Sie sagen, wir seien isoliert. Bremen, Thüringen, Berlin, Niedersachsen und Rheinland-Pfalz verfahren in der Abschiebepraxis genauso wie Schleswig-Holstein.
Ich muss Ihnen ehrlich sagen, die Vorhaltungen des Bundesinnenministers sind ein schlechter Scherz. Er will Kranke abschieben. Er hat behauptet, 70 % der jungen Männer würden krankgeschrieben. Das ist postfaktisch. Er musste das zurücknehmen, weil es gelogen war. Er war gegen Rettung in Seenot. Er war für Aufnahmelager in Nordafrika. Das finde ich auch falsch. Dort gibt es nicht die Verhältnisse dafür, dass man das machen darf.
Ich habe das kritisiert. Ich finde es falsch, dass Herr Oppermann das gesagt hat. Das ist nicht die Haltung der Sozialdemokraten, um das klar zu sagen.
Er war gegen besondere Hilfen für Flüchtlingsfrauen und Kinder, und der Gipfel ist, sich im Fernsehen vorgestern in den Tagesthemen hinzustellen und zu sagen: Diejenigen, die dort ums Leben kommen oder verletzt werden, sind nicht das Ziel der Anschläge, sondern nur die Opfer davon. Wie zynisch kann man eigentlich sein, meine sehr verehrten Damen und Herren!
Herr Altmaier sagte heute Morgen im Deutschlandfunk, in Frankreich gebe es auch Anschläge, und dorthin würde man auch Menschen abschieben. Ich meine: Geht es eigentlich noch? Kann man ernst
haft Frankreich und Afghanistan vergleichen? Ich muss Ihnen wirklich sagen, das hat nichts mit Christentum zu tun. Das ist scheinheilig. Das ist Panikmache, und das ist der Versuch, Wahlkampf auf dem Rücken von Menschen zu machen. Da machen wir nicht mit!
Solche Ratschläge in Sachen Humanität brauchen wir wirklich nicht! Ich muss Ihnen sagen: Was Sie hier aufführen, Herr Günther, auch wenn Sie es heute technokratisch vorgetragen haben, ist wirklich ein Spektakel der Scheinheiligkeit, der Parteitaktik und des Zynismus. Das muss ich Ihnen sagen.
Ich habe vor einigen Wochen den 18-jährigen Hamed aus Kiel bei einer meiner Wahlkampfveranstaltungen getroffen. Ich habe mit ihm gesprochen. Er ist als 15-Jähriger nach Deutschland gekommen. Ich habe ihn gefragt, ob er mit seiner Familie gekommen ist. Er sagte, seine Mutter und seine Schwester seien bei der Flucht umgekommen. Er ist hier. Er spricht fließend Deutsch. Er ist integriert. Dessen Asylantrag wurde abgelehnt. Wollen Sie so jemanden nach Afghanistan abschieben? Das kann doch nicht Ihr Ernst sein!
Amnesty International, die im letzten Jahr noch ausdrücklich die Flüchtlingspolitik in Deutschland gelobt haben, haben heute einen Bericht abgegeben und sich zu der Lage in Deutschland geäußert. Es sei bedrohlich, wie inzwischen in einer Weise mit Menschen verfahren werde, dass sie in Gebiete zurückgeschickt würden, in denen sie nicht sicher seien, und die Gefahr bestehe, dass sie umkämen. Das kann allen Ernstes nicht sein, dass wir das hier miteinander richtig finden.
Herr Dr. Stegner, wahrscheinlich sind wir gar nicht so weit voneinander entfernt. Stimmen Sie mit mir darin überein, dass wir genau aus den Grün
den und den Personen, die Sie nannten, ein Zuwanderungsgesetz oder Einwanderungsgesetz brauchen, das es ermöglicht, auf rechtlicher Grundlage die entsprechende Zuwanderung zu ermöglichen? Stimmen Sie mit mir überein, dass wir, solange wir so etwas nicht haben, trotzdem an Recht und Gesetz gebunden sind und uns darum bemühen müssen, das Recht zu ändern, statt es - sagen wir einmal - interpretativ so auszulegen, wie Sie es gerade tun?
- Was den ersten Punkt angeht, werden Sie wissen, dass es eine Initiative der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands gibt, ein Einwanderungsgesetz zu machen. Ich wünsche der FPD, dass sie in den Deutschen Bundestag kommt und dem dann zustimmt. Mit der Union geht das nämlich leider nicht.
Übrigens: Grüne und PIRATEN und andere Parteien sind bei diesem Punkt der gleichen Auffassung wie wir.
Was den zweiten Punkt angeht, bin ich in der Tat dafür, Recht und Gesetz anzuwenden. § 60 des Aufenthaltsgesetzes ist geltendes Recht. Die Behauptung, wir verletzten geltendes Recht, ist wirklich absurd. Der Innenminister hält sich an geltendes Recht. Nicht mehr und nicht weniger.
Übrigens: Heribert Prantl, der Journalist der „Süddeutschen Zeitung“, der selbst Jurist ist, sagt: Aus seiner Sicht gebe es eine goldene Regel im Umgang mit Flüchtlingen. Behandeln wir sie so, wie wir selbst behandelt werden möchten, wenn wir selbst Flüchtlinge wären. - Das ist genau das, was gilt, und das gilt für die Aufnahme, und das gilt für die Rückführung.
Ich muss Ihnen ehrlich sagen, es ist das Recht, das verhindert, dass man schutz- und hilflos wird. An der Flüchtlingspolitik misst sich auch die Humanität unseres Staates. Sie glauben - das kann man bei Herrn Günther merken -, dass man hier mit schneidigen Reden Zustimmung finden kann. Ich wünsche Ihnen, dass Sie sich einmal in Afghanistan umsehen,
- Ich halte hier keine schneidigen Reden, sondern ich sage, die Menschen bedürften unseres Schutzes. Wir schieben die dort nicht hin. Das ist der große Unterschied. Ich sage Ihnen eines: Sie mögen recht haben,
dass Sie an der einen oder anderen Stelle im Land Zustimmung finden. Die Koalition - die Grünen, der SSW und die SPD -, wir werden die Humanität als Maßstab unseres Handelns in der Küstenkoalition behalten. Das war übrigens immer so, und das wird auch so bleiben, und Sie werden erleben: Gegen Humanität gewinnt man keine Wahl in Schleswig-Holstein, meine sehr verehrten Damen und Herren.
Das Wort für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat die Fraktionsvorsitzende Frau Abgeordnete Eka von Kalben. Sie haben das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir haben eine Aktuelle Stunde anlässlich einer Ministerpräsidentenkonferenz und ja, da trifft sich die Bundeskanzlerin oder auch andere Teile des Bundeskabinetts mit den Vertretern, den Regierungschefs der Länder, und berät über Politik. Das haben wir bei Innenministerkonferenzen, Verkehrsministerkonferenzen und so weiter. Es wird dort versucht, so weit wie möglich eine Einigung der Interessen in einem Beschluss darzustellen mit Protokollerklärungen verschiedener Länder und verschiedenen Äußerungen. Teile dieses Beschlusses, alles, was zum Beispiel den Bereich freiwillige Rückkehr und Stärkung der freiwilligen Rückkehr angeht, unterstützen auch wir. Das ist ein guter Teil des Beschlusses.
Aber das Wichtige ist, dass wir in diesem Beschluss - daran hat insbesondere Schleswig-Holstein einen maßgeblichen Anteil - ganz deutlich gemacht haben, dass das ein Ministerpräsidentenbeschluss ist
und keine Gesetzesvorlage. Wir sind hier nicht in einer Bananenrepublik, in der sich die Chefs der Regierenden zu Schnittchen treffen und sagen: So wird das jetzt in Gesetze geschlossen. Deshalb, meine Damen und Herren, ist das eine der Ministerpräsidentenbeschluss, und das andere sind Gesetzesvorlagen. Insofern: Wenn sich SchleswigHolstein und auch Herr Albig dort beteiligt haben, ist das richtig und vernünftig. Aber deshalb brauchen wir als Koalition und braucht auch diese Regierung nicht jeden Punkt dieses Beschlusses mittragen und jeden Punkt richtig finden.
Wir als Grüne finden viele Teile dieses Beschlusses tatsächlich nicht richtig. Insofern haben Sie mich richtig zitiert. Der eine Punkt - das ist aus meiner Sicht ein gravierender, den wir hier immer wieder haben - ist die Vermengung zwischen Sicherheitsfragen und Asylfragen. Auch das ist in diesem Beschluss und dem jüngst vorliegenden Gesetzesentwurf wieder vermengt worden. Wir haben Gefahren. Wir müssen uns damit auseinandersetzen, und wir haben eine Flüchtlingsfrage. Aber wenn wir das immer in einen Topf werfen, erwecken wir den Eindruck, als ob uns Geflüchtete per se Angst machen müssen. Das halte ich für total fatal und falsch.
Ja, meine Damen und Herren, auch wir Grünen sagen: Abschiebung muss sein, wenn freiwillige Rückkehr nicht greift und wenn es keine Bleiberechtsmöglichkeit gibt. Ich bin Ihnen sehr dankbar, Herr Kubicki, dass noch einmal darauf hingewiesen wird, dass das im Grunde genommen der Knackpunkt ist. Wir haben unglaublich viele Menschen, die hier hergekommen sind, die hierher geflüchtet sind, keinen Anspruch als Flüchtlinge haben, die wir aber im Grunde genommen sinnloserweise abschieben, weil wir sie nämlich gut gebrauchen können, weil sie eine sehr wertvolle Bereicherung sind.
Das sagen nicht nur Grüne, sondern das sagen auch Leute von der Handwerkskammer und von der Industrie- und Handelskammer. Das sind Leute, die eigentlich eher der Union nahestehen