Protokoll der Sitzung vom 22.07.2016

Genauso haben sich diejenigen bewegt, die gesagt haben: Wir möchten einen Toleranzbegriff in der Verfassung haben, die Werte Freiheit, Toleranz, Gerechtigkeit, die mir sehr wichtig sind. Ich wünsche mir sehr, dass die in die Verfassung aufgenommen werden.

Ich muss allerdings auch sagen, dass wir uns doch den Text einmal ganz genau ansehen müssen: „Gott oder aus anderen Quellen“. Das bedeutet für mich, dass es durch den vorliegenden, den letzten Entwurf, der mir wirklich mit Abstand am besten gefällt, gelungen ist, durch einen Kompromiss, durch viele Gespräche etwas herzustellen, von dem ich den Eindruck und das Gefühl habe: Hier ist es auf

(Birte Pauls)

Augenhöhe, hier haben alle Respekt - wenn sie sich dahinter versammeln können - vor denjenigen, die an Gott glauben, denen er Kraft gibt- was ich all denen wünsche, bei denen das so ist -, denen er Halt gibt, und denjenigen, die sagen: Ich glaube nicht an Gott. Es steht auch - das ist mir ganz wichtig - nicht das Wort Kirche darin. Es steht das Wort „Gott“ darin „oder andere Quellen“.

Deswegen habe ich den Eindruck, dass sich ganz viele aufeinander zu bewegt haben in dem Prozess, einen fairen Kompromiss zu finden. Wenn so oft andere auf mich zugehen und mit mir einen Kompromiss eingehen möchten, dann möchte ich heute auf Sie zugehen. Ich werde Ihrem Kompromissvorschlag zustimmen. Es ist mir durchaus klar, dass es eine der entscheidenden, vielleicht am Ende die 46. Stimme sein kann. Ich weiß es nicht genau, wie es im Moment aussieht. Aber ich tue das in dem vollen Bewusstsein, dass der Satz „Menschliches Handeln ist unvollkommen“, uns bestimmt alle vereint. Ich würde mich freuen, wenn wir heute eine gemeinsame Lösung finden könnten. - Vielen Dank.

(Beifall)

Das Wort hat Herr Abgeordneter Rasmus Andresen.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Es ging mir anfangs in der Debatte ein bisschen wie der Kollegin Bohn. Auch ich habe immer gedacht: Mein Gott, dauert die Debatte schon lang, vielleicht sollten wir jetzt auch wieder zu anderen Themen kommen. - Aber ich nehme auch wahr, dass es sehr, sehr viele Menschen gibt, die sich dazu verhalten und die dazu eine Haltung haben, in welche Richtung auch immer. Ich habe mich in den letzten Debatten dazu nicht geäußert, weil ich es schon sehr ernst nehme und auch ernst nehme, was an Argumenten von Menschen kommt, die eine andere Haltung haben als die, die ich habe.

Ich möchte aber hier gern noch ein oder zwei Argumente erwähnen, die aus meiner Sicht dazu führen, dass ich dem neuen, dem sogenannten dritten Kompromissvorschlag, heute nicht zustimmen werde. Das eine ist die Frage: Ist das Ganze eine Demutsformel oder nicht? - Ich stimme den Kollegen zu, die schon gesagt haben - das ist auch aus meiner

Perspektive so -, dass die Formulierung mit den Wörtern „Glaube an Gott“ keine Demutsformel, sondern eine Bekenntnisformel ist. Für mich hat das nichts mit Demut, sondern das hat etwas mit Glauben zu tun. Der kann sehr unterschiedlich sein, aber Demut kann ich daraus nicht ablesen.

(Beifall Torge Schmidt [PIRATEN] und Lars Harms [SSW])

Das andere Argument ist die Öffnung zu den sogenannten anderen Quellen. Natürlich unterstellt Ihnen keiner und auch nicht die Wissenschaftler, die sich dazu geäußert haben - es ging ein Raunen durch den Saal, als der Kollege Breyer diese Argumente nur vorgetragen hat -, dass Sie Beispiele meinen, die von Wissenschaftlern in die Debatte eingebracht worden sind. Aber das Problem ist doch: Andere Leute könnten diese Beispiele meinen. Und darum geht es hier. Das darf aus meiner Sicht nicht sein.

Das dritte Argument ist ein anderes. Es hat immer auch eine Rolle gespielt, wie sich die gesellschaftliche Debatte weiterentwickelt: Was ist mit anderen Kräften, die nicht im Parlament sind? Das kann man so zugespitzt formulieren, wie es der Kollege Kubicki getan hat, man kann es auch anders tun. Aber auch da möchte ich darauf hinweisen, dass wir in einer gesamtgesellschaftlichen Situation sind, wo wir alles dafür tun müssen, wirklich alles dafür tun müssen, unsere Demokratie und unseren Rechtsstaat zu verteidigen, in einer Situation, wo das europaweit alles nicht mehr selbstverständlich ist.

Gerade vor diesem Hintergrund glaube ich, dass es ein falsches Signal sendet, wenn wir uns auf etwas Abstraktes, auf etwas Höheres berufen. Ich weiß, dass es von vielen, die diese Initiative eingebracht haben oder auch die Unterschriften dafür gesammelt haben, so nicht gemeint ist, aber ich sehe darin eine große Gefahr und halte deshalb das Signal, jetzt hier einem Gottesbezug - in welcher Form auch immer - zuzustimmen, für ein falsches Signal in der gesamtgesellschaftlichen Lage, in der wir uns befinden.

(Beifall PIRATEN und vereinzelt BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich möchte aber zum Ausdruck bringen, dass wir uns alle bewegt haben oder sich viele von uns bewegt haben, dass ich deshalb wie viele Kollegen der FDP oder auch meine Kollegin Erdmann, die heute nicht hier ist, einen Kompromissvorschlag das ist der einzige Unterschied zum Kollegen Peters - eingebracht habe, weil ich schon auch sehe, wie

(Dr. Marret Bohn)

viele Menschen diese Fragen bewegen und dass für viele Menschen Religion - Religion hat eine gesellschaftliche Bedeutung bei uns - etwas ganz Wichtiges ist. Deshalb haben wir hier diesen Vorschlag eingebracht. Es wird wahrscheinlich nicht der sein, der hier am meisten Stimmen auf sich vereinen kann. Ich möchte trotzdem noch einmal für diesen Vorschlag werben, weil er ausdrücklich gemeint ist als ein Aufeinanderzugehen.

Aus unserer Sicht bezieht sich dieser Vorschlag schon auf sehr viele Argumente, die auch vonseiten der Gottesbezug-Befürworter eingebracht worden sind, aber er berücksichtigt die gesamtgesellschaftliche Debatte, die wir gerade in Europa haben. Dort geht es in erster Linie um Demokratie und Rechtsstaat und nicht Gleichberechtigung mit einem abstrakten Glauben. - Vielen Dank.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP und SSW)

Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Heiner Garg.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Zunächst einmal will ich feststellen: Auch ich bin der Auffassung, dass unabhängig davon, welcher der vorliegenden Gesetzentwürfe möglicherweise die notwendige Mehrheit bekommt oder auch nicht, nicht irgendeinen Schaden für das Land angerichtet würde. Ich glaube allerdings auch, dass jemand, der sich nicht für den Gottesbezug ausspricht, sich nicht destruktiv verhält.

(Beifall FDP, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Ich sage das ganz bewusst. Ich bin gestern aufgefordert worden, über meine „destruktive Haltung“ noch einmal nachzudenken. Ich bin darüber, ehrlich gesagt, erstaunt gewesen, weil ich auch nach der monatelangen Diskussion, die wir miteinander geführt haben, zu keinem Zeitpunkt die Auffassung vertreten habe, dass ich oder Vertreter meiner Fraktion sich destruktiv verhalten haben. Sondern wir haben uns ernsthaft bemüht und im Übrigen auch kompromissfähig gezeigt - wie auch der Gesetzentwurf zeigt, den wir gemeinsam mit fünf Mitgliedern unserer Fraktion und gemeinsam mit anderen vorgelegt haben.

Warum ich heute keinem der vorgelegten Gesetzentwürfe, die einen expliziten Gottesbezug beinhalten, zustimmen werde, hat aber einen ande

ren Grund: Keine der Religionen, die erwähnt wurden, keine Religion, die ich kenne, die sich sozusagen einen Gott zu eigen macht, akzeptiert mich und Menschen wie mich so, wie sie sind, wie sie leben und wen sie lieben - keine!

Liebe Kolleginnen und Kollegen, da braucht man gar nicht in die Vergangenheit zurückzublicken. Ja, ich teile das, was Sie, Kollege Peters, gesagt haben. Aber ich glaube, da uns diese Religionen, die sich unmittelbar - das lässt sich nicht voneinander trennen - auf Gott beziehen, etwas verwehren, ist es, glaube ich, vor dem Hintergrund mehr als verständlich, dass ich bei allem Respekt vor allen Kolleginnen und Kollegen, die eine andere Auffassung haben, bei meinem eigenen Glauben an eigene Fehlbarkeit, an die Unvollkommenheit von Menschen einem Gottesbezug in unserer Verfassung nicht zustimmen kann und deswegen auch nicht zustimmen werde. - Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit.

(Beifall FDP, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, PIRATEN und SSW)

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Beratung.

Im Ältestenrat wurde vereinbart, über die vorliegenden Gesetzentwürfe in der Reihenfolge der Einreichung abzustimmen. Ich weise darauf hin, dass für die Verabschiedung, die nach Artikel 47 Absatz 2 Landesverfassung erforderliche Zweidrittelmehrheit, also die Zustimmung von mindestens 46 Abgeordneten, erforderlich ist.

Wir stimmen zuerst über den Gesetzentwurf zur Änderung der Verfassung des Landes SchleswigHolstein, Drucksache 18/4107 (neu), ab. Wer dem Gesetzentwurf Drucksache 18/4107 (neu) zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte meine beiden Schriftführer auszuzählen.

Danke. - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Meine Damen und Herren, wir müssen, da das nicht aufgeht, Sie noch einmal bitten abzustimmen. Ich bitte noch einmal die Ja-Stimmen. - Danke. Die NeinStimmen! - Enthaltungen?

(Zuruf SPD: Habt ihr das Präsidium mitge- zählt?)

- Es fehlt die Frau Abgeordnete Anke Erdmann. Wir müssten also 68 Stimmen haben. Es tut mir leid, wir sind bisher nur auf 67 Stimmen gekommen. Bitte?

(Zuruf Detlef Matthiessen [SPD])

(Rasmus Andresen)

- Selbstverständlich haben wir uns im Präsidium mitgezählt, Herr Abgeordneter Matthiessen.

(Zuruf: Den MP auch? - Zuruf Präsidium: Den MP haben wir auch mit dabei!)

- Es tut mir leid. Wir müssen es noch einmal wiederholen, wir stimmen schließlich über die Verfassung ab. Ich bitte diejenigen, die dafür sind, aufzustehen.

- Der Präsident hat selber gezählt. Meine Damen und Herren! Für diesen Gesetzentwurf haben wir 37 Ja-Stimmen, 26 Nein-Stimmen und fünf Enthaltungen. Damit haben wir die Zweidrittelmehrheit nicht erreicht.

Wir stimmen über den Gesetzentwurf zur Änderung der Verfassung des Landes Schleswig-Holstein, Drucksache 18/4264, ab. Wer diesem Gesetzentwurf zustimmen will, der stehe bitte auf. - Danke. Wer ist dagegen? - Danke. Enthaltungen? - Danke. Dieser Gesetzentwurf hat 11 Ja-Stimmen, 49 NeinStimmen und 7 Enthaltungen bekommen. Damit ist auch hier die Zweidrittelmehrheit nicht erreicht.

Wir kommen nun, meine sehr geehrten Damen und Herren, zur Abstimmung zu c), Gesetzentwurf zur Änderung der Verfassung des Landes SchleswigHolstein, Drucksache 18/4408. Wer diesem Gesetzentwurf zustimmen will, der stehe bitte auf. - Danke. - Nein-Stimmen! - Danke. Enthaltungen? - Für diesen Gesetzentwurf haben 45 Abgeordnete mit Ja gestimmt und 23 mit Nein. Damit hat auch dieser Gesetzentwurf nicht die erforderliche Zweidrittelmehrheit erhalten.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Nach einer kurzen Atempause rufe ich Tagesordnungspunkt 3 auf:

Zweite Lesung des Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung der Verfassung des Landes SchleswigHolstein

Gesetzentwurf der Fraktion der CDU Drucksache 18/4270

Bericht und Beschlussempfehlung des Innen- und Rechtsausschuss Drucksache 18/4358

Ich sehe, das Wort zur Begründung wird nicht gewünscht. Ich erteile das Wort der Frau Berichterstatterin des Innen- und Rechtsausschusses, der Abgeordneten Barbara Ostmeier.

Sehr geehrter Herr Präsident! Ich verweise auf die Vorlage.

Ich danke der Frau Berichterstatterin. - Ich eröffne die Aussprache. Das Wort für die CDU-Fraktion hat der Fraktionsvorsitzende, der Herr Oppositionsführer, der Abgeordnete Daniel Günther.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zweite Lesung zu diesem Gesetzentwurf: Offenbar wird dieses Thema Residenzpflicht ja für so wichtig gehalten, dass die FDP-Fraktion darauf beharrt hat, diese Diskussion heute durchzuführen, und die SPD-Fraktion sogar auf einer namentlichen Abstimmung besteht. Ich weiß, dass bei Ihnen der Hintergrund dafür sein könnte, uns bei diesem Thema vorzuführen. Ich sage Ihnen: Das werden Sie nicht schaffen.

Selbstverständlich gibt es auch bei mir den einen oder anderen in der Fraktion, der sich die Frage stellt: Muss man eine solche Festlegung wirklich im Rahmen einer Verfassung klären, oder hätte nicht auch eine einzelgesetzliche Regelung gereicht?