Protokoll der Sitzung vom 23.02.2017

Lösen Sie die Probleme! Sonst werden wir das tun.

(Beifall CDU und FDP)

Für die SPD-Fraktion hat der Abgeordnete Wolfgang Baasch das Wort.

(Unruhe - Glocke Präsident)

Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Ich darf heute im Namen meiner Kollegin Serpil Midyatli zu den Waldkindergärten reden. Wir wünschen Serpil gute Besserung. Ich will einmal schauen, ob ich dem, was Serpil und ich vorher besprochen haben, auch gerecht werde. Aber wenn ich mir eben den Herrn Oppositionsführer angehört habe, muss man eher sagen: Es ist Weiberfastnacht, der Schlips ist zwar noch dran, aber die Rede hat nicht geholfen. Es war nicht nur eine schlechte Rede, sondern der ganze Antrag ist überflüssig und ein Versuch, mit viel Getöse etwas in den Mittelpunkt zu stellen, was eigentlich nicht dort hingehört.

(Zurufe CDU)

Auch der CDU-Fraktion hätte es möglich sein müssen, auf die Internetseite des Bundesverbandes der Natur- und Waldkindergärten in Deutschland e. V. zu schauen und festzustellen - mit ein wenig Ausdauer -, dass die Natur- und Waldkindergärten mitnichten von der Existenz bedroht sind, dass es mitnichten darum geht, allein in diesem Bundesverband Schleswig-Holstein 100 Natur- und Waldkindergärten das Existenzrecht abzusprechen. - Nein, der handelt eher mit anderen Dingen.

Wenn der Antrag der CDU und die Debatte heute zum Thema Natur- und Waldkindergärten allerdings dazu dienen sollen, ein Bekenntnis abzulegen, dann will ich dem gern nachkommen: Ja, die Natur- und Waldkindergärten in Schleswig-Holstein haben unsere volle Unterstützung.

(Beifall SPD, SSW und vereinzelt BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN)

Natur- und Wald-Kitas sind ein Teil der pädagogischen Vielfalt, und sie tragen dazu bei, das Umweltbewusstsein bei Kindern früh zu fördern und

(Daniel Günther)

direkte Erfahrung in der Natur und mit der Natur zu erlernen. Hier gilt der einfache Grundsatz: Was Kinder schätzen lernen, werden sie auch schützen.

Dass man die Diskussion über einen Bauwagen in Bokhorst dazu nutzt zu zeigen, dass die CDU-Fraktion die Zukunft der Natur- und Waldkindergärten in Schleswig-Holstein in Gefahr sieht, ist eher abenteuerlich und ein Zeichen für ungeübte Erlebnispädagogik in der CDU-Fraktion.

(Heiterkeit und Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Nach Schweinefleischpflicht für Kitas kommt jetzt das Angstmachen vor ministeriellem Handeln. Dabei sind Natur- und Waldkindergärten ein festes Element in der Kindergartenlandschaft. Natürlich müssen aber auch Natur- und Waldkindergärten Sicherheits- und Qualitätsstandards erfüllen. Dabei muss die Sicherheit der Kinder und ihrer Betreuerinnen und Betreuer immer oberste Priorität haben. Dazu gehört, dass Rettungswege frei zugänglich sind, dass Bauwagen sicher sind und die dazugehörigen Qualitätsstandards auch überprüft werden müssen. Dies gehört zur Verantwortung, die wir gegenüber allen Beteiligten haben und von allen Beteiligten einfordern müssen.

Wenn es im Einzelfall wie in Bokhorst Probleme gibt, dann ist es auch gut, diese Probleme in einem konstruktiven Dialog mit allen Beteiligten zu lösen. Genau deshalb ist die Einberufung eines Runden Tisches, um einen solchen konstruktiven Dialog zu führen, genau richtig und nicht zu kritisieren.

(Vereinzelter Beifall SPD, Beifall Dr. Marret Bohn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] und Jette Waldinger-Thiering [SSW] - Zuruf Vol- ker Dornquast [CDU])

Zum Schluss hat mich die Diskussion natürlich dazu geführt, auch ein wenig in der Kinderliteratur nachzuschauen. Ich bin dabei auf ein altes Kinderlied vom Baggerführer Willibald gestoßen. Keine Angst, es sind nur zwei Zeilen, die ich ein klein wenig abgewandelt auf die CDU-Fraktion übertragen vortragen möchte. Dort würde man sagen:

Die CDU steht meistens rum und redet laut und dumm.

Das ist aus der Geschichte vom Baggerführer Willibald.

(Beifall SPD und vereinzelt BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Martin Habersaat [SPD]: Aber man braucht einen starken Mann, der entscheidet. Was ist das für eine Grundhal- tung im Landtag? - Zuruf Eka von Kalben [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Na gut, das ist ein Zitat gewesen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, bitte begrüßen Sie mit mir auf den Tribünen Schülerinnen und Schüler der Jes-Kruse-Skolen aus Eckernförde und der Deutschen Schule in Tinglev. - Seien Sie herzlich willkommen im Schleswig-Holsteinischen Landtag!

(Beifall)

Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat Frau Abgeordnete Marlies Fritzen das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrter Daniel Günther, ich komme aus Westfalen, und selbst da sind die Büttenredner erfrischender als das, was Sie hier gerade abgeliefert haben.

(Zuruf CDU)

- Es war ja zu erwarten, dass es nichts mit Fakten zu tun haben würde, sondern mit irgendwelchen allgemeinen Wahlkampfparolen.

Fröhliche Kinder an frischer Luft spielen und lernen in und mit der Natur, das ist es - wir sind sogar viel besser, Wolfgang Baasch -, was die fast 200 Natur- und Waldkindergärten im Land bieten. Das ist, was wir offenbar - so interpretiere ich jetzt erst einmal die Anträge - mit großer Mehrheit erhalten und weiterhin ermöglichen wollen.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich bin Mitglied im Petitionsausschuss, und wir haben uns mit dieser Petition lange befasst, die gerade zitiert wurde. Das ist auch das, was im Petitionsausschuss parteiübergreifend sehr deutlich wurde.

Ich begrüße deshalb ausdrücklich diese Debatte, und ich begrüße auch, dass die Landesregierung hier jetzt Rechtssicherheit für den Betrieb solcher Kindergärten schaffen will; denn die Rechtslage, Daniel Günther, ist keineswegs trivial. Es gibt verschiedene gesetzliche Regelungen, verschiedene Ansprüche vor allem auch an die Sicherheit. Und es gibt in der Tat drei Ministerien und drei Gesetzesbereiche, die zuständig sind, auch wenn Sie das vielleicht überfordern mag. Auch dass ausreichende Rettungswege Zugang zu einem Waldkindergarten ermöglichen, ist absolut notwendig. Im Grunde gilt

(Wolfgang Baasch)

dies für Waldkindergärten ebenso wie für andere Kitas auch. Dass das Sozialministerium das als Heimaufsicht fordert und solche Sicherheitsstandards festsetzt, ist, wie ich finde, völlig richtig und maßvoll.

(Vereinzelter Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Da sich Waldkindergärten ihrer Natur nach in aller Regel im Außenbereich befinden, greift für die Genehmigung von Schutzhütten das Bundesbaugesetz. In der Tat: Hier werden Waldkindergärten nicht explizit als privilegierte Vorhaben genannt. Hier läge aber nach meiner Auffassung ein Schlüssel zu einer Lösung. Im FDP-Antrag wird dies angesprochen. Ich teile Ihren Ansatz.

In der Tat ist es absurd, wenn Windmühlen und Tierställe bauplanungsrechtlich nicht genehmigt werden müssen, Schutzhütten für Kinder aber sehr wohl, zumal das Bundesbaurecht in § 35 Absatz 1 Nummer 4 ausdrücklich Vorhaben, die wegen ihrer „besonderen Anforderungen an die Umgebung“ oder wegen ihrer „besonderen Zweckbestimmung nur im Außenbereich“ stattfinden können, für zulässig erklärt. Unterstützt wird das in § 35 Absatz 2 mit dem Hinweis, dass diese Vorhaben öffentliche Belange nicht beeinträchtigen dürfen. Das kann man von Waldkindergärten wohl kaum sagen. Sie sind eher dem Allgemeinwohl verpflichtet.

Allerdings - hier liegt der Knackpunkt - werden die genannten Bestimmungen in der Rechtsprechung bislang immer sehr eng ausgelegt, was zu der Besorgnis führt, dass es hier im Zweifel keine Rechtssicherheit gibt. Das ist genau der Punkt, auf den man sich beziehen muss, wobei ich auch sage: Bei der Recherche zu dieser Rede und bei den Anfragen, die ich auch beim Wissenschaftlichen Dienst dazu gestellt habe, wurde klar, dass es noch keine Rechtsprechung gibt, die sich explizit mit Waldkindergärten beschäftigt. Es wäre an dieser Stelle - auch insofern teile ich den Hinweis in dem Antrag der FDP, und ich habe das auch schon öffentlich gesagt - hilfreich, eine abschließende Klärung im Bundesbaurecht herbeizuführen. Das - ich glaube, das muss ich Ihnen, Herr Günther, nicht wirklich erklären - kann man in der Tat nur auf Bundesebene machen. Dazu brauchten wir eine Bundesratsinitiative. Darüber sollten wir reden.

Kein Problem allerdings ist das Landeswaldgesetz. Um Waldkindergärten zu ermöglichen, haben wir explizit eine Ausnahmemöglichkeit in § 24 Absatz 2 geschaffen, die den Waldabstand minimiert.

Insofern ist Ihr Antrag sachlich völlig falsch. Es heißt im Landeswaldgesetz:

„Eine Unterschreitung des Waldabstands zugunsten von baulichen Anlagen waldpädagogischer Einrichtungen kann bereits zugelassen werden, wenn diese nicht durch Windwurf oder Waldbrand gefährdet werden und von ihnen keine Waldbrandgefahr ausgeht.“

Das kann auch ein Null-Abstand sein. Damit sind Schutzhütten forstrechtlich möglich und genehmigungsfähig.

Faktencheck, lieber Daniel Günther: Zwei Welten treffen aufeinander.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SSW und vereinzelt SPD)

Worum es jetzt geht, ist, eine Ermöglichungsstrategie für die Waldkindergärten zu schaffen. Der Runde Tisch ist dafür genau das richtige Instrument, denn zu allem, was ich gerade gesagt habe, und zu vielen anderen Aspekten, die noch eine Rolle spielen könnten: Es bleibt immer eine Einzelfallentscheidung. So ist auch jeder Einzelfall besonders zu betrachten. Es geht um die Sicherheit der Kinder und Erzieherinnen und Erzieher, es geht für mich auch um die Auslotung von Ermessensspielräumen. Es geht darum, möglicherweise eine Bundesratsinitiative auf den Weg zu bringen.

Worum es aber nicht geht, ist die Polemik der CDU, die die Waldkindergärten dazu benutzt, um ihre ewig gleiche Parole von „Naturschutz gegen die Menschen“ unters Volk zu bringen. Das ist nicht nur nicht richtig, das ist auch, Daniel Günther, schäbig.

(Beifall Rasmus Andresen [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN] und Jette Waldinger-Thier- ing [SSW])

Bleiben Sie gern in Ihrer alternativen Wirklichkeit, wir machen Politik für Menschen und für die Natur.

(Anhaltender Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und SSW)

Meine Damen und Herren, bitte nehmen Sie mit mir zur Kenntnis, dass der Abgeordnete Christopher Vogt erkrankt ist. Wir wünschen ihm an dieser Stelle gute Besserung.

(Beifall)