Protokoll der Sitzung vom 24.04.2013

Herr Abgeordneter Dr. Stegner, gestatten Sie eine weitere Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Kai Dolgner?

Mit noch größerem Vergnügen.

Herr Dr. Stegner, stimmen Sie mir zu, dass ein Verfahren wie ein Volksentscheid in Schleswig-Holstein mit vorgeschalteten Verfahren, das ungefähr eineinhalb Jahre dauert, nicht geeignet ist, jetzt eine Verhandlungsposition festzulegen?

- Dem stimme ich ausdrücklich zu. Wie könnte ich einer so klugen Einschätzung auch nicht zustimmen? Sie spricht ja für sich.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir haben von der Vorgängerkoalition immer wieder gehört, wie mutig sie gewesen sei. Sie haben Mut damals so definiert: Ich kürze bei den Schwächsten und lege mich mit den Mächtigen nicht an. Das war die Definition von politischem Mut der Vorgängerregierung. Das hatte mit Mut nichts zu tun. Mut ist aber sehr wohl, Verantwortung zu übernehmen, Verantwortung bei sehr schwierigen Themen zu übernehmen,

(Beifall Dr. Kai Dolgner [SPD])

wie wir sie hier zu lösen haben.

Worum es nämlich heute geht, ist verantwortungsvolles Handeln. Das macht an dieser Stelle zugegebenermaßen keinen Spaß. Aber wenn wir die Endlagerfrage endlich beantworten wollen, dann reden wir heute über die Voraussetzungen dafür, und damit auch über die Voraussetzungen für den erfolgreichen Atomausstieg. Vielleicht ist das der Punkt, den Sie bei uns ernst nehmen sollten. Wir wollten den Atomausstieg immer. Wir schaffen jetzt die Voraussetzungen dafür, dass das mit dem Atomausstieg auch klappt und wir nicht wieder neue Debatten über Restlaufzeiten bekommen, die wir wirklich nicht wollen.

Deshalb appelliere ich an die Opposition - ich nehme die Bewegung im Saal so wahr, dass sich jedenfalls ein Teil der Opposition in unsere Richtung bewegen könnte -, dass wir heute nicht auf billigen Populismus setzen, sondern alles tun, dass die Landesregierung auf der Basis eines starken Votums dieses Landtages als starke Stimme aus dem Norden in Berlin auftreten kann, dass unser Umweltminister Robert Habeck ein Mandat für weitere Verhandlungen hat, das er braucht, wenn wir Erfolg haben wollen.

Schleswig-Holstein steht zu seiner Verantwortung, will aber entscheidend mitreden. Herr Callsen, ich sage es noch einmal. Vielleicht hilft dies der Union: Ohne Zustimmung zu dem, was wir heute als Bedingungen aufstellen, gibt es keine Mitverantwortung für die Zwischenlagerung von radioaktivem Müll in Schleswig-Holstein. Ich sage dies klipp und klar. Das ist die Position, die ich hier zum dritten Mal wiederhole und die Sie hoffentlich so weit verstanden haben, dass Sie aus Ihrem Kriterienkatalog vielleicht die Schlussfolgerung ziehen können, unserem Antrag zuzustimmen.

Ich danke unserem Ministerpräsidenten Torsten Albig für seine Regierungserklärung. Es ist eine Regierungserklärung, die deutlich gemacht hat, dass es um die Verantwortung für die Zukunft unseres Landes geht. Wir dürfen uns nicht wegducken, wir dürfen die Augen vor der Realität nicht verschließen, und wir müssen analysieren und diskutieren, aber auch auf einem Feld handeln, wo es uns nicht leicht fällt. Ich füge hinzu: Wir haben unseren Antrag, den die Regierungsfraktionen heute vorlegen, im Rahmen von Diskussionen, die wir innerhalb der Koalition, mit der Piratenfraktion und mit anderen geführt haben, weiterentwickelt, weil wir für diesen Landtag den bestmöglichen Antrag formu

(Dr. Ralf Stegner)

lieren wollten, der diese Bedingungen klipp und klar formuliert und jede Sorge zum Ausdruck bringt.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Einmal mehr zeigt sich, dass Schleswig-Holsteins Bürgerinnen und Bürger eine gute und verantwortungsvolle Regierung gewählt haben. Diese Linie wird von den Regierungsfraktionen, von SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW, unterstützt. Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir wollen, und wir werden das Notwendige möglich machen. - Vielen herzlichen Dank.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat die Fraktionsvorsitzende, Frau Abgeordneten Eka von Kalben, das Wort.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Der Kampf um die Atomkraft hat die Geschichte unseres Landes tief geprägt. Die Bilder aus Brokdorf mit Knüppeln, Reizgas, Wasserwerfern und NatoDraht gehören zu unserem kollektiven Gedächtnis. Mit den drei Atomkraftwerken Brokdorf, Brunsbüttel und Krümmel war und ist Schleswig-Holstein besonders stark mit den Risiken der Atomkraft belastet. Unsere Kinder wuchsen mit Begriffen wie Störfall und Schrottreaktor auf; einfach deshalb, weil sie in Schleswig-Holstein aufwuchsen.

Es lässt sich also mit Fug und Recht fragen: Warum müssen ausgerechnet wir in Schleswig-Holstein uns beteiligen, wenn es um die Zwischenlagerung von nuklearem Müll geht? Warum ausgerechnet wir? Meine Damen und Herren, die Antwort lautet: gerade deshalb, weil kaum ein anderes Land aus seiner Geschichte heraus ein so hohes Interesse daran hat, dass der Atomausstieg gelingt. Es hat dieses Interesse als ein Kernland der Anti-Atomkraft-Bewegung und als ein Land, das den Risiken der Atomkraft über Jahrzehnte stärker ausgesetzt war als viele andere Länder.

Deshalb sage ich: Wenn Minister Habeck sich für die Landesregierung bereiterklärt hat, Teil einer Lösung bei der Zwischenlagerung von Castoren zu sein und gemeinsam mit anderen einen fairen Beitrag zu leisten, dann hat er im besten Sinne als Schleswig-Holsteiner gehandelt. Wir in Schleswig

Holstein sind niemandes nützlicher Idiot, aber wir taktieren auch nicht herum. Wir sagen, was mit uns geht und was mit uns nicht geht.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir nehmen was von diesem Dreckszeug, aber wir nehmen nicht alles. So einfach ist das.

Ich erspare uns hier einen Rückblick darauf, welche Partei wann in der Energiepolitik welche Rolle gespielt hat. Alle Parteien auch hier im Landtag empfinden sich jetzt als Vorkämpfer der Energiewende. Die Argumente von Grundlastsicherung, Versorgungsengpässen und Strompreisen sind vergessen. Als hätten sie nie etwas anderes gewollt, geben sich CDU und FDP nun geschmeidig und setzen voll auf die erneuerbaren Energien.

Solche Lippenbekenntnisse sind freilich immer so lange wohlfeil, so lange keine unbequemen Entscheidungen zu treffen sind. Vor einer solchen stehen wir heute. Wir stehen heute vor einer verdammt unbequemen Entscheidung. Es geht um die Frage, wie wir mit den strahlenden Altlasten umgehen, die uns die Vorgängerregierungen aus Bund und Land hinterlassen haben. Wir Grüne haben die Probleme nicht mitverursacht, wir sind aber jetzt bereit, Teil der Lösung zu sein. Wir ducken uns nicht weg, wie dies andere tun.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SSW und vereinzelt SPD)

Liebe Kollegen und Kolleginnen, da die Debatte mittlerweile weit fortgeschritten ist, sodass sich mein Skript geändert hat, will ich einen Bogen schlagen, indem ich nicht näher auf die aus meiner Sicht „Gartenzauninstinkte“ weckende Politik des FDP-Antrags eingehe. Diesen Teil meiner Rede möchte ich jetzt zur Seite legen und warten, was die Verhandlungen ergeben. Wenn das Versprechen, das hier gemacht wurde, sich bewahrheitet, dann scheint sich eine Zustimmung der FDP zu unserem Antrag abzuzeichnen. Das würde uns freuen, denn es geht hier nicht um eine parteipolitische Sache. Es geht hier um eine Sache, die das ganze Land betrifft. Es geht nicht nur um Schleswig-Holstein, sondern es geht um die ganze Bundesrepublik.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SSW und vereinzelt SPD)

Meine Damen und Herren, es kam heute schon hinreichend zur Sprache: Niedersachsen hat dem Kompromiss zur Endlagersuche nur für den Fall zugestimmt, dass keine weiteren Transporte nach Gorleben rollen. Das hat nichts mit rot-grünen Erfolgen oder mit Klientelpolitik für das Wendland

(Dr. Ralf Stegner)

oder der Tatsache, dass ich dort geboren wurde, zu tun. Das ist einfach politisch Fakt. Deshalb stehen wir als Gemeinschaft von Bund und Ländern vor der Aufgabe, eine gemeinsame Lösung zu finden, die aufzeigt, wie es anders gehen kann, wie wir die Castoren anders unterbringen können.

Jeder, der glaubt, dass wir riskieren sollten, dass der Bund uns eine Lösung diktiert, spielt mit dem Risiko, dass Schleswig-Holstein mehr belastet wird als durch eine Verhandlungslösung. Wir können es uns nicht leisten, bei der Endlagersuche weiter auf der Stelle zu treten. Der Müll ist nun einmal da. Wenn wir von gerechter Lastenverteilung reden, dann sollten wir das auch auf zukünftige Generationen beziehen. Es ist eben nicht gerecht, wenn wir unseren Enkeln die offene Frage der Mülllagerung hinterlassen.

(Beifall Rasmus Andresen [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN])

Es ist nicht gerecht, wenn es uns heute nicht gelingt, wenigstens die Suche zu starten. Ich würde mich vor meinen Enkeln wirklich schämen, wenn uns dies heute nicht gelänge.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Schleswig-Holstein ist bereit, Teil der Lösung zu sein, aber eben nur ein Teil. Ich spreche für die ganze Koalition, wenn ich sage: Alles andere ist mit unserer Verantwortung und mit der Schutzaufgabe, die wir gegenüber den Menschen in unserem Land haben, nicht vereinbar.

Ich sage an dieser Stelle auch: Die Erklärung von Ministerpräsident Weil in Niedersachsen, dass das Zwischenlager Unterweser nicht zur Verfügung stünde, ist nicht hilfreich; bei allem Verständnis für die besondere Belastung, die Niedersachsen zweifellos hat.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, Die Koalition aus SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW knüpft ihre Zustimmung zur Zwischenlagerung von Atommüll in Schleswig-Holstein an strenge Bedingungen. Die Bedingungen lassen sich so zusammenfassen: gerechte Lastenverteilung, allerhöchste Sicherheitsvorkehrungen, Kostenübernahme durch den Bund besser durch die Atomkonzerne - und volle Transparenz. Castoren sind kein Spielzeug, und ihre Lagerung ist kein Gegenstand für politische Kuhhandel. Nur wenn unsere im Antrag formulierten Bedingungen erfüllt werden, könnten überhaupt Transporte nach Schleswig-Holstein rollen.

Gestern auf unserem Parteitag und auch bei meinem Besuch an der Westküste vor zwei Wochen habe ich sehr deutlich die Ängste der Menschen vor Ort gespürt. Dort herrscht die Angst davor, in der Region wieder verschaukelt zu werden und wieder Spielball der Interessen der Atomkraftbetreiber zu werden, die nach den Riesengeschäften mit der Atomenergie nun auch noch bei der Müllfrage die Gewinner werden könnten. Ich verstehe diese Sorgen. Vattenfall gilt nicht gerade als ein grünes Lieblingsunternehmen, wenn ich das so sagen darf.

(Zuruf)

- Nein, Vattenfall hat auch keine Grüne Giraffe bekommen. - Wir wären jedoch völlig unpolitisch, wenn wir nicht Bedingungen und Regeln formulieren würden, wenn unser Misstrauen und unsere Sorgen so groß sind, dass wir unseren eigenen Maßstäben misstrauen. Unser Bedingungskatalog ist real, und ich muss als Politikerin darauf vertrauen, dass unsere Entscheidungen auch so umgesetzt werden. Sonst könnten wir auch gleich Golf spielen gehen.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Meine Damen und Herren, es geht heute um das, was nötig ist, um in der Endlagerfrage endlich voranzukommen. Unser Land hat erlebt, was es bedeutet, wenn eine Politik nur an das Hier und Jetzt denkt. Genau diese Politik hat uns drei Atomreaktoren in Schleswig-Holstein beschert, deren Risiken unbeherrschbar waren beziehungsweise sind. Und genau diese Politik hat den Müll verursacht, den wir nun irgendwo lassen müssen. Wir stehen vor der Aufgabe, die Erblasten einer Politik zu beseitigen, die nur an das Hier und Jetzt gedacht hat. Das schaffen wir nicht, wenn wir nun wieder eine Politik betreiben, die auch nur an das Hier und Jetzt denkt. Das liegt nicht im langfristigen Interesse Schleswig-Holsteins.

Meine Fraktion vertraut darauf, dass diese Landesregierung bei all ihren Entscheidungen nur einen Maßstab kennt: Was ist das Beste für die Menschen in Schleswig-Holstein, heute, morgen und übermorgen?

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und SSW)

Für die Abgeordneten des SSW hat das Wort der Herr Abgeordnete Lars Harms.

(Eka von Kalben)

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Mit dem parteiübergreifenden Beschluss, aus der risikobehafteten Atomenergie auszusteigen, wurde seinerzeit ein langer und weitgreifender Prozess in Gang gesetzt. Über die Parteigrenzen hinweg wurde der politische Ausstiegsbeschluss mehrheitlich gefasst, sodass er sich nun nicht mehr so leicht umstoßen lässt.

Die Energiewende stellt uns vor große Herausforderungen. Es ist der Schritt, die Energieversorgung auf starke Beine zu stellen und die Voraussetzungen für eine dezentrale Energieversorgung zu schaffen. Dies ist ein gesellschaftlicher Kraftakt, der nur in gemeinsamer Verantwortung gelingen kann.

Daneben gilt es aber auch, sich den Fragen zu stellen, was mit den alten Meilern geschehen und wo der Atommüll hin soll. Auch hier stehen wir vor großen Herausforderungen. Auch diese gesamtgesellschaftliche Aufgabe kann nur von uns allen gemeinsam gelöst werden.