Vielen Dank. - Zu einem Dreiminutenbeitrag hat jetzt der Abgeordnete Andreas Tietze von der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN das Wort.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich habe mich zu Wort gemeldet, um einen persönlichen Beitrag zu der Frage zu leisten: Ist es eine Gewissensentscheidung, diesem Gesetz zuzustimmen, oder nicht? So steht es ja in dem Beschluss meiner Partei. Ich habe das geprüft und bin zu der Auffassung gekommen: Es ist keine Gewissensentscheidung. Hier geht es um eine explizit religionssoziologische Fragestellung. Ich möchte darauf hinweisen, dass es unterschiedliche Arten und Weisen gibt, wie religiöse Systeme auf Bestattungen reagieren. Ich erinnere an den Hinduismus oder daran, dass die Menschen bei den alten Ägyptern zum Beispiel nicht ohne Kopf beerdigt werden durften.
Das Christentum selbst kennt keine speziell aus der Bibel abgeleiteten Vorschriften. Es gibt keine bestimmte Begräbnisform, die sich aus der Bibel ableiten lässt. Aus christlicher Sicht gehören alle Fragen der Bestattungskultur zu den Adiaphora. Die Adiaphora sind nach der Theologie in ethischer Hinsicht neutral zu betrachten. Der große Kirchenvater Augustinus hat gesagt: Bestattung oder Nicht
Es gibt dann im Christentum die Tradition der sogenannten Ostung der Gräber. Das heißt - das kennen wir auch aus dem Islam -, dass die dort Begrabenen bei einer Auferstehung auf das neue Jerusalem schauen, also gen Osten blicken. Ich darf daran erinnern, dass der Sultan Saladin im 11. Jahrhundert seine Soldaten in Jerusalem mit voller Rüstung und mit Waffen hat beerdigen lassen, damit er bei der Auferstehung zumindest eine Verteidigungslinie Jerusalems hat.
Herr Kollege, würden Sie mir zustimmen, dass es auch außerhalb der christlichen Lehre ein Gewissen geben kann?
Das würde ich Ihnen auf jeden Fall zugestehen. Ich begründe jetzt aber meine eigene Gewissensentscheidung beziehungsweise Nichtgewissensentscheidung. Ich bin also absolut nicht bei Ihnen, sondern ich bin bei meiner eigenen Begründung; denn es gibt - das sage ich noch einmal - einen Parteitagsbeschluss, der sehr liberal ist und der mir eine Gewissensentscheidung zubilligt. Ich stehe vor dem Dilemma, dass ich geprüft habe, ob meine Entscheidung eine Gewissensentscheidung ist oder nicht, und ich komme zu dem Schluss, es ist keine. Das möchte ich hier gern begründen. Ich spreche also ausdrücklich für meine eigene Entscheidung und nicht für die Ihre.
Das darf ich so verstehen, dass Sie durchaus bereit wären, die vorherige Aussage zurückzunehmen, dass es sich hierbei nicht um eine Gewissensentscheidung handelt?
- Für mich. Entschuldigen Sie, ich will es präzisieren: Für mich handelt es sich nicht um eine Gewissensentscheidung. Richtig; das möchte ich noch einmal deutlich machen. Vielen Dank, Herr Kollege, dass Sie mich darauf aufmerksam gemacht haben. Das ist vielleicht in der Kürze der Zeit bei mir untergegangen.
Also, noch einmal: Es geht um speziell religionssoziologische Fragen. Da bin ich politisch bei all den Vorrednern; denn: Was steckt hinter der Frage, die Urne auf den Kaminsims zu stellen? Im Grunde genommen - das müssen wir uns klarmachen - geht es darum, dass Menschen Sorge haben, dass sich niemand mehr um mein Grab kümmern möchte, dass ich deshalb lieber rückstandslos verschwinden möchte, dass ich völlig unauffindbar bin. Das ist die menschliche Tragik der Liberalisierung der Urne auf dem Sims. Das widerspricht allerdings schon meiner Einstellung. Wir müssten eigentlich über die beziehungslose Entsorgung eines Leichnams reden, über die Sie in Ihrem Gesetzentwurf ja nicht reden. Darüber müssten wir einfach reden.
Das heißt für mich: Es gibt eine Entsozialisierung des Todes. Diese Entsozialisierung des Todes kann ich tatsächlich nicht nachvollziehen; denn: Warum gibt es Friedhöfe? Warum haben wir das seit über 2000 Jahren überhaupt in unserer Gesellschaft? Es ist die Trennung von Tod und Leben. Ja, wir alle müssen sterben und können den Toten abgeben. Dafür gibt es öffentliche Räume. Im Prinzip ist der Friedhof eine Mahnung an uns: Guckt mal, da landen wir alle einmal. Das entlastet mich in gewisser Hinsicht aber auch, indem ich den Tod nicht in meine private Sphäre hineinlasse. Dass die vorgeschlagene Änderung für die Menschen möglicherweise bedeutet, zwei Jahre lang nicht Abschied nehmen zu können, halte ich unter seelsorgerlichen,
therapeutischen Gesichtspunkten für einen völlig falschen Ansatz. Deshalb bin ich gegen Ihren Gesetzentwurf.
Herr Abgeordneter, Ihre Redezeit ist leider abgelaufen, und damit ist auch keine Möglichkeit mehr gegeben, eine Zwischenfrage zu stellen.
Ja, ich kann das alles verstehen, aber so sind die Regeln. - Jetzt hat zu einem Dreiminutenbeitrag die Kollegin Beate Raudies das Wort.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren von der Piratenfraktion, ich möchte das Thema der islamischen Bestattung noch einmal aufgreifen und Sie darauf hinweisen, dass es in mehreren Orten in diesem Land bereits jetzt möglich ist, sich nach islamischem Ritus und auch ohne Sarg auf kommunalen Friedhöfen bestatten zu lassen.
Ich weiß nicht, wann Sie sich in der letzten Zeit damit auseinandergesetzt haben. Manchmal gibt es sogar zwei Leichenschauen. Wenn die Leichenschau in einem anderen Land stattgefunden hat, steht nämlich manchmal noch die Kripo vor der Tür. Das macht alles keinen Spaß, wenn man gerade einen Angehörigen verloren hat und sich dann mit dieser Frage beschäftigen muss.
Also, Bestattungen nach islamischem Ritus und auch nach jüdischem Ritus sind bereits möglich, vor allen Dingen auf kommunalen Friedhöfen. Aber auch immer mehr kirchliche Friedhöfe öffnen sich dafür. Es gibt eben nicht nur die kirchlichen. Deswegen, Herr König, sage ich zu dem Brief, den Sie hier vorhin verlesen haben: Es gibt kommunale Friedhöfe, und das Argument der Kirchenferne, finde ich, zieht in diesem Fall nicht.
Unser Bestattungsgesetz und auch die Friedhofssatzungen in vielen Kommunen erlauben fast alle Bestattungsformen und alle Möglichkeiten. Das Einzige, was im Moment nicht geht, ist, die Asche mit nach Hause zu nehmen, und das finde ich persönlich nach wie vor richtig.
Vielen Dank. - Zu einem weiteren Dreiminutenbeitrag hat der Abgeordnete Dr. Patrick Breyer von der Piratenfraktion das Wort.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Ihre Kritik ist angekommen. Wir sind uns im Klaren darüber, dass es große Bedenken hinsichtlich eines Teils unseres Gesetzentwurfs gibt, während gegen andere Teile wenig Bedenken vorgebracht worden sind. Deswegen haben wir heute beantragt, über die einzelnen Nummern getrennt abzustimmen.
Ich möchte noch einmal darauf hinweisen, welche Punkte vielleicht von Ihnen als unproblematisch angesehen und von Ihnen mitgetragen werden könnten.
Wir haben zum einen den Punkt 4 a), den die Kollegin Frau Raudies eben angesprochen hat. Dabei geht es darum, dass nach muslimischer und jüdischer Tradition eine Bestattung möglichst am Folgetag des Todes stattfinden soll. Das möchten wir auch in Schleswig-Holstein ermöglichen, so wie es in Baden-Württemberg zum Beispiel schon der Fall ist.
grund sich zu nahezu 90 % in der Türkei bestatten lassen, damit eine traditionsgemäße Bestattung möglich ist. Wir finden, dass dieser Bestattungstourismus nicht nottut.
Meine Damen und Herren, das Wort hat der Abgeordnete Breyer. - Ich bitte darum, dass er jetzt seine Rede fortsetzt.
Danke schön. - Unser Gesetzentwurf sieht vor, liebe Kolleginnen und Kollegen, dass eine Leichenschau stattfinden soll. Wenn im Rahmen der Leichenschau keine Anhaltspunkte für einen nicht natürlichen Tod festgestellt werden, soll eine Freigabe erfolgen und eine Bestattung auch schon am nächsten Tag möglich sein. Ich glaube, das ist ein Punkt, mit dem wir der Integration etwas Gutes tun können und der auch in der Anhörung nicht streitig gewesen ist.
Ein zweiter Punkt, bei dem ich denke, dass wir einen weitgehenden Konsens herstellen können müssten, ist die Nummer 6, bei der es darum geht: Soll es zumindest in Friedhofssatzungen erlaubt sein, das Verstreuen von Asche auf Friedhöfen zu gestatten? Gegen das Verstreuen von Asche auf eigens dafür vorgesehenen Grundstücken, wie es Kollege Lars Harms sagte, habe ich heute kein wirklich durchschlagendes Argument gehört.
Deswegen bitte ich Sie an dieser Stelle eigentlich nur, jeden Punkt nach seinem Inhalt eigenständig zu würdigen. Wir hatten Ihnen auch eine entsprechende Aufstellung zukommen lassen. Lassen Sie uns differenziert abstimmen und differenziert beurteilen, und lassen Sie uns auch die Wünsche der Bürgerinnen und Bürger berücksichtigen, die uns geschrieben haben oder sich in der Meinungsumfrage entsprechend geäußert haben. - Vielen Dank.
Für einen weiteren Dreiminutenbeitrag hat jetzt der Kollege Burkhard Peters von der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN das Wort.