Protokoll der Sitzung vom 22.01.2014

(Beifall Dr. Patrick Breyer [PIRATEN])

Herr Innenminister, ich bestreite nicht, dass der Digitalfunk dem Analogfunk in jeder Hinsicht überlegen ist. Das war ja der Grund dafür, dass er eingeführt werden sollte. Aber zu erklären, seit 2010 gebe es keine technische Weiterentwicklung, das sei in der heutigen Zeit das Nonplusultra - ich empfehle Ihnen wirklich, einmal in die Vereinigten Staaten zu reisen, nach Los Angeles, und dort ein Polizeirevier zu besuchen, um zu sehen, wie die dortigen Polizeibeamten - übrigens abhörsicher - miteinander kommunizieren, welche Datenübertragungen dort möglich sind, mit Bildern, in Echtzeit und allem Möglichen. Da wundert es mich überhaupt nicht mehr, dass uns die Amerikaner nicht ernst nehmen, wenn sie zu uns kommen und feststellen, mit welchen technischen Mitteln wir heute arbeiten in Anbetracht der Möglichkeiten, die es heute gibt.

(Beifall FDP und CDU)

Noch einmal: Ich kann mir nicht vorstellen, dass die Abhörsicherheit der Telefone der Mitglieder der Bundesregierung etwas mit dem Aufbau eines eigenen Netzes zu tun hat. Das ist eine Frage der Verschlüsselungssoftware, die wir heute nutzen müssen, um mit dem normalen Handy völlig problemlos in öffentlichen Netzen unterwegs sein zu können, mit einer Abhörsicherheit, die der des Digitalfunks mit Sicherheit entspricht.

Herr Innenminister, ich möchte mich für Ihren Bericht bedanken. Eindrucksvoll und schonungslos so sagen Sie selbst - listen Sie auf 13 Seiten auf, dass es neben dem Zwangsoptimismus aufgrund eines sehr langwierigen und in Teilbereichen miserablen Projektverlaufs eine Vielzahl von Problemen gibt, die im Zusammenhang mit der Einführung des Digitalfunks und dem Probebetrieb in SchleswigHolstein auftreten. Ich bin Ihnen deshalb besonders dankbar, weil ich bis zum 5. März, dem Aschermittwoch, eine Reihe von Karnevalsveranstaltungen besuchen muss und dann aus dem Bericht teilweise wörtlich zitieren kann. Ich bin mir sicher das ist nicht Satire, das ist echt, was wir da beschreiben -, dass ich damit Begeisterungsstürme auslösen werde. Ich will das an einigen Beispielen deutlich machen, die wirklich gut sind. Erstens: „Unterbrechungen von Funkverbindungen durch Starkregen“. Zweitens: „In vielen Fällen noch keine Inhouse-Versorgung“. Drittens: „Eine allgemein schlechte Sprachqualität wird bemängelt“.

Zusammengefasst bedeutet dies: Die Polizisten sollten möglichst nicht bei Regen arbeiten und keine Häuser betreten. Dafür können die Beamten sich dann wenigstens an sonnigen Tagen an der frischen Luft gegenseitig schlecht verstehen.

(Unruhe)

Herr Innenminister, wir müssen uns eigentlich im Klaren darüber sein - ja, das ist für Sie zum Lachen, aber für die betroffenen Beamten ist das nicht mehr zum Lachen -, dass, wenn eine einwandfreie Funkübertragung innerhalb von Gebäuden und in dicht bebauten Stadtgebieten nicht sichergestellt ist, und zwar in jedem Fall, jeder einzelne Polizist, der sich in den im Bericht genannten Einsatzbereichen aufhält, unnötigen Gefahren ausgesetzt ist. Bestenfalls ist nur die Sprachqualität zur Leitstelle miserabel, aber was passiert, wenn der Beamte schlicht niemanden erreichen kann, um zusätzliche Unterstützung anzufordern? So geschehen im Oktober letzten Jahres in Lübeck, als zwei Polizeibeamte im Einsatz verletzt wurden, weil sie bei der Verfolgung eines verdächtigen Gewalttäters vergeblich um Hilfe gefunkt haben. Ihr Ruf hat nicht die Leit

stelle, sondern einen Streifenwagen auf Fehmarn erreicht.

Herr Minister, daher bin ich froh darüber, dass sich das Thema um den Digitalfunk in Schleswig-Holstein einer derartigen Beliebtheit bei der schreibenden Zunft erfreut, weil dies den Druck erhöht, die Probleme wirklich anzugehen. Die Kritik an der Berichterstattung kann ich insofern schwer nachvollziehen, als es sich hier um berechtigte Einwände im Zusammenhang mit der Sicherheit der vielen Beamtinnen und Beamten während ihrer Einsätze handelt. Sie haben dazu auf Ihrer Facebook-Seite geschrieben, was ich zitieren darf:

„Heute Morgen die übliche Berichterstattung über den Digitalfunk. Kommt alle acht Wochen in gleicher Form ohne neue Inhalte.“

Die Inhalte sind die gleichen, weil die Probleme beim Digitalfunk nach wie vor die gleichen sind. Diese sind von Ihnen, aber auch von Ihren Vorgängern, wie zum Beispiel Ralf Stegner, der mehrere Jahre lang Innenminister in Schleswig-Holstein war, nicht gelöst worden. Nach sieben Jahren und rund 70 Millionen € haben wir in Schleswig-Holstein einen operativen Probebetrieb, der einige Regionalleitstellen und deren Beamte schier verzweifeln lässt. Herr Innenminister, wenn Sie hier nicht mehr zu bieten haben als die Kritik an der Berichterstattung, dann ist das wenig.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, nachdem der Digitalfunk 2006 ursprünglich flächendeckend einsatzfähig sein sollte, nennt uns der Bericht aus dem Innenministerium nun eine neue Zielmarke. Ich zitiere:

„Nach aktueller Planung ist die Umstellung auf den Echt- beziehungsweise Wirkbetrieb für Ende des Jahres 2014 vorgesehen, ohne dass heute schon ein konkretes Datum benannt werden kann.“

Der 31. Dezember 2014, also Ende des Jahres 2014, wäre ein konkretes Datum, Herr Innenminister. Sie schreiben dazu ebenfalls auf Ihrer Facebook-Seite:

„Alle Defizite werden bis Ende des Jahres bearbeitet.“

Bearbeitet heißt nach meinem Sprachverständnis nicht abgebaut oder bewältigt. Sie werden einfach nur bearbeitet. Es mag sein, dass dies im Innenministerium das Gleiche bedeutet.

Herr Breitner, als Innenminister müssen Sie sich endlich für tragfähige Lösungen für alle Regionen des Landes einsetzen, und Sie müssen sie uns prä

sentieren. Der Digitalfunk ist eine besonders große Baustelle in Schleswig-Holstein. Diese muss schnellstmöglich angegangen werden. Die positive Grundeinstellung zu diesem Projekt ist beinahe bewundernswert, doch es ist an der Zeit, dass Sie sich eingestehen, dass die zunehmende Belastung der Beamtinnen und Beamten in den Leitstellen primär auf den Projektverlauf und den in einigen Teilen des Landes desaströs verlaufenden Probebetrieb zurückzuführen ist. Es wäre demnach ein gutes und wichtiges Signal für die Beamtinnen und Beamten, dass Sie ihre Sorgen teilen und die Probleme ernst nehmen. Die Beamten dürfen erwarten, dass im Zusammenhang mit dem Thema Digitalfunk mehr als nur öffentlichkeitswirksame Pressetermine vereinbart werden.

Herr Innenminister, wir werden im Ausschuss dezidiert darüber diskutieren müssen, was ich heute Morgen als Stellungnahme eines nicht unbedeutenden Menschen in diesem Bereich von der Universität Kiel habe lesen dürfen. Professor Höher hat Folgendes erklärt, und ich darf zitieren:

„’Selbst mit dem ursprünglichen Ziel, den digitalen Polizeifunk 2006 einführen zu wollen, hätte man in den 1990er-Jahren ausreichend Zeit gehabt, eine zuverlässige Funknetzplanung aufzustellen.’ Versorgungsprobleme wie nun in Teilen der Kieler Bergstraße oder der Lübecker Altstadt wären vermeidbar gewesen. ‚Es ist, wie sich jetzt bestätigt, mit zu wenig Basis-Stationen kalkuliert worden.’“

Viel interessanter aber ist die Frage, die er aufgeworfen und als Kernproblem bezeichnet hat. Ich darf wiederum zitieren:

„Kernproblem aber sei, dass der digitale Behördenfunk schon heute ‚ein Auslaufmodell’ sei. Die Technik basiere auf dem sogenannten TETRA-Standard von 1995, dessen technische Weiterentwicklung 2010 abgebrochen worden sei.“

Ich kann mir, ähnlich wie bei der Protonentherapie, deren Weiterentwicklung die Firma Siemens ebenfalls eingestellt hat, schwer vorstellen, dass die Einführung des Digitalfunks auf einem Standard, dessen Weiterentwicklung im Jahr 2010 eingestellt worden ist, wirklich ein zukunftsweisendes Modell für unsere Polizei in Schleswig-Holstein sein kann. Darüber werden wir in der Sache im Ausschuss fachlich vertieft diskutieren müssen, denn das Schlimmste, was uns passieren kann, ist, mit veral

(Wolfgang Kubicki)

teter Technik moderne Kriminalität bekämpfen zu wollen. - Herzlichen Dank.

(Beifall FDP)

Vielen Dank. - Nun hat Herr Abgeordneter Wolfgang Dudda von der Fraktion der PIRATEN das Wort.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Eingangs möchte ich feststellen, dass der Kollege Garg selbstverständlich recht hat, wenn er von einer hochnotpeinlichen Geschichte des Digitalfunks spricht. Das kann man sehr wohl ansprechen. Es ist eine hochnotpeinliche Geschichte, wenn eine Industrienation wie unsere nach 20 Jahren nicht in der Lage ist, etwas so Simples zu etablieren.

(Vereinzelter Beifall PIRATEN, CDU und FDP)

Ich adressiere dies ausdrücklich nicht an die Landesregierung, nicht an den Innenminister und nicht an die sich darum bemühenden Polizisten hier im Land. Es ist ausnahmsweise einmal ein schlechtes Zeugnis für unseren Föderalismus, denn auch der Bund hat sich bei diesem Thema nicht mit Ruhm bekleckert. Das ist ein extrem schlechtes Produkt. Provokant möchte ich Folgendes sagen: Wenn das unsere Visitenkarte für Exportmärkte wäre, dann wären wir auf dem Niveau von Nord-Korea.

Man muss aber sehen, dass das Bemühen der Polizisten, dieses System vor Ort zu etablieren, vernünftig zu bedienen und zu entwickeln, etwas anderes ist als das, was Sie, Herr Innenminister, am 19. Dezember 2013 hier im Haus gemacht haben. Ich möchte Sie dafür in Anspruch nehmen, dass Sie einen Erwartungshorizont geweckt haben, der nicht zu halten war. Sie haben hier am 19. Dezember 2013 mit dem Start des Digitalfunks Folgendes gesagt: Nach Jahren der Planung und der konkreten Vorbereitung, aber auch nach Rückschlägen und neuen Anläufen ist das digitale Funknetz in Schleswig-Holstein jetzt fertig und in Funktion. Das war ein bisschen zu kühn. Jeder weiß, dass das System erst in den Probebetrieb gehen musste.

(Vereinzelter Beifall PIRATEN)

Solche Erwartungen zu wecken ist damit vergleichbar, der Polizei Disneyland zu versprechen und ein Kettenkarussell abzuliefern.

(Vereinzelter Beifall PIRATEN und Beifall Johannes Callsen [CDU])

Es geht nicht um die Fähigkeit, es geht nicht um das Skandalisieren. Es geht einfach darum, dass wir sachlich aufarbeiten, wie es dazu kommen kann, dass Sie seit Ende Dezember im letzten Jahr eine solche Fallhöhe erleben. Diese kommt daher, dass Sie etwas ankündigen und versprechen und dabei sehr vollmundig sind und in Ihrem Bericht offensichtlich nichts dazulernen, denn Sie beenden Ihren Bericht mit dem Satz: Niemand bei der Polizei will den Digitalfunk zurück. Der Kollege Kubicki hat es ausgeführt, was auch ich Ihnen bestätigen kann: Die Meinungen gehen durchaus auseinander, wenn Sie in der Bergstraße fünf Meter Abstand zu Ihrem Kollegen haben müssen, um Hilfe zu rufen. Dann wünschen Sie sich den analogen Funk zurück. Das muss man ganz klar feststellen.

(Vereinzelter Beifall PIRATEN und FDP - Klaus Schlie [CDU]: Das geht trotzdem nicht, daher ist das falsch!)

Im Zusammenhang mit den planerischen Fehlern, die es in diesem Haus auch geben kann, habe ich mich über den Beitrag der Kollegin Nicolaisen gefreut. Mit diesem Thema können wir uns auf der Basis des Gutachtens des Landesrechnungshofs beschäftigen. Das gilt für den Fall, dass hier vor Ort etwas falsch gelaufen oder aus dem Ruder gelaufen ist. Wir könnten so feststellen, was hier möglicherweise auch an Geldmitteln falsch auf den Weg gebracht wurde.

(Beifall Dr. Patrick Breyer [PIRATEN])

Ich will es ganz kurz machen, denn das Meiste wurde schon von den Kollegen gesagt: Wir brauchen einen Innenminister, der sich um die Basics der Polizei kümmert, also um das Einfache, das wirklich gebraucht wird. Wir brauchen keinen Innenminister, der sich selbst gut vermarktet. So könnten wir vielleicht in der nächsten Debatte über einen Digitalfunk sprechen, der aus den Kinderschuhen heraus ist. - Vielen Dank.

(Beifall PIRATEN und Wolfgang Kubicki [FDP])

Für die Abgeordneten des SSW erteile ich Herrn Abgeordneten Lars Harms das Wort.

(Wolfgang Kubicki)

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die analogen Funknetze basieren auf einer uralten Technik, die zuletzt im Rahmen des Schengen-Abkommens modernisiert wurde. Das Analogfunksystem ist nicht nur veraltet, sondern auch störanfällig. Hersteller rüsten deshalb um. Produktion und Weiterentwicklung finden beim Analogfunk quasi nicht mehr statt. Daher wird es zunehmend schwieriger, das Analogsystem überhaupt noch instandhalten zu können. Das Analogsystem ist ein echtes Auslaufmodell.

(Beifall Klaus Schlie [CDU])

Es hat viele Jahre gedauert, aber jetzt endlich steht das digitale Funknetz. Nach dem Saarland und Mecklenburg-Vorpommern ist Schleswig-Holstein das dritte Flächenbundesland, das ein Digitalfunknetz auf die Beine gestellt hat. Zusammen mit Hamburg, Bremen und dem nördlichen Teil von Niedersachsen ist der Norden insgesamt gut abgedeckt. Andere werden von unseren Erfahrungen lernen, den guten wie auch den weniger guten.

Die Vorteile des Digitalfunks sind nicht von der Hand zu weisen. Der Digitalfunk ermöglicht fortan, dass die Teilnehmerzahl eines Funkgesprächs begrenzt werden kann. Zudem können verschiedene Teilnehmergruppen, falls nötig, ein gemeinsames Funkgespräch aufnehmen. Von einem digitalen Funkgerät kann man nun auch ein Gespräch im öffentlichen Telefonnetz führen. Des Weiteren sind die Funkkanäle nur dann besetzt, wenn diese auch tatsächlich genutzt werden.

(Beifall Wolfgang Kubicki [FDP])

Auch das ist neu. Und dann wären da noch die Notruftaste, welche automatisch die Verbindung zur Leitstelle herstellen kann, und der GPS-Empfänger, mit dem die geografische Position ermittelt werden kann. All dies ist mit analogen Geräten nicht möglich.

Dass ein solches Mammutprojekt nicht wie aus dem Ei gepellt daherkommt, leuchtet ein. Schließlich handelt es sich um eins der größten technischen Modernisierungsvorhaben. Wir sollten die Probleme also nicht größer machen, als sie sind.

Insgesamt klappt die Arbeit mit dem Digitalfunk gut. Während des Wacken-Open-Air-Festivals sowie auch während der zwei letzten großen Stürme hier im Norden hat sich das System grundsätzlich bewährt. Doch es gibt auch regionale Ausnahmen, welche wir uns sehr genau angucken sollten, damit