Das ist nicht in Ordnung, und gerade bei Ihnen, wo Sie doch die Sozialpolitik so vor sich hertragen, finde ich das ganz schwierig.
Frau Abgeordnete Franzen, gestatten Sie eine Zwischenfrage oder -bemerkung des Herrn Abgeordneten Dr. Garg?
Vielen Dank, Frau Kollegin Franzen. Die Kollegin Bohn hat Alternativen eingefordert. Sie haben gerade eine Alternative genannt. Da wir schon eine Vielzahl von Verbänden in der Pflege haben, was hielten Sie davon, wenn die Sozialministerin federführend diese vielen Verbände an
einen Tisch brächte und ihnen vorschlüge, eine Pflegegenossenschaft zu gründen, bei der man freiwillig und selbst entscheiden kann, ob man bei ihr Mitglied werden will?
Bei der Aufzählung der Punkte, die auch die Kollegin Bohn genannt hat, warum wir eine Pflegekammer bräuchten, ist mir deutlich geworden, warum wir definitiv keine Pflegekammer brauchen. Um Statistiken zu führen, brauchen wir sie ganz bestimmt nicht.
Eine Interessenvertretung wäre aus meiner Sicht wesentlich besser in einem genossenschaftlich organisierten Modell aufgehoben.
Lieber Kollege Garg, das war genau das, was ich gerade angesprochen habe. Es geht darum, sich freiwillig zusammenzusetzen. In der Tat wäre es eine großartige Aktion der Ministerin, wenn sie die Pflegenden und ihre Verbände einmal an einen Tisch bekommen würde. Denn wir wissen, dass auch die Verbände sehr, sehr unterschiedliche Interessen verfolgen. Auch das wird eine Kammer nicht lösen. Denn das hat auch etwas damit zu tun, wo ich pflege: pflege ich in einem Krankenhaus, pflege ich im ambulanten Pflegedienst, pflege ich in einer festen Pflegeeinrichtung. Da gibt es also unterschiedlichste Interessenlagen, die von den Verbänden weitergegeben werden.
Frau Bohn, das Ganze zu einem Statistikverband zu degradieren, um zu gucken, wer in welcher Altersstruktur ist - ich glaube, das kann und darf nicht Aufgabe einer Pflegekammer sein.
Zum einen: Ist Ihnen bekannt, dass durch die Organisation der Ärztekammer auf der Pflegekammerkonferenz berichtet worden ist wir haben in Schleswig-Holstein einen Ärztemangel -, dass es gelungen ist, 100 Ärztinnen und Ärzte ausfindig zu machen, die seit einiger Zeit nicht mehr in Schleswig-Holstein berufstätig sind, aber eventuell ein Interesse daran haben, wieder berufstätig zu werden? Ist Ihnen also bekannt, dass eine Ärztekammer - ich habe auch nicht gehört, dass Sie die abschaffen wollen, aber vielleicht kommt das ja noch - in der Lage ist, dem Fachkräftemangel zu begegnen? Dann müssen Sie mir einmal erklären, warum das bei einer Pflegekammer nicht der Fall sein soll. Das ist das eine.
Und persönlich möchte ich von Ihnen gern noch wissen, was Sie damit meinen, wenn Sie sagen, ich trüge die Sozialpolitik vor mir her. Das finde ich etwas befremdlich.
- Erstens einmal weigere ich mich, die Kammern, die wir im Augenblick haben, mit der Pflegekammer zu vergleichen. Das sind alles Kammern selbstständiger Berufe.
- Doch, doch. Das sind in der Regel Kammern von Selbstständigen, ob es die Industrie- und Handelskammer ist oder ob es die Handwerkskammer ist. In der Ärztekammer sind in erster Linie freischaffende Ärzte organisiert, selbstverständlich.
Das mit einer Kammer zu vergleichen, die ausschließlich - ausschließlich! - für Kräfte zuständig sein soll, die in einem abhängigen Arbeitsverhältnis sind, passt nicht zusammen. Ich weigere mich, das an der Stelle gleichzusetzen.
Es ist ein wirklicher Unterschied, ob ich eine Ärztekammer habe, oder ob es hier wirklich darum geht, in erster Linie abhängige Arbeitnehmer in einem Beruf zu vertreten. Das ist in der Tat Aufgabe der Gewerkschaften im Rahmen der Tarifverhandlungen.
Frau Bohn, das andere nehme ich als rhetorische Replik. Darauf möchte ich an der Stelle nicht antworten.
Nein, ich gestatte jetzt keine Zwischenfrage mehr. Ich will das hier auch nicht unnötig verlängern. Meine Damen und Herren, wenn wir uns für die Pflegenden einsetzen wollen, dann müssen wir genau hinschauen. Das erste ist ja richtig. Wir haben damit angefangen und haben unter Schwarz-Gelb 200 zusätzliche Ausbildungsplätze in der Pflege geschaffen. Das haben Sie weitergeführt, Frau Ministerin. Das finden wir auch richtig. Das erste, das kommen muss, ist, dass die Ausbildung in dem Bereich nicht mehr für diejenigen kostenpflichtig ist, die ausgebildet werden.
Dann müssen wir tatsächlich auch auf die Arbeitsbedingungen gucken. Aber das ist Sache der Tarifpartner, Frau Bohn. Es ist Sache der Gewerkschaften und der Arbeitgeberverbände, hier auszuhandeln, was Inhalt der Arbeit innerhalb der Pflegebetriebe und -einrichtungen sein soll. Deshalb halte ich es für völlig falsch, so etwas auf eine Kammer zu verlagern. Frau Dr. Bohn und Frau Pauls - auch wenn Sie das noch so oft vor sich hertragen -, das ist auch das, was die Mehrheit der Befragten in der Umfrage sagt. Die Mehrheit will keine Pflegekammer mit Zwangsmitgliedsbeiträgen. - Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
(Beifall CDU und FDP - Dr. Marret Bohn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber das stimmt doch nicht, was Sie sagen! - Weitere Zurufe SPD)
Weitere Wortmeldungen sehe ich zunächst nicht. Dann hat jetzt für die Landesregierung die Frau Ministerin für Soziales, Gesundheit, Familie und Gleichstellung, Kristin Alheit, das Wort.
Ganz herzlichen Dank, Herr Präsident! - Meine Damen und Herren, ich bin wirklich die Letzte, die sich nicht über lebhafte Debatten freuen würde. Aber ehrlich gesagt ist es mir gerade ein bisschen zu ideologisch.
„Die Pflegekammer trägt zur gleichberechtigten Interessenvertretung bei. - Die Pflegekammer bündelt Kompetenzen. - Die Pflegekammer sorgt für Qualität. - Die Pflegekammer wertet die Pflege auf. - Die Pflegekammer schafft Transparenz. - Die Pflegekammer ist ein starkes Sprachrohr in der Politik.“
Das sind die als zentralen Argumente bezeichneten Punkte in einem Beschluss der CDU-Landtagsfraktion aus Rheinland-Pfalz.
- Oh, ich habe jetzt auch Brandenburg dabei. Ich will damit nur sagen: Auch wenn es so ist, dass wir gerade keine Pflegekammer haben und wir alle ein bisschen schwimmen - wir bewerten das auch unterschiedlich -, finde ich die Leidenschaft, mit der hier die Diskussion geführt wird, manchmal etwas schwierig.
Ich finde, von Anfang an war klar - und es ist nicht die erste Debatte hier im Haus, die wir zu diesem Thema führen, sondern ich glaube die vierte ganz konkret zur Pflegekammer -, dass nicht alle für die Pflegekammer sein werden, nicht alle hier im Haus, nicht alle diejenigen, die Mitglied der Pflegeberufe sind - darauf komme ich gleich noch einmal zurück - und bei Weitem nicht alle Arbeitgeber. Das ist aber doch der Auslöser für die mediale Debatte, die wir seit gut einer Woche führen. Letzteres - muss ich sagen - wäre auch wirklich überraschend.
Es handelt sich bei einer Kammer doch um eine Einrichtung, bei der es darum geht, die Interessenvertretung der Pflegeberufe zu stärken. Genau diese Stärkung - diejenigen, die am Montag mit dabei waren, haben das miterlebt -, so haben die Vertreterinnen und Vertreter der bestehenden Heilberu
fekammern auf der Pflegekammerkonferenz deutlich gemacht, ist etwas, was zentral wichtig ist und was sich die bestehenden Kammern auch nicht nehmen lassen würden.
In einer pluralistischen Gesellschaft ist es selbstverständlich erlaubt - selbstverständlich auch bei den Arbeitgebern -, dass man eine Stärkung einer bestimmten Gruppe nur bedingt will. Aber ich finde, wir müssen da auch ganz realistisch sein und sagen, es wäre gelinde gesagt ziemlich naiv zu glauben, dass das kein interessengeleitetes Argument wäre, was da vorgetragen wird.
Damit komme ich auf etwas zurück, was in der letzten Woche angesprochen wurde, aber auch gerade von Ihnen, Frau Rathje-Hoffmann, heute hier noch einmal meiner Ansicht nach als aufgewärmte Kritik an unserer repräsentativen Umfrage immer und immer wieder wiederholt wird. Aber dadurch wird es nicht richtiger. Natürlich waren die Befragten vorher darüber informiert, dass damit eine Pflichtmitgliedschaft und auch ein Pflichtbeitrag verbunden sind.