Protokoll der Sitzung vom 26.04.2013

Da nicken Sie. Das ist ja auch konstitutiv für die CDU. Im Staatsbürgerschaftsrecht haben wir das doch gehört: Ja, das ist unser Grundsatz.

Unser Grundsatz ist ein anderer. Wir glauben - und wir halten das ebenso wie wahrscheinlich die Mehrheit in diesem Hause auch für richtig -, dass das Staatsvolk kein Selbstzweck ist, sondern dass eigentlich jede Gesetzgebung und jede Wahl das Verhältnis zwischen den Beherrschten und den Herrschern regeln. Das ist die alte Definition. Und die Beherrschten sind alle. Alle zahlen Steuern, alle sind den gleichen Gesetzen unterlegen, egal welchen Pass sie nun gerade haben. Da ist es unser politisches Ziel, solange es mit unserer Verfassung vereinbar ist oder vereinbar zu machen ist - dafür sind wir ja Gesetzgeber und auch Verfassungsgeber im Lande Schleswig-Holstein -, dass man diesen Willen, wenn man dies so erkennt, auch durchsetzt und nicht vor der eigenen Courage zurückschreckt. Auch Artikel 28 ist von Parlamentariern gemacht worden.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Dieses Übereinanderbringen von Nationalität und Staatsvolk ist übrigens nicht so selbstverständlich, wie es auch die Verfassungsrichter gesagt haben, weder global - das hat Herr Klug hier schon ausgeführt - noch historisch. Das ist eine relativ junge Entwicklung.

Abschließend möchte ich Ihnen einmal einen § 24 vorlesen. Ich werde Ihnen gleich sagen, um welchen Paragrafen es sich handelt. Ich zitiere mit Ihrer Erlaubnis, Herr Präsident:

„Das Bürgerrecht wird in allen Städten, sie mögen bisher mittelbare oder unmittelbare Städte genannt worden sein, imgleichen bei allen Bürgern, ohne Unterschied, ob sie Deutsche, namentlich: Pfälzer, Franzosen oder von anderer Nation sind, vom Magistrat des Orts ertheilt.“

Das ist die Grundlage unseres kommunalen Wahlrechts. Das hat ein volles Ausländerwahlrecht vorgesehen, wie jeder von Ihnen weiß, der diese Medaille trägt oder vielleicht auch einmal bekommt. Das Zitat stammt aus der Preußischen Städteordnung von Freiherr vom Stein aus dem Jahre 1808.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Das ist inzwischen über 200 Jahre her. Es wäre wirklich schön, wenn wir diese fortschrittliche Städteordnung auch in diesem Punkt endlich einmal rechtlich umsetzen könnten. - Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SSW und Christopher Vogt [FDP])

Weitere Wortmeldungen liegen vor, zunächst die des Herrn Abgeordneten Dr. Breyer von der Piratenfraktion.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Schon sehr viele Jahre diskutieren wir darüber und versuchen auch hier im Schleswig-Holsteinischen Landtag, den Menschen nichtdeutscher Staatsangehörigkeit endlich ein kommunales Wahlrecht einzuräumen. Dementsprechend bekennen wir PIRATEN uns eindeutig dazu und sind damit auch in den Landtagswahlkampf gezogen. Deswegen ist es richtig und auch an der Zeit, heute den entsprechenden Antrag zu verabschieden, und zwar in der Sache.

Anders ist es beim Thema Landtagswahlrecht. Hierüber haben wir noch keine ausgiebige Diskussion geführt. Dieses Thema ist noch nicht gemeinsam mit den Bürgerinnen und Bürgern intensiv diskutiert worden. Auch wir in unserer Partei haben zu dieser Frage noch keine Position bezogen.

Ein Wahlrecht nur auf Unionsbürger zu erstrecken würde zudem die Diskriminierung im Verhältnis zu den Drittstaatenangehörigen aufrechterhalten.

Ich meine auch, dass Ihr Antrag, liebe Kolleginnen und Kollegen von der FDP, vom Inhalt her ein Stück weit widersprüchlich ist, weil er zuerst sagt, wir wollen eine Bundesratsinitiative, dann aber im zweiten Satz sagt: Wir wollen prüfen, ob das überhaupt mit dem Grundgesetz machbar ist. Insofern haben wir also noch Erörterungsbedarf.

Deshalb haben wir im Vorfeld abgesprochen, dass wir diesen Antrag, der nach meiner Meinung noch nicht ausreichend diskutiert worden ist, noch im Innen- und Rechtsausschuss behandeln und auch eine Anhörung dazu durchführen. Dies würde ich sehr begrüßen. Denn zum jetzigen Zeitpunkt sehen wir uns nicht in der Lage, uns dazu eine positive Meinung in dem Sinne, wie der jetzige Antrag formuliert worden ist, zu bilden.

Ich bitte Sie also, ein klares Signal in Bezug auf die Kommunalwahl zu setzen, aber sorgfältig vorzugehen bezüglich der Landtagswahl, damit nicht zum zweiten Mal ein Gesetz, das im Grunde eine gute Intention hat, keinen Bestand vor der Verfassung hat. Das würde unserem Anliegen schaden, wenn wir einmal mehr eine Bundesratsinitiative starten würden, die letztlich keinen Erfolg hat.

Aus diesen Gründen bitte ich darum, dieses Thema im Ausschuss noch näher zu beraten. - Danke schön.

(Beifall PIRATEN)

Für die CDU-Fraktion hat für einen weiteren Dreiminutenbeitrag Frau Abgeordnete Astrid Damerow das Wort.

Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich danke vor allem dem Kollegen Stegner für den Begriff „ehrenwert“. Dies ist allerdings kein Rückzugsgefecht.

Ich möchte hier noch einmal deutlich machen, dass wir offensichtlich von völlig unterschiedlichen Positionen ausgehen. Nachdem ich die Beiträge und auch die Dreiminutenbeiträge hier gehört habe, muss ich sagen: In letzter Konsequenz läuft das doch auf die Abschaffung des Staatsbürgerschaftsrechts hinaus, auf die Abschaffung der deutschen Staatsbürgerschaft; denn nach Ihrer Ansicht hat

die überhaupt keine Bedeutung. Wenn wir alles zu Ende diskutieren, dann ist es völlig egal, welche Staatsangehörigkeit ich habe. Ich kann da wählen, wo ich mich gerade aufhalte.

Ihre Anträge sagen im Übrigen auch nichts über die Bedingungen aus, die erfüllt sein müssen, um überhaupt ein Wahlrecht zu ermöglichen. Sie sagen nichts aus über die Dauer, sie sagen nichts aus über den Aufenthaltsstatus und dergleichen mehr. Es heißt lediglich: Jeder kann da wählen, wo er gerade ist.

(Serpil Midyatli [SPD]: Wo er dauerhaft lebt!)

- Ja, wo er dauerhaft lebt, schön.

Frau Abgeordnete, gestatten Sei eine Zwischenfrage des Herrn Kollegen Dr. Stegner?

Nein, danke.

(Heiterkeit)

Für ganz besonders schwierig halte ich es, dass Sie sich jeglicher Diskussion entziehen. Sie haben sich eine eigene Meinung gebildet, über die Sie hier auch nicht mehr diskutieren wollen. Das alte Wort vom Dialog möchte ich jetzt nicht schon wieder bemühen,

(Dr. Ralf Stegner [SPD]: Das sollten Sie aber tun!)

aber es ist schon auffällig. Tatsache ist doch, dass Sie dann, wenn es nicht genauso läuft, wie es Ihrer Meinung entspricht, jedes Gespräch abbrechen. Dieses Verhalten kann ich auch hier erkennen. Ich finde das sehr bedauerlich, weil wir hier über zwei völlig unterschiedliche Dinge diskutieren, wie es eben auch der Kollege Dr. Breyer noch einmal deutlich gemacht hat. Vielleicht können Sie ja wenigstens seinem Appell folgen.

Frau Abgeordnete, gestatten Sie -

Nein, auch der Kollege Dr. Dolgner muss jetzt auf seine Zwischenfrage verzichten.

(Zurufe von der SPD)

(Dr. Patrick Breyer)

- Entschuldigung! Ich wollte über diese Thematik im Ausschuss diskutieren.

Weil hier immer so getan wird, als seien wir die Einzigen, die das nicht machen wollten, möchte ich noch einmal auf Folgendes hinweisen.

(Serpil Midyatli [SPD]: Das stimmt doch auch!)

- Das ist nicht wahr. Wenn wir uns das Wahlrecht einmal für die sogenannten - ich mag das Wort auch nicht - Drittstaatler angucken, dann stimmt es. Dänemark, Schweden, Finnland, Irland, Niederlande, Luxemburg und Belgien gewähren dies. Es gibt aber auch Länder - und dies lassen Sie immer unter den Tisch fallen -, die dieses Wahlrecht eben nicht gewähren. Das Land Irland zum Beispiel hat die ganz spannende These, dass dort die Ausländer wählen dürfen, in deren Land wiederum auch Iren wählen dürfen. Das kann es ja wohl auch nicht sein.

In Österreich, Frankreich, Italien und Griechenland ist ein Kommunalwahlrecht für Nicht-EU-Ausländer gar nicht vorgesehen.

Wenn Sie also schon Beispiele nennen, dann nennen Sie doch auch einfach einmal beide Seiten und nicht immer nur das, was Ihnen gerade in Ihr Konzept passt.

(Beifall CDU)

Für die FDP-Fraktion hat Herr Abgeordneter Dr. Heiner Garg das Wort.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Frau Kollegin Damerow, ich halte den Zusammenhang, den Sie hier zum zweiten Male herzustellen versuchen zwischen der Staatsangehörigkeit und der Ausdehnung des Wahlrechts auf Nicht-EUBürger bei Kommunalwahlen, schon deswegen für problematisch, weil Sie argumentieren, damit würde die Staatsbürgerschaft sukzessive entwertet. Ich respektiere Ihre Auffassung, teile sie aber dezidiert nicht; denn ein kommunales Wahlrecht für EU-Bürger besteht seit Langem. Ist das dann eine schleichende Teilentwertung der deutschen Staatsbürgerschaft? Das verneinen Sie selbst.

(Beifall FDP)

Insofern ist Ihre Argumentation hier alles andere als besonders logisch - um es einmal freundlich auszudrücken. Ich teile vielmehr die Auffassung der Kol

legin Midyatli, dass, wenn wir nicht nur in Sonntagsreden Integration fordern, wenn wir nicht nur in besonders hübschen Grußworten vor bestimmten Zielgruppen immer wieder an den Integrationswillen appellieren, nicht nur die Sprache dazugehört, sondern auch die Möglichkeit zum Mitmachen. Genau diese Möglichkeit, mitzumachen, mitzugestalten, gerade auf der kommunalen Ebene, soll damit eröffnet werden. Ich halte das für längst überfällig. Deswegen sehe ich überhaupt keinen Grund dafür, diesen Antrag noch einmal im Ausschuss zu beraten. Unsere Fraktion ist völlig einverstanden damit, dass hierüber in der Sache abgestimmt wird.

(Beifall SSW und Dr. Ralf Stegner [SPD])

Herr Kollege Breyer, jetzt komme ich zum zweiten Antrag von FDP, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW. Hier ist mitnichten ein Gesetzentwurf auf den Weg gebracht worden. Der zweite Satz enthält einen Prüfauftrag, und es ist die Bitte, eine Bundesratsinitiative zu starten, mit dem Ziel, die Möglichkeit zu schaffen. Das hat mit einem Gesetzentwurf nicht das Geringste zu tun. Das ist eine starke Absichtserklärung dieses Parlaments. Wegen dieser Absichtserklärung ist auch hier eine Abstimmung in der Sache, eine klare Positionierung völlig in Ordnung. Die sollte von diesem Landtag heute ausgehen. Deswegen sehe ich nicht, dass hierüber im Ausschuss zwingend weiter beraten werden muss.

(Beifall FDP, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)