Protokoll der Sitzung vom 25.04.2013

(Zuruf SPD: Herr Dolgner hat sich schon ge- meldet!)

- Kai hat sich schon gemeldet. Das finde ich gut.

Es gibt in allen Parteien große Gender-Befürworter. Es gibt sie ganz bestimmt auch hier im Haus. Es gibt sie innerhalb meiner Partei und auch außerhalb meiner Partei.

Viele denken, dass das Geschlecht in unserer Gesellschaft keine Rolle mehr spielt. Doch das ist weit gefehlt. Das Geschlecht ist eine grundlegende Strukturkategorie. Es definiert jeden Teil unseres Lebens. Studien zeigen, dass wir eher das Alter, die Größe, den Namen, die Hautfarbe und alles andere vergessen als das Geschlecht eines Menschen. Das Geschlecht spielt eine große Rolle. Es strukturiert unsere Gesellschaft, unser Leben und unsere Arbeit.

In der Wirtschaft akzeptieren wir, dass die Rollen von Arbeitgebern und Arbeitnehmern fundamental unterschiedlich sind. Wir schreiben deswegen eine paritätische Besetzung von Aufsichtsräten vor. Wir ignorieren aber weitgehend die Notwendigkeit geschlechterparitätischer Verhältnisse. Ich spreche bewusst von „Geschlechtern“; denn es gibt nicht nur ein Geschlecht. Es gibt sogar mehr als zwei Geschlechter. Das würde die Diskussion aber zu weit führen.

Anstatt diese Vielfalt abzubilden, lassen wir zu, dass ein Geschlecht die Schlüsselstellen in Wirtschaft und Politik dominiert. Das ist das männliche Geschlecht. Deswegen geht der Antrag in die richtige Richtung, auch wenn wieder einmal auf eine strikte Geschlechterbinarität gesetzt wird, die unsere Lebensrealität nicht widerspiegelt.

(Anita Klahn)

Wir dürfen nicht vergessen, dass eine Quote zur Besetzung von Aufsichtsräten wenig bringt, wenn die Vorstände weiterhin männlich dominiert werden. Konkret heißt das, dass sich in den Unternehmen nichts in Bezug auf die Vereinbarkeit von Beruf und Familie und in Bezug auf den Kulturwandel in der Arbeitswelt ändert. Darum muss es uns schließlich gehen.

(Beifall PIRATEN sowie vereinzelt BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Dass die Quote nur ein Instrument ist, auf dessen Anwendung sich niemand ausruhen kann, sieht man schön bei den Grünen oder auch bei der SPD. Während die Grünen ohne eine Quote eine ähnliche männliche Dominanz hätten, wie dies überall in der Gesellschaft der Fall ist, hat es die SPD trotz der Quote noch nicht geschafft, eine Kanzlerkandidatin, eine Parteichefin oder eine Fraktionschefin zu wählen.

(Beifall Dr. Patrick Breyer [PIRATEN] - Christopher Vogt [FDP]: Peinlich!)

Ich wünsche mir, dass Sie das endlich einmal hinbekommen. Es ist aber leider so.

Studien zeigen, dass Unternehmen mit gemischtgeschlechtlichen Leadershipteams innovativer und erfolgreicher sind. Das ist also nicht nur eine Frage der Gerechtigkeit, sondern auch eine Frage des wirtschaftlichen Erfolgs eines Landes.

Lassen Sie uns nicht vergessen: Unternehmen haben eine gesellschaftliche Verantwortung, der sie zurzeit nicht gerecht werden. Vor über zehn Jahren gab es die erste Selbstverpflichtung der Wirtschaft. Das Ergebnis ist ernüchternd. Der Anteil weiblicher Top-Führungskräfte ist immer noch marginal. Wir brauchen also feste gesetzliche Regelungen.

Es ist auch Aufgabe der Unternehmen, ihren Nachwuchs auszubilden. Sofern sie kein qualifiziertes weibliches Personal zur Besetzung ihrer Aufsichtsräte finden, zeigen sie damit lediglich, wie schlecht sie dieser Aufgabe nachgekommen sind.

Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Stegner?

Gern.

Lieber Herr Kollege Schmidt, Sie sind noch nicht so lange im Landtag. Deswegen möchte ich Sie darauf aufmerksam machen, dass im Land Schleswig-Holstein die erste Ministerpräsidentin, die erste Landtagspräsidentin und die erste Fraktionsvorsitzende von der SPD gestellt worden sind. Damit sollten Sie einmal Ihre Erinnerung auffrischen.

(Beifall SPD, vereinzelt BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Das zeichnet uns und nicht andere aus. Wenn Sie das einmal nachlesen würden, dann müssten Sie nicht solche hämischen Bemerkungen machen.

(Dr. Ekkehard Klug [FDP]: Wann kommt endlich die erste Bundesvorsitzende der SPD?)

- Da gebe ich Ihnen Recht. Gleichwohl wünschte ich mir, dass anstelle von Peer Steinbrück jemand anders dort stünde.

(Zurufe)

Belege für die Ungleichbehandlung der Geschlechter in der Wirtschaft gibt es zur Genüge. Daher hat die Politik eine Verantwortung, die sie nicht an die freien Märkte abgeben kann. Die Quote ist ein wichtiger Baustein bei der Umsetzung des Gleichberechtigungsauftrags des Grundgesetzes, der schon viel zu lange ignoriert wurde. Die Quote stellt einen Anfang dar. Sie bricht das männliche Monopol auf und ermöglicht Frauen und schließlich auch anderen Formen von Gender Raum zur Entfaltung.

Es gibt noch immer viele Länder in dieser Welt, in denen Mädchen niemals eine Schule von innen sehen, in denen Frauen nicht wählen und nicht einmal Auto fahren dürfen. Als hochentwickeltes und fortschrittliches Land dürfen wir uns nicht auf dem Status quo ausruhen und den Frauen Dankbarkeit abverlangen.

Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage beziehungsweise -bemerkung der Frau Abgeordneten von Kalben?

Gern.

(Torge Schmidt)

Lieber Herr Schmidt, ich freue mich natürlich, dass Sie sich für die Frauenquote aussprechen und die SPD kritisieren.

(Heiterkeit und Beifall CDU und FDP)

Ich frage mich allerdings, ob Sie sich eigentlich auch in Ihrer Partei für eine Frauenquote einsetzen.

- Ja.

(Eka von Kalben [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN]: Danke! - Zuruf: Und das Ergebnis?)

Herr Abgeordneter Schmidt, gestatten Sie eine Zwischenfrage beziehungsweise -bemerkung des Herrn Abgeordneten Dudda?

Gern.

Kollege Schmidt, können Sie bestätigen, dass es in unserem Forum „LiquidFeedback“ mehrere Fragen dazu gegeben hat und dass es dort eindeutige Mehrheiten gegeben hat zugunsten einer Frauenquote?

- Das stimmt. Es gibt in unserem „LiquidFeedback“ Beschlüsse auf Bundesebene für eine Frauenquote.

Solange wir nicht in allen Lebensbereichen eine echte Gleichberechtigung erreicht haben, ist es unsere Aufgabe und unsere Pflicht, weiter mit gutem Beispiel voranzugehen. Eine Quote, die zu einer gerechten Besetzung von Schlüsselpositionen in unserer Wirtschaft führt, ist ein richtiger und ein wichtiger Schritt.

Daher danke ich Ihnen, dass Sie mir zugehört haben.

(Beifall PIRATEN und vereinzelt BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das Wort für den SSW im Schleswig-Holsteinischen Landtag hat der Herr Abgeordnete Lars Harms.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Frauen sind in Aufsichtsräten deutlich unterrepräsentiert. Unter dem entsprechenden Wikipe

dia-Eintrag findet sich unter den im DAX notierten Aktiengesellschaften sogar eine, in deren Aufsichtsrat gar keine Frau sitzt, und zwar die Fresenius AG. Ansonsten gibt es in einigen Aufsichtsräten eine Frau, wie bei der Continental AG oder der Linde AG, und wenige rühmliche Ausnahmen, bei denen die Frauen 37 % stellen, so bei der Henkel AG, oder 35 % bei der Telekom AG. Es gibt nur eine weibliche Aufsichtsratsvorsitzende, und diese gehört zur Henkel-Eigentümerfamilie. Das hat also weniger etwas mit der Quote, sondern mit dem Eigentum zu tun. Damit stellen Frauen nur 3 % der Aufsichtsratsvorsitzenden.

Zum Vergleich, meine Damen und Herren: In Finnland beträgt der Anteil weiblicher Vorsitzender in den Aufsichtsräten 13 %, in der Türkei sind es 12 %. Die geringe Zahl von Frauen ist also ein deutsches Phänomen. Inhaltliche Gründe spielen bei dieser eklatanten Unterberücksichtigung von Frauen keine Rolle; denn noch nie waren Frauen so gut ausgebildet, hoch motiviert und flexibel wie heute. Die Frauen bleiben einfach im Erdgeschoss und auf der Mitteletage der Unternehmen hängen, und das schon seit Jahren. Sie verdienen weniger und besetzen weniger einflussreiche Jobs als ihre männlichen Kollegen. Deutsche Aktiengesellschaften bevorzugen Männer in den obersten Etagen. Gleiches gilt übrigens auch für Führungspositionen an Universitäten und Krankenhäusern.

Deutschland wird dafür regelmäßig kritisiert, und zwar von den Frauen in Deutschland, aber auch von der EU. Die EU-Kommissarin Viviane Reding will nun endlich Bewegung sehen.

Appelle bewegen nichts. Überzeugungsarbeit zündet nicht. Dass die Unternehmen irgendwann einmal selbst auf den Trichter kommen, dafür gibt es überhaupt keinerlei Anzeichen.

Da verliert man irgendwann einfach die Geduld, so wie Bundeskanzlerin Angela Merkel auf dem CDU-Bundesparteitag in Hannover vor ein paar Monaten - ich zitiere -:

„Meine Geduld bei dem Thema geht zu Ende, ich will jetzt endlich Resultate sehen!“

Die faktische Aussperrung von Frauen bei Führungspositionen wird immer wieder beklagt. Geändert hat sich aber nichts. Frauen haben weiterhin das Nachsehen.

Genau das brachte die Bundeskanzlerin damals auf die Palme. Die CDU ist bekanntlich eine Koalition eingegangen, sodass Angela Merkel jederzeit quasi

(Torge Schmidt)