Protokoll der Sitzung vom 18.06.2013

(Beifall)

Ich rufe Tagesordnungspunkt 1 auf:

Aktuelle Stunde Folgen des Elbhochwassers in Schleswig-Holstein

Antrag der Fraktionen von SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der Abgeordneten des SSW

Ich schlage Ihnen vor, zuerst für die Antragsteller dem Abgeordneten Olaf Schulze von der SPD und dann weiteren Rednerinnen und Rednern gemäß der Reihenfolge der Größe der Fraktionen das Wort zu erteilen. - Ich sehe keinen Widerspruch; dann verfahren wir so.

Herr Abgeordneter Schulze, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr verehrte Damen und Herren! Wir erleben zurzeit das höchste Elbehochwasser seit 1855. Das vierte Elbehochwasser in elf Jahren. Nach 2002 mit 8,70 m, 2006 und 2011 mit 9,23 m lagen 2013 die Prognosen bei 10,35 m und damit wesentlich höher als 1855. Dann gingen die Prognosen kurz zurück. Danach gab es eine Prognose mit 10,15 m. Den Höchststand haben wir letzte Woche erlebt. Er lag bei 9,63 m und war der höchste Stand in diesem Jahrhundert.

Dieses Mal kann man wirklich von einem Jahrhunderthochwasser sprechen. Allerdings waren seit 2002 alle anderen Hochwasser auch schon Jahrhunderthochwasser. Wir müssen uns jetzt mit der Situation auseinandersetzen, wie wir zukünftig mit immer höheren Wasserpegeln umgehen und wie wir sie beherrschen können.

In diesem Jahr musste Lauenburg zum ersten Mal evakuiert werden. Die Menschen in Lauenburg mussten fast eine Woche lang ihre Häuser verlassen. So langsam können sie jetzt ihre Häuser nach dem Hochwasser und dem höchsten Pegel von 9,63 m wieder beziehen.

Was man in den Häusern in Lauenburg erblicken konnte, war erschreckend. Wir haben teilweise Böden gesehen, die durch das Wasser aufgeschwemmt waren. Die Holzböden sind 20 bis 30 cm hochgekommen. Es gab dort Wasserstände von 70 cm. In diesen Häusern müssen die Fliesen abgeschlagen werden. Die Menschen müssen jetzt wieder das Wasser aus ihren Häusern bekommen.

Das ist eine Herausforderung für die Menschen vor Ort. Ich bin wirklich sehr beeindruckt, mit wie viel Optimismus die Menschen an dieses Werk gehen, ihre Häuser wieder beziehen und dafür sorgen, dass es vorangeht.

(Präsident Klaus Schlie)

(Beifall SPD, CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW - Vereinzelter Beifall FDP und PIRATEN)

Deswegen gilt unser Mitgefühl diesen Menschen vor Ort in Lauenburg.

Wir alle haben noch die Bilder von überfluteten Straßen und zerstörten Kellern im Blick. Viele Menschen haben geholfen. Familien, Nachbarschaft und Freundeskreise packten zusammen an. Hinzu kamen völlig Fremde, die ihren Urlaub und ihre Wochenenden opfern, um für die anderen da zu sein, die durch die Überschwemmungen betroffen waren. Zehntausende zumeist junge Leute haben Tag und Nacht Sandsäcke gefüllt. Die Bereitschaft war groß, die Evakuierten aufzunehmen und bei sich zu beherbergen. Das war eine sehr große Leistung und ist ein Zeichen dafür, dass Solidarität in unserem Land großgeschrieben wird.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SSW, Oliver Kumbartzky [FDP], vereinzel CDU und PIRATEN)

Ich möchte mich gleichzeitig bei allen Helferinnen und Helfern, die rechtzeitig angepackt haben, für ihren außerordentlichen Einsatz in Lauenburg und in Geesthacht bedanken. Gerade Feuerwehr, Polizei, Katastrophenschutz, Krankentransporte, Soldatinnen und Soldaten, Krisenzentren vor Ort - sie alle leisteten in diesen Tagen vor Ort hervorragende Arbeit. Sie haben teilweise wirklich anderthalb bis zwei Wochen fast 18 Stunden durchgearbeitet. Meinen herzlichen Dank und Hut ab vor dieser Leistung! Ohne Sie wäre es nicht möglich gewesen.

(Beifall)

Wenn Tausend ehrenamtliche Helfer 400.000 Sandsäcke bereitstellen, aufschichten und dafür sorgen wollen, dass die Flut zurückbleibt, muss man ihnen hier Dank sagen, und zwar auch einen Dank an die Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber, die diese Menschen freigestellt und gesagt haben: Jawohl, es ist richtig, dass diese Menschen helfen können. Ich wünsche mir, dass noch viel mehr Arbeitgeber das berücksichtigen und beherzigen. - Herzlichen Dank!

(Beifall)

Trotz der Evakuierung konnten wir nicht verhindern, dass bei 9,30 m die Pumpen abgeschaltet werden mussten. Doch auch hier galt es, das Industriegebiet zu schützen, das noch 2002 auf 10,70 m erhöht und jetzt gehalten werden konnte. Aber wenn man sich die Pegelstände anguckt, hat jetzt nur noch 1 m gefehlt. Auch hier müssen wir zusehen,

wie wir zukünftig damit umgehen. Deswegen war es gut, dass sich die Landesregierung so schnell und auch so oft ein Bild vor Ort gemacht hat. Herzlichen Dank an alle Ministerinnen und Minister und an Torsten Albig, dass sie vor Ort waren. Das hat den Menschen geholfen. Ich glaube, es hat ihnen auch Mut gegeben. Das war die richtige Entscheidung.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Einen herzlichen Dank auch dafür, dass die Sofortmaßnahme von 1 Million € sofort umgesetzt wurde und das erste Geld schon in Lauenburg angekommen ist. Auch das werden die Menschen nicht vergessen.

Jetzt gilt es allerdings, den Hochwasserschutz in Angriff zu nehmen und zu überlegen: Wie können wir einen verbesserten Hochwasserschutz in Lauenburg, aber auch für die anderen Regionen herstellen? Wir werden sicherlich in Lauenburg überlegen müssen, wie wir die Altstadt zukünftig vor solchen Hochwassergefahren besser schützen können, damit nicht wieder evakuiert werden muss. Aber wir müssen auch frühzeitig mit allen anderen Elbe-Anrainerbundesländern darüber reden, wie man zukünftig solche Pegelstände verhindern kann, indem wir nämlich Polder bauen, indem wir Überflutungsflächen bauen, indem wir dort dem Wasser die Möglichkeit geben, sich auszudehnen, sodass gar nicht erst so viel Wasser hier unten bei uns an der Elbe ankommen kann. Das hilft nicht nur Lauenburg-Geesthacht, das hilft auch Hitzacker, das hilft auch Magdeburg und anderen. Insofern sollten wir gemeinsam an einem Strang ziehen und gemeinsam mit den anderen Bundesländern dafür sorgen, dass sich die Elbe bei solchen Katastrophen in Zukunft ein bisschen weiter ausdehnen kann, sodass die Pegelstände beherrschbar bleiben.

(Beifall SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Deswegen müssen wir langfristig dazu kommen, dass sich Ver- und Entsiegelung die Waage halten. Wir müssen auch wieder mehr entsiegeln, sodass das Wasser nicht so schnell in die Elbe einfließen kann und wir dadurch auch nicht so schnell Pegelhöchststände bekommen. Dafür hat die Landesregierung unser aller Unterstützung, sodass wir zukünftig nicht mehr weitere Jahrhunderthochwasser beklagen müssen.

Das Hochwasser zeigte auch, wie solidarisch unsere Gesellschaft immer noch ist: im Kleinen, bei der Nachbarschaftshilfe, ebenso wie im Großen, wenn

(Olaf Schulze)

es um unbürokratische Milliardenhilfen geht. Beides sollten wir für die Zukunft nicht vergessen. Es macht mir zumindest Mut für die Zukunft, dass dieses Land bei solchen Katastrophen immer solidarisch zusammenstehen wird. Noch einmal einen herzlichen Dank an alle Helferinnen und Helfer.

Lassen Sie uns jetzt die Zukunft angehen. Vielleicht müssen wir den Deichbau zukünftig etwas anders angehen, als wir es in der Vergangenheit getan haben: nicht immer höher, höher, höher, sondern mehr Flutungsflächen und ein bisschen mehr auf die Natur eingehen. Auch das könnte helfen. Vielen Dank.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Meine Damen und Herren, das Präsidium hat die in der Geschäftsordnung vorgesehene Fünfminutenregelung großzügig ausgelegt. Ich glaube, dass es in dieser Situation angemessen ist.

Heute hat auch Herr Staatssekretär Küpperbusch Geburtstag. - Herr Staatssekretär, herzlichen Glückwunsch im Namen des schleswig-holsteinischen Landtages und alles Gute!

(Beifall)

Das Wort für die CDU-Fraktion hat der Oppositionsführer, der Herr Abgeordnete Johannes Callsen.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Seit Wochen hält das Hochwasser Deutschland in Atem. Die Bilder sind erschreckend. Das Wasser, das vielerorts über die Ufer getreten ist oder sich seinen Weg durch Dämme und Deiche gebahnt hat, hat eine zerstörerische Kraft an den Tag gelegt, Anwohnern ihr Hab und Gut genommen und wirtschaftliche Existenzen in Gefahr gebracht oder sogar vernichtet. Auch Schleswig-Holstein ist von diesem Jahrhunderthochwasser in der Tat nicht verschont geblieben. Für Lauenburg war es - der Kollege Schulze hat darauf hingewiesen - das vierte Hochwasser in elf Jahren mit in der Tat bedrohlichen Pegelständen.

Mit großem Einsatz haben Helfer und Freiwillige unermüdlich Tag und Nacht, rund um die Uhr gegen diese Wassermassen gekämpft. Sie haben mit ihrem Einsatz bei Weitem Schlimmeres verhindert. Dafür haben sie alle - egal, ob sie ehrenamtlich tätig waren, sich freiwillig spontan in den Dienst der

Allgemeinheit gestellt haben oder ob sie dienstlich als Polizeibeamte, als Katastrophenschutzhelfer, als Feuerwehrleute, als THW-Helfer, als Mitarbeiter des Roten Kreuzes und Ähnlichem dienstlich im Einsatz waren - unseren großen Respekt verdient.

(Beifall)

Jedem Einzelnen, der in den vergangenen Tagen und Wochen in den Hochwassergebieten im Einsatz war, sei an dieser Stelle ein großes Dankeschön gesagt. Unsere Gedanken sind in diesen Tagen bei den Menschen, denen das Hochwasser persönlichen und materiellen Schaden zugefügt hat. Wer in diesen Tagen durch die Lauenburger Altstadt geht, ist in der Tat berührt von den Schäden, die die Menschen jetzt bei der Rückkehr in ihre Häuser - ich sage auch bewusst: in ihre Heimat - vorfinden. Es geht darum, diese Werte wiederherzustellen und Schäden zu beseitigen.

Die schnelle Unterstützung, die der Bund und die Länder den Betroffenen zugesagt haben und die auch die Bundeskanzlerin Angela Merkel bei ihrem Besuch in Lauenburg noch einmal bekräftigt hat, ist ein wichtiges Signal für die Opfer des Hochwassers in Schleswig-Holstein und in den anderen betroffenen Bundesländern. Der geplante Bund-LänderFonds, der in der vergangenen Woche verabredet wurde, ist eine zentrale Voraussetzung, die die Menschen vor Ort bei der Beseitigung der Hochwasserschäden unterstützt. Ohne Frage sind Land und Bund bei der Bewältigung der Hochwasserschäden gemeinsam in der Pflicht. Hier geht es nicht um Aufrechnen, hier geht es um Solidarität. Deshalb ist nicht nur die von Bundeskanzlerin Merkel und den Ländern zugesagte Hochwasserhilfe ein wichtiges Signal, sondern eben auch die hier im schleswig-holsteinischen Landtag vom Finanzausschuss einstimmig erfolgte Bereitstellung der 1 Million € Soforthilfe für die betroffenen Menschen.

Meine Damen und Herren, dieser Frühsommer hat uns wieder einmal vor Augen geführt, wie wichtig und existenziell ein effektiver Hochwasserschutz ist. Gerade in den letzten Tagen hat sich gezeigt, dass die Entscheidungen des Jahres 2006 zur Eindeichung des Industriegebietes in Lauenburg und auch der Bau einer Spundwand an der Palmschleuse richtig waren. Ansonsten wäre jetzt das Industriegebiet in Lauenburg mit seinen mehr als 1.000 betroffenen Arbeitsplätzen hochgradig gefährdet gewesen. Für die Lauenburger Altstadt allerdings sind die Maßnahmen noch nicht ausreichend. Aus heutiger Sicht war es ein schlechtes Signal, dass Umweltminister Habeck erst im vergangenen Jahr

(Olaf Schulze)

die Resolution des Kreistages des Herzogtums Lauenburg auf Aufnahme in den Generalplan Küstenschutz abgelehnt hat. Heute aber gilt es, gemeinsam aus diesen Fehlern zu lernen und die Weichen für einen modernen Hochwasserschutz für die Bürgerinnen und Bürger in Lauenburg und in der Region zu stellen.

Deshalb sollten wir uns alle dafür einsetzen, dass von den 8 Milliarden € Hochwasserhilfe die nötigen Mittel bereitgestellt werden, damit vor der Lauenburger Altstadt entsprechende Hochwasserschutzmaßnahmen gebaut werden können. Die Stadt Lauenburg hat schon sehr konkrete Vorstellungen, die wir ausdrücklich unterstützen.

Hochwasserschutz, liebe Kolleginnen und Kollegen, kann nur gelingen, wenn alle an einem Strang ziehen; das hat auch der Kollege Schulze gesagt. Deswegen bin ich sicher: Wir ziehen an einem Strang in die richtige Richtung. Dafür gibt es in diesem Parlament, glaube ich, eine große Einigkeit. - Herzlichen Dank.

(Beifall CDU und FDP)

Das Wort für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat die Fraktionsvorsitzende, die Abgeordnete Eka von Kalben.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Gäste! Wenn man heute bei dem strahlenden Sonnenschein herausguckt, kann man sich kaum vorstellen, wie noch vor wenigen Tagen die Menschen mit großer Sorge geschaut haben, wenn es wieder gegossen hat: Werden die Deiche halten, oder werden sie nicht halten? - Wir sind in Schleswig-Holstein noch relativ glimpflich davongekommen, auch wenn wir wissen, dass es ansonsten entlang der Elbe viele Menschen extrem getroffen hat und sie stark unter den Folgen der Flut gelitten haben.

Ich weiß, ich sage das schon als Dritte, aber man kann es an dieser Stelle nicht oft genug sagen: Es gab viele großartige Helfer und Helferinnen wie die Feuerwehr, das DLRG, das THW, aber auch die Sandsackschaufler und Sandsackschlepper, Brötchenschmierer und Kaffeekocher, Schlauchbootfahrer und Kellerauspumper. Alle diese Menschen haben dazu beigetragen, dass zum einen die Schäden und die Folgen begrenzt werden konnten.