Protokoll der Sitzung vom 21.11.2013

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SPD)

Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenbemerkung des Herrn Abgeordneten Dr. Garg?

Herr Kollege Andresen, geben Sie mir recht, dass wir - das war die Intention unseres Antrags - eben nicht nur über die von Ihnen erwähnten zusätzlichen 30 Millionen € für das kommende Jahr reden? Die Landesregierung will sich in ihren Änderungsvorschlägen zum Haushaltsgesetz 2014 in § 2 b Abs. 4 die Freikarte geben lassen, dass die Planungen beispielsweise für das Jahr 2019 Zinsänderungsrisiken bis zu 165 Millionen € vorsehen können. In der Summe kommen wir bis 2019 auf über 600 Millionen €.

- Ich habe verstanden, dass es Ihnen um diesen Punkt geht. Wir haben dazu auch schon Gespräche mit dem Finanzministerium geführt. Es ist ein guter Punkt. Deshalb sind wir uns auch einig, das im Finanzausschuss noch einmal intensiver zu diskutieren und Klarheit zu schaffen. Wir können uns dort noch einmal genauer anschauen, was wofür verwendet werden soll und über welche Summen wir konkret sprechen.

Es ist allerdings grob fahrlässig zu glauben, dass das Zinsniveau immer so bleibt, wie es gerade ist. Wer sich gegen Zinssicherung stellt, zockt mit den Risiken im Landeshaushalt. Ich nehme an, dass dies nicht die Intention der FDP war. Ich habe die Rede sehr wohl gehört, aber ich habe von der CDU auch andere Stimmen gehört, die etwas unklarer waren.

(Rasmus Andresen)

Was wäre los, wenn wir sagen würden, die Zinsen bleiben bestimmt dauerhaft so niedrig, und wir legen jetzt die Hände in den Schoß, lieber Herr Koch? Dann wären Sie doch der Erste, der fordern würde, dass wir uns im Landeshaushalt gegen diese Risiken absichern. Ich erinnere an die Debatte um die HSH Nordbank.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SSW und vereinzelt SPD)

Die zusätzlichen Gelder zur Zinssicherung sind grundsätzlich gut angelegtes Geld für dieses Land. Denn so können wir solide weiter planen. Das erscheint mir sehr wichtig. Trotzdem freue ich mich aber auch - weil das Thema so komplex und vielseitig ist - auf die weiteren Beratungen im Finanzausschuss. - Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und SSW)

Vielen Dank. - Für die Fraktion der PIRATEN hat Herr Abgeordneter Torge Schmidt das Wort.

Vielen Dank, Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Zu Beginn meiner Rede möchte ich - mit Verlaub, Frau Präsidentin - das Internet vorlesen und aus Wikipedia zitieren:

(Zuruf Rasmus Andresen [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN])

- Ich lese jetzt nicht den ganzen Wikipedia-Beitrag vor.

(Zuruf)

„Spekulation ist in der Wirtschaft eine auf Gewinnerzielung aus Preisveränderungen gerichtete Geschäftstätigkeit.“

Liebe FDP, ist es nicht so, dass Sie diejenigen sind, die spekulieren. Sie selbst sagen, dass Sie davon ausgehen, dass die Zinsen niedrig bleiben. Ja, Sie gehen davon aus. Sie spekulieren darauf, dass die Zinsen niedrig bleiben.

(Beifall PIRATEN und Lars Harms [SSW])

Was macht die Landesregierung? - Die Landesregierung fängt jetzt an, die Zinsen für zukünftige Kredite zu sichern, wie auch diverse Landesregierungen zuvor. Für circa 60 % des zukünftigen Kapitalbedarfs will sich das Land schon heute niedrige Zinsen sichern. Diese Kredite werden ab 2015 und

später benötigt. Liebe FDP, woher wollen Sie wissen, dass der Zinssatz dann noch genauso niedrig ist wie heute?

(Dr. Heiner Garg [FDP]: Woher will die Lan- desregierung wissen, dass sie steigen?)

Lieber Herr Garg, wie bei jeder Versicherung kann dies unter dem Strich vielleicht mehr kosten. Wenn ich 40 Jahre lang Auto fahre und keinen Schadensfall habe, dann rechnet sich meine Versicherung doch auch nicht. Sollte ich deshalb von Anfang an darauf spekulieren, keinen Unfall zu verursachen, damit ich die Versicherungsprämie spare?

(Zuruf)

Natürlich kostet solch ein aktives Zinsmanagement dem Land Geld. Wir kaufen uns damit allerdings Sicherheit ein. Nennen Sie mich konservativ.

(Zuruf SPD: Oh!)

Ich als Finanzpolitiker kann nachts deutlich ruhiger schlafen, wenn ich sicher weiß, dass 2018 nicht durch rasch steigende Zinsen der Haushalt platzen kann.

(Beifall PIRATEN, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Das Land Schleswig-Holstein benötigt genau diese Zinssicherheit. Für eine langfristige Planung des Haushalts können wir uns nicht dem Risiko aussetzen, dass die Konsolidierungsanstrengungen durch steigende Zinsen durchkreuzt werden.

Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenbemerkung des Herrn Abgeordneten Dr. Garg?

Gern.

Herr Kollege Schmidt, da mir Ihr Schlaf ausgesprochen wichtig ist, erwarte ich dann aber auch den Änderungsantrag der PIRATEN, dass nicht nur 60 % der Zinsen, die zu zahlen sind, abgesichert werden, sondern 100 %. Das würde Ihr Schlafvermögen deutlich erhöhen.

(Birgit Herdejürgen [SPD]: Und ihr geht auf null?)

- Mit 60 % kann ich auch ganz gut schlafen.

Dennoch bitte ich die Landesregierung, die Zahlen, die wir im Gespräch mit den Finanzpolitikern bekommen haben, zu aktualisieren. Denn die FDP hat

(Rasmus Andresen)

durchaus recht. Die Entscheidung der EZB zum Leitzins vor ein paar Tagen zeigt, dass wir wohl weiterhin niedrigere Zinsen haben werden. Ich gehe allerdings davon aus, dass dies in einem aktiven Zinsmanagement berücksichtigt wird. Für mich gehört es dazu abzuwarten, wie man langfristig günstiger fährt. Fazit ist also: Im Endeffekt spekulieren wir doch alle. Keiner weiß, wie die Zukunft wird. Herr Koch hat mit seiner Ausführung durchaus recht. Es ist Ihre politische Entscheidung im Finanzministerium, wie Sie dort aktiv die Zinserwartungen gestalten. - Ich hoffe auf eine konstruktive Debatte im Ausschuss und freue mich auf das weitere Verfahren.

(Beifall PIRATEN, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Für die Abgeordneten des SSW erteile ich Herrn Abgeordneten Lars Harms das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Eine vorausschauende Planung, die Risiken der Zukunft zu minimieren versucht, ist eigentlich konservatives Handeln im besten Sinne. Genau das tut das Finanzministerium, wenn es um die Zinssicherung geht. Es geht hier nicht um Spekulation, wie es der FDP-Antrag suggerieren will, sondern für den Haushalt des Landes Schleswig-Holstein über einen längeren Zeitraum Planungssicherheit bei niedrigem Zinsniveau zu erreichen. Natürlich kann niemand das Zinsniveau der nächsten Jahre voraussehen. Es ist aber auch für jeden Bürger verständlich, dass der Staat versucht, dauerhaft ein niedriges Zinsniveau zu sichern.

Das ist auch etwas, was jeder Häuslebauer macht. Auch Privatleute versuchen, das jeweils niedrige Zinsniveau für sich abzusichern. Jeder, der eine neue Hypothek abschließen will, hat ein Interesse daran, die Niedrigzinsphase dauerhaft auszunutzen. Er wird also möglicherweise einen kleinen Zinsaufschlag zahlen, um dennoch langfristig mit seinem Zinsniveau unter der zukünftigen Zinsentwicklung zu bleiben. Dieses Verhalten würde niemand als Spekulation brandmarken. Im Gegenteil: Ein solch vorausschauendes Handeln ist grundsolides Finanzmanagement.

(Dr. Heiner Garg [FDP]: Die privaten Haus- halte tilgen aber auch ihre Schulden!)

Genau das tut die Finanzministerin auch, in dem das niedrige Zinsniveau durch Versicherungen abgesichert wird.

Das derzeit niedrige Zinsniveau soll über einen längeren Zeitraum bewahrt werden. Wer sich die Zinsentwicklung bei der EZB seit 1999 ansieht, kann sehen, dass der Hauptrefinanzierungszins immer zwischen 2,5 % und 4,75 % lag. Das ist vermutlich der Zinsspielraum, der als normal gelten darf. In 2009 sank der Zins im Rahmen der Finanzmarktkrise erstmals auf unter 2 %. Heute liegt er bei 0,25 %. Das heißt, das Zinsniveau ist auf einem historischen Tiefststand, und bezogen auf den Hauptrefinanzierungssatz der EZB kann es sicherlich nicht mehr weiter nach unten gehen. Wir wissen alle, dass der Zinssatz nach 2009 insbesondere wegen der Kapitalmarktkrise gesunken ist.

Die Krise ist sicherlich nicht überall überstanden, aber man kann schon sagen, dass es aus deutscher Sicht vor vier Jahren noch schlimmer aussah, als es jetzt ist. Dies könnte ein Anzeichen dafür sein, dass der Kreditbedarf für die Wirtschaft wieder steigen wird und dass wir dann auch mit steigenden Zinsen für Kredite zu rechnen hätten. Da kann man sich dann schon Gedanken machen, ob es nicht klug wäre, das derzeitig günstige Zinsniveau langfristig abzusichern. Mit Zocken hat das relativ wenig zu tun.

(Beifall Lars Winter [SPD])

Jetzt mag man behaupten, dass Deutschland nicht allein dasteht und dass es anderen Ländern in der Tat schlechter geht und diese eben noch nicht aus der Krise herausgekommen sind. Das stimmt - zumindest teilweise. Griechenland hat noch einen weiten Weg vor sich, und auch die Länder des Balkans haben enorme wirtschaftliche Schwierigkeiten. Allerdings muss man dazu auch sagen, dass die besagten Länder nur marginal zum gesamten Bruttosozialprodukt Europas beitragen. Viel entscheidender sind die Entwicklungen in wirtschaftsstärkeren Ländern wie Spanien, Portugal oder Irland. Während das vielzitierte Spanien immer noch zu den Stützerländern des europäischen Stabilitätsmechanismus gehört und somit zumindest formal auch seinen unheimlich schwierigen Beitrag leistet, waren Portugal und Irland - genauso wie Griechenland - ausschließlich auf Hilfeleistungen aus diesem Mechanismus angewiesen. Dass Spanien in der Lage ist, auch etwas zum Stützungsmechanismus beizutragen, ist an sich schon ein längerfristiges Zeichen, dass Reformen hier greifen.

Nun hat aber auch Irland angekündigt, in Zukunft keine Leistungen mehr aus dem Rettungsschirm er

(Torge Schmidt)

halten zu wollen, weil man meint, es auch ohne schaffen zu können. In Portugal diskutiert man in die gleiche Richtung. Es sieht somit auch in diesen Ländern nach einer Verbesserung der Situation aus, sodass möglicherweise die EZB irgendwann die Zinsen wieder erhöhen kann. Schließlich hat die EZB das Zinsniveau gerade auch für solche Länder niedrig gehalten.

Die meisten verfügbaren Daten und Erfahrungswerte lassen es realistisch erscheinen, dass das Zinsniveau im Zeitraum der nächsten fünf Jahre wieder ansteigen wird. Vor diesem Hintergrund macht es Sinn, sich das derzeit niedrige Niveau so lange wie möglich zu sichern, und es ist lobenswert, dass das Finanzministerium im Haushalt deutlich macht, wie viel mehr es ausgeben wird, um langfristig kostengünstiger dazustehen. Das, was durch die Landesregierung getan wird, ist nicht nur finanzpolitisch gut, sondern auch für die Bürgerinnen und Bürger transparent. Deshalb kann man es nach unserer Auffassung auch nicht besser machen.