Protokoll der Sitzung vom 16.05.2014

Sehr geehrter Herr Landtagspräsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr verehrte Kollegin Astrid Damerow! Seit 1989 steht das Kommunalwahlrecht auch für Nicht-EU-Bürgerinnen und -Bürger im Parteiprogramm der SPD, und wir werden es so lange dort hineinschreiben, bis wir dieses Wahlrecht auch erreicht haben. Darauf können Sie sich verlassen.

(Vereinzelter Beifall SPD, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN, FDP, PIRATEN und SSW)

Ich möchte Ihnen auch eines sagen: Sie, die CDU, verstecken sich hinter den Gesetzen. Sie verstecken sich hinter dem jetzigen Urteil. Wir haben angestrebt und wir bleiben auch dabei, dass es zu einer Verfassungsänderung kommen muss, wenn es dafür eine Zweidrittelmehrheit gibt. Sie sagen: Okay, Frau Midyatli, Sie haben recht. Es kann ja sein, dass wir vor Gericht scheitern. Aber dann sagen Sie hier doch auch ehrlich: Dann lassen Sie uns doch diesen Weg mit der Zweidrittelmehrheit gehen, die wir jetzt im Bundestag haben. Lassen sie uns doch gemeinsam diesen Weg gehen und versuchen, ob wir das durchbekommen. Dann brauchen Sie sich nicht weiter hinter den Gesetzen zu verstecken, und dann kann man es gemeinsam versuchen. Oder seien Sie einfach ehrlich.

(Beifall SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Wir bleiben dabei: Wir wollen das Wahlrecht für die Menschen. Denn das hat nicht nur etwas mit Integration zu tun, Kollegin Astrid Damerow. Inte

(Astrid Damerow)

gration ist ein Teil davon. Das hat etwas mit Mitbestimmung zu tun. Es hat damit zu tun, die Demokratie in diesem Land zu stärken. Denn Wahlrecht ist sozusagen das höchste Recht in einer Demokratie, und Sie verwehren dieses Recht hier Menschen, die in diesem Land teilweise nicht nur schon lange leben, sondern auch hier geboren sind.

(Vereinzelter Beifall SPD)

Frau Abgeordnete Midyatli, erlauben Sie eine Zwischenbemerkung der Frau Abgeordneten Damerow? - Bitte schön, Frau Abgeordnete.

Frau Kollegin, darf ich Sie darauf hinweisen, dass wir uns nicht hinter Gesetzen verstecken, sondern das wir uns auf dem Boden unseres Grundgesetzes bewegen?

Ja.

- Entschuldigung, das ist immerhin unsere Verfassung.

- Und wir möchten die Verfassung gemeinsam mit Ihnen ändern.

- Es geht hier nicht darum, sich zu verstecken. Ich habe mich auch in meinem Redebeitrag in keiner Weise hinter irgendeinem Gesetz versteckt, sondern ich glaube, ich habe sehr deutlich gemacht, wie wir die Bedeutung von Staatsangehörigkeit versus Wahlrecht einschätzen. Ich denke, zumindest für meine CDU-Fraktion hier im Kieler Landtag kann ich schon sagen: Von uns wird es keine Unterstützung für einen entsprechenden Bundesratsantrag geben. Aber das kann nicht wirklich für Sie überraschend sein, denn das haben wir vor einem Jahr genau so diskutiert. Also um noch einmal deutlich zu machen: Wir verstecken uns nicht hinter irgendwelchen Gesetzen, sondern wir haben eine klare Meinung dazu.

(Beifall Tobias Koch [CDU])

- Dann sagen Sie das.

- Das habe ich gerade getan.

- Sie haben gesagt, wir blieben bei Ihrer politischen Auffassung. Aber auch rein rechtlich sei das unter diesen Umständen gar nicht möglich gewesen. Wir, die FDP, die PIRATEN, die Grünen, der SSW und

die SPD, sagen aber, wir würden gern den Weg gehen und gemeinsam mit der Zweidrittenmehrheit, die man jetzt im Bundestag ja auch hätte, versuchen, eine Verfassungsänderung hinzubekommen, und dann einmal schauen, ob das Verfassungsgericht dann auch wieder so entscheiden würde. Diesen Weg würden wir gemeinsam gehen. Hier im Landtag haben wir dafür die Zweidrittelmehrheit. Aber mit Ihnen ist im Bund da leider immer noch nichts zu machen.

Aber verlassen Sie sich darauf: Dieses Wahlrecht wird irgendwann kommen. Das ist nicht nur ein Versprechen, denn ich bin fest davon überzeugt, dass Sie sich gesellschaftlich weiterentwickeln und dass wir irgendwann zu einem modernen Wahlrecht kommen werden, genauso modern und vielfältig, wie diese Gesellschaft in Deutschland und in Schleswig-Holstein bereits ist.

(Vereinzelter Beifall SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Frau Abgeordnete, gestatten Sie eine weitere Zwischenfrage oder -bemerkung des Fraktionsvorsitzenden Dr. Stegner?

Bitte schön.

Frau Kollegin Midyatli, vielleicht sollten wir begrüßen, dass Frau Damerow sich gar nicht versteckt, sondern das sie ganz offen sagt, dass die Union nicht möchte, dass diese Menschen wählen dürfen, so wie Sie sehr lange nicht wollten, dass wir den Sinti und Roma Minderheitenrechte gegeben haben. Nach vier vergeblichen Versuchen hat die Union sich da bewegt. Wir hoffen, dass das bei den Menschen, die aus anderen Ländern zu uns kommen, bei der Union vielleicht ein bisschen schneller geht. Aber dass Sie sich nicht verstecken, sondern ganz offen bei der Union bekunden, dass Sie das nicht wollen, ist, finde ich, eine Feststellung für dieses Haus, die wir zur Kenntnis nehmen sollten. Sie verstecken sich nicht hinter dem Grundgesetz, sondern Sie wollen das nicht ändern. Das,

(Serpil Midyatli)

finde ich, ist hier festgestellt, und es ist gut, dass wir das wissen.

Vielen Dank.

Ich möchte mich doch noch einmal bei der FDP bedanken, dass Sie das hier beantragt haben. Denn damit haben wir kurz vor der Europawahl noch einmal bekräftigt, was die Meinung der Union zum Wahlrecht hier ist, nämlich dieses für Unionsbürger auch auf Landesebene zu verändern. Wie gesagt, die Zweidrittelmehrheit würde hier im SchleswigHolsteinischen Landtag stehen. Liebe FDP, bei der nächsten Bundestagswahl könnten wir zumindest, was dieses Thema angeht, schon Unterstützung gebrauchen. - Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP und SSW)

Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat der Herr Abgeordnete Burkhard Peters das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Vielen Dank, Herr Minister Breitner, für den ernüchternden Bericht. Dass er ernüchternd ist, dafür können Sie nichts.

Liebe FDP-Fraktion, Ihrem Antrag und, Herr Kollege Klug, Ihrer Rede ist der Unmut über die Küstenkoalition und ihre scheinbare Inaktivität in puncto Wahlrecht für Drittstaatenangehörige zu entnehmen. Es treibt Sie erkennbar revolutionäre Ungeduld, und das ehrt Sie.

(Heiterkeit - vereinzelter Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und SSW)

Es gibt daran nichts zu rütteln: Das Ziel der beiden Landtagsanträge aus dem April 2013, durch Bundesratsinitiativen die entsprechenden Änderungen unseres Landtags- und Kommunalwahlrechts zu schaffen, ist längst überfällig.

Allein, wie heißt es so schön in der „Dreigroschenoper“ von Bertholt Brecht:

„Doch leider hat man bisher nie vernommen, dass einer auch sein Recht bekam - ach wo! Wer hätte nicht gern einmal Recht bekommen, doch die Verhältnisse, sie sind nicht so.“

(Vereinzelter Beifall SPD und Beifall Ras- mus Andresen [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN])

Minister Breitner hat in seinem Bericht deutlich gemacht, wie die Verhältnisse liegen. Eine notwendige Zweidrittelmehrheit für die Ergänzung des Artikel 28 Grundgesetz ist in weite Ferne gerückt. Als wir im April 2013 die beiden Beschlüsse fassten, gab es große Hoffnung auf eine rot-grüne Mehrheit bei der anstehenden Bundestagswahl im September 2013.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Aber keine Zwei- drittelmehrheit!)

Bei entsprechendem Wahlausgang hätte es mit SPD, Grünen, FDP und LINKEN eine Chance auf eine Zweidrittelmehrheit im Bundestag jenseits der CDU durchaus gegeben.

(Vereinzelter Beifall SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Auch stand zu dem Zeitpunkt das Urteil des Staatsgerichtshofs Bremen zur Frage des Wahlrechts für alle noch aus. Unsere Hoffnung ruhte auf dem Bremer Landesverfassungsgericht, mutige Wege für eine landeseigene Reform des Wahlrechts aufzuzeigen.

In ihrem Minderheitenvotum zum jetzt vorliegenden Urteil des Verfassungsgerichtshofs hat Frau Richterin Sacksofsky, die uns als Beraterin bei der Verfassungsreform in Schleswig-Holstein äußerst kompetent zur Seite stand, dargelegt, dass es sehr wohl verfassungsrechtlich vertretbar wäre, wenn ein Bundesland in diesen Fragen eigene Wege ginge.

Allein, auch hier gilt: „doch die Verhältnisse, sie sind nicht so“. Der Verfassungsgerichtshof hat mit sechs zu eins entschieden, dass der einzige Ansatzpunkt das Staatsangehörigkeitsrecht sei. Dieses ist aber bekanntlich Bundesrecht schlechthin.

Liebe Kolleginnen und Kollegen von der FDP, hätten Sie in der letzten Wahlperiode des Bundestags Einfluss auf Ihren Koalitionspartner CDU/CSU geltend gemacht, dann hätte ebenfalls eine Chance auf die von uns gewünschte Wahlrechtsänderung bestanden. Ihr Einfluss reichte aber bekanntlich nicht aus. So können wir leider auch in diesem Punkt genauso wie gestern wieder nur konstatieren: „Hätte, hätte, Fahrradkette.“

Solange die Damen und Herren, die von Ihnen ausgesehen rechts neben Ihnen sitzen, an ihrem antiquierten Staatsvolksbegriff festhalten, wird es auf

(Vizepräsident Bernd Heinemann)

absehbare Zeit keine Bewegung in der Frage des Wahlrechts für alle in der Bundesrepublik geben.

Dies wird uns auch weiterhin nicht daran hindern, intensiv für die erforderlichen Mehrheiten auf den entscheidenden politischen Ebenen zu kämpfen.

Es freut uns, liebe FDP, Sie in dieser Frage weiter an unserer Seite zu wissen. - Vielen Dank.