Wenn wir ehrlich miteinander umgehen, Herr Kollege Dr. Stegner - Sie als damaliger Innenminister -, müssen wir uns doch auch fragen: Was ist denn die Rasterfahndung eigentlich anderes als die Beschreibung von Persönlichkeitsmerkmalen, die dazu führen sollen, jemanden als potentiellen Täter zu identifizieren?
- Doch, doch. - Ich sage noch einmal: Wir tun immer so, als seien diese Überlegungen relativ weit weg von uns. Aber in vielfältigen anderen Dingen, die auch heute noch praktiziert werden, findet sich entsprechendes Gedankengut. Deshalb, liebe Kolleginnen und Kollegen, lassen Sie uns wirklich mit Ernst und Systematik an die Reform der verschiedenen Paragrafen herangehen, insbesondere auch der Mordmerkmalskriterien. Frau Ministerin, wer es ernst meint, der darf nicht nur Semantik betreiben, der muss den Begriff der Heimtücke aus dem § 211 StGB sofort eliminieren. - Herzlichen Dank.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordnete! Ich glaube, bei der Debatte über Mord und Totschlag sollte man vorausschicken, dass Deutschland heute mit das sicherste Land der Welt ist, dass es bei uns sehr wenig Mord und Totschlag gibt - auch im internationalen Vergleich - und erfreulicherweise auch deutlich weniger als in den letzten Jahren und Jahrzehnten. Die hohe Aufklärungsquote ist schon genannt worden.
Das vorausgeschickt, will ich sagen, dass die Initiative der Justizministerin durchaus eine richtige Initiative ist. Auch wenn es sich bloß um eine Wortlautbereinigung, um Semantik, handelt, kann ich die Vorgehensweise verstehen, dass man diesen recht unstreitigen Teil abschichtet und die große Diskussion, die eben auch Herr Kubicki gefordert hat, getrennt führen will, weil das eine sehr große und sehr kontroverse Diskussion ist.
In der Tat ist es richtig, was den Wortlaut der Mord- und Totschlagsparagrafen angeht, dass mit den Begriffen Mörder und Totschläger Personen abgestempelt werden sollten. Darin liegt die Vorstellung, dass eine Person sozusagen als Mörder geboren wird, Mörder ist und immer Mörder sein wird. Man will damit quasi verhindern, den Ursachen nachgehen zu müssen, warum eine Person eigentlich eine solche Tat begangen hat.
Umso beschämender ist es, dass ein anderes Mitglied Ihrer Landesregierung, nämlich Innenminister Breitner, in genau diese Kerbe schlägt, wenn er von Kinderschändern im Zusammenhang mit der Vorratsdatenspeicherung spricht. Genau dieser Kampfbegriff findet sich auch hier im Gesetz leider wieder.
Wenngleich die Initiative zu begrüßen ist, geht sie insofern haben die Kolleginnen und Kollegen durchaus recht - an den Hauptproblemen dieser Tatbestände vorbei. Denn eine bloße Wortlautbereinigung beantwortet nicht die eigentlichen Fragen: Macht es Sinn, bestimmte Arten von Tötungen zwangsweise mit einer lebenslänglichen Freiheitsstrafe zu bedrohen, auch wenn es die konkreten Umstände des einzelnen Falles als absolut gar nicht angemessen erscheinen lassen, zum Beispiel weil eine Tat aus Not oder aus Mitleid begangen wird? Selbst die Nazis hielten damals einen minderschweren Fall des Mordes noch für möglich. Gestrichen hat diese Bestimmung eine CDU-geführte Bundesregierung.
weit verbreiteten Umgehungsstrategien bei den Gerichten, bis hin zu einer Verbiegung des Gesetzes, um diese offensichtlich unangemessene Strafe in einigen Fällen nicht verhängen zu müssen. Ich glaube, wir könnten uns die vergleichbaren Paragrafen in Österreich zum Vorbild nehmen, die sehr viel flexibler sind. Selbst das Strafgesetzbuch der DDR hatte in diesem Punkt eine deutlich flexiblere Regelung vorgesehen.
Ist es eigentlich noch zeitgemäß - Sie haben das auch einmal angesprochen, Frau Spoorendonk - lebenslänglich in das Gesetz zu schreiben, obwohl in Wahrheit heute wegen Mordes kaum noch jemand tatsächlich lebenslang in Haft sitzt?
Wollen wir festhalten an emotional und moralisch aufgeladenen Gesinnungsmerkmalen im Mordtatbestand? Warum - der Kollege Kubicki hat es angesprochen - soll eigentlich eine unbemerkte Tötung, zum Beispiel mithilfe von Gift oder im Schlaf, die ja quasi oftmals Mittel eines Schwächeren ist, zwangsweise zu einer lebenslänglichen Strafe führen, nicht aber ein brutaler Frontalangriff, den nur der Stärkere oder Überlegenere einsetzen kann? Ist nicht eigentlich - wenn man das so betrachtet - eine überraschende Tötung im Schlaf für das Opfer weniger belastend? Das ist die Problematik des Heimtückebegriffs.
Um mit den offenen Fragen weiterzumachen: Kann es für eine Tötung eigentlich - wie das Strafgesetzbuch suggeriert - einerseits niedrige Beweggründe geben, andererseits dann offenbar hochstehende oder ehrenhafte Beweggründe? Ich finde diese Unterscheidung unheimlich und unberechenbar.
Muss nicht auch die NS-gefärbte Sprache - das ist auch schon angesprochen worden - anderer Strafnormen außerhalb der Tötungsdelikte überdacht werden?
Meine sehr verehrten Damen und Herren, wenn jetzt der Bundesjustizminister Heiko Maas eine Expertengruppe einsetzen will, die nur das Für und Wider einzelner Mordmerkmale diskutieren soll, muss ich sagen, dass das mutlos und unzureichend ist. Ich befürchte, diese Expertengruppe wird auch sehr intransparent werden. Was wir brauchen, ist eine Entideologisierung des Strafrechts. Wir
brauchen ein rationales und aufgeklärtes Strafrecht. Wir brauchen eine ehrliche Debatte über die beschränkten Möglichkeiten und auch die begrenzten Schutzwirkungen des Strafens, anstatt einem populären Irrglauben an Wegsperren für immer nachzulaufen oder gar Feindbilder wie Kinderschänder zu bedienen.
Und - damit möchte ich schließen - wir dürfen auch nicht den Reformbedarf an anderen Stellen aus den Augen verlieren. Gerade aus unserer Sicht als PIRATEN gibt es viele rechtspolitische Baustellen, zum Beispiel gegen den Abmahnirrsinn vorzugehen und das Urheberrecht endlich den modernen Anforderungen anzupassen sowie
Wir würden uns sehr wünschen, dass dort mindestens genauso viel Energie vonseiten der Justizministerinnen und Justizminister investiert wird wie in diese - wenngleich auch wichtige - Frage. - Besten Dank.
Ich stelle zunächst fest, dass der Berichtsantrag Drucksache 18/1559 durch die Berichterstattung der Landesregierung seine Erledigung gefunden hat. Es ist kein Antrag gestellt worden. Der Tagesordnungspunkt ist damit erledigt.
Erste Lesung des Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Schleswig-Holsteinischen Gesetzes zum Schutz personenbezogener Informationen (Landesdatenschutzgesetz - LDSG)
Gesetzentwurf der Fraktionen von SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der Abgeordneten des SSW Drucksache 18/1558 (neu)
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Koalitionsfraktionen legen heute einen Gesetzentwurf zur Änderung des Landesdatenschutzgesetzes vor. Einziger Änderungspunkt ist die Streichung von zwei Wörtern in § 35 Abs. 1 Satz 2 DSG. Das hört sich zunächst einmal unspektakulär an. Es hat aber bereits im Vorfeld dieser Sitzung die Wogen - besonders in der CDU - mächtig hochschlagen lassen.
Worum geht es? - Der Schleswig-Holsteinische Landtag hat für verschiedene Bereiche Beauftragte gewählt. Für alle gibt es gesetzliche Regelungen, die ihre Aufgaben beschreiben, aber auch die Modalitäten ihrer Wahl. Die Gesetze für die Bürgerbeauftragte, wie die Beauftragte für Menschen mit Behinderung oder die Beauftragte für Flüchtlings-, Asylund Zuwanderungsfragen, enthalten den schlichten Satz:
Diese Unterscheidung beseitigen wir mit dem hier vorliegenden Gesetzentwurf. Danach sind alle Beauftragten grundsätzlich erneut wählbar.
Herr Abgeordneter Eichstädt, gestatten Sie eine Zwischenbemerkung oder -frage des Herrn Abgeordneten Dr. Breyer.
Herr Kollege Eichstädt, mich wundert einfach, dass Sie die verschiedenen Beauftragten, die ja ganz unterschiedliche Funktionen haben, miteinander vergleichen. Macht das für Sie keinen Unterschied, dass der Datenschutzbeauftragte einen gesetzlichen Auftrag hat, dass er Hoheitsrechte wahrnimmt, dass er von EU-Seite vorgegebene Pflichten zur unabhängigen Tätigkeit hat? Ist das nicht eine völlig andere Position als Beauftragte für die sozialen Fragen oder andere Beauftragte, die
Sie genannt haben, die quasi eine beratende und vermittelnde Funktion haben und keine Hoheitsrechte wahrnehmen, die nicht in Unabhängigkeit handeln müssen? Ist das nicht ein grundlegender Unterschied?
Natürlich ist das ein Unterschied. Es ist die Frage, ob dieser Unterschied dann zwingend Einfluss auf die Frage haben muss, ob er einmal wiedergewählt werden darf oder mehrfach.
Offensichtlich sehen andere Bundesländer diese Frage so, wie wir sie sehen. Denn es ist überhaupt nicht die Regel, eher die Ausnahme in den Regelungen anderer Bundesländer für diesen Bereich, dass eine Wiederwahl in dieser Weise beschränkt wird. Es hat damals - ich gehe in meiner Rede gleich noch einmal darauf ein, aber ich will es an dieser Stelle auch schon einmal sagen -, im Jahr 2000, Überlegungen gegeben, warum man das macht. Das hat damit zu tun, dass man damals meinte, hier eine besondere Unabhängigkeit wahren zu müssen. Nun mag man die Arbeit des jetzigen Amtsinhabers ja so oder so oder wie man will beurteilen, aber er allein ist schon ein guter Beleg dafür, dass Unabhängigkeit unabhängig von dieser Regelung eine Rolle spielen kann. Ich denke, die Frage ist damit beantwortet, vielleicht nicht zu Ihrer Zufriedenheit, aber zu meiner.