Protokoll der Sitzung vom 09.07.2014

(Beifall PIRATEN, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Für die Abgeordneten des SSW hat Frau Abgeordnete Jette Waldinger-Thiering das Wort.

Sehr geehrter Herr Landtagspräsident! Sehr geehrte Damen und Herren! 2012 novellierte die damalige CDU/FDP-Landesregierung das Denkmalschutzgesetz. Dieses Gesetz ist ein gutes Beispiel dafür, dass man nicht automatisch alles das, was alt ist, bewahren sollte. Das Gesetz stand nämlich von Anfang an unter keinem guten Stern, weil es Fachstandards ignoriert und Fachleute brüskiert hat. Insgesamt fiel das Urteil von allen Seiten verheerend aus. Die Belange des Denkmalschutzes wurden geschwächt, durchlöchert oder bestenfalls verschlimmbessert. Dieses Gesetz war wie eine billige Plastikfassade an einem historischen Gebäude. Ins Gebäude wurde zwar investiert, aber optisch ist es zu einer absoluten Katastrophe pervertiert.

Die neue Landesregierung hat das alte Denkmalschutzgesetz darum bereits wenige Wochen nach Amtsantritt ins Visier genommen. 2013 wurde ein aufwendiges, transparentes Verfahren eingeleitet. Ziel ist die Novellierung des Denkmalschutzgesetzes und die Erstellung eines zukunftsfesten Denkmalrechts. Das ist gelungen. Bereits bevor wir das Gesetz verabschieden, ist etwas Entscheidendes passiert. Es ist der Landesregierung gelungen, den Denkmalschutz zu einem Anliegen vieler zu machen. Ich möchte in diesem Zusammenhang schon von einer Wende sprechen. Wir alle profitieren und

lieben unsere Denkmäler, ob es sich um Mühlen, Herrenhäuser oder Haubarge handelt. Der ehemalige Ministerpräsident ist schon einmal zitiert worden. Ich mache es noch einmal. Er sprach davon, dass Denkmale einen Teil unserer Lebensqualität ausmachen. Da kann ich ihm nur zustimmen.

Doch war bislang der konkrete Schutz des Denkmals privatisiert, während der Nutzen sozialisiert war. Die Besitzer fühlten sich alleingelassen. Das rief verständlicherweise Proteste hervor und hat dazu geführt, dass sich die Fronten über die Jahre hinweg stark verhärtet haben. Denkmalschutz wurde zu einem Schimpfwort. Viele Eigentümer fühlten sich regelrecht bestraft, dass sie in einem Denkmal wohnen und arbeiten wollten. Sie hörten die Sonntagsreden der Landesregierung, blieben aber im echten Leben auf den Planungskosten und Nutzungseinschränkungen sitzen. Sie empfanden ihr Denkmal als Belastung und Bürde.

Die Küstenkoalition hat eine neue Gesprächskultur in Gang gebracht. Die Menschen im Land spüren sehr genau, ob man es ernst mit ihnen meint oder ob sie nur Kulisse in einem Schaustück sein sollen, und haben das Gesprächsangebot zahlreich angenommen. Die Bürgerinnen und Bürger haben gemerkt, dass sie für ihre Anliegen ein offenes Ohr finden und ihre Kritik offen äußern dürfen. So kam beispielsweise auf der Regionalkonferenz in Flensburg der behindertengerechte Umbau von Denkmalen zur Sprache. Der Flensburger Seniorenbeirat machte darauf aufmerksam, dass mobilitätseingeschränkte Senioren auf Barrierefreiheit angewiesen sind. Vor allem bei öffentlichen Gebäuden wurde das gefordert. In den Erläuterungen zu § 13 des Gesetzentwurfs auf Seite 45 können wir das Ergebnis dieser und anderer Einwände nachlesen, dass nämlich die Belange von Menschen mit Behinderung im Denkmalschutz besonders zu berücksichtigen sind.

Gerade dieser Punkt zeigt, dass ein schönes historisches Gebäude nichts wert ist, wenn die Bürgerinnen und Bürger gar nicht hineinkommen können. Ein Denkmal muss sich den Menschen anpassen und nicht die Menschen außen vor lassen. Zahlreiche gute, innovative Lösungen im ganzen Land zeigen, dass der Dialog zwischen Seniorenbeiräten und Planern in Sachen Barrierefreiheit ganz gut funktioniert.

Dialog ist für die neue Landesregierung Programm und nicht nur ein billiger Aufkleber. Dass der Dialog nicht immer ganz einfach ist, zeigte ein Besuch der Ministerin im Mai in Wees. Sie informierte zusammen mit dem zuständigen Referatsleiter

Fælleslandboforeningen for Sydslesvig, in dem sich sehr viele Bauern organisiert haben, über das neue Denkmalschutzrecht.

Zunächst schoss die jahrelang angestaute Wut heraus. Viele Bauern fühlen sich bevormundet. Diese Vorbehalte werden durch billige Propaganda teilweise bewusst geschürt. Doch die Bäuerinnen und Bauern erkannten schnell, dass das neue Gesetz für sie auch viele Vorteile bringt, unter anderem durch die Rechtssicherheit. Es wurde schon angesprochen: § 11 zeigt ganz deutlich, wie auch in Zukunft wirtschaftliche Belange der Bauern umgesetzt werden und mit dem neuen Denkmalschutzgesetz vereint werden müssen. Außerdem gibt es Ansprüche auf Zuschüsse für Renovierungen und Reparaturen, die ihnen gar nicht bekannt waren. Miteinander sprechen ist eben immer besser als einfach anordnen. Der Dialog hat sich ausgezahlt.

Viele gute Änderungen konnten im Laufe des Verfahrens erarbeitet werden und finden sich in der neuen Fassung wieder. Diese können die Betroffenen übrigens ohne Zusatzstudium oder Übersetzungshilfe lesen. Dankenswerterweise hat die Landesregierung den Text lesbar gemacht, sodass das Ganze ein Gesetz nicht nur für Experten, sondern für alle Bürgerinnen und Bürger geworden ist.

Man kann gar nicht hoch genug schätzen, was dieses offene Verfahren für die soziale Akzeptanz der Denkmalpflege im Land geleistet hat. Das ehrenamtliche Engagement der Bürgerinnen und Bürger wurde gestärkt, sodass sich sicher eher mehr als weniger Menschen berufen fühlen, das kulturelle Erbe Schleswig-Holsteins zu erhalten, zu pflegen und zu bewahren. Die Novellierung zeigt, dass ein fairer Ausgleich privater, wirtschaftlicher und öffentlicher Belange möglich ist.

Der Erhalt unseres kulturellen Erbes stärkt unsere Lebensqualität, prägt unser Land und zeigt deutlich die Souveränität und Vielfältigkeit der Menschen, die in Schleswig-Holstein lebten und leben. Ich freue mich auf die Diskussion im Bildungsausschuss.

(Beifall SSW, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Beratung. Es ist beantragt worden, den Gesetzentwurf Drucksache 18/2031 dem Bildungsausschuss zu überweisen. Wer so abstimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe!

(Jette Waldinger-Thiering)

Enthaltungen? - Dann ist das einstimmig dem Bildungsausschuss überwiesen worden. - Vielen Dank.

Ich rufe jetzt Tagesordnungspunkt 26 auf:

Gewässer vor Nährstoffeinträgen besser schützen, Düngeverordnung des Bundes reformieren!

Antrag der Fraktionen von SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der Abgeordneten des SSW Drucksache 18/2099

Wird das Wort zur Begründung gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Ich eröffne die Aussprache. Für die SPD-Fraktion - - Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN erteile ich Frau Abgeordneter Marlies Fritzen das Wort.

Vielen Dank, Herr Präsident! Bevor ich für die SPD-Fraktion reden kann, muss ich - glaube ich noch ein bisschen üben. Deswegen mache ich es mal für die Fraktion der Grünen.

Meine Damen und Herren, in zwei Tagen gibt es nicht nur Zeugnisse, sondern auch Sommerferien in Schleswig-Holstein, dem Land zwischen den Meeren und dem Land der Badeseen.

(Oliver Kumbartzky [FDP]: Das heißt jetzt der echte Norden!)

Seit dem 1. Juni gilt in Schleswig-Holstein diese Badesaison -

(Oliver Kumbartzky [FDP]: Das heißt jetzt der echte Norden!)

- Wie bitte?

(Oliver Kumbartzky [FDP]: Das heißt jetzt der echte Norden! - Weitere Zurufe)

Frau Abgeordnete, lassen Sie sich nicht irritieren.

In dem echten Land zwischen den Meeren und dem Land der Badeseen im echten Norden. Genau, danke für den Hinweis.

Seit dem 1. Juni ist im echten Norden die Badesaison offiziell eröffnet. Ich gebe gern zu, dass mir als Warmbaderin das Wasser meistens zu kalt ist, aber viele gehen ja schon ins Wasser. Die amtlichen Badestellenüberwachungen melden grünes Licht für fast alle Badestellen im Land - für fast alle, nicht

für alle. An den Nord- und Ostseestränden ist zurzeit ein unbeschwertes Baden ohne gesundheitliche Risiken möglich. Es gibt keine Algenblüte, die das Badevergnügen beeinträchtigt.

Mit der Gewässerqualität ist also alles in Ordnung? - Nein, weit gefehlt. Flüsse und Seen in einem schlechten Zustand, titelte die „Landeszeitung“ am 10. Juni 2014. 65 Seen haben wir im Land, 62 davon sind in einem schlechten Zustand. Sie enthalten zu viele Nährstoffe, also Phosphat oder Nitrat. Dadurch wird das Algenwachstum begünstigt, aber die meisten im oder am Gewässer lebenden Tier- und Pflanzenarten werden dadurch verdrängt. Die Folge ist ein Verlust an biologischer Vielfalt.

Flüsse fließen bekanntlich ins Meer, sodass natürlich auch zu Meldungen über gesperrte Strände und giftige Algenteppiche in der Ostsee und dem Schutz, besser gesagt dem nicht ausreichenden Schutz unserer Fließgewässer, eine direkte Verbindung zu ziehen ist.

Alle Jahre wieder bei langanhaltenden Wärmeperioden mit wenig Wind bekommen wir diese Meldungen. Nicht immer ist Schleswig-Holstein direkt betroffen, aber immer ist Schleswig-Holstein Mitverursacher.

Woher kommen diese Nährstofffrachten? Die Zeiten, in denen eine unzureichende Abwasserreinigung die Ursache war, sind zum Glück überwunden. Heute kommen diese Nährstofffrachten überwiegend aus der Landwirtschaft, aus sogenannten diffusen Einträgen, wobei diffus nicht heißt punktuell, sondern diffus heißt über die gesamte Fläche verteilt. Beim Nitrat haben wir zusätzlich das Problem, dass es mit dem Sickerwasser in tiefere Bodenschichten leicht verlagert wird und letztlich im Grundwasser landet.

22 von 55 Grundwasserkörpern haben Nitratwerte über den Grenzwert von 50 mg. Das können auch Sie nicht bestreiten, Herr Kollege. Auf die Fläche bezogen ist sogar mehr als die Hälfte der Landesfläche davon betroffen.

Dies ist ein höchst alarmierendes Signal auch für den Trinkwasserschutz. Zwar kann man das Wasser aus den höherliegenden Grundwasserleitern mit dem aus den tieferliegenden, wo noch kein Nitrat angekommen ist, verdünnen oder das Trinkwasser sowieso aus den tieferen Schichten gewinnen, aber jeder und jede von Ihnen kann sich ausrechnen, dass dies nicht mehr lange gutgeht. Vorsorgender Trinkwasserschutz jedenfalls sieht anders aus.

(Vizepräsident Bernd Heinemann)

(Beifall Rasmus Andresen [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN])

Darum ist auch der Bundesverband der Energieund Wasserversorger sehr über die steigende Nitratbelastung im Grundwasser besorgt und fordert dringend und mit Nachdruck und wiederholt eine Anpassung der Düngeverordnung. Der Koalitionsvertrag der GroKo in Berlin sieht dies auch vor. Aber noch einmal: warme Worte, wahre Werte, Taten nichts.

(Zurufe FDP: Oh!)

Die Düngeverordnung ist ein entscheidender Dreh- und Angelpunkt für den Gewässerschutz, denn sie regelt, wie viel insbesondere stickstoffhaltiger organischer Dünger wann und wohin und wie ausgebracht werden darf. Sie ist damit auch die Umsetzung der EU-Nitrat-Richtlinie, aufgrund deren Nichteinhaltung Deutschland bereits ein Vertragsverletzungsverfahren der EU zu erwarten hat. Wir spielen da in derselben Liga wie Malta. Es ist die wichtigste Schraube am ganzen Getriebe, wenn sie in die richtige Richtung gedreht wird. Wenn sie denn überhaupt gedreht wird, passiert auch etwas für den Gewässerschutz, und es bleibt nicht bei schönen Worten und Absichtserklärungen.

Wir wollen mit unserem Antrag die Richtung aufzeigen. Es muss am Ende bei der Novelle der Düngeverordnung mehr herauskommen als nur Kosmetik. Es muss substantielle Verbesserungen im Gewässerschutz geben, und es muss damit endlich losgehen. Artenvielfalt und sauberes Trinkwasser sind als Gemeinschaftsgüter, von denen heute in einem anderen Zusammenhang schon einmal die Rede war, von hohem Wert. Die Menschen erwarten zu Recht von der Politik, dass wir diese Güter sichern und für nachfolgende Generationen vorsorgen. Darum führt auch kein Weg daran vorbei: Die Landwirtschaft muss sich stärker am Gewässerschutz ausrichten und nicht umgekehrt. - Ich danke Ihnen.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und SSW)

Für die CDU-Fraktion hat jetzt der Herr Abgeordnete Heiner Rickers das Wort.

(Dr. Ralf Stegner [SPD]: Jetzt wollen wir hö- ren, was mit der Gülle los ist!)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! „Gewässer vor Nährstoffeinträgen besser schützen, Düngeverordnung des Bundes reformieren!“, ein doppelseitiger DIN-A4-großer Antrag der regierungstragenden Fraktionen: Die Überschrift könnten wir von der CDU durchaus unterschreiben. Ich werde Ihnen erklären, worum es im Folgenden geht.

Frau Fritzen - ich muss Sie persönlich ansprechen -, ein Bericht über Oberflächengewässer muss nicht gleichzeitig oberflächlich sein. Deswegen kann ich das, was Sie eben zum Besten gegeben haben, absolut nicht nachvollziehen.

(Beifall FDP und vereinzelt CDU - Marlies Fritzen [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Können Sie das erläutern?)