Protokoll der Sitzung vom 23.08.2013

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat Herr Abgeordneter Rasmus Andresen das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich habe bereits im April 2013 dargelegt, warum die Grünen einen Altschuldenfonds fordern. Heute möchte ich mich noch einmal besonders im Sinne der Kommunen für einen solchen Fonds stark machen.

Der kommunale Finanzreport zeigt: In nur vier Jahren sind die Schulden der Kommunen um unglaubliche 17 % gewachsen, in Schleswig-Holstein sogar noch stärker, nämlich um fast ein Viertel. Gleichzeitig wird die Ungleichheit zwischen den Kommunen immer größer. Viele Kommunen, insbesondere die kreisfreien Städte, stecken in der Vergeblichkeitsfalle. Drückende Zinsen und wachsende Aufgaben stehen der Ohnmacht gegenüber, eigenständig Einnahmen zu erhöhen. Gleichzeitig wird der Investitionsbedarf bei den Kommunen von der Kreditanstalt für Wiederaufbau auf 130 Milliarden € prognostiziert.

(Lars Winter)

Deshalb sind unsere Kommunen auf solidarische Hilfe angewiesen. Ein Schritt zur Entlastung der Kommunen ist ein gemeinsamer Altschuldenfonds.

Bei der Frage, ob es einen Altschuldenfonds geben soll, sehe ich im Landtag über die Regierungskoalition hinaus eine breite Mehrheit. Ich bedaure sehr, dass es bei der Frage des Wie keine Einigung mit der CDU gegeben hat. Aber auch so wird ein starkes Signal aus dem Landtag ausgesendet: Der Landtag von Schleswig-Holstein will einen Altschuldenfonds. Selbst die Schleswig-Holstein-CDU springt mitten im Wahlkampf über den Schatten ihrer ignoranten Kanzlerin und macht deutlich: So geht es nicht weiter. Länder und Kommunen brauchen finanzielle Hilfe, um ihre Altschulden langfristig abzubauen.

(Beifall Lars Winter [SPD] - Zuruf Wolfgang Kubicki [FDP]: Immerhin!)

Die FDP steht hier im Land isoliert da mit ihrer Meinung, man könne den Soli abschaffen.

(Zuruf Wolfgang Kubicki [FDP]: Das müs- sen Sie zwangsläufig sowieso tun! Aber da- von verstehen Sie nichts!)

Für Sie, Herr Kubicki, Herr Garg, steht die Parteiräson, steht das FDP-Steuersenkungsmantra über den Interessen des Landes Schleswig-Holstein.

(Vereinzelter Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Viele Länder und Kommunen brauchen dringend Unterstützung bei der Bewältigung der Altschuldenfrage. Die Zinszahlungen fressen große Teile der Budgets auf. Das Geld fehlt bei der Aufgabenerfüllung und den Investitionen. Die öffentliche Armut wächst. Die Altschulden sind ein gesamtstaatliches Problem in Deutschland, und dieses Problem bedarf einer gemeinsamen Lösung.

Gleichzeitig steht uns eine Steuer zur Verfügung, die gerade deshalb Akzeptanz gefunden hat, weil sie einer anderen gesamtdeutschen Herausforderung gedient hat. Der Soli hat effektiv dazu beigetragen, dass die Wiedervereinigung gelang. In Zukunft kann er dazu beitragen, dass die öffentliche Armut in Deutschland nicht noch weiter wächst. Ich glaube auch, dass das Akzeptanz bei den Menschen finden wird, gerade auch, weil alle Bundesländer und Kommunen und nicht nur eine bestimmte Region davon profitieren werden. Die Bürgerinnen und Bürger können schon über den Rand ihres eigenen Portemonnaies hinausschauen. Sie sehen, dass ihr persönlicher Wohlstand auch von den öf

fentlichen Leistungen abhängt, davon, ob ihre Kinder eine gut ausgestattete Schule besuchen oder ihr Unternehmen floriert, weil es vernünftig ausgebaute Verkehrsinfrastruktur und Breitbandversorgung gibt.

(Zuruf Wolfgang Kubicki [FDP]: Das wollen Sie doch gar nicht!)

Was Sie hier in der Debatte präsentieren, Herr Kubicki, trägt rein gar nichts zur Lösung der Altschuldenproblematik bei.

(Zuruf Wolfgang Kubicki [FDP]: Aber Sie!)

Erstens erzielen gemeinsame Anleihen allein viel geringere Entlastungen, als wenn man den Soli heranzieht. Zweitens bieten Deutschland-Bonds keine Perspektive für unsere Kommunen. Drittens enthält Ihr Antrag sogar eine Verschlechterung des Status quo. Im Moment können alle Länder freiwillig bei den Deutschland-Bonds mitmachen und von niedrigeren Zinsen profitieren. Sie wollen das an Bedingungen knüpfen und den Kreis der begünstigten Länder verkleinern. Das ist keine Weiterentwicklung der Deutschlandbonds, sondern eine Rieseneinschränkung. Sie machen die Deutschland-Bonds unattraktiv und sorgen damit für die Abschaffung eines Instruments, das an sich sinnvoll ist. Statt solidarisch die öffentliche Verschuldung zu lösen, schaffen Ihre Vorschläge mehr Missgunst.

Monika Heinold und ich haben gemeinsam den Altschuldenfonds im grünen Bundestagswahlprogramm formuliert. Man kann feststellen, dass es nicht nur in der SPD, sondern auch in anderen Parteien starke Bewegungen in diese Richtung gibt. Ich bin mir sicher, dass wir spätestens im Rahmen einer Föderalismusreform III zu konkreten Ergebnissen kommen werden. Wenn es nach uns geht, gern auch früher.

(Vereinzelter Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich hoffe, dass wir dieses Signal trotz des unterschiedlichen Abstimmungsverhaltens der Regierungsfraktionen und der CDU gemeinsam in den Bund tragen. Die Debatte wird ja jetzt nicht beendet, sondern sie geht im Bund erst richtig los. - Schönen Dank.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und SSW)

Für die FDP-Fraktion hat der Herr Abgeordnete Dr. Heiner Garg das Wort.

(Rasmus Andresen)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Was Sie hier machen, ist kein Beweis dafür, dass Sie Verantwortung übernehmen wollen; vielmehr wollen Sie sich mit Ihrem Antrag aus der Verantwortung stehlen. Sie wollen sich auch der Verantwortung schleichen.

(Beifall FDP)

Ein Auslagern der Schulden ist nichts anderes als der beste Beleg dafür, dass Sie die Verantwortung für die Schulden schlichtweg abgeben wollen. Herr Andresen, warum schießen Sie die Schulden nicht einfach zum Mond? Dann sind sie nicht mehr da. Das macht doch alles nichts; dann fangen wir von vorne an und machen fröhlich neue. Das und nichts anderes steckt hinter Ihrem Antrag. Meine Damen und Herren, was glauben Sie eigentlich, wie sehr sich die Regierung vor Ihnen gefreut hätte, sie hätte die Schulden, die unter anderem unter Heide Simonis und Björn Engholm aufgehäuft worden sind, einfach abgeben können, sodass sie einfach nicht mehr dagewesen wären? Dann hätten wir sehr viel geringere Probleme gehabt.

Wir haben jedoch - anders als Sie - die Verantwortung übernommen. Sie wollen diese Verantwortung „solidarisch“ abschieben. Sie sehen eine Beteiligung der Länder an einem Altschuldentilgungsfonds entsprechend ihrer Finanzkraft vor. Glauben Sie eigentlich im Ernst, dass dies angesichts der Debatte um den Länderfinanzausgleich auch nur einen Hauch von Chance hat, jemals umgesetzt zu werden? Sie präsentieren hier Utopien, anstatt sich mit seriöser Politik zu beschäftigen, nur damit Sie in Zukunft weiter fröhlich Schulden machen können.

(Vereinzelter Beifall FDP)

Ihr Antrag präsentiert nichts anderes als eine Scheinlösung, die niemals konsensfähig sein wird. Erklären Sie doch einmal einem Sachsen mit einer Pro-Kopf-Verschuldung von rund 2.200 €, warum er für die Schulden der Schleswig-Holsteiner aufkommen soll, oder zum Beispiel einem Bayern. Warum sollen die Bayern, die ihren Bürgerinnen und Bürgern bis heute kein beitragsfreies Kita-Jahr anbieten, auf einmal das beitragsfreie Kita-Jahr der Rheinland-Pfälzer finanzieren? Warum, aus reiner Solidarität unter den Ländern?

Herr Abgeordneter Dr. Garg, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Stegner?

Der guckt zwar gerade so böse - vorhin hat er fröhlicher geguckt -, aber selbstverständlich.

Sehen Sie, er guckt freundlicher und darf jetzt fragen.

Mich hat nur die Spannung, ob Sie das zulassen oder nicht, so nervös gemacht.

Ach Gott, Her Stegner!

- Aber ich bin ganz froh, dass Sie mir erlauben, zwei Bemerkungen zu machen.

Erstens möchte ich Sie gern darauf aufmerksam machen, dass der Altschuldentilgungsfonds, so wie wir ihn vorsehen, im Regierungsprogramm der SPD steht und dass es momentan deutlich mehr Länder gibt, nämlich eine klare Mehrheit im Bundesrat - am Sonntag, dem 22. September 2013, kommt vermutlich noch das Land Hessen dazu -, die das unterstützen, sodass sich Ihre Frage, wer das eigentlich beschließen soll, damit beantwortet.

Zweitens haben Sie vielleicht registriert, dass unser Konzept vorsieht, dass wir sehr wohl mit der Tilgung beginnen, und zwar selbst, und dass eine Entlastung zum Beispiel um 200 Millionen € Zinsen dazu dienen könnte, das zu tun, was Sie hier beklagt haben und ständig fordern, nämlich in die Infrastruktur zu investieren, um damit zusätzliche Schulden und zusätzliche Lasten durch Reparaturkosten zu vermeiden. Das ist Teil des Konzeptes. Wenn Sie also in Ihrer Argumentation ein bisschen weniger schwarz-weiß draufhätten, dann wären Sie noch besser als der Kollege Koch.

- Donnerwetter, Herr Kollege Stegner! Ich habe erstens zur Kenntnis genommen, dass Sie in Ihr Oppositionsprogramm der nächsten Jahre etwas hineingeschrieben haben, was Sie verhandelt haben.

Das haben Sie ja in Bezug auf den ersten Tagsordnungspunkt nicht getan.

Zweitens haben wir wesentlich mehr Empfängerländer als Geberländer. Dass man also die reine Mehrheit im Bundesrat auf seiner Seite hat, kann ich verstehen. Sie haben sich mit Bremen, Berlin und Nordrhein-Westfalen ja auch die besten Beispiele und die besten Vorbilder ausgesucht. Das sind alles Musterländer der Haushaltskonsolidierung.

(Beifall FDP und CDU)

Wie wollen Sie eigentlich das, was Sie vorhaben, mit der Angleichung der Lebensverhältnisse in den Bundesländern begründen? Sie sehen, man kommt ganz schnell zu der Frage, wie die Finanzbeziehungen zwischen den einzelnen Ländern neu geordnet werden sollen.

Herr Stegner, da Sie ja so nett für Ihr Oppositionsprogramm geworben haben, sage ich Ihnen: Es ist zum jetzigen Zeitpunkt völlig unklar, wie der Länderfinanzausgleich künftig aussehen soll. Es ist im Übrigen auch völlig unklar, wie sich die unterschiedlich regierten Bundesländer in Zukunft dazu verhalten werden. Es scheint ausgeschlossen, dass eine weitere Belastung der Zahler im Länderfinanzausgleich für die Schulden der Empfänger durchsetzbar ist.

Natürlich wird ein zusätzliches Engagement des Bundes im Zweifel notwendig sein, und zwar in einer Form, wie er es beispielsweise auch bei den Konsolidierungshilfen gemacht hat. Aber die Vorschläge hierfür dürfen schon ein wenig realistischer sein.

Das gilt auch für den etwas verzweifelten Versuch von Rasmus Andresen, unsere Finanzierungsalternative hier madig zu reden. Dem FDP-Gedanken ist möglicherweise doch mehr abzugewinnen, als Sie das bisher getan haben, Herr Kollege Andresen. Verfassung schert Sie - das haben Ihre Ausführungen gezeigt - offensichtlich überhaupt nicht.

Ich will einmal darauf hinweisen: Es ist nicht nur die FDP-Fraktion, die verfassungsrechtliche Bedenken anmeldet. Herr Winter, Sie haben gesagt, ab 2019 werden Mittel aus dem Solidarpakt frei. Nein, die werden nicht frei, sondern sie stehen verfassungsmäßig möglicherweise gar nicht weiter zur Verfügung. Möglicherweise handelt es sich bei dem Soli, den Sie schon wieder für die nächsten 30 Jahre verplanen, um eine Abgabe, die Sie nach 2019 gar nicht weiter zur Verfügung haben. Dann kön

nen Sie auch nichts weiter davon finanzieren. So einfach ist Logik manchmal.

(Beifall FDP und CDU)

Im Übrigen ist der ehemalige Präsident des Bundesverfassungsgerichts Papier der Auffassung, dass spätestens sich ab 2019 der Solidaritätszuschlag verfassungsrechtlich gar nicht mehr begründen lässt. Aber ich habe natürlich Verständnis dafür, dass sich eine Fraktion, die im Zweifel damit argumentiert, man wolle ja keine juristische Lösung, sondern eine politische, um Recht und Gesetz immer dann nicht kümmert, wenn das Gesetz zufälligerweise einmal nicht in den eigenen Kram oder in die eigene Wahlkampfrhetorik passt.