Protokoll der Sitzung vom 25.01.2017

Wenn man der Universität Freiburg glauben darf, sind wir hier in Schleswig-Holstein seit Jahren die glücklichsten Menschen - trotz niedriger Investitionsquote.

(Dr. Heiner Garg [FDP]: Wir wären noch glücklicher, wenn wir Auto fahren könn- ten! - Christopher Vogt [FDP]: Gut, dann können wir nach Hause gehen!)

Die Investitionsquote sagt nichts über das Bildungsniveau aus, nichts über die Qualität von Bildung, nichts über die kulturelle Vielfalt, nichts über das Lohnniveau, und sie sagt nichts über die Gerechtigkeit im Lande aus. Sie sagt auch nichts zur inneren Sicherheit aus, die momentan jedem hier so am Herzen liegt. Deshalb hat sie nach unserer Auf

fassung auch generell nichts in der Verfassung eines Landes zu suchen.

(Beifall PIRATEN, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Denn da gehören nach unserer Auffassung eher Aussagen hinein, die eine Gesellschaft bestimmen und zusammenhalten. So etwas nennt man dann Werte.

Die Investitionsquote ist eine Zahl, aber lange noch kein Wert, der es verdient, in die Verfassung aufgenommen zu werden. Das ist unsere Meinung, wir werden zusätzlich den Wissenschaftlichen Dienst bemühen, um zu prüfen, ob die Festschreibung der Investitionsquote überhaupt in unserer Verfassung stehen sollte oder aber ob durch die Festschreibung viel zu stark auf die Gestaltungsmöglichkeiten des Parlaments und jedes einzelnen Abgeordneten Einfluss genommen wird; denn eins müsste den Kollegen von der FDP klar sein: Wer bereits 12,5 % des Haushalts fest verplant, der ist in seinem Handlungsspielraum ziemlich stark eingeschränkt.

(Christopher Vogt [FDP]: Ja, das ist so!)

Wenn man sich so stark einschränkt, wie will man dann noch flexibel auf politische Erfordernisse reagieren können?

(Beifall PIRATEN, SSW und Rasmus An- dresen [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Ein Blick in die anderen Bundesländer hilft übrigens auch, um zu erkennen, dass die gewünschten 12,5 % eine frei erfundene und anscheinend gewürfelte Zahl sind. Selbst Bayern hatte im vergangenen Jahr keine so hohe Investitionsquote. Ich weiß, dass Bayern zwar früher einmal über 20 % hatte, aber das war natürlich wiederum nur möglich, weil es Einschnitte in anderen Bereichen gab.

(Christopher Vogt [FDP]: Da haben die Leu- te wirklich zu leiden!)

Weil selbst die sturen Bayern einsehen, wenn sie Fehler begehen, wird dort seit Jahren die Investitionsquote zurückgefahren. Das liegt ganz einfach daran, dass die Prioritäten ganz anders liegen. Investitionen sind wichtig, sie sind aber nur ein Posten von vielen.

(Beifall PIRATEN, Rasmus Andresen [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] und Flem- ming Meyer [SSW])

Es ist natürlich auch das gute Recht der FDP, ihren Fokus auf Investitionen zu legen. Die waren schon

(Rasmus Andresen)

in den vergangenen Jahren oftmals zu niedrig. Aber mit der Festschreibung einer Quote wäre es das völlig falsche Signal für dieses Land in dieser Zeit.

(Beifall PIRATEN und Anke Erdmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Heute haben wir bereits gehört, wohin sich der Schuldenberg Schleswig-Holsteins bewegt. Das oberste Ziel muss es doch sein, diesen unglaublichen Schuldenberg abzubauen.

(Beifall PIRATEN - Wortmeldung Christo- pher Vogt [FDP])

Herr Abgeordneter Schmidt, erlauben Sie eine Zwischenbemerkung? - Es hat sich erledigt. Gut.

Ich befürchte, wenn die FDP regieren könnte, dann würde der Schuldenabbau wieder auf übermorgen verschoben, und stattdessen würden fadenscheinige Investitionsprogramme aufgelegt, und das Geld versickerte wieder im Nirgendwo. Das kann nicht Ziel unserer Politik sein. Deswegen sind wir gegen eine Investitionsquote in der Verfassung. - Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall PIRATEN, SSW, Rasmus Andresen [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] und Burk- hard Peters [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Für die Abgeordneten des SSW hat jetzt Herr Abgeordneter Lars Harms das Wort.

(Volker Dornquast [CDU]: Geben Sie mal die Rede zu Protokoll! - Jette Waldinger- Thiering [SSW]: Hör mal, kannst du mal dei- ne Sprüche zu Protokoll geben? - Heiterkeit)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Starre finanzpolitische Regeln führen nach meiner Erfahrung nur zu fleißigen Umetikettierungen verschiedener Haushaltsposten. Genau das würde passieren, wenn wir dem vorliegenden Antrag folgen würden. Ich warne ausdrücklich davor, die Investitionsquote in der Verfassung festzuschreiben, weil es überhaupt keine belastbare Definition für staatliche Investitionen gibt. Für betriebliche Investitionen gibt es eine Definition, das ist klar, aber eben nicht für staatliche Investitionen. Darum ist natürlich der Willkür bezüglich des Investitionsbegriffs Tür und

Tor geöffnet. Ist der Bau einer Schule eine Investition, aber die Weiterbildung von Lehrkräften nicht, weil das eine die Verwendung von Sachgütern ist und die Weiterbildung nur eine Dienstleitung? Das ist eine technische Unterscheidung, die aber keinen Erkenntnis- und Kontrollgewinn mit sich bringt. Darum ist diese Auslegung auch schon lange vom Tisch, weil sie einfach keinen Sinn macht.

(Beifall Jette Waldinger-Thiering [SSW] und Dr. Ralf Stegner [SPD])

Inzwischen hat sich sogar die Erkenntnis durchgesetzt, dass jede zukunftsorientierte Geldausgabe des Staates als Investition begriffen werden kann. Wir haben hier im Plenum schon das ein oder andere Mal über die Investition in Beton oder die Investition in Köpfe gestritten. Der SSW hat sich immer dafür eingesetzt, die Infrastruktur nicht kaputtzusparen, sondern mit Reparatur, Instandsetzung und Neubau auf einem soliden Niveau zu halten. Die Investitionen in die Infrastruktur sind die Grundlage für den Standort Schleswig-Holstein, aber natürlich ist jeder Steuereuro, der in die Bildung fließt, ebenfalls gut angelegt. Die Bundeskanzlerin sagt regelmäßig, dass sie die Bildungsausgaben des Staates als Investitionen in Köpfe verstanden haben will. Aber selbst das hat einen Haken, denn auf diese Weise kann man fast alle Ausgaben des Staates als zukunftsorientierte Investition verstehen.

Aber wenn alle staatlichen Programme irgendwie Investitionen sind, dann bleibt nicht mehr viel übrig, was im Haushalt nicht in die Rubrik Investitionen fällt. Dann liegt der Investitionsanteil der öffentlichen Haushalte enorm hoch. So ein allumfassendes Verständnis hilft auch niemandem. Also gehen wir zurück zum Anfang: Der Staat muss wissen, wofür er die Steuermittel einsetzt. Nur so kann er überhaupt steuern. Haushaltsklarheit ist dabei das oberste Gebot und ermöglicht erst die demokratische Kontrolle und Steuerung.

Zielgrößen im Einzelfall können hilfreich sein, wenn sie handhabbar und transparent sind. Ich bestreite aber, dass das auf den Begriff der staatlichen Investitionen zutrifft. Ich möchte ein Beispiel anführen. Das Land akzeptiert und unterstützt die Autonomie der Hochschulen. Da überlässt die Landesregierung den Universitäten und Fachhochschulen die Schwerpunktsetzung, also die Entscheidung, wie die Mittel eingesetzt werden, ob für einen neuen Operationssaal, Hörsaal, bessere Lehre oder neue Software. Dementsprechend muss man die Zuschüsse an die Hochschulen genau genommen von der Investitionsquote des Landes abzie

(Torge Schmidt)

hen, weil nicht das Land die Investitionen tätigt, sondern die jeweilige Hochschule.

Würde die Autonomie der Hochschulen aufgegeben und das Land selbst als Bauherr auftreten, dann wären das anrechnungsfähige Investitionen nach dem derzeitigen Investitionsbegriff. Nur um die Investitionsquote zu erhöhen, könnte man auf die Idee kommen, die Autonomie der Hochschulen einzuschränken, aber das will nun wirklich kein Mensch.

Genau aus solchen klaren Definitionsschwierigkeiten und aufgrund der Tatsache, dass der Investitionsbegriff in Staatshaushalten kaum eine richtige Aussagekraft hat, halten wir eine in der Verfassung festgelegte Investitionsquote für wenig hilfreich. Denn der Staat ist kein Unternehmen, das nach betriebswirtschaftlichen Kategorien zur Gewinnmaximierung betrieben wird. Der Staat ist der Sachwalter der Bürgerinteressen und dafür da, dass eine gute Sach- und Dienstleistungsinfrastruktur vorgehalten wird. Das übersteigt den Investitionsbegriff bei Weitem.

(Beifall SSW, vereinzelt SPD und BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN)

Dazu zählen nicht nur Gebäude, Straßen oder Schienen, sondern auch Bildungschancen, KitaPlätze, Kulturausgaben und vieles von dem, was der Kollege Schmidt gerade genannt hat. Der Staat ist mehr, als dass man ihn nur auf eine Investitionsquote reduzieren könnte. Wer das Ausgabeverhalten des Staates bewerten möchte, muss eine politische Bewertung der Maßnahmen vornehmen. Das kann man hier und jetzt gern tun. Diesem Ideenwettbewerb müssen wir uns spätestens alle fünf Jahre in Wahlen wieder stellen. Das ist in der Verfassung mit Recht so angelegt.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Genau!)

Eine starr festgeschriebene Investitionsquote brauchen wir dort aber nicht, lieber Kollege Kubicki.

(Beifall SSW, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, wir kommen jetzt zu den Dreiminutenbeiträgen einiger Abgeordneter. Zunächst hat Herr Abgeordneter Dr. Heiner Garg das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Gerade weil es diesen Wettbewerb

der Ideen gibt, will ich klar sagen, lieber Kollege Harms: Es ist aus Sicht der Freien Demokraten Aufgabe des Staates, die Voraussetzungen für Wachstum und Wohlstand zu schaffen. Diese Voraussetzungen schafft man auch, indem man investiert in die digitale Infrastruktur, in die Verkehrsinfrastruktur, in die Gebäudeinfrastruktur unserer Schulen und in unsere Krankenhäuser.

(Beifall Christopher Vogt [FDP] und Birgit Herdejürgen [SPD])

Die Bekenntnisse insbesondere der regierungstragenden Fraktionen, die dem FDP-Gesetzentwurf sagen wir es einmal freundlich - skeptisch gegenüberstehen, man müsse natürlich investieren, man müsse das nur anders definieren, haben dazu geführt, dass wir in diesem Jahr erneut eine rekordverdächtig niedrige Investitionstätigkeit zu verzeichnen haben. Die niedrige Investitionsquote ist nur ein Ausdruck dafür, wie wenig Sie in die Zukunftsfähigkeit dieses Landes investiert haben.

Lieber Kollege Andresen, Ihr Beitrag hat mir am besten gefallen. Da stellt sich der Vertreter einer Partei hier vorn hin und wirbt für Investitionen, einer Partei, die ein Vierteljahrhundert eines der wichtigsten Infrastrukturprojekte dieses Landes verhindert hat, nämlich den Weiterbau der A 20 über 30 Kilometer hinaus, und rühmt sich, dass er fünf Jahre gebraucht hat, um die Schlaglöcher hier zu notieren. Das ist Zukunftspolitik à la Grüne. Das habe ich heute verstanden, lieber Kollege Rasmus Andresen. Das finde ich wirklich erstaunlich.

(Beifall FDP und CDU)

Kollege Schmidt, Sie haben Bayern zitiert und gesagt, man fahre in Bayern die Investitionsquote kontinuierlich herunter. Ich habe gerade einmal nachgeguckt - es ist ja heute dankenswerterweise möglich, schnell einen Faktenscheck zu machen -: Bayern hat im laufenden Doppelhaushalt eine Investitionsquote von 11,6 %, 2014 waren es 11,8 %, 2015 ist die Investitionsquote heruntergegangen. Von kontinuierlichem Absenken als politisches Programm der bayrischen Staatsregierung kann überhaupt kein Rede sein.

(Zuruf Torge Schmidt [PIRATEN])

Komischerweise kriegen die Bayern es hin, auf modernsten Straßen zu fahren und trotzdem für innere Sicherheit zu sorgen. Ja, potz Blitz, das ist aber eine Erkenntnis!

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir können uns gern über den Investitionsbegriff streiten. Worüber ich mich aber nicht mehr streiten will, ist, dass es in