Protokoll der Sitzung vom 22.08.2013

Das Wort für die Fraktion der PIRATEN hat Herr Abgeordneter Torge Schmidt.

Ich danke, Frau Präsidentin! - Sehr geehrte Damen und Herren! Die im vorliegenden Antrag angemahnten mutmaßlichen Konsequenzen rot-grüner

(Wolfgang Kubicki)

Steuerpläne sind aus unserer Sicht und mit hoher Wahrscheinlichkeit auch aus Sicht vieler anderer im Saal in erster Linie als Versuch zu werten, angesichts der anstehenden Wahl zum Deutschen Bundestag noch einmal mit dem Thema Steuerpolitik in der Öffentlichkeit Aufmerksamkeit zu erreichen.

(Beifall PIRATEN - Wolfgang Kubicki [FDP]: Wie alle Beiträge heute!)

Die Verfasser scheuen sich auch nicht, zu einem Rundumschlag anzusetzen. Dabei wird mehr Wert auf Quantität als auf inhaltliche Qualität gelegt. Mit diesem Antrag soll der Landtag aufgefordert werden, sich Feststellungen anzuschließen, die nur sehr grob gezeichnet sind und deren Begründungen nicht oder nur unzureichend belegt sind. Der sehr pointierte und vereinfachte Stil des Antrags gibt zu denken, ob es die CDU wirklich für legitim hält, unsere Zeit darauf zu verwenden, Wahlkampfthesen zu wälzen.

(Beifall PIRATEN)

Auffällig ist auch, dass geringe Anstrengungen unternommen werden, die Positionen von SPD und Grünen voneinander abzugrenzen. Es würde durchaus Sinn ergeben, wenn sich das inhaltlich auch an die Landesregierung richten würde. In diesem Antrag findet sich aber nur ein Hinweis auf die geplante Erhöhung der Grunderwerbsteuer. Alles Vorherige bezieht sich eindeutig auf die Parteiprogramme zur Bundestagswahl. Dabei soll der Zweck erfüllt werden, die Begriffe „Steuererhöhungen“ und „Rot-Grün“ möglichst oft im gleichen Satz zu erwähnen.

Die angeführten Beispiele erscheinen folgerichtig verkürzt. An Belegen fehlt es fast völlig. So ist beispielsweise im Wahlprogramm der Grünen zum Thema Ehegattensplitting zu lesen, dass dieses nicht umgehend ersatzlos gestrichen werden soll, wie dies im vorliegenden Antrag behauptet wird, sondern gefordert wird, den Splittingvorteil zunächst zu deckeln und schrittweise innerhalb von zehn Jahren abzubauen. Dies ist nur ein Beispiel.

(Zuruf Eka von Kalben [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Wir PIRATEN wollen übrigens das Ehegattensplitting durch eine Individualbesteuerung von Erwerbstätigen ersetzen und die Vorsorge nicht einseitig bevorzugen. Steuerliche Vergünstigungen sollten an die Versorgung von Kindern und pflegebedürftigen Menschen gebunden sein.

(Beifall PIRATEN)

Sätze wie „Berechnungen belegen, dass die Pläne für jede dritte Familie mehr Belastungen bedeuten“, ohne dass darauf eingegangen wird, wessen Berechnungen das sein sollen und auf welchen Datengrundlagen diese beruhen, sind kein Beispiel dafür, Transparenz und Nachvollziehbarkeit als Mittel parlamentarischer Arbeit darzustellen.

(Beifall PIRATEN)

Hätten Sie Ihre Berechnungsgrundlage im Vorfeld zur Verfügung gestellt, wären wir in der Lage gewesen, die im Wahlkampfantrag gestellten Thesen stärker auf ihre Schlüssigkeit hin zu überprüfen, aber das wäre vermutlich gar nicht im Sinne der Antragsteller, wenn man sich das hier anschaut. Behauptungen, dass die angeprangerten Steuerpläne vor allem die Mittelschicht belasteten, kommen in Wahlkampfzeiten natürlich immer gut, aber wenn Sie möchten, dass derartige Vorschläge bei uns positiv aufgenommen werden, sollten Belege da sein.

(Vereinzelter Beifall PIRATEN)

So stellt beispielsweise eine aktuelle Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft fest, dass die Vorschläge von SPD und Grünen zum Einkommensteuertarif und zur Kapitalbesteuerung nur die einkommensstärksten 5 % aller Haushalte in nennenswertem Unfang zusätzlich belasten würden. Das Verbreiten verkürzter Informationsschnipsel gehört zu den Dingen, die wir PIRATEN ablehnen, auch für Wahlkampfzwecke.

(Beifall PIRATEN)

Wir stehen für Transparenz und sachbezogene Auseinandersetzungen mit klar strukturierten und deutlich belegten Inhalten. Wenn man sich diesen Antrag also einmal anschaut, stellt sich die Frage, ob dieses Plenum hier der geeignete Ort ist und ob die Zeit des Parlaments nicht auch hätte sinnvoller genutzt werden können.

(Beifall PIRATEN, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Das Wort für die Kollegen des SSW erteile ich dem Herrn Abgeordneten Lars Harms.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Antrag der CDU kritisiert in allen acht Punkten Forderungen, die dazu beitragen sollen, die Einnahmesituation des Staates zu verbessern; ob es nun um die Reform der Einkommensteuer geht,

(Torge Schmidt)

um die Erbschaft- oder die Kapitalertragsteuer. Man kann das „Steuererhöhungen“ oder „Einführung neuer Steuern und Abgaben“ nennen und so suggerieren, als ob diese möglichen Maßnahmen ein Selbstzweck seien. Eine saubere Argumentation ist das aber nicht.

Im Bundestagswahlkampf geht es darum, wie dem Bundeshaushalt mehr Spielraum gewährt werden kann, schließlich haben viele kleine und große Entscheidungen - auch Fehlentscheidungen - der letzten Jahre und Jahrzehnte der Einnahmeseite nicht gerade gutgetan. Das hatte Auswirkungen auf die Strukturen, die der Staat nicht mehr vollumfänglich zur Verfügung stellen kann. Den bessergestellten Bürgerinnen und Bürgern mag das auch ziemlich schnuppe sein. Sie können sich Dienstleistungen wie Nachhilfe, private Schulen oder Kinderbetreuung einfach auf dem Markt kaufen. Die Durchschnittsverdiener und die vielen Bürgerinnen und Bürger, die sich mit Werkverträgen, Mini-Jobs oder Teilzeitverträgen durchschlagen, brauchen dagegen eine leistungsfähige öffentliche Infrastruktur für sich und ihre Kinder.

Um diese Strukturen zu erhalten, ist man bei Schwarz-Gelb in Berlin auf die Idee verfallen, die Zahl der Nutzer zu senken: durch hohe Kita-Beiträge und durch das sogenannte Betreuungsgeld. Ich bin der festen Überzeugung, dass Fernhalteprämien und Ausgrenzungsprogramme aber das falsche Mittel sind. Sie reduzieren vielleicht die Zahl der Nutzer von Kindergärten und Kinderkrippen, führen aber zu Benachteiligung, weil sie darauf spekulieren, dass einkommensschwache Haushalte auf den monetären Anreiz anspringen und lieber das kleine Geld nehmen als die Kita-Angebote, und das, meine Damen und Herren, ist falsch.

(Beifall SSW)

Gerade Kinder aus diesen Haushalten sind auf die Bildungsangebote angewiesen. Die Kitas sind Bausteine einer Politik der Chancengleichheit. Kinder sollten nach Talent und nicht nach sozialer Herkunft gefördert werden.

(Beifall SSW, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

In unseren Kitas werden alle Kinder gefördert, und jedem Einzelnen werden individuelle Angebote gemacht. Für die Qualität und Tiefe der Angebote spielt das Einkommen der Eltern glücklicherweise keine Rolle. Darum müssen die Kitas auskömmlich finanziert werden, und dazu kann dann auch eine steuerliche Maßnahme notwendig sein.

Der Staat muss allerdings nicht nur neue Strukturen schaffen, sondern auch, wie wir in Sachen Verkehrspolitik gestern gerade wieder lernen mussten, ausreichende Mittel haben, um diese Strukturen instandzuhalten. An der einen oder anderen Stelle genügt eine Anschubfinanzierung in Form eines Modellprojektes, das sich nach seiner Bewährung in einer stabilen Struktur auch durchaus in nichtstaatliche Stellen überführen lässt. In den weit überwiegenden Fällen, wo es um Integration oder Teilhabechancen geht, muss der Staat mit aller Energie für verlässliche Strukturen einstehen. Das ist sein grundgesetzlicher Auftrag, für den er schlicht und einfach Geld benötigt. Damit sind wir wieder bei den Ideen für eine bessere Einnahmesituation des Staates. Ich würde mir in diesem Zusammenhang einen Wettbewerb guter Ideen wünschen, bei dem eine Gesellschaft um die optimale, solidarische Lösung ringt. Der Bundestagswahlkampf wäre dafür eigentlich ein gutes Forum. Aber leider müssen wir feststellen, dass das bisher noch nicht so geglückt ist.

Die weit überwiegenden Punkte, die der Antrag anführt, setzten sich mit steuerlichen Fragen des Bundesgesetzgebers auseinander. Seit vielen Jahren fordert der SSW das Ende des Ehegattensplittings, weil das Geld von Familien mit Kindern zu Familien ohne Kinder umverteilt wird. Das Ehegattensplitting ist keineswegs das familienpolitische Nonplusultra, als das es der CDU-Antrag darstellt. Die Antragsteller bemühen sich nicht einmal um eine inhaltliche Auseinandersetzung, sondern schütten einen Kübel von Desinformationen aus. In Sachen angeblicher Wahlfreiheit, die das Ehegattensplitting angeblich gewährt, bezahlen doch tatsächlich vor allem die Frauen die Rechnung. Als Rentnerinnen werden die Frauen die Konsequenzen der heruntergerechneten Sozialbeiträge bei der Altersversorgung empfindlich zu spüren bekommen. Dann allerdings ist es zu spät. Deswegen müssen Eltern mit Kindern gefördert werden und nicht Doppelverdiener ohne Kinder. Das ist rückwärts gewandt.

(Beifall SSW und BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Kubicki?

Selbstverständlich, gern.

(Lars Harms)

Bitte.

Lars Harms, habe ich Sie dahin gehend richtig verstanden, dass Ihr Plädoyer, was das Ehegattensplitting angeht, darauf hinausläuft, dass Sie sich öffentlich dagegen aussprechen, dass das Ehegattensplitting auch für nichteheliche Lebensgemeinschaften beziehungsweise für gleichgeschlechtliche Lebenspartnerschaften, die Verantwortungsgemeinschaften sind, eingeführt wird?

Lieber Kollege Wolfgang Kubicki, solange es das Ehegattensplitting gibt, müssen sowohl gleichgeschlechtliche - ich sage schon “Ehepaare”, leider sind sie es noch nicht; ich würde mir wünschen, dass es so ist - Lebenspartnerschaften mit der Ehe gleichgestellt sein. Das habe ich schon mehrfach in diesem Parlament gesagt.

(Beifall SSW, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und vereinzelt SPD)

Daran ändert sich auch nichts. Wenn das Ehegattensplitting irgendwann einmal abgeschafft wird, dann wird es selbstverständlich auch für gleichgeschlechtliche Lebenspartnerschaften abgeschafft. Sollten gleichgeschlechtliche Lebenspartnerschaften Kinder haben, die sie erziehen, dann werden sie auch in den Genuss eines Zuschlags für Kinder kommen.

(Beifall SSW, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und vereinzelt SPD)

Insofern, glaube ich, ist Gleichstellung von gleichgeschlechtlichen Lebenspartnerschaften und Ehegattensplitting typisch für unsere Koalition. Das wollen wir. Dafür stehen wir ein, und das werden wir auch weiterhin verfolgen.

(Beifall SSW, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und vereinzelt SPD)

Insofern, glaube ich, geht der Vorwurf, der in Ihrer Frage war, ein bisschen ins Leere.

Ich wollte noch einmal darauf hinweisen: Wir entziehen Eltern durch das Ehegattensplitting Möglichkeiten, eben steuerlich begünstigt zu werden, dadurch, dass wir auch Doppelverdiener mitfinanzieren, die eben nicht Kinder erziehen. Gerade dieses Beispiel zeigt, dass es nicht um steuerliche Maßnahmen an sich geht, sondern um eine gerechte Verteilung von Lasten in einer Gesellschaft.

Daran, dass man sich für mehr Gerechtigkeit und Nachhaltigkeit für unsere Gesellschaft einsetzt, auch mit steuerlichen Mitteln, kann ich eigentlich nichts Verwerfliches finden. Im Gegenteil, für den Zusammenhalt einer Gesellschaft und für die Zukunftsfähigkeit des Landes ist ein Staat, der seine Aufgaben erfüllen kann und in Bildung und in die Zukunft der Kinder investiert, eigentlich notwendig. Dafür, Meine Damen und Herren, sind auch steuerliche Maßnahmen sinnvoll. Der Staat muss das Geld haben, damit er diese Leistungen, die für die Menschen wichtig sind, auch vorhalten kann.

Deswegen glaube ich, dass die Maßnahmen, die vorgeschlagen worden sind, richtig sind. Insofern hoffe ich, dass bei der Bundestagswahl die richtige Mehrheit herauskommt.

(Beifall SSW, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SPD)

Vielen Dank. - Wir kommen zu den Dreiminutenbeiträgen. Das Wort hat der Kollege Tobias Koch von der CDU-Fraktion.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist durchaus ungewöhnlich, dass ein Antrag der Opposition hier von den Regierungsfraktionen selber an so prominenter Stelle als Tagesordnungspunkt gesetzt wird. Aber das hatte sich der Kollege Dr. Stegner so schön gedacht: Heute hier noch einmal jegliche Entlastung der Bürgerinnen und Bürger verteufeln und stattdessen mit aller moralischer Überheblichkeit, wie wir es gesehen haben, das Hohelied der Steuererhöhungen singen.