Protokoll der Sitzung vom 21.03.2014

Dieser Gesetzentwurf wird Ihren Ansprüchen an Transparenz, aber vor allem an gerechter und auskömmlicher Ausstattung - jedenfalls bislang - nicht

(Dr. Heiner Garg)

gerecht, Herr Innenminister. - Herzlichen Dank für das Zuhören.

(Beifall FDP und vereinzelt CDU)

Das Wort für die Fraktion der PIRATEN hat der Fraktionsvorsitzende, Herr Abgeordneter Torge Schmidt.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Andreas, es ist ein Kreuz mit dir.

(Heiterkeit)

So oder ähnlich würde ich ein Gespräch mit unserem Innenminister beginnen, wenn wir gute Freunde wären.

(Heiterkeit - Beifall PIRATEN, SPD und vereinzelt BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ein guter Freund würde einem nämlich offen sagen, wenn er glaubt, dass man auf einem Holzweg ist. Den Holzweg sehe ich da, wo der Herr Innenminister an einem Projekt festhält, von dem er wissen müsste, dass es nicht rund ist: hier also der Holzweg FAG.

(Beifall PIRATEN und vereinzelt CDU)

Die Geschichte dieses Gesetzgebungsprojekts kennen wir mittlerweile alle. Wir sind uns bezüglich der Notwendigkeit, die bestehenden Strukturen des kommunalen Finanzausgleichs zu evaluieren und an die tatsächlichen Entwicklungen anzupassen, einig.

(Vereinzelter Beifall PIRATEN - Eka von Kalben [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist ja schon einmal gut!)

- Ja.

(Volker Dornquast [CDU]: Das ist nie anders gesagt worden!)

Um hier nur ein gern zitiertes Beispiel zu nennen, Herr Innenminister, selbstverständlich ist die Zonenrandförderung nicht mehr zeitgemäß und gehört gestrichen.

(Peter Eichstädt [SPD]: Na, na, na! - Zuruf SPD: Das können Sie so nicht sagen!)

- Es ist schön, dass Teile der SPD dies anders sehen. Das nehmen wir jetzt einmal zur Kenntnis.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Sie wollen den alten Zustand wieder! Eichstädt bietet Putin die DDR! - Peter Eichstädt [SPD]: Pass auf, das kommt gleich! - Heiterkeit und weitere Zurufe)

Bei den Kindergärten gibt es mittlerweile einen Rechtsanspruch, der eine Änderung der Mittelzuweisung und damit die Anpassung unumgänglich macht. Aber, Herr Minister, dass nun das Land von den Kosten 70 Millionen € trägt, hat doch nichts mit dem kommunalen Finanzausgleich zu tun. Hören Sie an dieser Stelle bitte mit der Augenwischerei auf!

Hören Sie bitte auf zu behaupten, die 120 Millionen €, um die die Finanzausgleichsmasse in der Vergangenheit gekürzt wurde, im Rahmen des FAGs wieder zurückgeführt zu haben.

(Beifall PIRATEN)

Ja, natürlich: Die Finanzierung der Kindertagesstätten ist in den Vorwegabzügen abgebildet. Aber diese Mittel sind doch nicht eingestellt, weil sie irgendetwas mit dem kommunalen Finanzausgleich im Sinne unserer Verfassung zu tun haben, sondern weil sich das Land in einem Vergleich hierzu verpflichtet hat. Diese Verpflichtung steht ohne jeden Zweifel neben derjenigen zum kommunalen Finanzausgleich.

Und jetzt mal Butter bei die Fische, Herr Breitner: Sie kritisieren an den vergangenen Anpassungen des FAGs, dass dabei immer nur einzelne Stellschrauben analysiert worden seien. Dann schaut man sich Ihren Vorschlag an und muss leider erkennen, dass auch Sie nicht den großen Wurf gelandet haben.

(Vereinzelter Beifall PIRATEN)

Sicher, mit dem Soziallastenausgleich wird ein neuartiges Element in unseren kommunalen Finanzausgleich eingeführt. Sicher, das NIW hat im Auftrag der Landesregierung ein Gutachten erstellt, in dem es die Teilmassenbildung untersucht hat und in dem es - oh Wunder - bis auf kleine Veränderungen bei den Prozentwerten der einzelnen Teilschlüsselmassen keine nennenswerten Änderungen empfohlen hat.

Kurzum: Der Entwurf der Landesregierung dreht letztendlich nur an kleinen, einzelnen Stellschrauben. Strukturelle Änderungen hingegen sucht man vergebens. Das, meine Damen und Herren, hat den Namen Reform doch nicht verdient.

(Beifall PIRATEN)

Es reicht letzten Endes eben nicht aus, anhand der Vergangenheit die Finanzbedarfe der einzelnen

(Dr. Heiner Garg)

Kommunen zu berechnen. Darüber hinaus sollen die bisherigen fixen Bestandteile der Finanzausgleichsmasse in die Verbundquote überführt werden. Dies ist toll. Es führt nach Ihren Worten dazu, dass die Kommunen künftig an höheren Steuereinnahmen des Landes etwas stärker als bisher partizipieren.

Dass auch genau der gegenteilige Fall eintreten kann, lassen Sie hier wieder gern unter den Tisch fallen. Das Gravierendste an dieser Änderung ist jedoch, Herr Minister, dass die Kommunen in Zeiten geringerer Steuereinnahmen auch geringere Ausgaben hätten. Denn wenn die Steuern steigen, gibt es mehr Mittel, wenn die Steuern sinken, entsprechend weniger. Klingt das sinnvoll?

(Beate Raudies [SPD]: Ja!)

Wäre nicht eher das Gegenteil sinnvoll, weil in Zeiten geringer Steuereinnahmen auch die Wirtschaft meist nicht so gut läuft und mehr Sozialleistungen des Staates nötig sind?

Herr Minister, eigentlich ist es so einfach: Wir sind als Land verfassungsrechtlich dazu verpflichtet, die angemessene Finanzausstattung der Kommunen zu gewährleisten. Angemessen kann aber doch nur sein, was für die Erfüllung sämtlicher kommunaler Aufgaben erforderlich ist. Wenn wir also dem Verfassungsauftrag nachkommen wollen, dann müssen wir wissen, welche Finanzausstattung erforderlich ist, um die Selbstverwaltung der Kommunen zu gewährleisten. Richtig? - Richtig!

(Beifall PIRATEN - Heiterkeit SPD)

Eine Reform, die diesen Namen verdient, hätte bedeutet, sich mit den tatsächlichen Finanzbedarfen der Kommunen zu befassen. Die Ausgaben der Vergangenheit, die Sie bei der Bemessung der Finanzbedarfe zugrunde gelegt haben, können bestenfalls als Indikator dienen. Für eine Berechnung der aktuellen und tatsächlichen Bedarfe sind sie schlicht unzureichend.

Schön beobachten kann man dies anhand solcher Beispiele wie Kampen. Die Gemeinde bekommt je Einwohner 481,60 € mehr, hat aber keine Schule, ab Sommer keinen Kindergarten und keine Jugendarbeit oder andere Freizeitangebote für Bürger mehr.

(Beate Raudies [SPD]: Jetzt kommen schon wieder diese Zahlen! - Weitere Zurufe SPD)

Diese Aufgaben werden von den Gemeinden Wenningstedt und Sylt wahrgenommen. Die Gemeinde Friedrich-Wilhelm-Lübke-Koog bekommt 108,30 €

je Einwohner mehr. Diese Gemeinde ist eine der reichsten von Schleswig-Holstein, sie verzeichnet hohe Gewerbesteuereinnahmen aus den Bereichen Windkraft und Photovoltaik, die Gemeinde hat nur eine Kreisstadt, keine Schulen, keine Kindergärten, nichts. Diese Aufgaben übernimmt die Gemeinde Klanxbüll, und sie bekommt 6,80 € weniger.

(Vereinzelter Beifall PIRATEN - Beate Rau- dies [SPD]: Die bezahlen auch dafür an die anderen!)

Erklären Sie uns diese Beispiele, Herr Breitner: Wie kommen solche Ungerechtigkeiten zustande, wenn Sie sich neben anderem doch den Aspekt der Gerechtigkeit ganz oben auf Ihre Fahne geschrieben haben?

(Beifall PIRATEN)

Oder können Sie sich selbst nicht ganz erklären, wie diese Zahlen zustande kommen? Es ist wohl insbesondere aus Ihrer persönlichen Sicht traurig, aber wahr, Herr Breitner, und auch Sie werden langfristig wohl nicht umhinkommen einzugestehen, dass es einer umfassenden Analyse der Bedarfe benötigt hätte.

Hätte es dafür eines gänzlich anderen Gutachtens bedurft? - Ja, mit Sicherheit. Hätte das mehr Zeit und mehr finanzielle Mittel in Anspruch genommen? - Ja, auch das ist anzunehmen. Dennoch halten wir es für erforderlich, um dem Verfassungsauftrag wirklich nachzukommen und um eine auf Dauer angelegte Lösung zu entwickeln. Ihre Reform erhebt ausdrücklich den Anspruch, auf Dauer angelegt zu sein. Doch können wir das so leider nicht erkennen.

Denn nehmen wir ein weiteres Beispiel, die kreisfreien Städte. Oft schon stand die Frage im Raum, ob die kreisfreien Städte nach diesem Entwurf ungerechtfertigt bevorteilt werden. Ja, die puren Zahlen können ein Indiz dafür sein. Nur leider können wir das nicht abschließend überprüfen, weil valide Ermittlungen der Finanzbedarfe nicht existieren. So bleibt ein Stückchen Anrüchigkeit im Voraus bestehen; unbelegt wie unwiderlegt.

Den Kreisen hingegen sollen nach dem neuen Entwurf Mittel in erheblichem Maße gestrichen werden, obwohl die Kreise selbst in nicht unerheblichem Maße Defizite haben und diese teilweise weiter ausbauen. In ein paar Jahren stehen wir dann vor der Situation, dass die kreisfreien Städte dabei sind, ihr Defizit abzubauen, während das Defizit der Kreise weiter nach oben geht.

(Beate Raudies [SPD]: Umgekehrt!)

(Torge Schmidt)

Und dann? Verwenden Sie dann dasselbe Argument wie heute bei den kreisfreien Städten und nehmen erneut eine Umschichtung vor, die Sie dann wieder als dauerhaft labeln? Nein, es wäre Flickwerk, wenn die aktuelle Verteilung schon den Grund für die nächste liefert.