Der Staat muss Kinder und Jugendliche vor Missbrauch und sexueller Ausbeutung schützen. Niemand darf zu einer Ehe gezwungen werden, erst recht kein minderjähriges Mädchen.
Wenn wir zu unserer Überzeugung stehen wollen, dann hat der Kinder- und Jugendschutz auch für Flüchtlingskinder und für Einwandererkinder höchste Priorität. Die Herausforderung für die Politik ist es, entsprechende Möglichkeiten zu schaffen und zu verbessern.
Auf der anderen Seite wollen wir andere Kulturen und Werte auch aufgrund unserer Freiheitsrechte respektieren. Dies bringt uns in eine schwierige Abwägungssituation. Ich denke, wir stehen erst am Beginn des Weges, die Lösungen dafür zu finden.
Dieser Wertekonflikt, in dem wir uns scheinbar zwischen dem Schutz vor Kindern und dem Respekt vor anderen Kulturen und Religionen entscheiden müssen, ist gesamtgesellschaftlich zu lösen. Sonst werden wir neue Ungerechtigkeiten schaffen. Es ist ein gesellschaftlicher und politischer Diskurs, wie wir mit dieser Problematik umgehen wollen. Es ist wichtig, dass wir das tun.
Aus diesem Grunde begrüßen wir ausdrücklich die Einrichtung einer Bund-Länder-Kommission. Ich gehe davon aus, dass wir in den Ausschussberatungen noch darauf zu sprechen kommen. Vielleicht sollte man nicht nur den Innen- und Rechtsausschuss hinzuziehen, weil auch andere betroffen sind. Wir sollten auch andere Ergebnisse in die Beratung einbeziehen, bevor wir Ende dieses Jahres oder Anfang nächsten Jahres eine für uns konsensfähige Entscheidung treffen.
Wir sollten die Ergebnisse der Arbeit der BundLänder-Kommission abwarten. Ich erwarte, dass die vom Bundesinnenministerium vorgegebene Schlagzahl bis dahin erhöht wird. Die Stimmen des Bundesinnenministeriums klingen nicht abwartend, sondern das Bundesinnenministerium drängt darauf, vorher eine Entscheidung zu treffen. Ich denke, wir sollten uns diese Zeit nehmen.
Ich persönlich stimme dem von Herrn Kollegen Peters geäußerten Wunsch nicht zu, bei uns eine generelle Grenze von 18 Jahren einzuführen. Ich habe vollkommen freiwillig mit 16 Jahren geheiratet. Das war juristisch gestattet. Ich habe mich vollkommen freiwillig mit 18 Jahren scheiden lassen.
Das Ganze hat mir nicht geschadet. Mir geht es eigentlich ganz gut damit. Ich glaube, diese Ausnahmen sollten auch in Zukunft möglich sein. - Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das deutsche Recht ist manchmal unerwartet einfach, so auch in Sachen Ehemündigkeit. § 1303 BGB sieht vor, dass eine Ehe nicht vor Eintritt der Volljährigkeit eingegangen werden soll. Noch zu Kaisers Zeiten sah das Gesetz vor, dass der Mann unbedingt volljährig sein müsse, die Frau dagegen nicht unbedingt. Inzwischen hat sich die Erkenntnis durchgesetzt, dass junge Menschen die Tragweite ihrer Entscheidung in der Regel nicht absehen können.
Ich möchte an dieser Stelle auf die bewährte Praxis der Begleitung dieser Partnerschaften durch das Jugendamt hinweisen, sofern ein Partner unter 18 Jah
re alt ist und eine Eheschließung im Ausnahmefall genehmigt worden ist. Auf diese Weise erfahren diese Paare in Deutschland gute Unterstützung. Prinzipiell ist es aber richtig, dass Volljährigkeit und Ehe miteinander verknüpft sind und Ehen unter 18 Jahre die absolute Ausnahme sind.
Eigentlich dürfte diese Ausnahme hier in Deutschland auch nicht mehr sein. Ich finde, die Ehemündigkeit sollte einheitlich bei 18 Jahren liegen, meine Damen und Herren.
Andere Länder sehen das anders. Derzeit wird im Iran über die Ehemündigkeit von Mädchen im Alter von neun Jahren diskutiert, wie es bis 2002 galt. Seitdem müssen die Mädchen mindestens zwölf Jahre alt sein. Bei allem Respekt vor kulturellen Unterschieden ist eine Eheschließung vor Eintritt der körperlich-sexuellen Reife Barbarei.
Die Mädchen kennen ihren Körper noch gar nicht, müssen aber mit einem älteren Mann schlafen. In Europa ist eine solche Praxis unvorstellbar. Meine Damen und Herren, das ist und bleibt Kindesmissbrauch, und zwar auch dann, wenn die Kinder 12 oder 14 Jahre alt sind.
Darum bin ich auch gegen das Wort „Kinderehe“; denn damit wird die Situation nur verniedlicht. Ehen mit einer Partnerin im Kindesalter sind für mich keine Ehen, sondern sexueller Missbrauch.
Derzeit geht der Bundesjustizminister von rund 1.000 Paaren in Deutschland aus, von denen die Partnerin 15 Jahre alt oder jünger ist. Meistens sind dies eingewanderte Flüchtlinge. Nachdem die Zahlen durch die Flüchtlingszuwanderung in den letzten Monaten gestiegen sind, wurde eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe eingerichtet. Diese hat Anfang September ihre Arbeit aufgenommen. Das Ziel ist klar: Schutz der Mädchen.
Ich halte darum überhaupt nichts von der Ausweisung der Paare, wie sie in Dänemark diskutiert wird. Es muss möglich sein, die Mädchen hier in Deutschland zu unterstützen und zu schützen. Die betroffenen Jugendämter berichten von sehr komplexen Gefühlslagen der Mädchen bis hin zur Angst vor Ausweisung. Diese Angst müssen wir den jungen Mädchen nehmen.
Darum schlagen wir vor, in einem ersten Schritt diese Ehen nicht anzuerkennen, und zwar mit allen Konsequenzen. Der Schutz der jungen Mädchen hat absoluten Vorrang vor allen anderen Belangen. Das sage ich ganz deutlich, weil natürlich mit einer Ehe
schließung durchaus auch Familiennachzug verknüpft ist. Das darf man nicht unterschätzen. Ich glaube, an dieser Stelle hat der persönliche Schutz der Mädchen absoluten Vorrang.
Wir müssen das Thema sehr ernst nehmen. Mir erscheint es geboten, die Beratungen der Arbeitsgruppe abzuwarten und dann die notwendigen Entscheidungen zum Wohle der Mädchen zu treffen.
Ich glaube, die vorliegenden Anträge von uns, aber auch von der FDP bieten eine gute Basis für einen gemeinsamen, breiten Beschluss dieses Parlaments. Es ist mir ein wichtiges Anliegen, in dieser Sache einen so breit wie möglich gefassten Beschluss zu fassen. - Vielen Dank.
Weitere Wortmeldungen aus dem Parlament liegen nicht vor. Dann hat jetzt die Landesregierung das Wort, und zwar die Ministerin für Justiz, Kultur und Europa, Anke Spoorendonk.
Herr Landtagspräsident! Meine Damen und Herren Abgeordnete! In den letzten Monaten ist viel über Kinderehen berichtet und diskutiert worden. Dabei geht es vor allem um die Fälle, in denen minderjährige Mädchen als Flüchtlinge nach Deutschland und in andere EU-Staaten eingereist sind, die in ihren Heimatländern oder auf der Flucht verheiratet wurden, zum Teil mit deutlich älteren Männern. Es soll sich deutschlandweit um mehrere hundert, vielleicht sogar tausend Betroffene handeln.
Belastbare Statistiken fehlen jedoch bislang. Dies gilt im Übrigen nicht nur für Schleswig-Holstein, sondern auch bundesweit. Frau Abgeordnete Rathje-Hoffmann, ich bin gern bereit, im Ausschuss etwas zu dieser Problematik zu sagen.
Wir wissen also nicht genau, um wie viele Fälle es sich tatsächlich handelt, in welchem Alter die Minderjährigen - zumeist Mädchen - verheiratet wurden, wie alt sie heute sind, wie alt ihre Ehepartner sind. Denn die wenigsten Flüchtlinge haben Geburtsurkunden und Heiratsurkunden bei sich. Viele kommen ohne Pässe nach Deutschland. Ebenso wenig haben wir Fakten zu den Motivlagen bei der Eheschließung und zur jetzigen Lebenssituation der Betroffenen.
Wir müssen davon ausgehen, dass es sich um sehr vielfältige Konstellationen handelt. Es mögen Fälle darunter sein, in denen 13-jährige Mädchen mit ihrem volljährigen Ehemann nach Deutschland kommen, die auf Druck ihrer Familien, vielleicht sogar unter Zwang, verheiratet wurden. Solche Ehen können und werden wir nicht akzeptieren, übrigens schon nach geltendem Recht nicht.
Ebenso gibt es jedoch 16- oder 17-jährige Mädchen, die ihren kaum älteren Mann aus freien Stücken, zum Teil sogar gegen den Willen ihrer Familien geheiratet haben, ohne dass zuvor ein Gericht oder eine andere staatliche Stelle die „Unbedenklichkeit“ dieser Ehe im Einzelfall geprüft hätte, so wie es in Deutschland der Fall wäre.
Wenn wir über Kinderehen sprechen, müssen wir auch an die Fälle denken, in denen Frauen als 13-, 15- oder 17-Jährige verheiratet wurden, seitdem aber schon viele Jahre einvernehmlich mit ihrem Mann zusammenleben und mit ihm Kinder großgezogen haben. Die Frage ist also, wie wir mit diesen Ehen umgehen wollen. Wollen wir diesen Ehen die Anerkennung versagen? Dies hätte zum Beispiel zur Folge, dass die Frauen hier nach vielen Jahren gelebter Ehe keinerlei Unterhaltsansprüche gegen ihre Ehemänner haben und sie auch nicht beerben könnten.
Meine Damen und Herren, im Übrigen würde eine Gesetzesänderung, wie sie die CDU anstrebt, nicht nur Ehen unter Flüchtlingen auf den Prüfstand stellen, sondern sämtliche im Ausland geschlossene Ehen, insbesondere auch von EU-Bürgern. Wollen wir auch solchen Ehen die Anerkennung versagen? Das wäre zudem mit Blick auf die Freizügigkeitsrechte von EU-Bürgern problematisch. Herr Abgeordneter Kubicki sprach indirekt an, ob es möglich ist, bilaterale Abkommen zu treffen. Das weiß ich nicht.
Wir müssen also das Problem der Kinderehen anpacken, dürfen dabei aber nicht aus dem Auge verlieren, wie vielfältig und vielschichtig die Thematik ist und wie unterschiedlich jeweils Wohl und Wille der betroffenen Minderjährigen ausfallen.
Wir als Landesregierung haben uns des Problems der Kinderehen bereits angenommen. SchleswigHolstein ist neben vier anderen Bundesländern in
einer Bund-Länder-Arbeitsgruppe vertreten, die eine sachgerechte Lösung erarbeiten soll. Die Arbeitsgruppe hat erstmals Anfang dieses Monats getagt und wird Ergebnisse voraussichtlich schon Ende des Jahres präsentieren können.
Eines hebe ich noch einmal hervor: Es geht nicht darum, hier jetzt die Position einer Bedenkenträgerin zu formulieren, sondern es geht darum, dass wir tragfähige Lösungen brauchen. Darum sage ich: Lassen Sie uns diese wenigen Monate abwarten, bevor wir eine Gesetzesinitiative in den Bundesrat einbringen, eine Gesetzesinitiative, die auf den ersten Blick verlockend einfach erscheinen mag, angesichts der Vielfalt und der Komplexität des Themas jedoch keine tragfähige Lösung bietet.
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Die Sprecherin der SPD-Fraktion und der Sprecher der Fraktion von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN haben beantragt, alle drei Anträge in den Innen- und Rechtsausschuss und mitberatend in den Sozialausschuss zu überweisen. Wer so verfahren will, den bitte ich um das Handzeichen. - Das ist einstimmig.
Antrag der Fraktionen von CDU, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, PIRATEN und der Abgeordneten des SSW Drucksache 18/4583