Protokoll der Sitzung vom 21.11.2013

Antrag der Fraktion der FDP Drucksache 18/1283

b) Bericht zur Zinssicherung

Antrag der Fraktionen von SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der Abgeordneten des SSW Drucksache 18/1307

Das Wort zur Begründung wird nicht gewünscht.

Da mit dem Antrag Drucksache 18/1307 ein Bericht in dieser Tagung erbeten wird, lasse ich zunächst darüber abstimmen, ob der Bericht in dieser Tagung gegeben werden soll. Wer dies unterstützen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenstimmen? - Enthaltungen?- Das ist einstimmig beschlossen.

Für die Landesregierung erteile ich der Frau Ministerin Monika Heinold das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Schleswig-Holstein wird 2013 voraussichtlich 870 Millionen € für Zinsen ausgeben; für 2014 sind 909 Millionen € eingeplant - hohe Beträge, obwohl wir historisch niedrige Zinsen haben.

Etwa jeder neunte Steuer-Euro fließt damit derzeit in die Taschen der Investoren, die unserem Land in den letzten Jahrzehnten Milliarden an Krediten bewilligt haben. Bis 2020 steigen die Zinsausgaben in unserer mittelfristigen Finanzplanung auf 1,27 Milliarden €. Bei 27 Milliarden € Schulden bedeutet ein Zinsanstieg von nur 1 % mittelfristig ein Kostenrisiko von 270 Millionen €.

All das macht deutlich: Die Entwicklung auf dem Zinsmarkt ist für unser Land von immenser Bedeutung. Das Zinsrisiko ist - neben der HSH Nordbank - das größte Haushaltsrisiko für SchleswigHolstein.

Die Landesregierung verfolgt daher bereits seit 1992 eine Zinsstrategie, welche die Anfälligkeit des Haushalts gegen steigende Zinsen reduziert und zugleich die Planungssicherheit für die kommenden Jahre erhöht. Diese Strategie sieht in Zeiten niedriger Zinsen vor, für aktuelle Finanzierungen lange Zinsbindungen von durchschnittlich sieben Jahren

(Peter Eichstädt)

einzugehen, und für künftige Finanzierungen die vorzeitige Sicherung der Niedrigzinsen.

Seit 2009 sichern wir uns bei etwa einem Drittel der 3 bis 4 Milliarden €, die wir jedes Jahr refinanzieren müssen, günstige Kreditkonditionen schon vorzeitig. Dabei kommen zwangsläufig auch Finanzderivate zum Einsatz. Der Einsatz von Derivaten ist in Schleswig-Holstein seit nunmehr 21 Jahren erprobt und hat sich bewährt. Im Finanzausschuss wird regelmäßig berichtet; der Landesrechnungshof ist eingebunden und gibt immer wieder Anregungen für noch transparentere Verfahren.

Neu ist, dass die Landesregierung angesichts der derzeit historisch niedrigen Zinsen den Anteil und den Zeitraum der Zinssicherung erhöhen will. Denn wir sind der festen Überzeugung: Je niedriger das Zinsniveau, desto mehr müssen wir die Gelegenheit nutzen, um einen möglichst großen Teil unserer Altschulden langfristig günstig zu finanzieren. Deshalb haben wir entschieden, die zwischen 2015 und 2018 anstehenden Kredite nicht mehr nur zu einem Drittel gegen einen möglichen Zinsanstieg zu versichern, sondern zu bis zu zwei Dritteln.

Neu ist auch, dass wir die Zinsversicherungen jetzt schwerpunktmäßig in Form von Zinskorridoren mit einem Dach und einem Boden einkaufen. Das Prinzip ist ganz einfach: Steigt der Zinssatz über das Dach des vereinbarten Korridors, dann greift die Versicherung. Fällt der Zinssatz, dann profitiert das Land davon bis zum Boden des Korridors. Das Land hat diese Art der Versicherung auch schon früher genutzt. Wir weiten den Umfang jetzt aus, weil die Korridorversicherung unter Abwägung aller Gesichtspunkte das beste Kosten-Nutzen-Verhältnis bietet.

Im Haushalt 2014 sind für die Umsetzung der Zinssicherungsstrategie 30 Millionen € vorgesehen. Damit können wir für die zwischen 2015 und 2018 anstehenden Finanzierungen hervorragende Konditionen sichern. Da die Finanzierungen über mehrere Jahre laufen, erkaufen wir uns somit größere Planungssicherheit bis mindestens 2023.

Meine Damen und Herren, 30 Millionen € für Versicherungen auszugeben, ist eine Entscheidung, die nicht leicht fällt. Aber: In der mittelfristigen Finanzplanung haben wir aufgezeigt, wie sich die Ausgaben des Landes ohne Zinssicherung entwickeln können. Die Spanne möglicher Zinsausgaben im Jahr 2020 reicht von knapp 800 Millionen € bis zu 1,6 Milliarden €. Durch die geplante höhere Zinssicherung wird diese gewaltige Schwankungsbreite nahezu halbiert.

In Gesprächen haben wir von Wirtschaftsvertretern und Wissenschaftlern für diesen Kurs Unterstützung erhalten, und auch der Landesrechnungshof hat die Strategie ausdrücklich begrüßt.

Zinsversicherung ist weder Zockerei noch unverantwortliche Spekulation mit Steuergeldern. Das Gegenteil ist der Fall. Wir nehmen Geld in die Hand, um den Landeshaushalt gegen Risiken zu sichern. Der Orkan Christian hat uns gerade erst wieder vor Augen geführt, wie wichtig es ist, gegen die großen Elementarschäden des Lebens versichert zu sein.

Mit unserer Zinsversicherung bewirken wir nichts anderes. Wir versichern den Haushalt so kostengünstig wie möglich gegen einen potenziellen Sturmschaden durch steigende Zinsen. Bleibt der Zinsanstieg aus, haben wir die Versicherungsprämie natürlich umsonst bezahlt, aber das ist bei jeder Versicherung so, auch privat. Dafür haben wir heute die Sicherheit, dass die Haushalte von morgen und übermorgen nicht unkontrollierbaren Risiken ausgesetzt sind. Denn Aktienkurse und Zinsverläufe haben eine Gemeinsamkeit: Ihre zukünftige Entwicklung ist nicht vorhersehbar. Da ist es besser, wenn man auf alle Eventualitäten vorbereitet ist.

Für die Zukunft gerüstet sein, genau das ist es, was Schleswig-Holstein mit seiner Zinssicherung seit nunmehr über 20 Jahren macht und was wir auch weiter sicherstellen wollen. - Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD, PIRATEN und SSW)

Vielen Dank, Frau Ministerin. - Ich eröffne die Aussprache und erteile dem Abgeordneten Dr. Heiner Garg von der FDP-Fraktion das Wort. Ich mache Sie darauf aufmerksam, dass Sie die vereinbarte Redezeit von 5 Minuten etwas überziehen dürfen, weil die Ministerin das vorgemacht hat.

(Dr. Heiner Garg [FDP]: Was für ein Vor- bild! - Heiterkeit)

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Sehr geehrte Frau Ministerin! Erst einmal herzlichen Dank für den Bericht. Sie haben in Ihrer Rede den Absicherungscharakter der Zinssicherungsgeschäfte betont. Sie haben eine Zahl bedauerlicherweise nicht erwähnt, nämlich dass Sie vom Parlament erwarten, dass Sie für Zinssicherungsge

(Ministerin Monika Heinold)

schäfte bis 2019 insgesamt 600 Millionen € in die Hand nehmen dürfen.

Diese Absicherung, auf die Sie so großen Wert gelegt haben, entfaltet ihre Wirkung ausschließlich, wenn die Zinssätze in den kommenden Jahren entsprechend steigen. Darauf haben Sie hingewiesen. Steigen sie aber nicht, dann verfallen die von Ihnen getätigten Optionsgeschäfte, und das Land muss durch den Eingang von Swapgeschäften mehr zahlen als ohne. Der Jahresbericht des Aufgabenbereichs Kredite, Finanzderivate und Schulden, Umdruck 18/1774, zeigt auf Seite 30 deutlich: Sollte das Zinsniveau dauerhaft auf dem aktuell niedrigen Stand bleiben, dann werden uns die Zinssicherungen allein im Jahr 2019 100 Millionen € kosten. Wenn Sie es mir nicht glauben, dann lesen Sie es einfach nach.

Frau Heinold, ich bin nicht grundsätzlich gegen diese Absicherungsgeschäfte. Sie werden - das haben Sie dargestellt - seit 1992 betrieben und wurden bisher von jeder Landesregierung getätigt. Aber ich möchte Sie auf die Risiken und Gefahren einer weiteren Ausweitung solcher Geschäfte im derzeitigen ökonomischen Umfeld hinweisen.

Frau Ministerin, in Ihrer Pressemitteilung zum Haushaltsentwurf 2014 vom 25. Juni dieses Jahres haben Sie geschrieben:

„Zur Risikovorsorge gehöre, dass die Landesregierung 2014 mit etwa 30 Millionen € einen Teil der Einsparungen durch das niedrige Zinsniveau reinvestieren wolle.“

Frau Heinold, was Sie verschwiegen haben, ist, dass es sich hierbei nicht um Investitionen, sondern in diesem schwierigen konjunkturellen Umfeld schlicht und einfach um Spekulation handelt. Die Landesregierung hat über die Nachschiebeliste - bei der Fülle der Nachschiebeliste, über die wir gesprochen haben, fast 270 Seiten - beinahe klammheimlich vorgesehen, bis 2019 über 600 Millionen € dafür aufzuwenden, weil Sie vermuten, dass die Zinsen in absehbarer Zeit stark ansteigen werden. Ihr Zinsanstiegserwartungsszenario gründet ausschließlich auf Ihrer subjektiven Einschätzung.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, man kann diese Auffassung vertreten, aber dass sie tatsächlich eintritt, ist höchst ungewiss. Dass in einer Phase niedriger Zinsen automatisch eine Steigerung folgt, mag unseren Vorstellungen und Erwartungen entsprechen, sie ist aber keineswegs sicher. In Japan beispielsweise verharren die Zinssätze seit mehr als 15 Jahren auf einem niedrigeren Niveau, als wir sie gegenwärtig im Euroraum haben.

Die Meinung, dass die Zinssätze dauerhaft niedrig bleiben, teilen beispielsweise renommierte Ökonomen wie der Nobelpreisträger Joseph Stiglitz. In einem Interview mit dem „Handelsblatt“ erklärte er diesen Montag, dass es gut sein könnte, dass die Geldpolitik bis in die nächste Dekade hinein locker sein werde. Auf die Frage des „Handelsblatts“, ob er denn keine Inflation fürchte, antwortet Stiglitz: Nein, keineswegs; von Inflation ist weit und breit nichts zu sehen. - Die aktuellen Zahlen bestätigen das.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, eine Vielzahl der volkswirtschaftlichen Indikatoren deutet derzeit auf ein deflatorisches Umfeld hin, welches wiederum für dauerhaft niedrige Zinsen sprechen würde. Die jährliche Inflationsrate im Euroraum lag im Oktober 2013 bei gerade 0,7 %. Die Europäische Zentralbank hat erst in der vergangenen Woche den bereits niedrigen Zinssatz von 0,5 % um 25 Basispunkte gesenkt.

Zudem bestehen derzeit in Europa massive Überkapazitäten und eine extrem hohe Arbeitslosigkeit. Die Arbeitslosenquote betrug im September 2013 im Euroraum 12,2 %. Die Jugendarbeitslosigkeit lag sogar bei 24,1 %, wobei Griechenland und Spanien jeweils eine Jugendarbeitslosigkeit von über 50 % ausgewiesen haben. All diese Indikatoren sprechen dafür, dass das Zinsniveau dauerhaft auf einem niedrigen Niveau verbleiben wird.

Zu diesem prekären Zeitpunkt die Zinssicherungsgeschäfte über das bereits getätigte Ausmaß hinaus auszuweiten, birgt unserer Auffassung nach die Gefahr massiver Verluste. Wie Sie dem Steuerzahler diese Verluste erklären wollen, während diese zugleich bei Hedge-Fonds und Investmentbanken zu massiven Gewinnen führen würden, bleibt Ihr Geheimnis, Frau Heinold. Denn Hedge-Fonds, Investmentbanken und andere Finanzintermediäre sind ja der Gegenpart, sie sind die Profiteure dieser Optionsgeschäfte.

(Vereinzelter Beifall FDP)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, jeder hier, und insbesondere die Abgeordneten der regierungstragenden Fraktionen, müssen sich fragen - wir sollten das im Finanzausschuss mit der Hausspitze ernsthaft diskutieren -, ob wir den vorliegenden Haushaltsentwurf so, wie er vorgelegt wurde, wirklich akzeptieren wollen. Wollen wir wirklich in Kauf nehmen, dass über 600 Millionen € für Zinssicherungsgeschäfte unwiderruflich verlorengehen könnten, oder sollten wir diese Mittel für andere tatsächlich investive Zwecke einsetzen, beispiels

(Dr. Heiner Garg)

weise für den Abbau der Nettoneuverschuldung, und daraus die Zinsgewinne reinvestieren?

(Beifall FDP)

Diejenigen, die möglicherweise noch nicht überzeugt sind, bitte ich, den entscheidenden Unterschied zu beachten: Zinsabsicherungsgeschäfte ergeben bei einer revolvierenden Finanzierung weniger Sinn als bei einer abschließenden Finanzierung. Ein solches Zinsabsicherungsgeschäft kann bei der immer wieder zitierten schwäbischen Hausfrau, die ihre Hypothek absichern muss, Sinn ergeben, weil Sie grundsätzlich darauf hinarbeitet, ihre Schulden zu tilgen. Solange wir allerdings noch nicht so weit sind, verfängt dieses Argument der Landesregierung nicht.

Ich schlage Ihnen vor, den Antrag zur wohlwollenden Beratung und Prüfung in den Finanzausschuss zu überweisen. Denn schließlich kann es sich unser Land nicht leisten, leichtfertig eine solche Summe Geld aufs Spiel zu setzen. - Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit.

(Beifall FDP)

Für die CDU-Fraktion hat der Abgeordnete Tobias Koch das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wenn bei einem privaten Häuslebauer die Baufinanzierung in zwei Jahren ausläuft, kann er zur Bank gehen und sich schon heute die Anschlussfinanzierung ab 2016 sichern. Für ein solches Forward-Darlehen zahlt er einen Zinssatz, der etwa einen halben oder dreiviertel Prozentpunkt höher liegt als die heutigen Sätze. Steigt das Zinsniveau bis 2016 um mehr als diesen halben oder dreiviertel Prozentpunkt, geht die Rechnung für den Häuslebauer auf. Liegt das Zinsniveau 2016 aber auf dem gleichen Niveau wie heute, dann zahlt der Kreditnehmer für die anschließende Kreditlaufzeit von fünf oder zehn Jahren genau diesen halben oder dreiviertel Prozentpunkt als überhöhten Zinssatz, er setzt also Geld zu. Dieser Zinsaufschlag ist die Risikoprämie, die der Kreditnehmer aufwendet, um sich bereits heute Sicherheit für Zinssätze in der Zukunft zu erkaufen.

Vergleichbares will die Landesregierung jetzt in verstärktem Maße betreiben, nur dass Sie angesichts von 27 Milliarden € Schulden nicht so einfach zur Bank gehen können, Frau Heinold. Das

Land Schleswig-Holstein finanziert sich und seine Verschuldung am Kapitalmarkt und kann deshalb ein solches Forward-Darlehen nur durch den Einsatz von Optionsgeschäften und anderen Derivaten synthetisch darstellen. Im Kern der Sache handelt es sich aber um nichts anderes als die frühzeitige Zinssicherung des privaten Häuslebauers. Insofern könnte man sagen: Die Landesregierung verhält sich wie Otto-Normalbürger.

Man kann aber auch genauso gut die umgekehrte Sichtweise vertreten. Nach dieser Auffassung betreibt die Landesregierung mit dem Einsatz von Derivaten Spekulationsgeschäfte. Es besteht nämlich das Risiko, dass die für die Zinssicherung aufgewandten Mittel und die erworbenen Optionen am Ende einen Totalverlust darstellen. Als Kronzeuge für diese Position lässt sich ausgerechnet das Finanzministerium des Landes Nordrhein-Westfalen heranziehen. Wie ich gehört habe, war der für das Kredit- und Zinsmanagement zuständige Referatsleiter unseres Finanzministeriums dort zu Gast und hat das schleswig-holsteinische Modell der Zinssicherung vorstellt.

Anschließend hat sich das rot-grün regierte Nordrhein-Westfalen klar dagegen entschieden. Die Begründung, die mir wohlgemerkt nicht aus Kreisen der dortigen Landtagsopposition, sondern aus Kreisen des nordrhein-westfälischen Finanzministeriums zugetragen wurde, lautete sinngemäß - der Herr Staatssekretär lächelt und grinst schon -: Das sei ja nichts anderes als Spekulation, was die Schleswig-Holsteiner dort machten. - Hört, hört! Nordrhein-Westfalen bleibt deshalb bei der klassisch-konservativen Vorgehensweise und sichert sich das gegenwärtig niedrige Zinsniveau ausschließlich dadurch, dass bei Neukrediten und Prolongationen möglichst lange Laufzeiten gewählt werden - wie wir das auch tun -; auf den Einsatz von Derivaten wird dagegen vollständig verzichtet.