kling wird als Bewertungskriterium für Sachverhalte aller Art die Kategorisierung „witzig“ oder „nicht witzig“ empfohlen. Das heutige CDU-Ansinnen könnte ich durchaus unter der Rubrik „witzig“ abstempeln, wenn da nicht ein paar betrübliche Aspekte zu benennen wären.

(Volker Dornquast [CDU]: Ach ja?)

- Haben Sie, Herr Dornquast, in der CDU darüber diskutiert, ob das, was Sie hier tun, ein angemessener Umgang mit dem Amt der Ministerin oder des Ministers ist?

(Volker Dornquast [CDU]: Ja! Noch ange- messener ist Umziehen!)

Noch interessanter fand ich die Öffentlichkeitsarbeit, die Sie um diese Initiative herum betrieben haben. Haben Sie in der Fraktion diskutiert, ob es ein angemessener Umgang war, Ole von Beust und seinen Lebensgefährten mit in diese Diskussion zu werfen? Da frage ich mich, wie Sie das diskutieren. Sagt dann jemand in der CDU: Na ja, vielleicht können wir noch einmal Ressentiments gegen Homosexuelle in die Debatte werfen? Das würde uns vielleicht die eine oder andere konservative Stimme sichern?

(Zuruf Volker Dornquast [CDU])

Oder, Herr Koch, haben Sie sich überlegt, zu sagen: Na ja, der Kreisverband Pinneberg könnte noch einen Ellbogencheck verkraften, und wir könnten

vielleicht noch darauf hinweisen, dass allzu junge Lebensgefährten von der CDU abgelehnt werden?

(Volker Dornquast [CDU]: Wir sprechen vom Wohnort!)

Warum haben Sie das in die Debatte geworfen? Warum an diesem Beispiel? Ich verstehe es nicht.

In ihrem Gesetzentwurf fordert die CDU, den Wohnsitz in angemessener Zeit in Schleswig-Holstein zu nehmen. Was ist eine angemessene Zeit? Ein Ministeramt ist kein Beruf, sondern ein Amt, das ohne feste Dauer und vor allem ohne Kündigungsfrist verliehen wird. Im Normalfall ist ein Regierungsmitglied nicht nur Mitglied eines Kabinetts, sondern auch Mitglied einer Familie. Was ist jetzt das Bestreben der Antragsteller? Sollen Ehepartner und Kinder ihren Beruf beziehungsweise ihre Schule aufgeben, wie es die CDU in Bargteheide ja offenbar falsch gefunden hätte, wenn ich Herrn Günther, der jetzt leider nicht mehr bei uns sein kann, richtig verstanden habe?

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Er hat einen Pres- setermin!)

- Ja, es gibt Pressetermine vor der Tür, dafür müssen wir Verständnis haben.

Oder erwartet die CDU, dass die familiäre Lebensgemeinschaft für die Dauer eines Ministeramtes aufgegeben wird?

Meine Damen und Herren von der CDU, mich interessiert herzlich wenig, welche Anschrift bei Frau Ernst im Personalausweis steht. Mich interessiert viel mehr, dass sie in der vergangenen Woche da erfolgreich war, wo CDU und FDP in der letzten Legislaturperiode nichts auf die Reihe gebracht haben, nämlich zum Beispiel bei der Regelung des grenzüberschreitenden Schülerverkehrs zwischen Schleswig-Holstein und Hamburg.

(Beifall SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN - Unruhe CDU)

Könnten wir uns darauf verständigen, dass hier vorn geredet wird und Herr Habersaat das Wort hat?