Protokoll der Sitzung vom 25.09.2013

(Beifall CDU)

Ich sage nur: Uns hätten Sie an dieser Stelle Klientelpolitik vorgeworfen.

Meine Damen und Herren, ich nannte eben all die Gesetze, die unseren Kommunen mehr und mehr Bürokratie aufbürden. Eines der zentralen Wahlkampfthemen des heutigen Ministerpräsidenten war der Bürokratieabbau. Wir werden in dieser Landtagssitzung ja noch über den Bericht des Ministerpräsidenten zum Bürokratieabbau reden. In diesem Bericht steht ein zentraler Satz - ich zitiere -:

„Dazu bedarf es als politischer Zielsetzung eines Kulturwandels im Umgang mit Vorschriften und Rechtsetzung mit einer entsprechenden quantitativen Einschränkung als Normenvorgabe.“

Herr Albig, Ihre Beamten haben recht. Diese Zielsetzung ist Ihre Aufgabe. Dieser Satz in dem Bericht allerdings ist ein verzweifelter Hilfeschrei Ihrer Fachleute. Sie bürden Ihren Verwaltungen immer mehr Aufgaben auf. Kein Wunder, dass Personalmanagement und -abbau nicht vorankommen. Dabei haben Sie dieses Thema doch extra zur Chefsache erklärt und die entsprechende Abteilung in die Staatskanzlei gezogen.

Allerdings: Das einzige bislang öffentlich gewordene Ergebnis Ihrer Chefsache Personalabbau war der peinliche Versuch, eine B-7-Stelle einzurichten. Auch die Grünen scheinen wenig Vertrauen in Ihre Chefsache zu haben. Sonst hätte Kollege Andresen gestern nicht ein zentrales Personalmanagement der Landesregierung einfordern müssen.

Es gibt noch mehr Hilfeschreibe aus der Beamtenschaft. Der Generalstaatsanwalt hat Sie auf schwere Fehler im Korruptionsregister hingewiesen. Gleiches gilt für das Landeskriminalamt, dessen Stellungnahme sich übrigens der Innenstaatssekretär zu eigen gemacht hat. Letzte Woche haben dazu die Justizministerin und der Innenminister im Innenund Rechtsausschuss Stellung genommen. Sie glaube dem Wirtschaftsminister, sagte die Justizministerin; die Bedenken seien ausgeräumt. Ob mit dem Generalstaatsanwalt überhaupt einmal darüber gesprochen worden sei, konnte sie nicht sagen. Das Gesetz wurde wie schon das Vergabegesetz von den Regierungsfraktionen trotz schwerster rechtlicher Bedenken und eines Aufschreies der Betroffenen durch die Ausschüsse gewunken. Und Sie, Herr Ministerpräsident, nennen das Ganze noch Bürokratieabbau!

Herr Albig, Ihr SPD-Fraktionsvorsitzender auf Sylt hat Ihnen neulich gesagt: „Wir hatten mehr von dir erwartet.“ Wahrscheinlich hat er recht. Ich sage deutlich: Die Menschen in Schleswig-Holstein können und müssen mehr von einem Ministerpräsidenten erwarten.

Herr Albig, ob dieser Haushalt zeigt, dass Sie sich selbst nicht ernst nehmen, oder ob er zeigt, dass Sie Ihre Prioritäten nicht durchsetzen können, ist mir offen gestanden egal. Aber dieser Haushalt stellt die Weichen dafür, dass bei einem ohnehin beängstigenden Schuldenstand viel mehr ausgegeben und viel weniger eingenommen wird. Ihre Politik wird

(Johannes Callsen)

die Menschen in diesem Land in städtische und ländliche Bevölkerung spalten. Ihre Politik lässt unsere Infrastruktur verkommen. Ihre Politik schwächt unsere Schulen. Ihre Politik bremst das Wirtschaftswachstum. Und Ihre Politik ist ohne Perspektive für Schleswig-Holstein. Das kann nun wirklich niemandem in Schleswig-Holstein egal sein.

(Beifall CDU und FDP)

Das Wort für die SPD-Fraktion hat der Fraktionsvorsitzende, Herr Abgeordneter Dr. Ralf Stegner.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Willy Brandt hat uns beigebracht:

„Politik taugt nur etwas, wenn sie das Leben der Menschen besser macht.“

Diesem Anspruch fühlen wir uns verpflichtet. Mit dem Haushalt 2014 und dem vorgeschlagenen Sondervermögen kommen wir eben diesem Anliegen nach. In unserem Koalitionsvertrag haben SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SSW deshalb festgehalten - ich zitiere -:

„In Schleswig-Holstein wird sich zeigen, wie wir das Haushaltsdefizit nachhaltig abbauen können, ohne gleichzeitig die Defizite im Bildungs- und Sozialbereich als unvermeidlich hinzunehmen.“

Das ist genau unser Anspruch. Gelingen wird uns dies über eine Modernisierung des Landes, eine Modernisierung, die mit der Konsolidierung des Haushalts Hand in Hand geht.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, diese Koalition sagt auch offen und ehrlich, dass wir die Einnahmen erhöhen müssen. Die direkten Stellschrauben des Landes sind dafür allerdings begrenzt. Wir mussten die Entscheidung treffen, die Grunderwerbsteuer zu erhöhen. Bei den Zinsentwicklungen ist das vertretbar. Herr Kollege Callsen, Sie haben gar nichts gesagt zu der sozialistischen Tat der schwarz-gelben Regierung, die Grunderwerbsteuer selbst von 3,5 auf 5 % erhöht zu haben. Das habe ich in Ihrer Rede eigentlich vermisst.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Die christliche Nächstenliebe, Herr Kollege Callsen, würde eigentlich gebieten, Ihnen einmal einen

unserer Redenschreiber auszuleihen, damit es hier nicht ganz so traurig zugeht.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, mit großen Erwartungen blicken wir nach Berlin. Eine neue Bundesregierung muss endlich ihrer Verantwortung für die Länder und Kommunen gerecht werden. Ein Politikwechsel ist weiterhin unverzichtbar. Wenn wir einen handlungsfähigen Staat, gleiche Bildungschancen für alle, eine gute Infrastruktur und soziale Gerechtigkeit wollen, müssen wir das auch finanzieren können. Diejenigen mit dem höchsten Einkommen müssen künftig etwas mehr für das Gemeinwohl leisten.

Unbenommen davon bleibt auch richtig: Wir müssen Ausgaben auf den Prüfstand stellen. Wir müssen abwägen, was geht und was nicht, was wir uns noch leisten können und auf was künftig verzichtet werden kann. Meine sehr verehrten Damen und Herren, trotz des engen finanziellen Handlungsspielraums beweist die Regierungskoalition auch mit ihrem zweiten Haushalt, dass es möglich ist, unmittelbar positive Akzente für das tägliche Leben der Bürgerinnen und Bürger zu setzen.

Schon bei unseren Kleinsten fangen wir an. Überall im Land haben künftig mehr Kinder die Gelegenheit, eine Kita zu besuchen. Den Rechtsanspruch auf einen Kita-Platz nehmen wir ernst. Zugleich haben wir in Schleswig-Holstein die Sozialstaffel dahin gehend geändert, dass alleinerziehende ALG II-Empfänger künftig von den Kita-Gebühren befreit werden.

Ich habe seitdem viele Kitas im Land besucht, beispielsweise „Ich und Du“ in Flintbek oder das Dolli-Einstein-Haus in Pinneberg. Die Kommunalpolitikerinnen und Kommunalpolitiker haben hier viel geleistet, um rechtzeitig eine ganze Reihe von Betreuungsplätzen zu realisieren.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Eltern sowie Erzieherinnen und Erzieher haben mir aber auch bestätigt: Die unsinnigen Milliarden, die Schwarz-Gelb in das Betreuungsgeld steckt, werden in der Infrastruktur - für Betreuungsplätze und Qualität - dringender benötigt. Wir erhöhen deshalb im Haushalt 2014 die Finanzmittel für die Kitas.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

(Johannes Callsen)

Als Küstenkoalition stehen wir an der Seite der Familien und der Kommunen, wenn wir dies tun.

Finanzmittel in Krippen und Kindergärten - das sind Investitionen in Kinder, in die Familien, in die Gleichstellung, in die Freiheit des Einzelnen, in die Wirtschaft. Kurz: Ein Euro hier ist ein Vielfaches wert. Kitas sind erster Teil unserer Priorität Nummer eins, der Bildung. Denn diese Regierung weiß: Wer aufgrund mangelnder Bildung keine Chancen am Arbeitsmarkt erhält und lebenslang auf soziale Transferleistungen angewiesen ist, wird der Gesellschaft wesentlich mehr Kosten verursachen, als rechtzeitige Investitionen in seine Bildung gekostet hätten. Das ist ungerecht und volkswirtschaftlich falsch, und deswegen machen wir es anders, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Wir haben morgen Gelegenheit, über das neue Schulgesetz zu debattieren, obwohl Kollege Callsen ja eigentlich alle Tagesordnungspunkte der Tagung schon mehrmals abgehandelt hat. Wir werden aber mit Blick auf den Haushalt feststellen müssen: Um Schulden zu reduzieren, müssen wir auch Lehrerstellen abbauen. Aber zugleich tragen wir dem Ziel der nachhaltigen Bildung Rechnung, indem wir das in erheblich geringerem Maße tun können, als die sogenannte demografische Rendite es hergeben würde oder Schwarz-Gelb es hier vorgesehen hatte. Wir sind uns dabei der Tatsache bewusst, dass wir eine strategische Versorgungslücke bei den Lehrerstellen haben, die nach Berechnung zwischen 1.300 und 1.500 Stellen liegt. Wir können diese Lücke nicht auf einen Schlag schließen, aber wir werden alles dazu tun, um den Abstand zwischen Anspruch und Wirklichkeit zu schließen.

In der Hauptsache geht es aber darum, dass wir einen langjährigen Kraftakt unternehmen müssen, um für mehr Qualität in der Bildung zu sorgen vom längeren gemeinsamen Lernen über Inklusion bis hin zur Schulsozialarbeit und zu einer verbesserten Lehrerbildung. Bildung entscheidet über Lebenschancen; wir dürfen kein Kind zurücklassen. Das ist das Credo dieser Koalition, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Wir sichern die Unterrichtsversorgung auch über den Vertretungsfonds in Höhe von 12,1 Millionen €. Die Förderung der Ganztagsangebote bleibt mit 6,8 Millionen € ebenso unverändert wie die

Schulsozialarbeit mit 4,6 Millionen €. Denn wir wissen, dass Schule mehr ist als Unterricht.

Wer Chancengleichheit will - und wir wollen sie -, darf es nicht hinnehmen, dass die Bildungs- und Lebenschancen junger Menschen immer noch vom Bankkonto und vom Bildungsstand ihrer Eltern abhängen. Das haben wir zu ändern; das ist unsere Pflicht. Das erwarten übrigens alle Menschen von uns in diesem Land.

(Zuruf Johannes Callsen [CDU])

Das unterscheidet uns übrigens auch in unserem Blick auf die Familie. Deshalb fördern wir auch ganz unterschiedliche Schulen, nicht nur die Schulen der dänischen Minderheit, sondern auch die deutschen Schulen in privater Trägerschaft.

(Zuruf Heike Franzen [CDU])

Für die dänischen Schulen haben wir bereits mit dem Haushalt 2013 mit der Rückkehr zur 100-Prozent-Förderung das Notwendige, ja das eigentlich Selbstverständliche, getan.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Statt den SSW hier anzusprechen, hätten Sie sich entschuldigen sollen für die Junge Union mit deren Ansätzen, was den SSW betrifft, Herr Kollege Callsen. Der Auftritt in Schleswig und die Kommentare dazu waren peinlich. Dafür musste man sich eigentlich schämen.

(Christopher Vogt [FDP]: Die drei Richter waren peinlich?)

Mit der neuen Berechnungsgrundlage zur Förderung der deutschen Privatschulen hinsichtlich der Schülerkosten ist eine Gesamtsteigerung von fast 5,1 Millionen € - um 9 % - herausgekommen. Die meisten Waldorfschulen und die meisten allgemeinbildenden Schulen in freier Trägerschaft profitieren. Einige wenige verlieren, wie wir auch durch eine Reihe von Briefen und Karten erfahren. Es gibt deshalb Übergangsfristen, um das abzufedern.

Ziel muss es aber sein, dass alle unsere Kinder und Enkel nah an ihrem Wohnort die Schulen besuchen und den höchstmöglichen Abschluss machen können, egal ob in Kiel oder Lübeck, in Leck oder Schwarzenbek. Genau das ermöglichen wir den Familien auf dem Land. Hören Sie endlich auf, gegen die Gemeinschaftsschulen im ländlichen Raum zu polemisieren. Das wollen nicht einmal Ihre eigenen Bürgermeister, was Sie hier an Unsinn vortragen.

(Dr. Ralf Stegner)

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)