Protokoll der Sitzung vom 25.04.2013

Ich gestatte gern eine Frage des Herrn Abgeordneten Vogt. - Ich möchte den Kollegen Kubicki darauf hinweisen, dass ich als freie Abgeordnete meinen Redebeitrag halte und Sie nicht belehren möchte. Nehmen Sie das bitte zur Kenntnis.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SPD)

Jetzt hat Herr Abgeordneter Vogt das Wort zu einer Zwischenfrage oder zu einer Zwischenbemerkung. Dann kann Frau Abgeordnete Dr. Bohn antworten. Vielleicht sollten wir es bei dieser wichtigen Diskussion insgesamt bei diesen Regularien belassen.

Liebe Kollegin Dr. Bohn, vielen Dank für die Möglichkeit, Ihnen eine Zwischenfrage zu stellen. Ich wollte nur kurz nachfragen, ob ich das vorhin richtig verstanden habe. Meinen Sie wirklich, dass wir alles das, was für die Wirtschaft gut ist, der Wirtschaft auch gesetzlich vorschreiben müssen?

Nein, das tut mir leid, Herr Kollege Vogt. Das haben Sie falsch verstanden. Ich habe ganz eindeutig gesagt, es handelt sich um eine wissenschaftliche Studie, die nicht von den Grünen, von der SPD oder vom SSW in Auftrag gegeben worden ist, sondern von einer Unternehmensberatung, die das nach rein wirtschaftlichem Erfolg gemessen hat. In dieser Studie ist herausgekommen, dass gemischte Teams erfolgreicher sind. Wenn wir das fördern wollen, dann wäre es doch klug, dass wir das auch unterstützen. Das ist der Punkt.

Es geht noch weiter: Gender Diversity, Vielfalt ist erfolgreich, Vielfalt bei Geschlecht, Alter, Religion. Frauen oder Männer, Jung oder Alt, Christin oder Muslima, Vielfalt ist ein Erfolgsfaktor für Firmen. Das zeigt eine Studie - nicht der Grünen, nein - der Europäischen Union. Mit anderen Worten: Gemischte Teams sind erfolgreicher. Das alles sind Erkenntnisse, die wir in einer modernen Gesell

schaft berücksichtigen sollten, auch das spricht dafür, dass die gläserne Decke weg muss und wir eine Frauenquote wirklich brauchen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Chance für eine verbindliche Frauenquote in Aufsichtsräten von Unternehmen ist in der letzten Woche in Berlin leider im Sande verlaufen. Eins, zwei, drei, Chance vorbei! So ist das, wenn CDU und FDP regieren. Verantwortlich hierfür ist die Blockadehaltung, die es leider immer noch in der Union gibt. Wie ein gesellschaftspolitischer Dinosaurier beharrt die Union auf ihren Ideen von gestern. Ich hoffe, Sie werden nicht enden wie die Dinosaurier. Dabei höre ich regelmäßig, dass Sie von der Union moderner werden wollen. Ihre Gleichstellungspolitik ist bestimmt viel, aber modern ist sie leider nicht.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SPD)

Der Bundesrat hat in dem Dezember 2012 mit den Stimmen der rot-grünen Länder dem Gesetzentwurf Hamburgs zur Einführung einer Frauenquote in börsennotierten Unternehmen zugestimmt. Zwei unionsgeführte Länder, Saarland und Sachsen-Anhalt, hatten den Mut, die erforderliche Mehrheit herbeizuführen. Das war mutig und klug, und es zeigt: Es geht doch, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und Dr. Ralf Stegner [SPD])

Dieser Gesetzentwurf ist am 18. April 2013 im Bundestag beraten worden. Leider war das Beratungsergebnis dort ernüchternd. Die zarten Hoffnungen, dass endlich Bewegung in die Debatte kommen würde, wurden leider zerstört. Das ist bedauerlich.

Deshalb sage ich Ihnen noch einmal ganz klar: Die Hälfte sind 50 %; auch da ist die Mathematik völlig parteiunabhängig. Es sind nicht 20 %, es sind nicht 30 %, es sind auch nicht 40 %, nein, die Hälfte sind 50 %. Rechnen Sie es einmal nach. Eine Mehrheit in der Bevölkerung spricht sich längst für eine Quote in den Führungsgremien aus - insoweit scheinen wir unterschiedliche Ergebnisse vorliegen zu haben; das sollten wir einmal vergleichen - als zeitlich begrenztes Mittel, um der Gleichstellung von Frauen in Deutschland auf die Sprünge zu helfen. Sie setzen auf die Freiwilligkeit - die hat versagt -, wir setzen auf die Quote; das ist der Unterschied.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

(Dr. Marret Bohn)

Liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU, das Tempo, das Sie bei der Frauenquote an den Tag legen, erinnert mich nicht an die gestern beschriebene Bimmelbahn, es erinnert mich an eine Postkutsche. Unternehmensberatung, die Wissenschaft, die Mehrheit der Gesellschaft, alle teilen unsere Einschätzung: Die gläserne Decke muss weg, wir brauchen eine Frauenquote, und gerade am heutigen Girls’ Day wäre es für Sie eine gute Gelegenheit, unserem Antrag zuzustimmen. - Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SPD)

Das Wort für die FDP-Fraktion hat die Frau Abgeordnete Anita Klahn.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Offensichtlich sind wir Liberale die einzige politische Gruppierung, die Unternehmen zutraut, eigenverantwortlich die notwendigen Prozesse auf den Weg zu bringen, um eine Unternehmenskultur dahin gehend zu verändern, dass Frauen Führungsaufgaben wahrnehmen können.

(Lachen SPD)

Das einzig Gute an dieser Debatte um die Frauenquote ist, dass in allen Bereichen der Arbeitswelt tradierte Verhaltensmuster aufbrechen. Dazu gehört auch das Durchbrechen der bislang männerdominierten Netzwerke. Zusätzlich zwingt der demografische Wandel Unternehmen, die im harten Wettbewerb auf den Weltmärkten bestehen müssen, Strategien für eine chancengleiche und familiengerechte Personalpolitik zu entwickeln. Kein Unternehmen kann es sich länger leisten, auf gut ausgebildete Frauen zu verzichten.

(Beifall FDP)

Das Institut für Demoskopie Allensbach befragte Frauen und Männer dazu, was der Staat tun solle, um Chancengerechtigkeit - und darum geht es doch in erster Linie - zu fördern. An erster Stelle wird mit 71 % eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf gefordert. Lediglich 18 % - damit auf dem letzten Platz - fordern die Einführung einer Quote.

Meine Damen und Herren, glauben Sie wirklich, dass den Frauen in Schleswig-Holstein eine Perspektive geboten wird, wenn Sie eine gesetzliche

Quote für die Aufsichtsräte von börsennotierten und mitbestimmungspflichtigen Betrieben festschreiben? Ich frage Sie auch: Wie viele Unternehmen und Frauen wird das dann betreffen?

Wenn es darum geht, dass Frauen in Aufsichtsräten präsent sein sollen, geht es ohnehin um die privilegierten Frauen, die eine gute Ausbildung haben und damit den Vergleich mit Männern nicht zu scheuen brauchen. Immer mehr Frauen verlassen die Hochschulen mit hervorragenden Abschlüssen. Sie machen zum Beispiel als Juristinnen, Volksund Betriebswirtinnen in Unternehmen Karriere. Diese Frauen haben zu Recht Selbstbewusstsein. Ich sage Ihnen auch ganz klar: Eine selbstbewusste Frau will nicht als Quotenfrau in den Aufsichtsrat, sondern sie will diese Position aufgrund ihrer Befähigung, ihrer fachlichen Leistung und ihrer sozialen Kompetenz.

(Beifall FDP)

Ich möchte Ihnen an dieser Stelle auch gern die Frage stellen, warum dann nicht die Finanzministerin in den HSH-Aufsichtsrat entsandt wurde, sondern ein männliches Mitglied der Landesregierung. Das ist eine Frage, über die wir vielleicht auch einmal diskutieren können.

(Beifall FDP - Zuruf Dr. Ralf Stegner [SPD])

- Herr Dr. Stegner, darauf komme ich auch noch zu sprechen.

Innovative Unternehmen nutzen dies längst. So führte die Initiative Frauen in die Aufsichtsräte e.V. Anfang April aus -

(Weitere Zurufe SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das Wort hat jetzt die Frau Abgeordnete Anita Klahn.

Danke. - Die Initiative Frauen in die Aufsichtsräte e.V. führte Anfang April aus, dass der Anteil von Frauen in Aufsichtsratsfunktionen in den 160 im DAX, MDAX, SDAX und TecDAX aufgelisteten Unternehmen - da habe ich andere Zahlen als die Kollegin Rathje-Hoffmann - im Jahr 2012 12,8 % ausmachte. Zum Stichtag 31. März 2013 ist diese Quote auf 16,2 % gestiegen.

Das ist nicht zufriedenstellend, aber hier findet ein Wandel statt, und zwar ohne Quote, was Sie, meine

(Dr. Marret Bohn)

Damen und Herren von der Regierung, offensichtlich nicht wahrgenommen haben.

Außerdem liest sich der vorliegende Antrag so, als ob Sie die Quote sofort umsetzen wollen. Ich frage mich, warum es Sie zu dieser Eile drängt; denn diese Eile haben nicht einmal Ihre Kolleginnen und Kollegen im Bund, die die Zielerreichung für das Jahr 2023 anstrebt. Das ist in zehn Jahren.

Ich sage an dieser Stelle auch ganz offen, dass die zuletzt im Bundestag geführte Diskussion zu diesem Thema aus meiner Sicht schon ein trauriges Signal an die Frauen war, traurig allein aus dem Grund, dass dieses gesamtgesellschaftlich wichtige Thema wieder einmal von allen Beteiligten zerredet wurde. Wieder einmal wurde die Chance vertan, eine sachliche Diskussion zum Abbau von Aufstiegsbarrieren für Frauen zu führen. Damit meine ich insbesondere die Vielzahl von Frauen, die ihre berufliche Weiterentwicklung während oder auch nach Erziehungs- und Pflegezeiten planen. Wie soll es zu einer ernsthaften Auseinandersetzung und Lösungsfindung kommen, wenn die stetig herrschenden Klischees gegeneinander ausgespielt werden, nur um sich vom politischen Gegner abzusetzen?

Es gibt intelligentere Lösungsansätze, damit Politik, Gesellschaft und Wirtschaft gemeinsam die Rahmenbedingungen schaffen, damit Frauen endlich die gläserne Decke durchstoßen, und zwar in allen Berufsfeldern, nicht nur in Aufsichtsräten.

(Beifall FDP)

Wir müssen weiterhin die Vereinbarkeit von Familie und Beruf im Fokus haben, wir müssen von der Präsenzkultur wegkommen; Handy und Laptop sind geeignete Hilfsmittel. Elternzeitmodelle, Teilzeitmodelle für Führungskräfte sowie praktische Unterstützungsleistungen sind richtige Ansatzpunkte.

Die „FAZ“ hat in einem intelligenten Kommentar die Folgen der Quote infrage gestellt: Ein Quotengesetz sei Freiheitsbeschränkung. Jede Quote schaffte wirtschaftliche Privilegien und werde neue Begehrlichkeiten wecken.

Die Frage wäre: Für wen schaffen wir Quoten? Wird es eine Quote für Erziehende geben oder für alle Gruppen?

Meine Damen und Herren, die Quote ist der falsche Weg und löst das Problem nicht. Wir als Liberale werden den Antrag ablehnen.

(Beifall FDP)

Zu Ihrer drängenden Frage, wenn Sie, Herr Präsident, gestatten: Die FDP wird, wenn Herr Kubicki erfolgreich nach Berlin gehen sollte, was ich ihm wirklich wünsche, hier mit zwei Frauen sitzen. Die Zahl der Frauen wird sich bei uns verdoppeln.

(Beifall FDP)

Das Wort für die Fraktion der PIRATEN hat der Herr Abgeordnete Torge Schmidt.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich bin anscheinend der einzige Mann, der heute zu diesem Thema spricht.

(Zuruf SPD: Herr Dolgner hat sich schon ge- meldet!)