Protokoll der Sitzung vom 29.05.2013

- Herr Präsident, ich weiß gar nicht, warum die Kollegen so lärmen. Es muss wohl daran liegen, dass sie in der Sache nicht so gut sind. Einen anderen Grund kann es eigentlich nicht geben. Aber ich bin geduldig; ich kann Ihr Lärmen gut ertragen.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Haben die Wäh- ler Sie eigentlich gewählt?)

Ich hätte mir gewünscht - da sind wir hier leider gestraft -, dass wir eine Opposition hätten, die vernünftige Alternativen darlegen könnte,

(Zurufe CDU: Oh!)

mit der man sich auf einem ansprechenden intellektuellen Niveau auseinandersetzen könnte. Das hätte ich mir in der Tat gewünscht. Da gibt es bei Ihnen wirklich gähnende Leere.

Der Ministerpräsident stellt die Richtlinien der Politik dar. Sie stellen die „Nichtlinien“ der Opposition dar. Das ist der Unterschied zwischen uns und

(Dr. Ralf Stegner)

Ihnen. Das hat man heute sehr deutlich gemerkt bei dem, was er vorgetragen hat.

(Zurufe Wolfgang Kubicki [FDP] und Chri- stopher Vogt [FDP])

Es macht wirklich einen Unterschied, wer dieses Land regiert.

(Beifall FDP)

Ein altes chinesisches Sprichwort sagt:

„Wachsen die Bohnen auch bis ans Dach, sie bleiben doch stets ein Gemüse.“

(Dr. Heiner Garg [FDP]: Ein kluger Satz! - Christopher Vogt [FDP]: Das stimmt!)

So ist das auch mit den Zahlen. Mögen Sie heute also wieder Ihre Zahlenhuberei betreiben, wir werden die Wachstumslücke erst dann schließen können, wenn wir ein qualitatives Wachstum sichern, von dem auch unsere Kinder und Enkelkinder profitieren,

(Dr. Heiner Garg [FDP]: Schulden! - Chri- stopher Vogt [FDP]: Schulden!)

wenn wir uns auf die Stärken unseres Landes besinnen und eine effektive und nachhaltige Wirtschaftsund Finanzpolitik mit der klaren Priorität für die allerbeste Bildung und eine moderne Gesellschaftspolitik verbinden. Robert Jungk hat gesagt:

„Die Welt kann verändert werden, Zukunft ist kein Schicksal.“

(Dr. Heiner Garg [FDP]: Was sagt Ralf Steg- ner?)

So sehen wir das auch. Diese Koalition ist bereit, die Zukunft unseres schönen Landes zu gestalten. Machen Sie mit! Dann sind Sie auf der richtigen Seite. - Vielen herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Meine Damen und Herren, begrüßen Sie mit mir auf der Besuchertribüne Schülerinnen und Schüler des Gymnasiums Schenefeld und der Emil-PossehlBerufsschule Lübeck. - Seien Sie herzlich willkommen im Schleswig-Holsteinischen Landtag!

(Beifall)

Ich erteile der Fraktionsvorsitzenden von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der Frau Abgeordneten Eka von Kalben, das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Besucherinnen und Besucher! Zunächst einmal herzlichen Dank an Ministerin Heinold und ihr Team für den anschaulichen Bericht. Meine Damen und Herren, als Kollege Tietze hier eben das Buch „Die Grenzen des Wachstums“ ansprach, ging sofort ein Raunen durch den Raum. Ich ging davon aus, dass die Debatte, die vor 40 Jahren vom Club of Rome angestoßen wurde, mittlerweile in der Mitte der Gesellschaft angekommen sei. Ich bin doch ein wenig erstaunt. An Ihren Reaktionen, Herr Kubicki, erkenne ich, dass das leider doch noch nicht so ist.

Die Kritik am Wachstumsgedanken und die logische Feststellung, dass wir in einem endlichen Lebensraum nicht unendlich wachsen können, ist ein Grundpfeiler der neu gegründeten grünen Partei vor 30 Jahren.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Ökonomisch geht das!)

Heute ist die Idee der Nachhaltigkeit in fast allen Parteien angekommen, wenn auch mit unterschiedlichen Prioritätensetzungen. Herr Kubicki, Sie rufen: „Hurra, wir leben noch!“ Da muss ich sagen: Das gilt für viele biologische Arten nicht mehr. Das sind nicht nur irgendwelche aus Ihrer Sicht vermeintlich weniger wichtigen Wattwürmer, sondern es sind auch Fische, die die Fischereiindustrie ganz massiv betreffen. Insofern ist Nachhaltigkeit nicht irgendein weicher Faktor, den man nachrangig betrachten kann, sondern ein ganz entscheidender Wirtschaftsfaktor.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SSW und Dr. Ralf Stegner [SPD] - Christopher Vogt [FDP]: Darum geht es doch gar nicht!)

Die Begriffe Wachstum, Stagnation oder Schrumpfen einer Volkswirtschaft beschreiben die gesellschaftliche Realität im Übrigen auch nicht ausreichend.

(Zuruf Dr. Heiner Garg [FDP])

Wachstum ist zunächst einmal kein Ziel an sich, sondern ein Weg. Die Frage ist: Wohin führt der Weg?

(Zuruf Dr. Heiner Garg [FDP])

Nach unserer Überzeugung muss es das Ziel der Politik sein, die Lebensqualität der Menschen zu erhöhen und die natürlichen Lebensgrundlagen nicht zu verschlechtern, sondern zu verbessern. Wachstum wurde bislang ausschließlich in Bruttoinland

(Dr. Ralf Stegner)

sprodukte - dem BIP - gemessen. Die Grünen haben schon vor einigen Jahren mit dem Green New Deal und dem Grünen BIP dargelegt, welche anderen Kriterien man für das gesellschaftliche Wohlergehen anlegen sollte und wie dieses intelligente Wachstum funktionieren könnte.

Der Antrag der FDP, die Landesregierung solle ihre Position zur Wachstumslücke darlegen, kommt zu einem guten Zeitpunkt. Jüngst hat die von SPD und Grünen angeschobene Enquetekommission des Bundestages „Wachstum, Wohlstand, Lebensqualität“ ihren Abschlussbericht vorgelegt. Gemeinsam konnten sich alle im Bundestag vertretenen Parteien darauf verständigen, dass das BIP die sozialen, ökologischen Dimensionen nur unzureichend berücksichtigt und wir daher eine neue Wohlstandsmessung brauchen.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und Birgit Herdejürgen [SPD])

Gemeinsam war erfreulicherweise ebenso die Erkenntnis, dass eine absolute Reduktion des Rohstoffverbrauchs nötig ist. Es reicht also nicht, dass wir effizientere Autos bauen und dann mehr davon auf unseren Straßen herumfahren, sondern wir müssen absolut am Ressourcenverbrauch sparen. Im Kern geht es darum, dass wir Wertschöpfung mit möglichst geringem Ressourcenverbrauch schaffen müssen. Die Formel heißt: aus weniger mehr machen. Auch das Produzieren und Konsumieren in vernetzten Stoffkreisläufen müssen wir uns von der Natur abschauen. Die Natur kennt keinen Abfall. Die Küstenkoalition hat sich darum zum Ziel gesetzt, die Strategie eines intelligenten Wachstums zu verfolgen.

Im Bericht von Ministerin Heinold wurden die großen Wachstumspotenziale für Schleswig-Holstein bereits aufgeführt. Zuerst muss unser Land wieder zum Windland Nummer eins werden, wie es das schon einmal zu Zeiten der letzten rot-grünen Koalition war.

Dafür stellt Energie- und Windminister Robert Habeck derzeit die Weichen. Ja, es kommt viel dabei heraus. Schon heute sind 14.000 Menschen in Schleswig-Holstein im Bereich der erneuerbaren Energien tätig. Hier kann man nicht sagen: Viel Wind um nichts. Herr Kubicki, das sind wertvolle, vernünftige und gut bezahlte Arbeitsplätze.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SPD - Zuruf Wolfgang Kubicki [FDP])

Allein die Windenergie könnte in Schleswig-Holstein in den kommenden Jahren eine Wertschöp

fung von mehr als 4 Milliarden € generieren, so jüngste Berechnungen der Arbeitsgruppe um Professor Hohmeyer in Flensburg. Dies bezieht sich allein auf den Onshore-Bereich. Das ist Wachstumspotenzial made in Schleswig-Holstein.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und vereinzelt SPD - Dr. Heiner Garg [FDP]: Dann brauchen wir auch die Leitungen da- zu!)

- Ja, wir brauchen auch die Leitungen dazu. Daher betreiben wir den Netzausbau intensiv.

(Dr. Heiner Garg [FDP]: Deshalb demon- strieren Sie auch überall!)

Unser wichtigstes Kapital und damit ein Wachstumsmarkt ist die Schönheit unseres Landes. Sie hat einen direkten Einfluss auf die Tourismuswirtschaft. Dort werden jährlich 7,7 Milliarden € erwirtschaftet, und es gibt in diesem Bereich 169.000 Beschäftigte. Diese Zahlen sind wahrlich Hausnummern für unser strukturschwaches Land. 263 Millionen € gingen im Jahr 2010 durch Steuereinnahmen aus dem Tourismussektor in den Landeshaushalt ein. Darüber hinaus profitierten davon auch die Kommunen.

Schleswig-Holstein hat aber als Reiseziel ein noch größeres Potenzial. Um dieses auszuschöpfen und um für mehr Wachstum in diesem Bereich zu sorgen, brauchen wir eine zukunftsorientierte Tourismuspolitik. Wir brauchen einen nachhaltigen Tourismus, denn was nützt es, wenn wir weitere Bettenburgen bauen und die Natur zuknallen, deretwegen die Menschen eigentlich zu uns kommen wollen? - Diese Art von Wachstum meinen wir nicht.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ganz eng verknüpft mit dem Tourismus ist auch die Gesundheitsindustrie, wenn ich diese einmal so nennen darf. Menschen kommen zur Erholung, zur Gesundung oder mit dem Ziel, an unseren Küsten einen ruhigen Lebensabend zu verbringen. Um diesen Menschen gerecht zu werden, brauchen wir engagierte und gut ausgebildete Fachkräfte.