Protokoll der Sitzung vom 12.09.2014

(Wortmeldung Martin Habersaat [SPD])

- Ich lasse jetzt keine Zwischenfrage zu, da die Zeit drängt. Die Kollegen wollen alle in das Wochenende. Setzen Sie sich ruhig wieder hin. Es hat eh keinen Wert, sich damit in irgendeiner Form auseinanderzusetzen.

Herr Minister, ich habe Sie mittlerweile so kennengelernt, dass Sie sich hier offen und zielorientiert engagieren und agieren. Deshalb unterstützen Sie bitte die Bereitschaft der Bundesministerin, sich zeitnah um ein Endlager und um die Situation um Schacht Konrad zu bemühen. Der angekündigte Zeitraum von 2020 ist aus unserer Sicht eigentlich viel zu spät. Wahrscheinlich aber gibt es Gründe, die uns nicht bekannt sind, dafür, warum wir so lange auf das Zwischenlager Schacht Konrad warten müssen.

Der nächste Punkt ist im Zusammenhang mit Schacht Konrad auch wichtig. Ich habe gesagt, wir haben nicht sehr viel Zeit. Sie haben gesagt, die Situation der Fässer soll zeitnah, also Ende des Jahres, geklärt sein. Sie beabsichtigen, die Fässer zeitnah zu bergen. Bis dahin müssen wir aber auch geklärt haben, wie die Einlagerung im Schacht Konrad aussehen soll. Es nützt nichts, die Fässer jetzt herauszuholen, ohne zu wissen, wie man sie nachher verpacken oder in irgendeiner Form sichern wird. Das gehört für mich mit dazu. Das ist ein Teil des Stilllegungskonzepts. Das betrifft nicht nur die hochradioaktiven, sondern auch die schwach- und mittelradioaktiven Exponate.

Wir als CDU stehlen uns mit Sicherheit nicht aus der Verantwortung. Das sage ich hier ganz klar und deutlich. Wir appellieren an und plädieren für eine überparteiliche und von Experten und Betreibern begleitete Initiative, die sich mit den Bedingungen der sicheren Lagerung von Fässern mit schwachund mittelradioaktiven Abfällen beschäftigt, und zwar nicht erst im Jahr 2017 oder 2018 oder wann auch immer. Das muss heute erfolgen, damit wir in

(Jens-Christian Magnussen)

sieben oder acht Jahren, wenn Schacht Konrad Einlagerungen aufnehmen kann, eine rechtssichere Lagerkapazität haben sowie eine sichere Verpackung und einen gesicherten Umgang mit den Materialien.

Ich habe noch den einen oder anderen Punkt, aber ich verzichte darauf. Ich möchte nur noch einmal darauf hinweisen, dass ich mich freue, dass wir mit dem Wirtschaftsausschuss am Mittwoch nach Brunsbüttel fahren, um die Informationen über das Rückbauzentrum, die weitere Antragstellung sowie das weitere Vorgehen aus erster Hand zu bekommen.

Abschließend noch ein infrastruktureller Hinweis an die Kollegen des Wirtschaftsausschusses: Ich bitte Sie, rechtzeitig loszufahren. Die B 5 ist gesperrt. Wir haben im Moment eine Situation, die für den Industriestandort kaum erträglich ist. Die Umleitung ist eine Katastrophe. Fahren Sie rechtzeitig los, damit Sie um 11 Uhr am Standort sind. - Vielen Dank.

(Vereinzelter Beifall CDU und FDP)

Für die SPD-Fraktion hat Herr Abgeordneter Olaf Schulze das Wort.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Seit gut zweieinhalb Jahren beschäftigen wir uns nun mit rostigen Atommüllfässern im Atomkraftwerk Brunsbüttel. Bereits Anfang 2012 wurden die ersten rostigen Fässer gefunden. Das gab Anlass, die Kavernen genauer zu untersuchen. Bis dahin hat der Betreiber den Müll eingelagert und über Jahrzehnte hinweg nicht kontrolliert. Das ist schon ein Skandal an sich.

(Vereinzelter Beifall PIRATEN)

Bei den Kontrollen, die seitdem laufen, stellte sich nicht nur heraus, dass es noch mehr rostige Fässer gibt, es wird sogar immer noch schlimmer als gedacht.

Die Fässer, die jetzt gefunden wurden, sind so stark beschädigt, dass bei einigen sogar der Inhalt teilweise ausgetreten ist. Der Minister hat es bereits gesagt. Ich betone: Wir sprechen hier von radioaktivem Material und von angeblich sicher eingelagerten radioaktiven Abfällen. Wir wissen noch nicht, wie es in anderen Kavernen aussieht. Dies werden wir noch untersucht.

Meine Damen und Herren, was sind die Folgen? Zum einen können die Fässer nicht mehr wie vorgesehen geborgen werden. Erst muss ein neues Bergungskonzept erarbeitet werden. Nicht nur das, sondern für die Bergung müssen erst spezielle Hebewerke entwickelt werden. Hierfür ist der Betreiber verantwortlich. Die Atomaufsicht muss dies verantwortungsvoll begleiten, beraten und beaufsichtigen. Ich gehe davon aus, dass sie dies tun wird.

Hier erwarten wir als Sozialdemokraten, dass der Betreiber mit der Atomaufsicht ein Konzept erarbeitet, das sicherstellt, dass die Fässer sicher abtransportiert werden können, wenn ein Endlager fertiggestellt ist, das aber auch sicherstellt, dass so etwas künftig nicht mehr passieren kann, ein Konzept, das künftig regelmäßige Kontrollen der Kavernen vorsieht.

Ich danke dem Minister, dass er sich heute auch zu den AKW Brokdorf und Krümmel geäußert hat. Leider ist die CDU bei dem Antrag hier zu kurz gesprungen. Denn schließlich ist es wichtig, auch bei den anderen Atomkraftwerken in Schleswig-Holstein die Problematik zu untersuchen. Sie, Herr Minister, haben darauf hingewiesen: nicht nur in Schleswig-Holstein, sondern bundesweit. Herzlichen Dank für den Bericht, den Sie heute gegeben haben.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW - Zuruf Jens-Christian Magnussen [CDU])

- Wie bitte?

Herr Abgeordneter, das Wort haben Sie. Zwischenfragen sind nicht gestellt.

Zum anderen zeigen die Funde sehr deutlich, dass eine absolute Sicherheit im Umgang mit dem strahlenden Müll nicht möglich scheint. Wenn schon nach 30 Jahren der Müll nicht mehr sicher eingelagert ist, was machen wir dann damit in den nächsten Hunderten von Jahren? Welche Konzepte für eine Lagerung des strahlenden Erbes sollen wir entwickeln? Natürlich müssen es immer die bestmöglichen nach dem heutigen Stand von Forschung und Technik sein. Aber reicht das? - Wir wissen es nicht. Wir können es nicht wissen.

Meine Damen und Herren, was schließen wir aus all dem? - Das, was wir Sozialdemokraten bereits

(Jens-Christian Magnussen)

seit Jahrzehnten predigen, ist und bleibt richtig: Die Energiegewinnung aus Atomkraft war und ist ein Irrweg.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Selbst wenn der Ausstieg endgültig geschafft ist, werden uns der strahlende Abfall und der sichere Umgang damit noch über viele Generationen hinweg beschäftigen.

Hier geht es nur um schwach und mittelradioaktive Abfälle und deren Zwischenlagerung, bis das Endlager fertiggestellt ist. Über die Brennelemente und deren Zukunft sprechen wir an dieser Stelle noch gar nicht. Auch dafür brauchen wir schnellstmöglich eine Endlagerstätte. Hier sind wir noch in der Diskussion über den Standort und auch über Möglichkeiten der Rückholbarkeit.

Lieber Kollege Magnussen, ich finde schon, dass wir gerade beim Thema Endlager eine gründliche Diskussion brauchen. Wir brauchen eine gründliche Diskussion über die Frage, ob wir eine Rückholbarkeit benötigen oder nicht. Wie muss ein Endlager oder - bei einer Rückholbarkeit ist es ja eigentlich kein Endlager - ein zukünftiges Zwischenlager wirklich aussehen? Ich denke, wir sollten uns die Zeit wirklich nehmen, um das vernünftig zu diskutieren. Gerade die Asse sollte uns gezeigt haben, dass wir in diesen Bereichen wirklich Gründlichkeit brauchen und nicht auf Schnellschüsse fokussiert sind. Ich gebe Ihnen recht, dass wir das schnellstmöglich machen sollten, aber hier sollten die Diskussion und die Debatte inhaltlich wirklich tief geführt werden.

Herr Abgeordneter Schulze, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Magnussen?

Herr Kollege, meine Anmerkungen zielten nicht darauf ab, mit Schnellschüssen zu arbeiten. Natürlich ist Sicherheit das oberste Gebot. Das ist doch völlig klar.

Mein Ansatz, den ich in der Rede aus zeitlichen Gründen leider nicht ausgeführt habe, war, dass uns das Fachpersonal vor dem Hintergrund der Zeitschiene mittlerweile ein Stück weit abhandenkommt. Denn kein

Mensch orientiert sich fachlich in einen abgekündigten Berufszweig. Das heißt, nicht nur dem Betreiber gehen die Fachkräfte aus, sondern auch den übergeordneten Behörden und den externen Gutachtern. Alle diejenigen, die heute mit den Fässern beschäftigt sind, waren zur Einlagerungszeit noch gar nicht im Werk. Auch für sie ist es teilweise Neuland.

Vor diesem Hintergrund war mein Ansatz nicht „schnell, schnell“, sondern dass wir uns sowohl vor dem Hintergrund der Sicherheit als auch vor dem Hintergrund des Handlings mit diesem Thema konstruktiv auseinandersetzen müssen.

- Ich gebe Ihnen recht, was das Personal angeht. Deswegen fordern wir, schnellstmöglich Pläne von den Betreibern erstellen zu lassen, wie der Rückbau vorgenommen wird - beim Kernkraftwerk Krümmel warte ich heute noch darauf, dass der Rückbau überhaupt beantragt wird -, aus den gleichen Gründen, die Sie eben genannt haben. Allerdings sehe ich schon, dass wir gerade bei der Endlagerstätte zunächst das klären müssen, was wir vor vielen Jahrzehnten nicht geklärt haben, nämlich die Frage, wie wir ein sicheres Endlager wirklich hinbekommen. Dies müssen wir durchdiskutieren und hoffentlich schnellstmöglich eine Möglichkeit finden, eine Endlagerung zu betreiben.

Meine Damen und Herren, deshalb - das ist der zweite Schluss daraus - ist und bleibt es richtig, dass sich Schleswig-Holstein von Anfang an so stark für die Energiewende gemacht hat und diesen Weg konsequent weitergeht. Dazu gibt es keine Alternativen. Auch das werden wir in diesem Haus immer wieder und wieder sagen. Für unsere Landesregierung ist die Energiewende, die Förderung und der Ausbau erneuerbarer Energien, eines der wichtigsten Ziele und wird es auch für die nächsten Jahre bleiben.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat der Abgeordnete Detlef Matthiessen das Wort.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Rostige Atomfässer, durchgerostete Fässer, Aus

(Olaf Schulze)

tritt von radioaktivem Material - das alles ist ein Skandal.

Im Hochtechnologiestandort Deutschland, in den angeblich sicheren deutschen Atomkraftwerken wurde gepfuscht. Das ist noch milde formuliert und klingt vielleicht etwas niedlich. Es wurde getäuscht, die Öffentlichkeit belogen und alles mit dicken Betonplatten zugedeckelt. Ob beim Befüllen danebengekleckert wurde oder Material nach Durchrostung austrat, wird noch geklärt.

Trockener Stahl, meine Damen und Herren, rostet kaum. Trocknen kostet aber Zeit und Geld. Das sogenannte Verdampferkonzentrat wurde unvollkommen getrocknet. Die Erwartung des Betreibers, dass dieser Mangel aufsichtlich wenig auffallen würde, hat sich bewahrheitet. Man sieht, ob Flüssigkeit oder Pulver abgefüllt wird. Das absichtliche Fehlverhalten wurde damals sicherlich auch durch die Erwartung gestützt, dass die Fässer in kurzer Zeit in ein Endlager kämen. Das war vor über 30 Jahren. Heute ist die Rede davon - gerade ist es ganz aktuell zu lesen -, dass das Endlager Schacht Konrad für mittelaktive Abfälle 2022 in Betrieb gehen soll, also - mit einem Sicherheitsabschlag - nach einer weiteren Dekade.

Meine Damen und Herren, ich zitiere aus einem Dokument und verrate Ihnen hinterher, aus welchem:

„CDU, CSU und SPD bekennen sich zur nationalen Verantwortung für die sichere Endlagerung radioaktiver Abfälle und gehen die Lösung dieser Frage zügig und ergebnisorientiert an.“

Es ist nicht der aktuelle Koalitionsvertrag, sondern der aus dem Jahre 2005. Er gipfelte in folgendem Satz:

„Wir beabsichtigen, in dieser Legislaturperiode zu einer Lösung zu kommen.“

(Dr. Heiner Garg [FDP]: Immerhin!)

Wenn man das in einen Koalitionsvertrag schreibt, ist damit eigentlich auch impliziert, dass man das, was man beabsichtigt, auch meint schaffen zu können.

In der folgenden Legislaturperiode hieß es zwischen CDU und FDP dann: