Protokoll der Sitzung vom 20.03.2013

Ich glaube nicht, dass es notwendig ist, auf die Inhalte des neuen Mitbestimmungsgesetzes weiter einzugehen, denn wir haben diese Inhalte schon in der ersten Lesung hier im Landtag beraten. Dabei sind die Unterschiede schon deutlich geworden.

(Wolfgang Dudda)

Allerdings stellt sich immer noch die Frage der Konnexität. Zwar löst die Änderung in der Theorie neue Kosten aus, allerdings weiß man nicht, ob sich auch in der Realität höhere Kosten für die kommunale Ebene einstellen. Trotz der seinerzeitigen Einschränkung der Mitbestimmung durch SchwarzGelb kam es nicht zu Einsparungen, weil die Betriebsräte neu gewählt wurden und gerade die Schulungen der neuen Betriebsratsmitglieder zu Mehraufwendungen geführt haben. Es ist also weder die Einsparungswirkung des damaligen schwarz-gelben Gesetzes nachweisbar gewesen, noch ist jetzt vor diesem Hintergrund eine reale Mehrbelastung nachweisbar.

Hinzu kommt noch, dass es anscheinend unterschiedliche Rechtsauffassungen gibt, ob überhaupt Konnexität ausgelöst wird. Legt man ein Urteil des Landesverfassungsgerichts aus Mecklenburg-Vorpommern zugrunde, dann sind allein Sachaufgaben, nicht jedoch Organisationsaufgaben von der Konnexität betroffen. Es ist also fraglich, ob überhaupt Konnexität ausgelöst wird, und es ist auch fraglich, ob man überhaupt finanzielle Auswirkungen beziffern kann.

Vor diesem Hintergrund fällt für uns der einzige Punkt weg, über den wir hier wirklich noch ernsthaft hätten beraten müssen. Wenn weder Konnexität berührt, noch eine mögliche Konnexität bezifferbar ist, dann bleibt eigentlich nur noch die Diskussion über die Inhalte des Gesetzes. Da ist es ganz einfach: Wir wollen mehr Mitbestimmung, und deswegen ist dieses neue Mitbestimmungsgesetz ein gutes Gesetz.

(Beifall SSW, vereinzelt SPD und BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN)

Das Gleiche gilt natürlich auch für das Ihnen vorliegende Mindestlohngesetz. Für uns als rot-grünblaue Koalition ist es klar, dass in allen Bereichen faire und existenzsichernde Löhne gezahlt werden müssen, von denen man auch leben kann. Da muss natürlich das Land mit gutem Beispiel vorangehen, insbesondere, solange ein flächendeckender Mindestlohn auf Bundesebene blockiert wird.

Mit unserem Entwurf für ein Tariftreuegesetz sind wir das Problem niedriger Löhne schon angegangen, und heute ziehen wir nun mit einem Mindestlohngesetz nach. Nach unserem Gesetzentwurf soll in landeseigenen Unternehmen und wenn Zuwendungen nach der Landeshaushaltsordnung gezahlt werden, ein Mindestlohn von 8,88 € gelten. Bei einem Unternehmen wie dem UKSH würde dies mit rund 100.000 € jährlich zu Buche schlagen. Für das

UKSH wäre dies eine verkraftbare Summe, für die Betroffenen wäre dies im Regelfall der Schritt raus aus Hartz IV. Das ist dann auch gut so; denn wer Vollzeit arbeitet, muss von seinem Lohn auch leben können. Das sehen im Übrigen auch die Wohlfahrtsverbände so. Der Landesgeschäftsführer des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes Günter ErnstBasten hat dies schon bestätigt, obwohl auch dort die unterste Lohngruppe unterhalb des neuen Mindestlohns liegen wird. Wir sind also auf dem guten Weg und gehen diesen Weg auch im Dialog mit denjenigen weiter, die es betrifft.

(Beifall SSW, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und vereinzelt SPD)

Unser aller Ziel muss es doch sein, dass Menschen von ihrem Lohn auch leben und ihre Familie ernähren können. Da kann es nicht sein, dass Menschen trotz Vollzeitarbeit immer noch aufstocken müssen. Bei einem Stundenlohn von 8,50 € liegt der Lohn für einen alleinstehenden Menschen gerade noch so über der Grenze zum Aufstocken. Bei Ehepaaren oder Familien mit Kindern könnte die Grenze bei so einem Lohnniveau schon gerissen werden. Mit 8,88 € oder einer dem aktuellen Tarifabschluss angepassten Lohnuntergrenze von circa 9,09 € ist die Wahrscheinlichkeit sehr hoch, nicht aufstocken zu müssen. Das heißt, dass wir durch unser Mindestlohngesetz einen Beitrag dafür leisten, dass Menschen nicht, obwohl sie arbeiten, zu Hartz-IV-Empfängern werden. Nach meiner Auffassung ist es eigentlich Pflicht und Aufgabe einer verantwortungsvollen Politik, für ein Lohnniveau zu sorgen, das den Bezug von Sozialleistungen verhindert. Genau das tun wir hier in der rot-grünblauen Koalition.

(Beifall SSW, SPD und vereinzelt BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN)

In diesem Zusammenhang möchte ich noch einmal darauf hinweisen, dass die Mindestlohndiskussion nichts mit der Übernahme des Tarifabschlusses für Beamte zu tun hat. Das wurde gerade eben wieder suggeriert. Es geht hier darum, das absolute Mindestmaß bei den Löhnen einzuhalten. Der niedrigste Lohn bei Beamten liegt bei 10,22 €, und der niedrigste Lohn bei Angestellten liegt bei 9,09 €. Diese Untergrenze darf nicht unterschritten werden. Dazu stehen wir. Diese Untergrenze ist durch die Tarifpartner quasi festgelegt, weil es ihr Tarifabschluss ist, an dem sich das Gesetz orientiert. Deshalb wird auch die Tarifautonomie hiervon nicht beeinträchtigt.

(Beifall SSW und SPD)

(Lars Harms)

Durch unser Gesetz schaffen wir so nicht nur einen Schritt hin zu mehr Gerechtigkeit auf dem Arbeitsmarkt, wir entlasten hier auch die Kommunen. Je weniger Menschen auf ergänzende Zahlungen aus Hartz IV angewiesen sind, desto mehr Geld sparen auch die Kommunen. Auch das bitte ich zu berücksichtigen. Dies gilt natürlich für unser Mindestlohngesetz, aber gerade auch für unser in der Beratung befindliches Tariftreuegesetz. Beide Gesetze sorgen dafür, dass weniger Menschen den Gang zum Sozialamt antreten müssen und somit auch weniger Menschen Geld von den Kommunen beantragen müssen. Für die Menschen und für die Kommunen entsteht eine Win-Win-Situation, und das kennzeichnet gute Politik. Diese gute Politik wird von unserer Koalition gemacht.

(Beifall SSW und SPD)

Für unsere Koalition spielt Gerechtigkeit eine große Rolle. Diese Gerechtigkeit muss sich auch in der Arbeitswelt wiederfinden. Deshalb darf es nicht sein, dass Männer und Frauen nicht den gleichen Lohn erhalten. Wir wissen aber alle, dass dies so ist, und deshalb fordern wir die Bundesebene mit unserem Antrag auf, gesetzliche Regelungen zu schaffen, die ungleiche Löhne abschaffen. Natürlich weiß ich auch, dass die ungleichen Löhne zwischen Mann und Frau nicht immer nur dadurch manifestiert werden, dass tatsächlich gleiche Tätigkeiten ungleich bezahlt werden.

Es ist natürlich insbesondere so, dass schon die Aufstiegschancen für Männer und Frauen nicht gleich sind. Deshalb muss sich hier auch etwas an der allgemeinen gesellschaftlichen Haltung ändern.

Änderungen sind aber nur möglich, wenn immer wieder deutlich gemacht wird, dass wir uns mit der derzeitigen Lage nicht zufriedengeben. Genau hierfür gibt es den Equal-Pay-Day, den ich persönlich lieber „Gleiche-Arbeit-gleicher-Lohn“-Tag nennen würde. Wir wollen, dass bei den Löhnen kein Unterschied zwischen den Geschlechtern gemacht wird. Deshalb setzen wir dieses Thema hier auf die Tagesordnung, und deshalb fordern wir die Bundesebene auf, hier etwas zu tun. Es ist unsere gemeinsame gesellschaftliche Verantwortung, hierfür zu arbeiten.

(Beifall SSW, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und Wolfgang Dudda [PIRA- TEN])

Meine Damen und Herren, wir wollen die gesellschaftliche Entwicklung unseres Landes wieder ein kleines Stück voranbringen. Wir wollen eine besse

re Mitbestimmung, und wir wollen einen gerechten Lohn für alle. Wenn Sie das auch wollen, dann stimmen Sie unseren Initiativen zu! Dann sind wir wieder einen Schritt weiter. - Vielen Dank.

(Beifall SSW, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, wir kommen jetzt zu den Dreiminutenbeiträgen. - Zunächst hat für die CDU-Fraktion Frau Abgeordnete Katja RathjeHoffmann das Wort.

Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte die Aufmerksamkeit auf den Equal-Pay-Day - wie auch immer er heißt, ist mir ziemlich wurscht - lenken. Das ist in diesem Jahr der 21. März, 2011 war es der 25. März, 2012 war es der 23. März, und in diesem Jahr ist es - wie gesagt - der 21. März. Wenn das in diesem Tempo so weitergeht, sind wir 2052 da angekommen, wo wir eigentlich heute schon sein müssten, nämlich bei der Lohngleichheit von Männern und Frauen.

(Beifall)

Oder so ausgedrückt: Ein Mann arbeitet 52 Wochen für sein Jahresentgelt, und eine Frau arbeitet 63 Wochen für ihr Jahresentgelt. Das können und wollen wir so nicht akzeptieren. Im Vergleich mit der EU schaut es da etwas besser aus. Am 28. November hat sie ihren Equal-Pay-Day, die EU insgesamt betrachtet. Da haben wir noch ein ganz schönes Stück Weg vor uns, das wir gemeinsam beschreiten sollten. Da sollten wir alle an einem Strang ziehen.

(Beifall Dr. Ralf Stegner [SPD])

Ich möchte dazu auffordern, dass wir die Ursachen bekämpfen, Herr Stegner. Ich glaube, dass wir uns da einig sind. Das ist schön. Wir müssen die anhaltende Ungerechtigkeit und Diskriminierung eliminieren und abbauen. Am Arbeitsplatz darf es keine Diskriminierung geben. Frauen, die die gleichen Chancen haben wie Männer, die die gleichen Qualifikationen haben wie Männer, haben nicht die gleichen Führungspositionen.

(Vereinzelter Beifall)

Daran müssen alle arbeiten: die SPD, die CDU, die FDP, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der SSW und selbstverständlich auch die PIRATEN. Das ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, der wir uns stel

(Lars Harms)

len müssen. Ich halte das Parteiengezänk darum für ungeeignet. Wir müssen gemeinsam dafür arbeiten, dass Frauen das Gleiche verdienen wie Männer.

(Beifall und Unruhe)

Dazu brauchen wir eine bessere Verteilung der Familienarbeit, bessere familienfreundliche Arbeitszeiten, familienfreundliche Unternehmen. Familienfreundlichkeit ist ein knallharter Wirtschaftsfaktor und nicht einfach so dahingeplappert. Das brauchen wir, das müssen wir auch in SchleswigHolstein auf den Weg bringen. Das fordern wir als Opposition ein, und ich hoffe, das wird auch geliefert.

(Dr. Ralf Stegner [SPD]: Beim Betreuungs- geld zum Beispiel!)

Frauen brauchen Chancengleichheit im Beruf. Mehr Frauen in technische Berufe, mehr Männer in die Kitas. Natürlich brauchen wir auch Entgelt- und Chancengleichheit bei der Rente. Wir sind dafür, dass Frauen, die vor 1992 Kinder bekommen haben, die gleichen Entgeltpunkte bekommen wie die mit danach geborenen Kindern. Das sind Aufgaben, denen wir uns stellen müssen. Das müssen wir für die Zukunft in Angriff nehmen. - Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit.

(Beifall CDU und FDP)

Für die SPD-Fraktion hat Herr Abgeordneter Wolfgang Baasch das Wort.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich will versuchen, auf die Frage der branchenbezogenen Mindestlöhne einzugehen, weil das ja immer das Allheilmittel sein soll, um einen flächendeckenden gesetzlichen Mindestlohn zu unterlaufen. Der flächendeckende gesetzliche Mindestlohn soll tatsächlich dafür sorgen, im Bereich der Lohnentwicklung einheitliche Lebensverhältnisse zu schaffen.

Man sagt, es gebe regionale Unterschiede - das ist schon sehr unterschiedlich zu betrachten. Schaut man sich die Branchenmindestlöhne an, gehen die im Moment von 7 bis 13,40 €. Diese Spreizung ist aber nicht von den Lebensverhältnissen in München oder Preetz abhängig, sondern diese Spreizung ist schlicht und ergreifend auch von der Möglichkeit abhängig, so etwas auszuhandeln. Wenn Gewerkschaften in einem bestimmten Bereich stark

sind, können sie auf 13,40 € kommen, wenn sie in bestimmten Bereichen schwach sind, kommen sie auf 7 € Mindestlohn oder landen zum Beispiel im Agrarbereich sogar bei Tarifabschlüssen deutlich unter 7 €, weil die IG Bau bei Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Baumschulen schlicht und ergreifend kaum Verhandlungsmasse hat.

Wenn die CDU vorschlägt, branchenbezogene Lohnuntergrenzen einzuführen, geht man davon aus, dass sich Arbeitgeber und Beschäftigte an einen Tisch setzen und das irgendwie aushandeln. Und was passiert, wenn dort keine Einigung kommt? Dann gibt es einen ganz tollen Vorschlag der CDU: Dann soll das Los entscheiden - das Los! Dann wird aus dem Mindestlohn eine Tombola oder für jemanden aus Nordfriesland vielleicht eher eine „Mindestlohn-Bingo-Veranstaltung“. Aber es wird keinen auf irgendeine Art von begründeter Struktur entwickelten Mindestlohn geben.

Wer so einen Vorschlag macht, streut Sand in die Augen, weil er nicht genau weiß, wie der Konfliktfall ausgeht. Das ist bei einem flächendeckenden gesetzlichen Mindestlohn eindeutig, auf den können sich die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, aber auch die Arbeitgeber verlassen. Daher ist das wesentlich schlauer.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SSW und Wolfgang Dudda [PIRATEN])

Herr Abgeordneter Baasch, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Heiner Garg?

Bitte!

Herr Kollege Baasch, würden Sie mir recht geben, dass die Mindestlohnfindungskommission in Großbritannien weder mit nordfriesischem Bingo noch mit Losentscheidungen etwas zu tun hat und - wenn man das intelligent umsetzen würde - sehr wohl eine diskutable Alternative zu Ihrem Vorschlag wäre?

(Katja Rathje-Hoffmann)