Protokoll der Sitzung vom 25.04.2013

(Beifall CDU)

Herr Stegner und - ich glaube - auch Lars Harms, wenn Sie hier immer wieder den Arbeitnehmer anführen, der sich nicht dagegen wehren kann, dass die Steuern von seinem Lohn gleich einbehalten und an das Finanzamt abgeführt werden, dann frage ich Sie, warum Sie das Gleiche für diejenigen deutschen Staatsbürger, die Kapitalerträge in der Schweiz haben, verhindern. Sie schützen die Steuerbetrüger in der Schweiz, indem Sie verhindern, dass von diesen Menschen nach den Steuerabkommen mit der Schweiz die Kapitalertragssteuer als Abgeltungssteuer direkt von den Kapitalerträgen, die sie auf Schweizer Konten haben, einbehalten werden, und zwar so, als hätten sie dieses Geld auf einem deutschen Konto.

(Widerspruch bei der SPD)

Ich frage mich, warum Sie lieber Einzelne mit der ganzen Wucht der Steuerfahndung verfolgen, wenn Sie es doch so einfach haben könnten, die Steuern einzubehalten. Sie könnten sich dann vielleicht nicht mehr moralisch über andere erheben. Das ist vielleicht der Hintergrund.

Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage -

Ich wundere mich darüber. Darüber haben wir mit Wolfgang Schäuble häufig genug gesprochen. Es gibt Dinge wie den automatisierten Informationsaustausch und viele andere mehr, Dinge, die wir gern mit untergebracht hätten. Diese Dinge waren aber nicht erreichbar. Wir müssen versuchen, auf europäischem Wege nachzusteuern, damit diese Dinge für alle gelten und nicht nur für einige wenige. Das, was Sie in dieser Frage machen, nämlich sich moralisch zu erheben und gleichzeitig zu bewirken, dass diese Steuern nicht eingenommen werden können, ist ein ziemlich unerhörter Vorgang.

(Beifall CDU und FDP)

Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenbemerkung oder Zwischenfrage des Herrn Kollegen Dr. Stegner?

Bitte sehr.

(Wolfgang Kubicki)

Sehr geehrter Herr Kollege Wiegard, wären Sie bereit, zur Kenntnis zu nehmen, dass die Steuern sehr wohl eingenommen werden könnten, wenn diejenigen, denen das Kapital gehört und die es in das Ausland geschafft haben, es ehrlich erklären würden? Das wäre der sinnvollste und einfachste Weg, die Steuern einzunehmen.

(Vereinzelter Beifall SPD)

Wären Sie zweitens bereit zur Kenntnis zu nehmen, dass wir dieses Steuerabkommen für falsch halten, weil man es besser hätte verhandeln müssen?

Wären Sie drittens bereit, zur Kenntnis zu nehmen, dass ich dafür bin, die Kapitalbesteuerung von einer pauschalen Besteuerung hin zu einer proportionalen Besteuerung zu entwickeln, wie dies auch bei anderen Dingen, zum Beispiel der Arbeit, geschieht, um Ungerechtigkeiten zu verhindern?

Ein letzter Punkt: Vielleicht könnten Sie auch noch zur Kenntnis nehmen, dass das Schweizer Abkommen beziehungsweise die Tatsache, dass es nicht gekommen ist, dazu geführt hat, dass jemand wie Herr Hoeneß sich gemeldet hat. Diese Menschen haben nämlich gemerkt, dass die Dinge durch die Steuer-CDs jetzt herauskommen. Davor haben die Leute Angst. Sie hätten lieber das Schweizer Abkommen gehabt.

(Vereinzelter Beifall SPD)

- Das ist der allergrößte Unsinn. Zu Ihrem ersten Punkt möchte ich nur sagen: Herr Kollege Stegner, selbstverständlich wäre es sinnvoll, wenn jeder Steuerbürger oder jede steuerpflichtige Einrichtung die Steuern ordentlich bezahlen und erklären würde.

Der einfachste Weg ist immer noch der, dass die Steuern gleich einbehalten werden und das Geld gar nicht erst ausgezahlt wird.

(Dr. Kai Dolgner [SPD]: Wenn es keine Kri- minellen gäbe, bräuchten wir auch keine Po- lizei! Das wäre super für den Landeshaus- halt! - Heiterkeit)

- Ja, natürlich. Da haben Sie recht. Ich habe bisher noch kein Argument gefunden, das eigentlich gegen die These spricht, diese Abgeltungssteuer, die wir auch in Deutschland eingeführt haben, umzusetzen. Vor dem Hintergrund, dass sich die Schweiz, die

den Schutz der Steuerdaten sogar in ihrer Verfassung geregelt hat, bereit erklärt hat, quasi als deutsches Finanzamt zu fungieren und die Steuern nach demselben Steuerrecht, das wir hier auch in Deutschland anwenden, einzuziehen, finde ich es schon einigermaßen erstaunlich, dass wir das nicht akzeptieren wollen.

Ich möchte einen zweiten Punkt aus Ihrem Antrag ansprechen, meine Damen und Herren, der mich wirklich auf die Palme bringt. Das ist die immer wieder in die Diskussion gebrachte Forderung, doch nun eine Bundessteuerverwaltung einzuführen, die Landesfinanzverwaltung abzuschaffen, Frau Ministerin - und dann wird alles besser. Dass eine so große Behörde, das wäre eine Behörde mit fast 150.000 Beschäftigten, von Berlin aus die Arbeit besser machen können soll, das ist doch wohl absurd, meine Damen und Herren.

Herr Steinbrück hat damals ein Gutachten bei Roland Berger eingeholt, in dem vorgerechnet wird, dass man dann möglicherweise 26 Milliarden € mehr erzielen würde. Eine richtige Begründung dafür gibt es nicht, dass man das kann. Ich habe das bisher nirgends gelesen. Ich habe damals Peer Steinbrück gesagt, dass ich von diesem ganzen Blödsinn überhaupt nichts halte. Wenn man aber mal unterstellt, wir würden damit 26 Milliarden € mehr an Steuereinnahmen erzielen, wäre ich bereit, das sofort zu machen, wenn er nur die Hälfte davon, 13 Milliarden €, den Ländern geben würde, und zwar sofort, und dann den ganzen Kram übernimmt.

Herr Abgeordneter, Sie müssen bitte zum Ende Ihrer Rede kommen.

Das hätte für Schleswig-Holstein etwa 500 Millionen € Steuermehreinnahmen im Jahr bedeutet, wenn Herr Steinbrück dies damals übernommen hätte. - Herr Steinbrück war offensichtlich von seinem eigenen Gutachten und von seinen eigenen Zahlen nicht überzeugt, denn er hat es weit von sich gewiesen, hieran auch nur zu denken.

Meine Damen und Herren, wer an seine eigenen Zahlen nicht glaubt, der sollte auch die Finger davonlassen, anderen solche Vorschläge zu unterbreiten.

(Beifall CDU und FDP)

(Rainer Wiegard)

Das Wort für die Landesregierung erteile ich der Finanzministerin Monika Heinold.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Straffreiheit, Strafmilderung, Verjährung - all dies muss kritisch überprüft werden, Handlungsmöglichkeiten müssen ausgelotet werden. Wir müssen schauen, ob es besser gehen kann als bisher. Denn die Quelle aller staatlichen Leistungen sind unsere Steuereinnahmen; unser Gemeinwesen ist auf eine ausreichende Finanzausstattung angewiesen. Ohne Steuern ist kein Staat zu machen.

Die große Mehrheit der Bürger und Bürgerinnen zahlt ihre Steuern korrekt und ehrlich und trägt so zur solidarischen Finanzierung unseres Gemeinwesens bei.

Doch die Debatten um Offshore-Leaks, aber auch um den Präsidenten des FC Bayern, zeigen, dass es Handlungsbedarf gibt, dass es zu viele Ausnahmen gibt, dass es aber auch zu viel Steuerkriminalität gibt.

Meine Damen und Herren, nach Berechnungen der Europäischen Kommission entgehen den Mitgliedstaaten durch Steuerhinterziehung jedes Jahr rund 850 Milliarden €. Ich bin selbst sehr skeptisch, was diese Zahl angeht, denn runtergerechnet auf Deutschland wären das 150 Milliarden € jährlich, auf Schleswig-Holstein heruntergerechnet 2 Milliarden € jährlich an Mehreinnahmen. Dies scheint mir sehr viel zu sein, aber ich hätte das Geld natürlich gern, dann hätten wir eine deutlich andere Situation. Ich denke, schon 25 % der Summe würden uns weiterhelfen.

Die Größenordnung dieser Zahlen zeigt, Steuerhinterziehung ist ein ernstes Problem, und deshalb hat Schleswig-Holstein auch in den letzten Jahren den Kampf gegen die Steuerhinterziehung verschärft. Seit 2008 werden etwa 110 Beamtinnen und Beamte der Steuerfahndungsstellen durch die Servicestelle Steueraufsicht und seit 2011 durch das mobile Sachgebiet unterstützt. Im Herbst 2012 wurde zudem durch eine Verbindungsstelle der Steuerfahndung die Zusammenarbeit mit dem Landeskriminalamt intensiviert. Die Arbeit der Steuerfahndung trägt Früchte. Im vergangenen Jahr hat sie einen Steuerschaden in Höhe von etwa 150 Millionen € aufgedeckt. Hinzu kommen die Selbstanzeigen, die im Zusammenhang mit der Diskussion über Steuer-CDs eingegangen sind. Bis Ende März

2013 lagen in Schleswig-Holstein 824 Selbstanzeigen vor, die zu Mehreinnahmen in einem Umfang von voraussichtlich 133 Millionen € führen werden.

Das zeigt, wie richtig es war, dass von Rot und Grün regierte Bundesländer im Bundesrat das Steuerabkommen verhindert haben, denn das Abkommen hätte verhindert, dass künftig weiter ermittelt werden kann. Ein Abkommen, dass Ablassgeschäfte und Sonderlösungen für die großen Steuersünder vorsieht und den ehrlichen Steuerzahler zum Dummen macht, das wird niemals unsere Zustimmung finden.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, ver- einzelt SPD und SSW)

Meine Damen und Herren, um für mehr Steuergerechtigkeit zu sorgen, bleibt noch viel zu tun. Dazu müssen die Weichen auf nationaler und internationaler Ebene richtig gestellt werden. Die Landesregierung steht bereit, sich im Rahmen ihrer Möglichkeiten dafür einzusetzen. Ich bin deshalb dankbar für den Antrag der Koalitionsfraktionen, der in die richtige Richtung geht, und ich möchte auf zwei Aspekte näher eingehen, die mir besonders wichtig erscheinen.

Auf nationaler Ebene muss ein einheitliches Vorgehen der Finanzbehörden gegen Steuerhinterzieher sichergestellt werden. Es kann nicht sein, dass Kleinstaaterei beim Steuervollzug zu einer absurden Standortpolitik zulasten der öffentlichen Haushalte führt.

Die Landesregierung unterstützt deshalb die Forderung, für ein bundeseinheitliches Vorgehen von Steuerfahndung und Steuervollzug zu sorgen. Ziel muss es sein, für bestmögliche Effizienz und Steuergerechtigkeit zu sorgen. Dabei kann die Einführung einer Bundessteuerverwaltung eine Option sein. Auch der Idee des Bundesfinanzministeriums, eine Art deutsches FBI gegen internationale Steuerhinterziehung einzurichten, stehe ich aufgeschlossen gegenüber. Wenn Finanzminister Schäuble seinen Ankündigungen Taten folgen lassen will, steht meine Tür jedenfalls für den Dialog offen.

Auf internationaler Ebene muss sich die Bundesregierung viel stärker als bisher gegen grenzüberschreitenden Steuerbetrug einsetzen. Ich denke dabei vor allem an die EU-Zinsrichtline, die nach wie vor zahlreiche Schlupflöcher für Steuerbetrüger bietet, die endlich geschlossen werden müssen. Es ist gut, dass durch die Offshore-Leaks-Enthüllung die Debatte an Dynamik gewonnen hat. Der automatische Informationsaustausch ist das beste Mit

tel, um internationalen Steuerhinterziehern das Handwerk zu legen.

Meine Damen und Herren, ich freue mich deshalb auch, dass die Finanzminister der G 5 sich diesen Monat mit dem Ziel eines erweiterten Informationsaustausches über die derzeitige EU-Richtlinie hinaus verpflichtet haben. Jetzt wird es darauf ankommen, dass der erklärte politische Wille auch in wasserdichte Gesetze umgesetzt und der Informationsaustausch auf möglichst viele Länder ausgedehnt wird. Die Debatte in den letzten Wochen hat gezeigt: Im Kampf gegen Steuerbetrüger und Steueroasen gibt es noch viel zu tun. Wir sind es den Steuerzahlerinnen und Steuerzahlern schuldig, dass wir uns darum kümmern, damit es zu Gerechtigkeit kommt. - Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und SSW)

Vielen Dank, Frau Ministerin. - Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe deshalb die Beratung. Es ist beantragt worden, den Antrag in der Drucksache 18/631 sowie den Änderungsantrag in der Drucksache 18/771 dem Finanzausschuss zu überweisen. Wer dem so zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen.

(Zurufe)

- Keine Panik. Das ist so beantragt worden. Sie können sich zu dem Antrag entsprechend verhalten, dann machen wir entsprechend weiter.

Wer also diese beiden Drucksachen in den Finanzausschuss überweisen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Das sind die Kolleginnen und Kollegen von FDP, CDU und PIRATEN. Wer dem nicht zustimmen will, den bitte ich jetzt um das Handzeichen. - Das sind die Mitglieder der Fraktionen von SSW, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SPD. - Damit ist diese Überweisung abgelehnt.

Dann wurde beantragt, über die Anträge in der Sache abzustimmen. Ich lasse deshalb zunächst über den Änderungsantrag der Fraktion der FDP, Drucksache 18/771, abstimmen. Wer diesem so zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Das ist der Antrag der Fraktion der FDP, dem folgerichtig dann auch die Fraktion der FDP und die Fraktion der CDU zustimmen sowie sämtliche Mitglieder der Piratenfraktion. Wer lehnt diesen Antrag ab der FDP ab? - Das sind die Mitglieder von SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW. Wer enthält sich der Stimme? - Niemand. - Dann ist der

Antrag in der Drucksache 18/771 mit den Stimmen von SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW abgelehnt.

Ich lasse jetzt über den Antrag der Fraktionen von SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der Abgeordneten des SSW in der Drucksache 18/631 abstimmen. Wer diesem Antrag seine Zustimmung geben will, den bitte ich um das Handzeichen. - Das sind die Fraktionen von SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und die Abgeordneten des SSW. Wer lehnt diesen Antrag ab? - Das sind die Kolleginnen und Kollegen der CDU, der FDP und der PIRATEN. - Wer enthält sich der Stimme? - Damit ist dieser Antrag mehrheitlich angenommen.