Protokoll der Sitzung vom 21.02.2013

Es gibt in allen Pflegestufen mehr Geld für Demenzkranke. So erhöht sich zum Beispiel in Pflegestufe I das Betrag um 70 €. Es gibt höhere Pflegesachleistungen, und seit März 2012 klärt ein Expertenbeirat die wesentlichen Umsetzungsschritte zur Neudefinierung des Pflegebedürftigkeitsbegriffs.

Ein weiterer wichtiger Schwerpunkt für uns ist das würde ich gern im Ausschuss mit Ihnen weiter diskutieren, deswegen beantragen auch wir die Überweisung beider Anträge in den Ausschuss -, wie die Ausbildung entsprechend um diesen Part intensiviert werden kann, damit die Pflegefachkräfte wissen, wie sie richtig mit den Menschen umgehen, die an Demenz erkrankt sind, wie sie ihnen körperliche und geistige Anregung geben können, damit die Menschen so lange wie möglich ihren Alltag selber bewältigen können.

(Beifall Dr. Ekkehard Klug [FDP])

Zum Abschluss noch zwei Zahlen: Die schwarzgelbe Bundesregierung stellt 1,1 Milliarden € für die bessere Versorgung von Pflegebedürftigen und ihren Angehörigen, speziell für Demenzerkrankte, bereit; Gelder also, die den Betroffenen direkt zugutekommen. Ich frage mich, wo Sie eine noch höhere Priorität erwarten, wenn Sie sie in dieser Maßnahme nicht erkennen können.

Als Rot-Grün-Blau stellen Sie dagegen jetzt 15.000 € in den Haushalt für die Schaffung eines Planes ein. Ich finde, das ist zu wenig, wenn Sie wirklich den Anspruch erheben, dass Sie mehr tun, als Schwarz-Gelb es getan hat. - Vielen Dank.

(Beifall FDP und vereinzelt CDU)

Das Wort für die Fraktion der PIRATEN hat Herr Abgeordneter Wolfgang Dudda.

Meine Damen und Herren! Das Thema ist ein sehr wichtiges. Ausnahmsweise werde ich an der Stelle das wiederholen, was zwischenzeitlich zum Drama

(Anita Klahn)

der Demenzerkrankung schon gesagt wurde. Wir können uns angesichts der Zahlen, die wir bereits gehört haben, gar nicht ausführlich genug damit beschäftigen.

Ich freue mich, dass wir diesen Antrag behandeln können, nachdem er in der letzten Legislatur aufgrund der damaligen Mehrheitsverhältnisse nicht so behandelt werden konnte. Die Koalition will sich um Menschen kümmern, die sich selbst nicht mehr ausreichend kümmern können. Das finden wir PIRATEN gut, da sind wir dabei.

Ich gehe jetzt auf das Krankheitsbild ein, weil das bedeutend dafür ist, wie man damit umgeht, und warum man auch - wie ich finde - mit 15.000 € auskommen kann.

„Ich habe mich sozusagen selbst verloren“, beschrieb Auguste Deter ihren Zustand, als sie im Jahr 1901 in eine „Anstalt für Irre und Epileptische“ in Frankfurt am Main eingewiesen wurde. So nannte man solche Einrichtungen damals noch. Der behandelnde Arzt war Alois Alzheimer. Sein Name wurde zum Begriff, denn fast zwei von drei Demenzkranken sind an Alzheimer erkrankt. Es gibt bekannte Alzheimer-Patienten wie Margret Thatcher, Ernst Albrecht, Rudi Assauer. Es gibt die fast 1,4 Millionen Demenzerkrankte überhaupt.

Anders als 1901 werden Demenzerkrankte nicht weggesperrt oder schlicht mit Psychopharmaka ruhig gestellt, auch wenn der Name der Krankheit darauf schließen lassen könnte: Demenz - „ohne Geist“. Genau das sind die Erkrankten nicht. Sie können nur ihr Ich nicht mehr in Raum und Zeit verorten. Es ist, als sickere die Persönlichkeit Tropfen für Tropfen aus dem Menschen heraus, habe ich aus dem Erfahrungsbericht einer Angehörigen gehört. Demenzerkrankte leben ihr Leben anders, jenseits jeder Norm. Sie fürchten sich, verzweifeln, empfinden zunächst auch Aggressionen und ziehen sich Stück für Stück zurück, unfähig, am Leben um sie herum teilzunehmen. Sie werden kleiner, blasser und verschwinden in dem Nebel, der nur sie umgibt, unerreichbar für sich und andere. Darum ist es für alle so schwer und fremd, mit dieser fortschreitenden Krankheit umzugehen.

An Demenz zu erkranken, bedeutet vor allem, dass man einen sehr langen Weg vor sich hat, auf dem man immer mehr geistige und seelische Fähigkeiten einbüßt. Je besser wir diese unheilbare Krankheit verstehen, desto besser wird es uns gelingen, Menschen, die die Pflege als ihre Berufung verstehen, in ihrem Bestreben zu unterstützen, demenzkranke Menschen auf diesem langen und sehr schmerzhaf

ten Weg zu begleiten. Drei von vier Erkrankten leben in einem Heim, in einer stationären Einrichtung, weil es ihrer Familie nicht mehr möglich ist, sich bis zum Schluss um sie zu kümmern. Auch die Angehörigen brauchen dringend professionelle Hilfe. Wir müssen nicht nur die Erkrankten im Auge behalten, sondern auch die Angehörigen, die eine sehr schwierige Arbeit geleistet haben, brauchen Hilfe.

Mit jedem Schritt, den diese tückische Krankheit voranschreitet, sind die Betroffenen darauf angewiesen, dass ihr Umfeld die verloren gegangenen Fähigkeiten sensibel, kreativ und immer wieder neu ergänzt und schließlich ersetzt. Demenz ist keine liebenswerte Tüddeligkeit, kein zeitweises Nachlassen des Gedächtnisses. Demenz ist ein fortschreitender Krankheitszustand, bei dem der Erkrankte immer weniger in der Lage ist, sein Kranksein, seine Bedürftigkeit mitzuteilen. Sein Umfeld, die Pflegenden und Betreuenden, ist zunehmend auf Intuition und Vermutungen angewiesen. Dabei sind sie natürlich oft unsicher, überfordert und gelangen oft an die Grenzen ihrer Kräfte. Dabei ist es völlig unerheblich, ob der Erkrankte in der Familie oder in einem spezialisierten Heim gepflegt wird.

Jeder, wirklich jeder gerät hier immer wieder an die Grenzen seiner Möglichkeiten und seiner Kraft. Immer wieder begegnet er nicht nur der Krankheit, sondern auch der Verzweiflung und Angst, mit denen die Erkrankten zusätzlich kämpfen und die ihren Emotionen unterschiedlich Ausdruck verleihen. Ständige Verzweiflung, tiefste Traurigkeit, auch extreme Aggression oder totale innere Emigration das alles begegnet auch den Menschen, die den Kranken zur Seite stehen wollen.

Rund 12.000 stationäre Einrichtungen in Deutschland stehen vor der schwierigen Aufgabe, diesem Krankheitsbild gerecht zu werden. In SchleswigHolstein kennen wir vor allem das Haus Schwansen als besonders Heim, das sich auf Demenz spezialisiert hat. Die Aufgabe, die sich dieses Haus gestellt hat, wird immer drängender, weil Demenz inzwischen der Hauptgrund für eine stationäre Weiterversorgung geworden ist. Demenz im familiären Raum zu begegnen und den Erkrankten angemessen zu begleiten, gelingt meist nur bis zu einem gewissen Grad. Die Pflege in einer stationären Einrichtung ist oft der letzte verzweifelte Schritt, den Menschen tun müssen, wenn sie der Aufgabe, die ihnen gestellt ist, nicht mehr gewachsen sind. Die Mehrheit der Pflegeheimbewohner - der Kollege Heinemann hat es erwähnt - ist demenzkrank.

(Wolfgang Dudda)

Demenz bessert sich nicht. Sie schreitet fort. Allein diese Erkenntnis lässt darauf schließen, dass ein guter Umgang mit Demenzkranken eine veränderte Haltung zur Pflege erfordert. Wer in der Demenzpflege tätig ist, braucht Kraft und Mut, sich auf die veränderte Lebenssituation des Erkrankten einzustellen. Er kann nicht anders handeln, als er es tut, mag dies auch noch so stark von der Norm abweichen, dass es Außenstehenden als absonderlich erscheint. Der Demenzkranke muss genau beobachtet werden.

Verschiedene Projekte wie TransAltern setzen eine substanzielle personelle Ausstattung voraus. Da sind wir an dem Punkt, um den ich den Demenzplan gern erweitern würde, denn die Lage und Ausstattung der Heime, in denen die Erkrankten gepflegt werden, werden nicht berücksichtigt. Ich würde gern mehr erfahren über die unterschiedlichen Konzepte und den Erfahrungsaustausch, ohne den Demenzforschung nicht gelingen kann. An das professionelle Personal werden besondere Anforderungen gestellt. Die sollten wir aufarbeiten, denn danach richtet sich die Ausbildung, die gegebenenfalls für den Demenzbereich spezialisiert werden muss.

(Beifall PIRATEN und Dr. Heiner Garg [FDP] - Unruhe)

Ich freue mich, wenn wir diesen Aspekt in den ehrgeizigen Anforderungskatalog, den Sie hier aufgestellt haben, aufnehmen könnten. Das kommt mir hier zu kurz. Das finde ich aber wichtig. Ich würde mich freuen, wenn wir das irgendwie einbauen könnten. Vor dem Hintergrund betrachte ich den Änderungsantrag der CDU als Teil eines vollständigen Demenzplans und würde das gern erörtern. Danke schön.

(Vereinzelter Beifall)

Das Wort nach § 56 Abs. 4 unserer Geschäftsordnung hat jetzt Herr Abgeordneter Bernd Heinemann.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir hatten bisher keine Gelegenheit, uns den Antrag genau anzusehen. Nach eingehendem Studium steht jetzt allerdings fest: Das ist ein Antrag Demenzplanung verhindern reloaded. Wir haben kein Wissens- und kein Kompetenzdefizit, sondern wir haben ein Handlungsdefizit. Deswegen müssen wir hier vorankommen.

Dass zwei CDU-Landräte und ein SPD-Landrat immer noch keine Pflegestützpunkte geschaffen haben, bedauern wir mit Ihnen gemeinsam.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP und SSW)

Das ist Aufgabe der Kreise, und da werden wir nicht nachlassen. Das wird gerade in der Demenzplanung sicherlich eine große Rolle spielen.

Dass Sie Ihre Bundesregierung loben, ist in Ordnung, aber es gibt noch das Defizit, dass die Pflegebedürftigkeit nach wie vor nicht definiert ist und wir nach wie vor über den Bundesrat und die GMK Erfolge erzielen müssen, um weiterzukommen.

(Anhaltende Unruhe)

Insgesamt ist Ihr Antrag nicht hilfreich, weil er letzten Endes das beschreibt, was wir im Rahmen der Demenzplanung als Defizite ansehen. Unser Antrag umfasst Ihren Antrag, und deswegen ist unser Antrag umfassender und richtiger.

Wir wollen nicht in eine neue Debatte eintreten. Das ist alles passiert. Wir haben Anhörungen durchgeführt, wir haben Ergebnisse. Deswegen beantragen wir Abstimmung in der Sache.

(Beifall Dr. Marret Bohn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Wir wollen endlich die Demenzplanung und nicht mehr Worthülsen. Damit muss Schluss sein.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Für die Landesregierung hat die Ministerin für Soziales, Gesundheit, Familie und Gleichstellung, Frau Kristin Alheit, das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine verehrten Damen und Herren Abgeordneten! Menschen, die an

(Wolfgang Dudda)

Demenz erkrankt sind, werden einen immer größeren Teil unserer Gesellschaft ausmachen. Die Zahl von 45.000 Demenzerkrankten in Schleswig-Holstein ist bereits genannt worden. Aber auch in Krankenhäusern, in Pflegeeinrichtungen und in ambulanten Pflegediensten müssen sich die Menschen auf den Umgang mit Menschen mit Demenz einstellen. Ich glaube aber - auch das ist in den vorangegangenen Beiträgen deutlich geworden -, dass sich vor allem die Gesellschaft anders auf Demenzkranke einstellen muss. Das Bild wird sich an dieser Stelle wandeln.

Die Landesregierung glaubt daher, dass ein landesweiter Demenzplan ein guter Beitrag dazu sein kann, auf Perspektive die Lebenssituation von Menschen, die an Demenz erkrankt sind, und vor allem auch ihrer Angehörigen wirklich zu verbessern.

(Dr. Heiner Garg [FDP]: Frau Trauernicht hat das 2009 noch nicht geglaubt!)

Uns allen kann ein solcher Plan dabei helfen, den Herausforderungen von Demenz gerecht zu werden. Dabei geht es um eine strukturierte und richtig geplante Weiterentwicklung der Versorgungsstrukturen. Es geht darum, sich die Anliegen und Anforderungen, die ein guter Umgang mit Demenz an uns stellt, genau anzuschauen und dafür zu sensibilisieren. Gefordert sind ganz vielfältige Maßnahmen. Das macht der Antrag mit seinen elf Spiegelstrichen deutlich. Gefordert sind diese Maßnahmen auch vor dem Hintergrund der - ich habe es angesprochen - gesellschaftlichen Wandlungen und dessen, was Demenz im Bild unserer Gesellschaft in Zukunft ausmachen wird.

Wir brauchen bessere Aufklärung, wir brauchen eine gute Vorsorge und wir brauchen eine zukunftssichere Versorgungsstruktur.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Wir brauchen auch - darauf lege ich Wert, das ist auch schon von anderen gesagt worden - wirklich flächendeckende Angebote für die Angehörigen. An der Stelle will ich kurz auf den Änderungsantrag eingehen. Sie können ganz sicher sein, dass in meinen Gesprächen mit den betreffenden Landräten die Frage, ob Pflegestützpunkte eingerichtet werden sollen, ein wichtiges Merkmal ist. Auch das ist eine Struktur, die den Angehörigen in unserem Land zugutekommt.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Wir brauchen auch in diesem Bereich mehr Vernetzung. Die Angebote, die vorhanden sind, müssen vernetzt werden. Und wir brauchen eine gesellschaftliche Akzeptanz und eine Kompetenz im Umgang mit den Menschen, die an Demenz erkrankt sind.

Unsere Strategie mit dem Umgang mit Demenz sollte auch dem Leitgedanken der Inklusion folgen. In diesem Haus wird häufig von Inklusion gesprochen, aber meistens reden wir dann über Menschen mit Behinderung.

Frau Ministerin, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Frau Abgeordneten Klahn?