Protokoll der Sitzung vom 19.06.2014

(Zurufe PIRATEN)

Lassen Sie mich noch auf etwas anderes hinweisen. Die Behauptung, die der Kollege Kubicki vorhin erhoben hat, wir machten ständig neue Gesetze, ist doch falsch. Das Gesetz stammt aus dem Jahre 2007, und wir schreiben jetzt das Jahr 2014, wenn ich das richtig sehe. Wo also machen wir dauernd Gesetze? Das stimmt also überhaupt nicht.

Ein Letztes: Natürlich ist das immer eine Abwägungsfrage. Die Opfer von Kriminalität sind in der Regel nicht die Starken, das sind nicht diejenigen, die viel Geld haben und die stark sind, sondern es sind Schwache. Auch die wollen mit rechtsstaatlichen Methoden geschützt werden.

In der Tat hat der Innenminister völlig recht, wenn er sagt, es gebe eine Instanz, die das zu beurteilen habe, und das sei das Bundesverfassungsgericht beziehungsweise das Landesverfassungsgericht, das

(Dr. Patrick Breyer)

diese Norm überprüft. Das sind die richtigen Instanzen.

Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenbemerkung des Herrn Abgeordneten König?

Bitte sehr.

Herr Stegner, wenn Sie der Meinung sind, dass das Ansehen der Polizei so groß ist, auch wenn man alles kennt, was die Polizei so macht und was sie im Instrumentenkasten hat, warum hat dann niemand PRO AKTIV darüber informiert, das wir hier in Schleswig-Holstein Gefahrengebiete haben, Schleswig-Holstein also ein Gefahrengebiet ist und Herr Koch nicht einmal weiß, das er in einem Gefahrengebiet wohnt?

(Zuruf SPD: Das ist so schwach ausgeprägt, dass er das nicht einmal gemerkt hat! - Hei- terkeit)

- Ich kann nicht finden, jedenfalls nicht aus dem, was mir bisher zur Kenntnis gelangt ist, dass die Polizei ihre Befugnisse in Schleswig-Holstein missbraucht hätte, schon gleich gar nicht systematisch. Davon ist mir nichts bekannt. Selbstverständlich werden Probleme, wenn es denn welche gibt, im Ausschuss diskutiert, wie sich das übrigens auch gehört. Man kann ja durchaus über Transparenz reden und über die Frage, ob man an bestimmten Stellen stärker informiert. Aber diese pauschalen und mit einem riesen Pathos vorgetragenen Äußerungen, als seien wir ein Überwachungsstaat und Orwell sei sozusagen übertroffen worden, treffen überhaupt nicht zu. Wir haben im Augenblick ganz andere Probleme, wenn ich zum Beispiel an den NSA-Skandal denke. Aber dies der schleswig-holsteinischen Polizei zu unterstellen und dem Innenminister hier über das Mikrofon zu sagen, er tue das Gegenteil dessen, was im Grundgesetz stehe, ist einfach lachhaft. Das weise ich zurück, das ist anmaßend von den PIRATEN; denn das hat mit der Wirklichkeit in Schleswig-Holstein nichts zu tun.

Herr Kollege, gestatten Sie eine weitere Bemerkung des Herrn Abgeordneten König?

Bitte schön. Ich habe ja immer die Hoffnung, dass er klüger wird, wenn man ihm antwortet.

Herr Stegner, auch ich habe die Hoffnung, dass Sie klüger werden.

Was den NSA-Skandal angeht, muss ich Ihnen sagen, dass ich in dieser Angelegenheit unter anderem auch von Ihnen schwer enttäuscht bin, weil Sie in dieser Sache nichts unternehmen. Aber darum geht es hier gerade nicht. Hier geht es um die Frage, warum die Gefahrengebiete nicht vorher öffentlich gemacht worden sind, als sie eingeführt worden sind.

Es geht hier auch nicht um Ihre Einschätzung, ob die Gefahrengebiete gut oder schlimm sind oder ob das ein Eingriff ist, sondern es geht um die Frage: Warum hat sich hier niemand getraut, diese Gefahrengebiete öffentlich zu machen und die Bürger darüber entscheiden zu lassen? Wenn Herr Koch wüsste, dass er in einem solchen Gefahrengebiet wohnt, dann hätte er sich wahrscheinlich anders verhalten. Aber er wusste es ja nicht mal.

(Lachen bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

- Herr König, ich weiß nicht, wie sich der Herr Abgeordnete Koch verhält, wenn er sich nicht in diesem Plenarsaal befindet. Darüber will ich auch nicht richten. Aber ich bedaure zutiefst, dass wir nicht den gleichen Einfluss auf die Regierung der Vereinigten Staaten von Amerika haben wie die Piratenfraktion in diesem Hause. Insofern ist das in der Tat wahr. Der NSA-Skandal kann nicht dadurch gelöst werden, dass wir eine Resolution des Schleswig-Holsteinischen Landtages beschließen. Ich bin jedenfalls dafür, dass massenhafte Untersuchungen von Daten von Bürgern und Einschränkungen von Bürgerrechten nicht stattfinden dürfen. Wir haben uns sehr deutlich zu Wort gemeldet, was das Thema NSA-Skandal angeht. Alles, was Sie hier vortragen, zeigt nur, dass Sie keine Sachkenntnis haben, dass Sie keine Belege haben, sondern hier nur pauschale Verdächtigungen erheben.

(Zuruf Hans-Jörn Arp [CDU])

Herr König, Sie können fragen, wie Sie wollen. Aber erlauben Sie mir bitte, dann auch so zu antworten, wie ich antworten möchte. Im Übrigen entspricht das auch einem guten Umgang miteinander.

(Dr. Ralf Stegner)

Sie stellen hier manchmal Fragen, bei denen es bereits eine Höflichkeit ist, solche Fragen überhaupt zuzulassen. Das tue ich hier, weil ich immer noch die Hoffnung habe, eine gewisse Vernunft - dies, Herr Arp, weil Sie eben dazwischengerufen haben ist auch bei Herrn König vorhanden. Aber sicher bin ich mir darüber nicht.

Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine weitere Bemerkung des Herrn Abgeordneten Dr. Patrick Breyer?

Bitte schön.

Herr Dr. Stegner, Sie haben darauf hingewiesen, dass letztlich das Bundesverfassungsgericht entscheiden würde. Das ist natürlich richtig. Das Bundesverfassungsgericht hat schon einmal in einem Fall entschieden, und zwar in dem Fall der Befugnis zum anlasslosen Massenabgleich von Kfz-Kennzeichen. Damals haben in dem Gesetzgebungsverfahren verschiedene Sachverständige, unter anderem auch meine Wenigkeit, darauf hingewiesen, das dieses Gesetz verfassungswidrig sei. Sie haben das ignoriert, und das Gesetz ist vom Verfassungsgericht aufgehoben worden. Haben Sie für diese Befugnis, über die wir heute reden, etwas daraus gelernt?

- Ich bezweifle ganz stark, dass das Bundesverfassungsgericht von der Argumentation des Herrn Dr. Breyer aus Schleswig-Holstein so überzeugt war, dass es deshalb ein solches Urteil gesprochen hat. Das glaube ich ganz bestimmt nicht. Es würde mich sehr wundern, wenn das so wäre.

Und ja, in der Tat kommt es gelegentlich vor, dass das Bundesverfassungsgericht zu anderen Urteilen kommt, als dass diese unseren Gesetzen entsprechen. Es gibt aber auch den umgekehrten Fall. Ich habe mich als Innenminister damals in der Innenministerkonferenz, in der das Prinzip der Einstimmigkeit herrscht, gegen den Entwurf eines liberalen Innenministers aus Nordrhein-Westfalen - ein FDP-Mitglied -, das die Einführung von Trojanern wollte, gewandt. Das Bundesverfassungsgericht ist damals unserer Einschätzung gefolgt. Manchmal ist es so, manchmal ist es anders. Wenn Sie vom Bundesverfassungsgericht immer recht bekommen, dann herzlichen Glückwunsch, dann ist das gut so. Aber ich bezweifle wirklich sehr, dass es Ihre über

zeugende Argumentation war, die dazu geführt hat. Das Bundesverfassungsgericht entscheidet in der Tat. Manchmal gefallen einem die Urteile, manchmal gefallen sie einem nicht. Aber gut ist, das es nicht die Piratenfraktion ist, die darüber entscheidet, sondern das Bundesverfassungsgericht. Das finde ich gut, und dabei sollte es auch bleiben.

(Beifall SPD und SSW)

Herr Kollege Dr. Breyer, möchten Sie eine weitere Bemerkung machen? - Ja. Dann habe ich die Geste von Herrn Dr. Stegner so verstanden, dass er auch diese zulassen möchte.

Herr Dr. Stegner, ich lege doch Wert auf die Feststellung, das ich tatsächlich an dem Verfahren beteiligt war.

Ich bin ganz begeistert darüber, dass das Hohe Haus dies auch noch erfahren durfte. Vielen herzlichen Dank.

(Beifall SPD und SSW)

Das Wort zu einem weiteren Dreiminutenbeitrag hat die Frau Abgeordnete Simone Lange.

Ich möchte noch einmal auf etwas eingehen, das aus dem Duktus durch das entsteht, was vor allem Herr König gesagt hat.

Ich bitte Sie in der Tat, sachlich zu bleiben und nicht dort Angst zu schüren, wo es keine Angst zu schüren gilt. Es geht hier nicht darum, dass Gebiete ausgewiesen werden, in denen man quasi mit einer gesamtgesellschaftlichen Videokamera alles das aufnimmt, was wir tun. Sie merken schon, wenn Sie sich in einem Gefahrengebiet aufhalten, wenn Sie angehalten werden und die Polizeibeamten ihnen sagen, warum Sie angehalten werden.

Hier also zu suggerieren, man müsse quasi ein Schild aufstellen: „Sie befinden sich in einem Gefahrengebiet“, weil man es sonst nicht merken würde, ist ein völlig falsches Bild, das Sie hier gezeichnet haben. Das wird auch der Maßgabe durch das LVwG nicht gerecht.

(Dr. Ralf Stegner)

Ich schließe mich dem an, was die Kollegin Damerow gesagt hat. Sprechen Sie doch erst einmal mit der Landespolizei darüber, wie dieses Instrument, das uns gesetzgeberisch zur Verfügung steht, in der Praxis angewandt wird. Es handelt sich doch hier nicht um eine verdeckte Maßnahme. Die Kolleginnen und Kollegen sind vor Ort unterwegs, und sie sind dadurch reaktionsfähig. Immer dort, wo es organisierte Kriminalität gibt, ist die Landespolizei dadurch reaktionsfähig. Die Landespolizei kann durch eine verstärkte Präsenz und durch das Mittel, dass sie Sie anhalten und befragen darf, entsprechende Straftaten verhindern. Sie können im Übrigen auch nachlesen, dass Gefahrengebiete ihre Funktion erfüllt haben, dass dort Straftaten, die von erheblicher Bedeutung waren, tatsächlich eingedämmt worden sind.

Sie nehmen auch immer gern auf Urteile des Bundesverfassungsgerichts Bezug. Ich mag aber nur ungern Bundesländer miteinander vergleichen, weil es in den einzelnen Bundesländern unterschiedliche Polizeigesetze gibt. In Hamburg zum Beispiel hat das Bundesverfassungsgericht die Gefahrengebiete für rechtens erklärt.

Wir können darüber sicherlich im Detail sprechen. Sie sprechen hier aber nicht im Detail darüber. Sie vermischen Argumente, und sie stellen das Instrument als solches infrage; denn Sie beantragen heute ja nicht eine Überprüfung, sondern Sie beantragen heute eine Streichung dieses Instrumentes.

(Beifall SPD)

Frau Abgeordnete, gestatten Sie eine Bemerkung des Herrn Abgeordneten König?

Ja, gerne.

Sehr geehrte Kollegin, nehmen Sie bitte zur Kenntnis, das es ein großer Unterschied ist, ob man angehalten wird und einem dann erklärt wird, dass man bestimmte Rechte, die man normalerweise hat, jetzt nicht mehr hat, weil man in einem Gefahrengebiet ist, von dem man nichts wusste, oder ob man vorher weiß, dass ein bestimmter Bereich ein Gefahrengebiet ist.

Ich habe zu dem Zeitpunkt, als halb Hamburg ein Gefahrengebiet war, bewusst auf Reisen in diese Region verzichtet, weil ich mich dort nicht sicher gefühlt habe.

(Lachen bei SPD und SSW)

- Sie lachen darüber. Mir jedoch ist das wichtig. Wenn Ihnen ihre Persönlichkeit nicht wichtig ist, dann ist das Ihre Entscheidung, aber meine Entscheidung ist es, nach Möglichkeit kein Gefahrengebiet zu betreten. Und wenn ich doch in ein solches Gefahrengebiet gehen muss, dann, glaube ich, würde ich zunächst meine Taschen überprüfen, um festzustellen, ob ich vielleicht etwas Verdächtiges bei mir habe, oder ob ich mein Handy leeren oder verschlüsseln muss oder was weiß ich. Bitte, nehmen Sie das so zur Kenntnis.

- Ich möchte darauf gern antworten. Nehmen Sie zur Kenntnis, dass das Wort „Gefahrengebiet“ im Landesverwaltungsgesetz nirgendwo zu finden ist. Das ist ein politisch geprägter Begriff, der eigentlich etwas völlig Falsches aussagt. Es geht hier um ein Instrument, wie es vielerlei Instrumente im Landesverwaltungsgesetz gibt, genauso wie Durchsuchungen ein Instrument sind. Nehmen Sie zur Kenntnis, dass das Instrument „Anhalte- und Sichtkontrollen“ heißt und nicht „Gefahrengebiet“.

(Beifall SPD)

Insofern tut es mir leid, wenn es Ihnen Angst macht. Aber festzuhalten ist, dass es sich hier um ein Instrument handelt, das den Bürgern Sicherheit geben soll, weil dadurch Straftaten verhindert werden.