Protokoll der Sitzung vom 10.07.2014

(Beifall FDP, CDU und PIRATEN)

Für die Abgeordneten des SSW hat Frau Abgeordnete Jette Waldinger-Thiering das Wort.

Sehr geehrter Herr Landtagspräsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Zugegeben, der Weg hin zu diesem Gesetzentwurf war sicher nicht der allerleichteste. Das liegt schon in der Natur der Sache. Selten sind so viele Beteiligte mit so unterschiedlichen Interessen in ein solches Verfahren einzubeziehen. Selten gab es so viele durchaus berechtigte Forderungen, die aufgrund der finanziellen Lage des Landes nicht aufgenommen werden konnten.

Eines ist doch völlig klar: Im gesamten Verlauf wurde sicher mehr als nur eine Kröte geschluckt. Das will ich ganz bestimmt nicht schönreden oder einfach unter den Teppich kehren. Doch entscheidend ist ja bekanntlich, was am Ende herauskommt. Hier will ich trotz oder gerade wegen des Geätzes der Opposition eines ganz deutlich sagen: Das Ergebnis kann sich mehr als sehen lassen.

Unser Gesetz zur Neuordnung der Lehrerbildung ist absolut modern und zukunftsweisend. Mit dieser Neuregelung kriegen unsere angehenden Lehrerinnen und Lehrer das Rüstzeug, das sie für einen qualitativ hochwertigen Unterricht brauchen.

(Vereinzelter Beifall SSW und SPD)

Damit werden auch die individuellen Bedürfnisse der Schülerinnen und Schüler stärker berücksichtigt. Sie können zukünftig passgenauer gefördert werden und haben damit bessere Chancen für ihre Zukunft. Last but not least müssen auch all diejenigen, die dieses wichtige Reformvorhaben für regionalpolitische Zwecke missbrauchen wollten, eines zugeben: Es werden keine Ressourcen von Kiel nach Flensburg verlagert oder umgekehrt. Es geht nicht um Standorte, sondern einzig und allein um die bestmögliche Lehrerbildung für Schleswig-Holstein.

(Beifall SSW, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wie Sie wissen, haben wir das Anhörungsverfahren und die hier angemahnten Änderungen nicht nur ernst, sondern auch zum Anlass genommen, noch einmal nachzubessern. So manch einer scheint aber leider weiterhin in seinem ideologischen Kettenhemd gefangen zu sein. Dialog und Beteiligung hin oder her, es wird munter weiter gehetzt und von Gleichmacherei oder von notorisch überforderten Einheitslehrern gesprochen.

Was mich besonders traurig stimmt, ist die Tatsache, dass damit an längst überwunden geglaubten Zeiten festgehalten wird,

(Vereinzelter Beifall SSW, SPD und BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN)

Zeiten, in denen Kinder voreilig in Schubladen gesteckt und eben nicht ihrem individuellen Bedarf entsprechend gefördert wurden, Zeiten, in denen das soziale Erbe bestimmt hat, wo der Bildungsweg zu Ende ist.

(Eka von Kalben [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN]: So ist es!)

Kurz gesagt: Zeiten, in denen Kinder und junge Erwachsene allerhöchstens von gleichen Bildungsund Lebenschancen träumen konnten.

Eines ist völlig klar: Der SSW lehnt eine Bildungspolitik, die die unterschiedlichen Startbedingungen fortschreibt oder sogar verstärkt, entschieden ab.

(Beifall SSW, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

(Christopher Vogt)

Wir haben uns immer für den Ansatz des längeren gemeinsamen Lernens starkgemacht. Auf diesem Weg haben einfach mehr junge Menschen die Chance auf einen höherwertigen Abschluss. Dieser ist häufig der Grundstein für ein selbstbestimmtes und zufriedenes Leben und für umfassende gesellschaftliche Teilhabe.

Ich will nicht falsch verstanden werden. Wir wollen sicher nicht jede und jeden mit der Brechstange zum Abitur führen, aber ich halte die Abiturquote hierzulande nach wie vor für ausbaufähig. Unser Ziel ist es, in jedem Fall die Rahmenbedingungen für den jeweils optimalen Bildungserfolg zu bieten.

(Beifall SSW, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Der Wandel, den die demografische Entwicklung auch für unsere Schulen bringt, lässt sich kaum leugnen. Gemeinsamer Anspruch dieser Koalition ist es, trotz der Veränderungen ein qualitativ hochwertiges Bildungsangebot in der Fläche zu sichern. Es ist ganz einfach so, dass wir auch in Zukunft echte Wahlfreiheit für die Eltern und Kinder im Land ermöglichen wollen.

Wer vor diesem Hintergrund lieber an überholten Schulstrukturen und an einer hoffnungslos veralteten Lehrerbildung festhält, handelt in meinen Augen unverantwortlich. Ich denke, für viele hier ist es an der Zeit, umzudenken und endlich einmal den Realitäten im Land ins Auge zu sehen.

Die weitgehend einheitliche Ausbildung der Lehrkräfte für alle weiterführenden Schulen ist modern und wegweisend. Um die bestehende Wahlfreiheit zwischen Gymnasien und Gemeinschaftsschulen sicherzustellen, ist die Qualifikation aller Lehrkräfte für die Sekundarstufe I und II nicht nur sinnvoll, sondern notwendig.

(Beifall SSW, vereinzelt SPD und BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN)

Denn beide Schularten haben den Anspruch, zu allen Abschlüssen zu führen, auch zur Hochschulreife.

Noch einmal: Wir wollen all unsere zukünftigen Lehrerinnen und Lehrer fachwissenschaftlich exzellent ausbilden und ihren flexiblen Einsatz ermöglichen. Sie bekommen zukünftig die erforderlichen Kompetenzen sowohl für Gymnasien wie für Gemeinschaftsschulen. Dies ist die logische Konsequenz aus unserem Schulgesetz. Dies bedeutet keinesfalls eine Absenkung von fachlichen Standards. Das Gegenteil ist der Fall: Die Ausbildung wird

grundsätzlich, ganz im Sinne der Eltern und Kinder, auf gymnasiales Niveau angehoben.

Im Zusammenhang mit der Zukunft der Lehrerbildung habe ich eines immer wieder erwähnt: Hier geht es nicht um Regionalpolitik und Standortstärkung oder -schwächung durch die Hintertür. Hier geht es um ein bestmögliches Lehramt und letztlich um größtmögliche Bildungschancen.

(Beifall SSW, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Diejenigen, die offenbar Angst vor Veränderung haben, argumentieren oft mit vermeintlichen Doppelstrukturen. Doch wer das tut, der muss dann zumindest so ehrlich sein und diesen Gedanken grundsätzlich Ende führen. Egal ob BWL, Medizin oder eine ganze Reihe anderer Studiengänge: In der Konsequenz würde man bei einem einzigen Hochschulstandort für ganz Schleswig-Holstein landen. Eine Bildungsinfrastruktur allein auf Basis von Wirtschaftlichkeitsberechnungen halte ich persönlich für eine gruselige Vorstellung. Wir sind stolz auf die Vielfalt in unserer Hochschullandschaft, und wir wollen sie nicht nur erhalten, sondern ausbauen.

(Beifall SSW, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich mag mich wiederholen, aber erlauben Sie mir bitte einen für uns sehr erfreulichen Hinweis. Der Abgeordnete und Kollege Daniel Günther hat schon einmal gesagt, der SSW scheine sich im Lehrkräftebildungsgesetz nur für den Minderheitenbereich starkgemacht zu haben - sehr geehrter Herr Günther: Sorry, Mathe hat nicht unbedingt etwas mit Minderheit zu tun. Die Rechenarten sind die gleichen. Es kommt auf die Professur für Friesisch und für Dänisch an. Genau das ist der Punkt. Sorry. Da zeigen Sie wieder einmal, wie wenig Ahnung Sie von Minderheitenpolitik haben.

(Beifall SSW, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Zuruf Dr. Ralf Stegner [SPD])

Das Gesetz zur Lehrerbildung ist auch minderheitenpolitisch ein echter Meilenstein, Herr Günther. Denn wie Sie wissen, ist die Vermittlung der Bedeutung der Sprache, Geschichte und Kultur der nationalen dänischen Minderheit, der friesischen Volksgruppe und der Minderheit der deutschen Sinti und Roma zukünftig Teil des Studiums. Auch die Berücksichtigung des Niederdeutschen ist folgerichtig. Gerade mit Blick auf die europäische Ausrichtung der Universität Flensburg und die Zukunftsfähigkeit des Europacampus ist die Veranke

(Jette Waldinger-Thiering)

rung der Minderheiten und Regionalsprache sehr wichtig. Ganz nebenbei bemerkt entspricht es auch einfach der gelebten Realität in diesem Land.

(Beifall SSW, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Eine Mehrheit der Betroffenen teilt die Einschätzung, dass eine konsistente Lehrerbildung nicht erst seit der letzten Schulgesetzänderung überfällig ist. Wir handeln entsprechend, indem wir die Ausbildung unserer Lehrkräfte endlich modern und den Strukturen entsprechend gestalten. Diese Weiterentwicklung wird sowohl in Kiel als auch in Flensburg als auch in Lübeck stattfinden. Sie wird natürlich nicht zum Nulltarif zu haben sein, aber sie wird sich in einem absolut überschaubaren Kostenrahmen bewegen.

Viel wichtiger als Kosten- oder Standortfragen ist in meinen Augen aber das Ergebnis dieser Reform. Denn am Ende wird die bestmögliche Ausbildung für unsere Lehrerinnen und Lehrer stehen. Sie bekommen schon im Studium das Rüstzeug für die zentralen Anforderungen des Schulalltags. Damit werden sie zum Beispiel viel stärker für die individuelle Verschiedenheit der Schülerinnen und Schüler sensibilisiert - eine Neuerung, die nicht zuletzt mit Blick auf das Ziel eines wirklich inklusiven Schulsystems enorm wichtig ist.

Eines steht für diese Koalition fest: Wir haben im Januar ein neues Schulgesetz verabschiedet. Wir haben damit die Weichen für die zentralen politischen Themen gestellt. Der Aufbau des Zwei-Säulen-Schulsystems, der Aufbau der Ganztagsangebote und Inklusion dürfen nicht isoliert betrachtet werden. Sie haben weitreichende Folgen für das Lernen und die Lehrenden. Das Berufsfeld hat sich stärker verändert als der politische Veränderungswille der Opposition. Das ist bedauerlich.

Ich weise auf Folgendes hin: Wir haben heute ein vorzügliches Protokoll über die Anhörung zu diesem Gesetz im Bildungsausschuss bekommen. Darin steht ganz genau, dass sich unter anderem die AStA der CAU für den Sekundarlehrer ausspricht. Insofern ist es manchmal gut, Protokolle zu lesen und nicht nur Aktenvorlage zu beantragen.

(Beifall SSW, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das Wort zu einem Dreiminutenbeitrag hat die Abgeordnete Heike Franzen.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Koalition ist angetreten, um eine schulartbezogene Lehrerausbildung auf den Weg zu bringen. Fakt ist: Sie schaffen die schulartbezogene Lehrerausbildung in Schleswig-Holstein ab.

(Beifall CDU und FDP)

Auch wenn Sie es nicht hören wollen: Wir haben derzeit eine schulartbezogene Lehrerausbildung. In Flensburg werden Gemeinschaftsschullehrer ausgebildet. Das schaffen Sie ab.

Darüber hinaus ist die Kostenfrage nach wie vor nicht geklärt. Ich appelliere auch an die Abgeordneten in diesem Haus, die Verantwortung für dieses Land tragen. Der Landesrechnungshof hat deutlich gemacht, dass auch mit der letzten Vorlage der Ministerin im Finanzausschuss und im Bildungsausschuss der Vorwurf des Verstoßes gegen die Landeshaushaltsordnung nicht ausgeräumt ist.

(Beifall Uli König [PIRATEN])

Es gibt keine Bedarfsprognosen für Flensburg. Die Mehrkosten für die Sonderpädagogik sind überhaupt noch nicht erfasst. Die Frage, ob die 1,5 Millionen € Personalkosten tatsächlich so hinterlegt sind, dass sie wirken, ist auch noch nicht geklärt. Herr Günther hat deutlich gemacht, dass die 1,1 Millionen € für den Ausbau vermutlich überhaupt nicht reichen werden. Sie selber glauben der Finanzierung offensichtlich an dieser Stelle auch nicht, sonst hätten Sie keine Deckelung beschlossen und darauf zurückgeführt, dass das, sollte es doch zu Mehrkosten kommen, aus dem Bildungshaushalt zu bestreiten ist.

(Beifall CDU)

Frau Abgeordnete Franzen, gestatten Sie eine Bemerkung der Frau Abgeordneten Erdmann?