Protokoll der Sitzung vom 21.11.2013

Dass diese Änderung erfolgt, haben wir auch dem Flüchtlingsrat und dem Flüchtlingsbeauftragten zu verdanken. Allen möchte ich dafür danken. Es ist ein Schritt, der wirklich wichtig ist. Ich danke für die Information.

(Beifall PIRATEN)

Diese Willkommenskultur, die wir mit vertreten wollen, ist allerdings auch zum allgemeinen Sprachgebrauch eines jeden Politikers geworden,

(Angelika Beer)

auch der konservativsten. Deswegen glaube ich, dass wir einen Schritt weiter gehen müssen.

Ich hoffe, dass Bundespräsident Gauck heute in Friedland ein klares Signal sendet, das auch bei den Koalitionsverhandlungen gehört wird. Ich will gleich noch einmal begründen, warum.

Ich wünsche der SPD und auch dem Kollegen Stegner da wirklich viel Erfolg. Wir haben die Arbeitsgruppe zu dem Bereich Migration und Asyl der SPD, die er in den vergangenen Monaten im Hinblick auf den Bundesparteitag, der gerade stattgefunden hat, geleitet hat, genau analysiert. Ich hoffe wirklich, dass es Ihnen gelingt, diese fortschrittliche Position in Berlin festzuschreiben.

Ich halte das nicht für realistisch - das sage ich gleich dazu -, auch wenn Sie optimistisch klangen, Herr Breitner. Ich gehe eher davon aus, dass es nicht gelingt. Dies würde im Umkehrschluss bedeuten, dass alle Positionen, die wir hier gemeinsam als Kompromiss getroffen haben, in Berlin verhindert werden würden. Das, liebe Kolleginnen und Kollegen, ist dann auch wieder ein politisches und kein rechtliches Problem.

Aus diesem Grunde habe ich mich zum Beispiel entschieden, den Appell von Pro Asyl und dem Flüchtlingsrat an die Verhandelnden in Berlin zu unterzeichnen, um Kapitulationsverhandlungen im Bereich Flucht und Migration zwischen CDU/CSU und SPD zu verhindern.

Selbst wenn sich Ralf Stegner doch durchsetzen kann, bleibt ein politisches Problem. Auf europäischer Ebene - das haben wir zur gleichen Zeit diskutiert, als eure Delegation in Mazedonien unterwegs war - in Brüssel hat die Sozialdemokratie versagt. Es gab keinen Protest und Aufstand gegen Dublin III und Eurosur.

(Beifall PIRATEN)

Genau da haben sie es verschlafen. Deswegen reichen mir diese schönen Reden nicht. Ich will, dass wir in der ganzen Breite - deswegen treffen wir uns ständig mit Europaabgeordneten - dort die Möglichkeit nutzen. Ich sage das auch vor dem Hintergrund - es geht ja nicht nur um die Beispiele, die Eka von Kalben eben von der Reise berichtet hat -, dass wir im Moment in der Situation sind, dass EUMitgliedsländer wie Bulgarien zum Beispiel Grenzmauern zur Türkei errichten, um die Flucht aus Syrien zu verhindern. Das sind unsere Baustellen. Das geht auch Schleswig-Holstein und den Bund etwas an.

Ich habe das Beispiel des jungen Syrers erwähnt. Ich würde mir wünschen, dass im Hinblick darauf der Innenminister hat Spielräume angedeutet, vielleicht ist das auch Gegenstand der Koalitionsverhandlungen - die Marge von 5.000 Flüchtlingen aus Syrien aufgehoben wird.

Ich weiß, wir alle wollen sparen, wir alle haben Finanzengpässe. Es geht darum, dass wir uns dafür einsetzen, dass Menschen das Recht haben zu überleben. Und das - da stimme ich mit meiner Vorrednerin überein - muss auch Geld kosten. Es kostet Geld.

(Beifall PIRATEN)

Zum Schluss möchte ich noch einmal Stefan Schmidt, der hier mehrmals zu Recht zitiert worden ist, zitieren. Er hat in dem gleichen Interview noch etwas anderes gesagt:

„Die einzige Möglichkeit, für einen Flüchtling legal nach Deutschland zu kommen, ist, aus einem Flugzeug mit einem Fallschirm über Deutschland abzuspringen. Wir brauchen legale Wege nach Deutschland, um das Risiko, auf diesem Weg elend umzukommen, endlich zu minimieren und zu sagen: Ihr seid nicht nur willkommen, ihr habt ein Recht zu bleiben.“

(Beifall PIRATEN)

Das Wort für den SSW hat der Abgeordnete Lars Harms.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Bevor ich mit meiner eigentlichen Rede anfange, möchte ich zwei Dinge vorausschicken. Erstens sage ich auch vonseiten des SSW Dank an den Innenminister für eine erfrischende Flüchtlingspolitik, wie ich das nennen will. Die Gedanken, die er äußert, und die Taten, die er diesen Gedanken folgen lässt, sind auch auf Bundesebene tatsächlich ein Anstoß, um eine Erneuerung der Flüchtlingspolitik in der Bundesrepublik Deutschland vorzunehmen. Dass das aus Schleswig-Holstein kommt, ist in meinen Augen herausragend.

(Beifall SSW, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Zweitens danke ich allen in diesem Hause, dass wir uns eigentlich immer über die Flüchtlingspolitik einig waren. Es gab immer auch oppositions- und re

(Angelika Beer)

gierungsparteienübergreifende Bündnisse in Sachen Flüchtlingspolitik. Deshalb gestatten Sie mir bitte folgende zarte Bemerkung: Ich empfinde den von der FDP beantragten Bericht als einen freundschaftlichen Hinweis, sich tatsächlich mit diesem Politikfeld zu befassen. Denn ich habe die FDP immer als eine Partei wahrgenommen, mit der man eine vernünftige Flüchtlingspolitik in Schleswig-Holstein machen kann. Das soll zumindest der Aufklärung dienen, meine Damen und Herren.

Nun komme ich zu meiner eigentlichen Rede. Ich glaube, es ist wichtig, Folgendes vorwegzuschicken: Kein Mensch verlässt gern seine Heimat und lässt Freunde, Nachbarn und Familienmitglieder zurück. Niemand macht sich freiwillig mit nur wenigen Habseligkeiten auf den Weg. Und kaum jemand denkt bei der Abreise daran, dass es möglicherweise überhaupt keine Rückkehr mehr geben wird.

Diese eigentlich bekannten Tatsachen stelle ich voran, weil wir uns immer wieder vor Augen halten müssen, dass die Menschen nicht freiwillig zu uns kommen. Sie kommen vielmehr zu uns, weil sie aufgrund von politischer Verfolgung oder existenzieller Not dazu gezwungen sind.

Ich möchte, dass wir uns daran erinnern, über was wir eigentlich reden. Wir reden über Sprachkurse, Arbeitsplätze, dezentrales Wohnen und eine angemessene Kinderbetreuung für die Flüchtlinge. Aber - daran möchte ich ausdrücklich erinnern - wir reden auch über Mitmenschlichkeit, Nächstenliebe und Verantwortung. Flüchtlingspolitik hat nur eine Zukunft, wenn wir wirklich begreifen, dass wir über Menschen sprechen.

Einige haben wir auf der Reise einer Delegation nach Rumänien und Mazedonien kennengelernt. Das war eine gute Reise, bei der wir wirklich viel haben lernen können. Schleswig-Holstein hat damit ein Zeichen auch in Richtung der anderen Bundesländer gesetzt, die es mit ganz ähnlichen Problemen zu tun haben. Auf der Reise haben wir mit Politikern und einigen engagierten Aktivisten gesprochen, die uns durchaus verdeutlichen konnten, dass das Flüchtlingsproblem auch in den nächsten Jahren nicht abnehmen wird. Wir haben aber auch die elenden Lebensumstände vieler Rumänen und Mazedonier gesehen, die wirklich erbärmlich sind. Familien leben in Pappkartons ohne ausreichenden Schutz - das auch im eiskalten Winter und natürlich ohne Privatsphäre. Die Versorgung mit Nahrung war wirklich eine Katastrophe. Wir reden über Verhältnisse, die der EU nicht würdig sind, meine Damen und Herren.

Ich denke, dass ich für alle Kolleginnen und Kollegen sprechen kann, die uns auf der Reise begleitet haben, dass uns hautnah klar wurde, dass solche sozialen Missstände die Menschen aus ihrer Heimat vertreiben. Es ist ein Akt der Mitmenschlichkeit, die Menschen, wenn sie zu uns kommen, menschenwürdig zu behandeln und ihnen gegebenenfalls auch eine Zukunft hier bei uns zu geben.

(Beifall SSW, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir hörten aber vom Teufelskreis des Flüchtlingsschicksals, in dem vor allem die Kinder und Jugendlichen regelrecht stranden: immer wieder von einem Land ins andere und nach der Ausweisung dann wieder zurück. Jedes Mal wird die Schulbildung im Heimatland unterbrochen, und nach der Rückkehr hat dann ein Kind oder ein Jugendlicher den Stoff des vergangenen halben Jahres verpasst. Dies wiederum, meine Damen und Herren, erhöht die Perspektivlosigkeit in der Heimat, was dazu führt, dass man im nächsten Winter aus der schieren Not heraus wieder weiterzieht.

Dieses Beispiel zeigt, dass auch etwas in den Ursprungsländern getan werden muss. Hierbei ist insbesondere auch die Europäischen Union für ihre ostdeutschen Mitgliedsländer verantwortlich.

(Beifall SSW und vereinzelt SPD)

Die Vorstellung eines Europas mit starken Regionen wird derzeit kräftig auf die Probe gestellt, wenn einige Regionen so schwach entwickelt sind, wie es in den osteuropäischen Mitgliedstaaten der Fall ist. Die Elendsquartiere, die wir sahen, haben nun wirklich nichts mit dem Rest Europas zu tun. Man fühlt sich eher wie in einem Entwicklungsland der Dritten Welt.

Ich denke, das haben wir alle auf der Reise gespürt: Brüssel ist politisch unglaublich weit entfernt. Darum sollte die Europäische Union ihre politischen Prioritäten überdenken. Allerdings wird auch klar, dass das kleine Schleswig-Holstein angesichts der riesigen Probleme die soziale Situation auf dem Balkan nicht allein verbessern kann. Vielleicht lassen sich durch uns aber Projekte in den Ursprungsländern unterstützen. „Schüler Helfen Leben“ hat gezeigt, dass das Engagement vor Ort durchaus Früchte tragen kann. Das sind kleine, aber feine Projekte. Ich glaube, solche Projekte, die hier aus Schleswig-Holstein kommen, sind es wert, von uns unterstützt zu werden.

(Beifall SSW und vereinzelt SPD)

(Lars Harms)

Anknüpfend an das, was ich bereits am Anfang sagte, sollten wir uns davor hüten, dieses Politikfeld ausschließlich abstrakt zu betrachten. Integration erfordert nicht nur politische Maßnahmen, sondern auch zivilgesellschaftliche Veränderungen. Manches Boulevardblatt haut - im übertragenen Sinne ordentlich auf die Flüchtlinge drauf und hütet sich dabei, Einzelschicksale zu schildern. Die Flüchtlinge sollen ganz bewusst entmenschlicht werden.

Wir sollten da gegensteuern. Es kommen eben nicht Flüchtlinge, sondern diese Menschen haben eine Geschichte, haben Vorlieben, haben Interessen und Talente. Dort müssen wir sie abholen: als neues Mitglied im Chor oder im Fußballverein.

Der SSW hat die dezentrale Unterbringung der Flüchtlinge immer wieder propagiert, weil die Vorteile auf der Hand liegen. Wichtig ist aber hierbei auch, dass man auch offen dafür ist, dass die Menschen möglicherweise dauerhaft hier bleiben werden. Deshalb brauchen Menschen Sprachkurse und den dauerhaften Kontakt zu ihrer näheren Umgebung. Nur so erreichen wir echte Integration vom ersten Tag an. Wir können keinen Unterschied machen und sagen: Wir schauen einfach einmal, ob sie irgendwann einen Aufenthaltsstatus kriegen.

Unsere Aufgabe und unsere Verpflichtung ist es, dafür zu sorgen, dass diese Leute so schnell wie möglich in die Gesellschaft integriert werden. Wenn sie die Möglichkeit haben und durch diese Integrationsmaßnahmen eine Arbeit finden, sollten wir ihnen diese Chance eröffnen.

Das wäre eine nachhaltige Politik. Genau diese Politik wollen wir betreiben. Wir sind damit auf dem richtigen Weg.

(Beifall SSW, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Beratung. Ich stelle zunächst fest, dass der Berichtsantrag Drucksache 18/1282 durch die Berichterstattung der Landesregierung seine Erledigung gefunden hat. Es wurde kein Antrag gestellt. Der Tagesordnungspunkt ist damit erledigt.

Ich rufe nun Tagesordnungspunkt 54 auf:

Herausforderungen der Sparkassen

Bericht der Landesregierung Drucksache 18/1215

Ich erteile das Wort dem Innenminister Andreas Breitner.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Landtag hat in seiner 14. Tagung den Berichtsantrag der FDP-Fraktion angenommen und die Landesregierung gebeten, einen Bericht zu den Herausforderungen der Sparkassen vorzulegen. Die Landesregierung wurde aufgefordert,

„schriftlich darzulegen, mit welchen konkreten Maßnahmen und in welcher jeweiligen Höhe die Landesregierung plant, die sich abzeichnende Eigenkapitallücke bei den schleswig-holsteinischen Sparkassen zu schließen, die sich durch die erhöhten Anforderungen der CRD-IV-Richtlinie (Basel III), die erhöhten Abschreibungen aus den Beteiligungen bei der HSH-Nordbank und der Landesbank Berlin sowie Zusatzbelastungen aus einer verschärften Einlagensicherung ergeben.“

Der Bericht liegt vor. Ich werde einige wichtige Punkte hervorheben. Zunächst möchte ich klarstellen, dass die Landesregierung es nicht als Aufgabe des Landes ansieht, sich direkt an Sparkassen zu beteiligen oder ihnen in anderer Form Kapital zuzuführen. Daher wird im Bericht auf diesen Teil des Auftrags nicht weiter eingegangen.