Protokoll der Sitzung vom 21.08.2013

(Beifall PIRATEN - Heiterkeit)

Das ist das Ergebnis davon, dass Sie Großprojekte neu bauen, während unsere bestehenden Straßen hier verkommen. Wir PIRATEN sind auch nach der Wahl gegen die feste Fehmarnbelt-Querung - leider inzwischen nur noch als die einzigen. Dass in der SPD immerhin einzelne örtliche Abgeordnete dagegen sind und dass sie sich trauen, gegen die falsche Mehrheit ihrer Partei aufzubegehren, lobe ich ausdrücklich.

Natürlich besteht eine Möglichkeit, aus dem Vertrag herauszukommen, nämlich wenn sich die Grundlagen verändern. Dann sind neue Verhandlungen im Vertrag vorgesehen und eventuell auch ein Vertragsausstieg. Durch die Kostensteigerung um mehr als das Zwei- oder Dreifache ist die Situation längt gegeben, um diese Verhandlungsklausel zu nutzen.

Was sind die Ursachen für die Misère bei den Landesstraßen? Ich habe gesagt, erstens, die Praxis des Neubaus vor Erhalt. Zweitens. Seit Monaten versäumt der Verkehrsminister, endlich für eine Kostenbeteiligung des Transportgewerbes für den Schwerlastverkehr zu sorgen. Der Landesbetrieb für Straßenbau sagt doch ganz klar: Eine Ursache für diesen schlechten Zustand ist, dass die Landesstraßen für Schwerlastverkehr genutzt werden, für den sie nicht gebaut sind. Dann ist es doch nur an

gemessen, dass man an den Ursachen des schlechten Straßenzustands ansetzt und Sondergenehmigungen für Schwerlastverkehr nur noch gegen Kostenbeteiligung erteilt, und diejenigen für die Schäden aufkommen, die sie verursachen.

Dritte Ursache. Wir PIRATEN fordern, dass die Subventionen, die im Landeshaushalt vorgesehen sind, auf den Prüfstand gestellt werden. Das ist nämlich auch eine Ursache dafür, warum so wenig Geld für den Erhalt der Straßen da ist. Sie haben entgegen der Ankündigung in Ihrem Koalitionsvertrag die einzelbetriebliche Förderung, das heißt die Subventionierung von Hotels oder von Spaßbädern, munter fortgesetzt. Das ist ein Fehler. Sie haben eine Marketingstrategie für eine halbe Million € vorgesehen, für die bis heute kein nachvollziehbares Konzept vorliegt. Auch dieses Geld wäre im Straßenerhalt besser angelegt.

Bei der Kofinanzierung, das heißt, wenn Subventionen von Bund oder EU teilweise mitfinanziert werden, springen Sie über jedes Stöckchen, das Ihnen die EU oder der Bund hinhält. Eine Kofinanzierung kann auch kein Grund dafür sein, alles mit Landesmitteln zu unterlegen, egal was vorgeschlagen wird. Wir brauchen eine Umorganisation im Haushalt des Wirtschafts- und Verkehrsministeriums.

(Beifall PIRATEN)

Die vierte Ursache dafür, dass kein Geld für den Erhalt vorhanden ist: Das Land zahlt Zinslasten von bald 1 Milliarde € jährlich. Was könnten wir davon für Straßen bauen, wenn Sie in der Vergangenheit nicht so übermäßig viele Schulden zulasten zukünftiger Generationen aufgenommen hätten! Deswegen sind diese Sondervermögen, die Sie jetzt vorschlagen, allesamt der falsche Weg; denn diese Schuldenlast, die wir schon heute zu tragen haben, ist doch gerade die Ursache für den Investitionsstau. Deswegen fehlt uns doch gerade das Geld, das wir hier brauchten. Deswegen ist es auch falsch, Herr Ministerpräsident, wenn Sie die Schuldenbremse modifizieren wollen, um für Investitionen noch mehr Schulden aufnehmen zu können. Dem kann ich nur eine klare Absage erteilen.

(Beifall PIRATEN und Volker Dornquast [CDU])

Der richtige Weg, um die Finanzierung des Straßenerhalts zu stärken, ist ein Nachtragshaushalt an dieser Stelle. Da machen wir auch gern mit, wenn Sie für diesen Weg offen sind. Was mit mir nicht zu machen ist, ist eine Umgehung der Schuldenbremse durch Sondervermögen.

(Dr. Patrick Breyer)

Falsch sind auch weitere Vorschläge, die teilweise gemacht werden. Vonseiten der Grünen wird eine Nutzerfinanzierung der Straßen gefordert. - Wir brauchen überhaupt keine Pkw-Maut. Die Straßen sind schon heute nutzerfinanziert, nämlich über die Mineralölsteuer. Wenn Sie da mehr Geld wollen, trauen Sie sich, eine Steuererhöhung zu fordern! Fordern Sie nicht eine unsinnige Pkw-Maut, die überhaupt nicht an den Ausstoß von klimaschädlichen Gasen gebunden ist - anders als zum Beispiel die Mineralölsteuer.

(Beifall PIRATEN - Zurufe SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Die FDP schlägt vor, den Radwegebau einzustellen. Diese Diskussion ist die völlig falsche Baustelle. Es geht hier um die Mittel für den Neubau. Die können nicht genutzt werden, um den Bestand zu erhalten. Im Übrigen ist der Radwegebau wichtig für den Tourismus und die Tourismuswirtschaft in Schleswig-Holstein.

(Zuruf Wolfgang Kubicki [FDP])

An dieser Stelle zu sparen, ist der völlig falsche Weg.

(Beifall PIRATEN und Burkhard Peters [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Es ist schon jetzt absehbar, dass auch dieses Zusatzpaket, das Sie für den Straßenerhalt planen, auf Dauer nicht reichen wird, um unsere Straßen in einem vertretbaren Zustand zu erhalten. Wir brauchen deswegen eine ehrliche und offene Diskussion über Prioritäten. Alle Um-, Aus- und Neubauprojekte müssen auf den Prüfstand, und das Land muss sich ehrlich überlegen, welche Straßen es überhaupt noch unterhalten kann.

Herr Abgeordneter Dr. Breyer, gestatten Sie eine Zwischenfrage oder -bemerkung des Herrn Abgeordneten Vogt?

Gern.

Vielen Dank, Herr Kollege. Minister Dr. Habeck hat recht: Wo wir gerade beim Unterhalten sind, wollte ich Sie einmal fragen, ob Sie vielleicht zur Kenntnis nehmen würden, dass dieser Topf für den kommunalen Straßenbau, aus dem die 5 Millionen € für den Radwegebau herausgenommen wurden, zwar „Mittel für

kommunalen Straßenbau“ heißt, aber das aus den etwas über 29 Millionen € - jetzt 5 Millionen € weniger - vor allem der Erhalt von kommunalen Straßen finanziert wird und nicht, wie Sie gerade gesagt haben, ein Neubau. Es gibt nämlich fast keine Neubauprojekte in diesem Bereich.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Weiß er nicht!)

- Das weiß ich nicht genau, das muss ich nachprüfen. Danke für den Hinweis!

(Christopher Vogt [FDP]: Dann machen Sie das! - Zuruf Wolfgang Kubicki [FDP])

Das Verfahren, wie Sie bisher planen, welche Straßen wann zu erhalten sind, läuft völlig intransparent ab. Wir bekommen immer wieder Ankündigungen vonseiten des Ministeriums mit, es gibt aber keinerlei Kriterien dafür, welche Straße wann saniert wird. Andere Länder machen das viel besser. Da gibt es einen Plan, in dem steht, welche Kriterien angelegt werden und welche Reihenfolge für die entsprechenden Projekte gilt. Ich fordere Sie auf, genauso ehrlich und offen und transparent einen Plan aufzustellen,

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Transparenz!)

welche Prioritäten Sie bei der Sanierung der Landesstraßen setzen.

Ich komme auf die anderen Anträge zu sprechen. Der Antrag, den die Koalitionsfraktionen zum Verkehrsknotenpunkt Rendsburg vorgelegt haben, geht in die richtige Richtung, deswegen kann ich dem auch zustimmen. Auch der CDU-Antrag ist in vielen Punkten unterstützenswert, aber deswegen inakzeptabel, weil Sie sich darin für die feste Fehmarnbelt-Querung aussprechen und nicht anerkennen wollen, dass Erhalt vor Ausbau gehen muss. Sie machen eine große Wunschliste auf, was Sie alles gern hätten, was aber überhaupt nicht finanzierbar ist. Sie wollen gar mehr Mittel in den Neubau von Straßen stecken - das ist überhaupt nicht möglich und sprechen sich für Sondervermögen aus.

Was den FDP-Antrag angeht, fehlt ihm ebenfalls dieser Realitätsbezug. Vor allem spricht er sich für öffentlich-private Partnerschaften aus, wohl wissend, dass diese nach einschlägigen Untersuchungen den Steuerzahler teurer zu stehen kommen, als wenn man das öffentlich finanziert.

Was den Koalitionsantrag „Unser Modernisierungsprogramm“ angeht, ist das eine reine Lobhudelei, die mit der Realität wenig zu tun hat.

(Zuruf Lars Harms [SSW])

(Dr. Patrick Breyer)

Diesem Eigenlob kann ich überhaupt nicht zustimmen. Der Finanzplan, den Sie da loben, sieht eine übermäßige Verschuldung vor, die dazu führen wird, dass wir später sehr starke Belastungen haben werden. Jetzt, wo die Einnahmen steigen, müsste man das nutzen, um die späteren Belastungen abzufedern. Wenn Sie das nicht tun, wird nach der Bundestagswahl das große Heulen und Zähneklappern kommen.

Schließlich loben Sie den Schuldenabbau. Da frage ich mich schon, in welchem Land ich lebe. Von welchem Schuldenabbau reden Sie denn? Wir nehmen doch von Jahr zu Jahr neue Schulden auf. Die Finanzpolitik, die Sie für diese Legislaturperiode vorgesehen haben, hat mit Schuldenabbau nichts zu tun.

(Hans-Jörn Arp [CDU]: Da hat er recht! - Beifall PIRATEN - Zuruf Eka von Kalben [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Zu Ihrem Änderungsantrag zu den Sondervermögen für Straßenbau, Kinderbetreuung und Hochschulbau: Sie können doch nicht ernsthaft von uns PIRATEN erwarten, dass wir bei diesem Schnellverfahren in nur einer Lesung mitmachen.

„Die Zeitabfolge zwischen den Veröffentlichungen“

- des Gutachtens des Wissenschaftlichen Dienstes

„und der Frist zum Einreichen von Anträgen hätte es durchaus hergegeben, den Antrag auch innerhalb der normalen Antragsfrist einzureichen. Insofern sehen wir die Dringlichkeit überhaupt nicht, denn man hätte - das ist zugegebenermaßen etwas ambitioniert das rechtzeitig vorlegen können. Das erwarten wir an anderer Stelle hier im Haus auch.“

(Beifall PIRATEN)

Wenn Sie es nicht erkannt haben: Das war ein Zitat der Kollegin Herdejürgen, mit der sie die Dringlichkeit unseres PRISM-Antrags abgelehnt hat.

(Birgit Herdejürgen [SPD]: Das hier ist kein Dringlichkeitsantrag! - Olaf Schulze [SPD]: Das ist kein Dringlichkeitsantrag!)

Wir erwarten, dass dieser Änderungsantrag, der komplett andere Sondervermögen betrifft als sie ursprünglich im Verfahren waren, im ordentlichen Verfahren - das heißt in zwei Lesungen - behandelt wird und nicht im Brachialverfahren. Diese ZensusMillionen, um die es hier geht - eigentlich eine Verringerung der Neuverschuldung und überhaupt keine Einnahmeerhöhung -, kommen ohnehin erst zum

Jahresende rein. Wenn Sie das trotzdem jetzt im Eilverfahren durchziehen wollen, kann das eigentlich nur drei Gründe haben: Entweder, es ist ein Wahlkampfmanöver vor der Bundestagswahl, dass Sie Geld verteilen wollen, oder Sie fürchten, dass dieser Zensus neu aufgerollt werden muss. Wir wissen, dass es Klagen dagegen gibt, weil der Zensus nicht repräsentativ ist. Wir PIRATEN haben ihn übrigens von vornherein abgelehnt.

(Zuruf Eka von Kalben [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Oder Sie zweifeln daran, dass die Landesregierung in der nächsten Tagung noch im Amt sein wird nach dem Urteil des Landesverfassungsgerichts. Nur das sind die Gründe, die ich mir vorstellen kann.

Im Übrigen ist weder Kindern noch Studenten geholfen, wenn Sie auf deren Kosten die finanziellen Handlungsspielräume der Zukunft einengen, indem Sie die Schuldenbremse umgehen. Ich sage: Wenn Sie das über einen Nachtragshaushalt lösen wollen, entsprechende Bereiche zu stärken, bin ich gern dabei, aber nicht in diesem unseriösen Verfahren zur Umgehung der Verfassung.

(Beifall PIRATEN)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, eine chinesische Weisheit besagt: Wer die Wahrheit sagt, braucht ein schnelles Pferd. - Ich rate Ihnen: Schaffen Sie sich schnelle Pferde an, und sagen Sie die Wahrheit, was den Zustand unserer Landesstraßen und die Möglichkeiten des Landes angeht. Machen Sie keine Versprechungen, von denen Sie wissen, dass Sie sie nicht einhalten können, denn das befördert Politikverdrossenheit und erschüttert das Vertrauen in unsere Demokratie. - Danke schön.