Protokoll der Sitzung vom 12.12.2013

- Hat sich jemand enthalten? - Vielen Dank für den sachkundigen Hinweis. Da ich gesehen habe, dass sich niemand enthalten hat, habe ich auch nicht danach gefragt.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 18 auf:

Landesweiter Schulentwicklungsplan

Antrag der Fraktion der PIRATEN Drucksache 18/1349

Wird das Wort zur Begründung gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Ich eröffne die Aussprache. Das Wort für die Fraktion der PIRATEN hat der Abgeordnete Sven Krumbeck.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ein deutsches Sprichwort sagt: Erst wissen, dann wägen, dann wagen. - Auf die Schulpolitik in diesem Land übertragen könnte das heißen: Verschaffe dir erst einen vernünftigen Überblick, wäge dann das Gewünschte mit dem Möglichen ab, und entscheide dann das Richtige.

Ich glaube, dass so ein Vorgehen dann besonders wichtig ist, wenn man etwas Neues will, wenn man Veränderungen herbeiführen möchte. Diese Lan

desregierung ist angetreten, um bildungspolitisch etwas Neues zu wagen. Sie wollen das umsetzen, was Sie für richtig halten. Das nennt man politisches Handeln. Das darf man machen.

Man darf das aber nicht machen, ohne die Grundlagen zu kennen. Wer einfach einmal etwas ändert oder sich darauf verlässt, ohne die Grundlagen zu kennen, der kommt schnell in Notlagen. Er kann dann nicht mehr erklären, wie die Dinge laufen sollen und können, wie das Erwünschte wirklich realisiert werden kann. Das ist misslich und wird politisch schnell unbequem.

Diese Landesregierung und die sie tragenden Fraktionen sind in so einer misslichen Lage. Viel zu oft konnte und kann sie Kleine Anfragen nicht vollständig beantworten. Gefragt nach der strategischen Personalplanung der Regierung, antwortet mir diese im Rahmen einer Kleinen Anfrage: Wir haben eine. - Mehr nicht. So eine Aussage fördert kaum das Zutrauen in das Ministerium. Entweder will man nicht antworten - was von ungeheurer Arroganz zeugen würde -, oder aber man kann nicht antworten.

(Birgit Herdejürgen [SPD]: Oder die Frage war falsch gestellt! - Heiterkeit)

- Leider sind nicht nur unsere Anfragen so beantwortet worden.

Gleiches gilt für unsere Große Anfrage zur Lehrerbedarfsplanung. Auch da zeigt sich das erschreckende Ausmaß des Nichtwissens dieser Regierung. Schon in der ersten Runde der Anhörung zum Vorschaltgesetz haben verschiedene Anzuhörende unterstrichen, dass die Schulentwicklungspläne, die in den Kreisen erstellt werden, in Teilen veraltet sind. Vor allem aber sind sie nicht synchronisiert.

Das heißt, es werden schon einmal Schülerinnen und Schüler doppelt gezählt, weil sie theoretisch in zwei Kreisen beschult werden können. Bei genauerem Hinsehen stellt man schon einmal fest, dass zwei Klassen an einem Standort fehlen. So etwas kann passieren, sollte es aber nicht, vor allem nicht in Zeiten, in denen die Existenz einer Schule in erheblichem Maße davon abhängt, wie stark die Schülerzahlen zurückgehen.

Wir haben da landesweit keinen Überblick. In den Gesprächen mit Lehrerverbänden, die wir PIRATEN wie alle anderen Fraktionen auch geführt haben, wurden wir darin bestätigt, dass diese landesweit planerisch relevanten Daten fehlen. Wir müssen diese Daten aber haben, wenn wir über die Konkurrenz zwischen beruflichen Gymnasien und

(Präsident Klaus Schlie)

den neu zu gründenden Oberstufen an den Gemeinschaftsschulen sprechen. Wir müssen sie haben, wenn wir von kleinen Grundschulen kreative Lösungen zum Erhalt der Schulstandorte fordern, gleichzeitig aber auch wissen, dass sich der Schülerrückgang an den Schulen durchaus auch regional sehr unterschiedlich darstellt.

In der letzten Runde zur Schulgesetzanhörung habe ich die Frage nach einem landesweiten Schulentwicklungsplan ausdrücklich gestellt, und mir wurde gesagt, dass dies tatsächlich ein gutes Instrument für die landesweite Planung sein kann, wenn man es richtig macht. Der Kollege Habersaat war ja auch schon in diese Richtung unterwegs, sah aber im Rahmen dieser Anhörung einen Widerspruch zur autonomen Schule. Diesen Zweifel möchte ich entkräften. Denn der Schulentwicklungsplan soll nicht vorschreiben, wo wie was zu geschehen hat, sondern er soll die solide Datenbasis für Entscheidungen sein. Er soll das gegenwärtige und auch das zukünftige Schulangebot abbilden, und zwar gegliedert nach Schulformen, Schulgrößen und Standorten. Dabei sollen auch Schulraumbestand und Auslastung berücksichtigt werden. Das Schüleraufkommen spielt eine Rolle, wobei hier die unterschiedlichen Profile, zum Beispiel von Förderzentren oder Berufskollegs, ausdrücklich beachtet werden. Der Schulentwicklungsplan soll außerdem Maßnahmen beschreiben, die aufgrund der Bestandsaufnahme und der Ermittlung der Schülerzahlen durchzuführen sind. Das könnten Schulerweiterungen ebenso sein wie Neubauten, Schließungen oder Kooperationen, aber auch alternative Beschulungskonzepte wie zum Beispiel die kleinen Grundschulen, die wir im Zuge einer Experimentierklausel fordern.

Es gibt also kein Top-down-Prinzip, sondern ein solide gestaltetes Miteinander, wobei die Daten, die von den Kreisen zu ermitteln und zu melden sind, vereinheitlicht werden müssen, sodass immer alle auf einem nahezu gleichen Wissensstand sind.

Der Schulentwicklungsplan birgt aus so mancher Perspektive Risiken. Vielleicht kommen wir schneller als gewünscht zu der Erkenntnis, dass mehr Schulen geschlossen werden müssen, als uns lieb ist. Es kann aber auch sein, dass wir hinnehmen müssen, dass so manche ambitionierte Gemeinschaftsschule noch keine Oberstufe erhalten kann, weil das Angebot an den beruflichen Gymnasien der Region ausreichend ist. Vielleicht kommen wir aber auch zu dem Schluss, dass wir noch viel mehr Oberstufen an Gemeinschaftsschulen brauchen, was ich persönlich gut finden würde.

Was auch immer ein landesweiter, ehrlicher Schulentwicklungsplan uns offenbaren kann, er muss und soll dem Ziel dienen, das richtige Schulangebot zum richtigen Zeitpunkt am bestimmten Ort vorzuhalten.

Dabei haben wir als Bildungspolitiker Ansprüche. Qualifiziert soll das Bildungsangebot sein, nachfrageorientiert und sowohl ökonomisch als auch demografisch vertretbar. Wir wollen, dass auch in der Fläche ein solches Angebot vorgehalten wird, und wir müssen das auch wollen, weil sonst jede Aussage zum hohen Stellenwert der Bildung in unserer Gesellschaft nicht mehr als ein Lippenbekenntnis ist.

Da mag es manchem genügen, mit einer knappen Mehrheit seine Wünsche durchzusetzen. Aber ich bin ganz ehrlich: Lieber verzichte ich darauf, meine persönliche Wunschliste auszuweiten, als immer wieder an der Wirklichkeit zu scheitern. Wenn die Schulwirklichkeit bedeutet: Die Kohle ist knapp, die Schülerzahlen sinken in Teilen dramatisch, Orte drohen ihren Schulstandort und damit einen wesentlichen Teil ihrer infrastrukturellen Attraktivität zu verlieren, dann müssen wir Kräfte bündeln und nicht gegeneinander aufhetzen. Da müssen wir zusammenführen, statt zu trennen. Das geht am besten auf der Grundlage einer ehrlichen Bestandsaufnahme, an der Handlungsstrategien abgearbeitet werden können. - Vielen Dank.

(Beifall PIRATEN)

So kurz vor Weihnachten sind wir sehr großzügig. Für die CDU-Fraktion hat Heike Franzen das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ein landesweiter Schulentwicklungsplan, glaube ich, klingt in den Ohren zunächst einmal klasse. Jeder sagt: „Prima!“ Wer die Diskussion vor Ort um kleine Schulstandorte kennt oder auch den Konkurrenzkampf, den wir zwischen dem einen oder anderen Schulträger haben, weiß ganz genau, wie schwierig das vor Ort ist und wie schön es wäre, wenn man das alles auf Landesebene abladen könnte: Lasst die das mal machen.

Ich glaube aber, dass wir schauen müssen, wie wir mit einer solchen Schulentwicklungsplanung umgehen. Der Streit, den wir vor Ort im Augenblick bei den Schulträgern haben, wird ja durch die aktuelle

(Sven Krumbeck)

Schulgesetzdebatte auch noch einmal angefeuert. Da geht es darum: Wer kriegt eine Oberstufe? Wer kriegt mehr Schülerinnen und Schüler mit seiner Attraktivität in seine Schule? Ich glaube, da sollten wir schon einmal genauer hinschauen. Ehrlicherweise muss man auch sagen: Bei den Debatten, die wir im Augenblick vor Ort haben, sind oftmals die finanzschwachen Kommunen diejenigen, die das Nachsehen haben.

Das heißt also: Die Debatte darüber, wie Schulentwicklungsplanung in unserem Land erfolgt, lohnt sich. Deswegen finde ich es durchaus lohnenswert, dass wir uns mit dem Antrag der PIRATEN auseinandersetzen.

Ich finde nur, Herr Krumbeck, Sie als PIRATEN machen es sich ein bisschen zu leicht. Sie sagen, Sie wollen landesweite Schulentwicklungsplanung, Sie sagen aber nicht, welche Eckwerte diese denn enthalten soll, sondern sagen: Landesregierung, mach mal.

Ich würde vorschlagen, dass wir uns gemeinsam einmal darüber unterhalten: Was wollen wir denn mit einer landesweiten Schulentwicklungsplanung tatsächlich erreichen? Da gibt es ja diverse Fragen, die wir uns stellen können. Was ist mit der demografischen Entwicklung, die wir im Land haben? Wie stellen wir flächendeckend sicher, dass alle Schülerinnen und Schüler zu den entsprechenden Bildungsabschlüssen Zugang haben und nicht ewig und drei Tage mit dem Bus unterwegs sind? Wie erhalten wir kleine Schulstandorte vor Ort, insbesondere im Grundschulbereich?

Im Augenblick haben wir durchaus Instrumente der Schulentwicklungsplanung. Die Schulträger selber machen Schulentwicklungsplanung für sich im Kleinen. Dann haben wir die Kreise. Die Problematik mit den Schulentwicklungsplänen auf Kreisebene haben Sie angesprochen. Manche sind ganz neu, Kreis Schleswig-Flensburg zum Beispiel; die haben das gerade gemacht. Aber einige sind auch nicht mehr so furchtbar neu. In der Tat ist es so, dass diese nicht immer zusammenpassen. Da ist es eine gute Frage: Wie kann man dies miteinander in Einklang bringen?

Aber auch das Land hat ja durchaus Instrumente der Schulentwicklungsplanung. Das ist das Schulgesetz, das Rahmenbedingungen vorgibt, wie Schulen tatsächlich aussehen sollen. Das ist unter anderem die Frage der Mindestgrößenverordnung, die ein ganz klares Mittel der Schulentwicklungsplanung ist. Und das sind die Empfehlungen des

Landesentwicklungsplans. Da haben wir durchaus Instrumente, die wir nutzen können.

Deswegen bedarf es auch der politischen Klärung: Was soll denn dieser Landesentwicklungsplan tatsächlich bewirken? Soll er eingreifen in die kommunalen Selbstbestimmungsmöglichkeiten, oder soll er die Dezentralisierung vorantreiben? Das muss man sicherlich miteinander abwägen. Die Frage von Qualität und Quantität muss man absichern. Man muss fragen: Wie können wir eine entsprechende Quantität mit Qualität unterlegen? Welche Ressourcen sind dafür notwendig? Dafür brauchen wir die Datenerhebung, von der Sie gesprochen haben. Ich würde mir wünschen, dass nach der Großen Anfrage der PIRATEN die Landesregierung das Signal verstanden hat, dass hier mehr getan werden muss, um diese Daten zu haben, damit auch Planungssicherheit entstehen kann. Die Frage ist: Wer bekommt welche Kompetenzen zugeordnet? Das muss man sich auch überlegen. Bleiben die Kompetenzen bei den Kommunen? Müssen mehr Kompetenzen aufs Land verlagert werden?

Und insgesamt die Frage: Wie gehen wir eigentlich mit den Investitionen in den Schulen um, insbesondere bei den Schulträgern, die bereit sind, kreative Lösungen vor Ort zu finden, und auch bereit sind, eigene Mittel einzusetzen, um ihre Schulstandorte zu sichern?

Ich glaube, diese Fragen sollten wir politisch klären und damit letztendlich einen Auftrag an die Landesregierung geben. Deswegen schlage ich vor, Ihren Antrag im Bildungsausschuss zu beraten, vielleicht auch gemeinsam mit Schulträgern. Das würde ich für sehr sinnvoll erachten, denn das sind diejenigen, die davon in erheblichem Maße betroffen wären. Und dann sollten wir schauen: Wie können wir Schulentwicklungsplanung in Schleswig-Holstein weiter vorantreiben?

(Beifall CDU und FDP)

Liebe PIRATEN, seien Sie mir nicht böse, aber ich denke, wir sollten erst wissen, wo die Reise hingeht, bevor wir in den Zug einsteigen.

(Beifall CDU, FDP, PIRATEN und SSW)

Das Wort für die SPD-Fraktion hat der Abgeordnete Martin Habersaat.

(Heike Franzen)

Herr Präsident! Liebe Kollegen von den PIRATEN! Sie werfen uns vor, wir würden unsere Bildungspolitik ausschließlich an persönlichen Wunschlisten ausrichten. Das ist falsch.

(Beifall Anke Erdmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Ich werfe Ihnen vor, Sie stellen solche Anträge wie heute ausschließlich deshalb, weil Ihnen jede kommunalpolitische Basis fehlt. Das ist richtig.

(Beifall SPD)

Ich möchte einsteigen mit einem Zitat aus „Der Westen“ vom 12. März 2013:

„Das Tolle an ‚SimCity’: Es bedarf keiner großen Einarbeitung, um ein kleines ansehnliches Städtchen in eine Landschaft nach Wahl zu zimmern. Die meisten Bedienelemente erklären sich von selbst. Möchte man jedoch nachhaltig Erfolg haben, wird’s kompliziert.“

Sogar bei SimCity. Dabei wäre es doch so toll: Die Bevölkerung gleichmäßig auf Planquadrate verteilt, Schulbauten als normierte Klötzchen, beliebig erweiterbar oder wegnehmbar. Nur wenn das so wäre, erklärten sich überhaupt Antrag und Fristen, die Sie damit verbinden. Für die CDU vielleicht der Einfachheit halber dann auch noch, weil es ja mit den Indianern und den Häuptlingen immer so sein soll, wie Sie es gerne hätten: Grundschulen hier, 30% aller Grundschüler kommen aufs Gymnasium, 20 % dürfen Abitur machen. Alles planbar! Aber so ist es eben nicht.

Wir haben sehr unterschiedliche demografische Entwicklungen in unterschiedlichen Teilen unseres Landes. Wir haben Schülerinnen und Schüler und Eltern, die freie Entscheidungen über ihr Leben treffen dürfen. Wir haben Schulträger, die eigene Interessen verfolgen, die eigene Interessen übrigens auch dann verfolgen, wenn eigentlich ein Plan vorhanden wäre.