Protokoll der Sitzung vom 12.09.2014

In der folgenden Legislaturperiode hieß es zwischen CDU und FDP dann:

„Eine verantwortungsvolle Nutzung der Kernenergie bedingt auch die sichere Endlagerung radioaktiver Abfälle.“

Das ist natürlich eine tiefe Erkenntnis. Im Übrigen folgt dann auch vorsichtshalber nicht mehr viel.

Im vergangenen Jahr vereinbarte die Große Koalition in Berlin:

„Wir wollen die Endlagerfrage aus Verantwortung für die nachfolgenden Generationen lösen. Deswegen werden die Errichtung des Endlagers Konrad und die Schließung des Endlagers Morsleben vorangetrieben und die Voraussetzungen für die Rückholung der Abfälle aus der Schachtanlage Asse II geschaffen. … Die Entsorgungs-Richtlinie (EURA- TOM) und das Standortauswahlgesetz setzen wir zügig und vollständig um.“

Übrigens sprachen CDU und FDP in der 17. Legislaturperiode ebenfalls von „zügig und transparent“.

„Das Auswahlverfahren“

- heißt es in der derzeitigen Koalitionsvereinbarung

„für ein Endlager für hochradioaktive Abfälle wird nach Abschluss der Kommissionsberatungen unter breiter Beteiligung der Öffentlichkeit eingeleitet.“

Wann, stand nicht dabei.

Die Worte haben erhabenen Klang. Die Probleme sind aber geblieben. „Verantwortungsvoll“, „sichere Endlagerung“, „zügig“, „vollständig“, „in dieser Legislaturperiode“ - die pathetischen Worte der Vergangenheit klingen heute noch hohler als die Antiatombewegung damals schon erkannte. Allein die Formulierung „Wir wollen die Endlagerfrage lösen“ spricht Bände. Lagern, meine Damen und Herren, ist nicht lösen. Denn lösen lässt sich das leider nicht mehr.

Das Thema Atomkraft wird auf der politischen Agenda bleiben, bleiben müssen, auch wenn kein Atomstrom mehr produziert wird. Die Hinterlassenschaften des Atomprogramms bleiben auf ewig. Wir haben das schon gesagt, als das Atomprogramm begann. Immerhin war die Antiatombewegung wirklich unüberhörbar und unübersehbar. Die Befürworter der Atomkraft haben also gewusst, was sie taten und tun, als sie sich nach dem Motto „Augen zu und durch“ darüber hinwegsetzten.

Ich erinnere mich noch sehr genau. Ich war damals noch ganz jung und vielleicht auch ein bisschen doof in Berlin in der Antiatombewegung. Da saß ich mit dem Bundesforschungsminister Matthöfer zusammen auf einem Podium.

(Detlef Matthiessen)

(Zuruf: Riesenhuber!)

- Riesenhuber war sehr viel später. Ich war, wie gesagt, sehr jung in der Antiatombewegung. Herr Matthöfer ist inzwischen leider verstorben. Der hatte damals in der Podiumsdiskussion gesagt, die Atomkraftwerke sollten doch nur 19 Jahre lang laufen. Der Charakter einer unbefristeten Betriebsgenehmigung war mir damals nicht bekannt.

Meine Damen und Herren, MOX-BE, also Mischoxid-Brennelemente, wie sie in schleswig-holsteinischen Atomkraftwerken eingesetzt werden, sind Brennstäbe, die Plutonium enthalten. Die Halbwertszeit von Plutonium beträgt 24.110 Jahre. Das ist Müll, Gift und Gefahr für immer und ewig.

Man hat das Element Plutonium, als es entdeckt worden war, nach einem Planeten benannt, nämlich nach Pluto. Vielleicht kann man auch sagen, dass die Anlehnung an Pluto als Gott der Unterwelt und des Todes vielleicht die richtigere Anlehnung gewesen wäre. Diejenigen, die das zu verantworten haben, sollten sich schämen. Unsere Kinder und Enkel werden keine Kilowattstunde Atomstrom verbrauchen. Der Rückbau der radioaktiv verseuchten Betonriesen ist überfällig, aber der Müll wird bleiben. Die Ökonomen reden von Ewigkeitskosten. Atomkraft rechnet sich nie und nimmer. Dass die Atomwirtschaft den ernsthaften Versuch unternimmt, sich mit einer Einmalzahlung aus der Verursacherhaftung zu stehlen, spricht für sich.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und Uli König [PIRATEN])

Meine Damen und Herren, so oder so, die Folgen zahlen wir alle. - Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und Uli König [PIRATEN])

Das Wort für die FDP-Fraktion hat der Herr Abgeordnete Kumbartzky.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Ergebnisse der Untersuchungen in den Kavernen und die Tatsache, dass von bislang insgesamt 131 inspizierten Behältern 28 auffällig sind, sind zweifelsohne und nach wie vor erschreckend. Dass, anders als in bisherigen Fällen, auch einige Fässer teilweise ausgelaufen sind, ist eine neue Dimension, ganz klar. Wir dürfen auch nicht verkennen,

dass die Untersuchung von weiteren 500 Behältern noch aussteht. Es wird deshalb sehr wahrscheinlich sein, dass noch weitere auffällige Behälter gefunden werden.

Die Ergebnisse der aktuellen und der noch folgenden Kaverneninspektionen werden in das bisherige Konzept einfließen, das in Abstimmung mit der Aufsichtsbehörde weiterentwickelt wird. Das hat der Minister gerade noch einmal bestätigt. Er hat auch bestätigt, dass die korrodierten Fässer - ich finde es wichtig, das zu betonen - die Gesundheit der Bevölkerung nicht gefährden. Das muss natürlich auch in Zukunft so bleiben.

(Beifall FDP)

Der Kraftwerksbetreiber und die Atomaufsicht sind aufgefordert, die Sicherheit der Bevölkerung und der Umwelt auch weiterhin zu gewährleisten. Ich möchte in diesem Zusammenhang auch einmal den Mitarbeitern danken, natürlich auch den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Atomaufsichtsbehörde. Bei denen möchte ich mich ebenfalls ganz herzlich bedanken, weil die Atomaufsichtsbehörde das Verfahren wirklich umsichtig und auch sehr unaufgeregt begleitet.

(Beifall FDP, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, Dr. Ralf Stegner [SPD] und Uli König [PI- RATEN])

Es sind übrigens zum allergrößten Teil dieselben hochqualifizierten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Behörde tätig, die auch schon Minister Schmalfuß und seinen Vorgängerinnen und Vorgängern in schwierigen Zeiten - Frau Trauernicht, Sie erinnern sich - kompetent, zuverlässig und loyal zur Seite standen. Ich möchte hier nachdrücklich betonen, dass es noch immer größtenteils dieselben Leute sind, die immer zuverlässig und hochkompetent an der Sache mitgewirkt haben.

Ich erinnere mich noch sehr gut, als das erste Fass aufgetaucht ist, an die Landtagsdebatte im März 2012. Da ist mir insbesondere die Pressemitteilung des damaligen Fraktionsvorsitzenden der Grünen, Dr. Robert Habeck, in Erinnerung geblieben. Sie, Herr Dr. Habeck, haben damals behauptet, die Atomaufsicht habe geschlafen, die Atomaufsicht habe schlampig gearbeitet. Schließlich haben Sie die Atomaufsicht als „Laden“ bezeichnet. Außerdem müsse Vattenfall sofort die Betriebsgenehmigung entzogen werden. Ein ganz besonderes Highlight war: „Atomfässer sind keine Einmachgläser“. - Das alles stammte aus der Feder von Dr. Robert Habeck.

(Detlef Matthiessen)

(Beifall FDP - Zurufe BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Sie, Herr Dr. Habeck, haben damals wirklich Ängste und Emotionen geschürt und auch unredliche Behauptungen aufgestellt. Ich möchte Sie deshalb heute fragen, Herr Dr. Habeck: Was erwarten Sie heute von der Opposition? Erwarten Sie, dass wir genauso reagieren wie Sie damals? - Nein. Das war natürlich nur eine rhetorische Frage; denn mittlerweile ist auch bei Robert Habeck die Gesinnungsethik der Vernunftethik gewichen. Der Ton wird sachlicher, und es kam im Laufe der Zeit zu vielen kleinen Lernerfolgen.

(Beifall FDP)

Ich bin mir sicher, dass Robert Habeck, genauso wie wir alle, weiß, dass die Atomaufsicht kein „Laden“ ist, dass sie auch nicht schlampig arbeitet und auch nichts verschläft. Vielmehr haben wir in Schleswig-Holstein eine sehr gute Atomaufsichtsbehörde.

(Beifall FDP und Hans-Jörn Arp [CDU])

Doch nun zurück zu den Behältern: Die Kavernen und die Fässer waren konzeptionell zunächst nicht für eine längere Aufbewahrung vorgesehen. Die ältesten Behälter wurden 1983 und 1985 eingelagert. Mitte der 90er-Jahre hätten sie dann, so die damalige Planung, umgefüllt und in das Endlager Schacht Konrad verbracht werden sollen. Doch Sie wissen: Schacht Konrad ist immer noch nicht in Betrieb. Die ursprüngliche Planung war auf Mitte bis Ende der 90er-Jahre ausgerichtet. Es kam jedoch immer mehr zu Verzögerungen, und nun spricht man von 2021 bis 2025.

Genau da liegt das Problem, beziehungsweise das ist die große Herausforderung, vor der wir stehen. Die Frage der Endlagerung von sowohl hochradioaktiven als auch schwach- und mittelradioaktiven Abfällen ist immer noch nicht geklärt, und man kommt in der Endlagersuchkommission, der Dr. Habeck ebenfalls angehört, anscheinend nicht wirklich voran.

Sehr kontraproduktiv fand ich die vor Kurzem getätigten Äußerungen des grünen Umweltministers Stefan Wenzel aus Niedersachsen. Dieser hatte nämlich die Diskussion um die Endlagersuche noch einmal neu angefacht, als er den Zeitplan für die Endlagersuche infrage stellte. Wenzel geht nämlich davon aus, dass diese bis zu 30 Jahre länger dauern wird als von der Bundesregierung geplant. Da muss man sich die Frage stellen: Wo bleiben denn die Abfälle bis dato? Die bleiben an den Kraftwerks

standorten. Doch die jetzigen Standorte - das möchte ich ganz deutlich sagen, meine Damen und Herren - dürfen nicht schleichend zu End- oder Dauerlagern werden.

(Beifall FDP und Dr. Ralf Stegner [SPD])

Wenn man sich die Äußerungen von Stefan Wenzel anhört, dann hat man wirklich die Sorge, dass es so kommen könnte.

Weil auch dies zur Diskussion gehört, will ich in diesem Zusammenhang noch einmal in aller Kürze auf das im letzten Jahr von Dr. Habeck unterbreitete Angebot eingehen, Atommüll aus der Wiederaufbereitungsanlage Sellafield in Brunsbüttel einzulagern. Ich denke, dass mittlerweile wirklich jeder, also auch der Allerletzte, begriffen hat, dass dieser Vorstoß rückblickend betrachtet falsch war.

(Beifall FDP)

Der Ministerpräsident würde wahrscheinlich sagen: „Lieber Robert, der Vorstoß war töricht.“

Zusätzlicher Atommüll ist Brunsbüttel einfach nicht mehr zuzumuten. Zudem wird die Bergung der Behälter, über die wir heute reden, beim Kraftwerksbetreiber und bei der Atomaufsicht in den kommenden Jahren erhebliche Kapazitäten binden. Hinzu kommt - auch das ist neu im Gegensatz zu der Diskussion vor einem guten Jahr -, dass es mittlerweile auch ein OVG-Urteil zum Zwischenlager Brunsbüttel gibt. Insofern hat sich dieses Thema erledigt. Dies könnten auch Sie, Herr Dr. Habeck, eigentlich einmal ganz klar artikulieren.

Meine Damen und Herren, bevor ich zum Schluss komme, möchte ich sagen, dass es in dieser Debatte - - Sie hören mir so lauschig zu; das gefällt mir. Aber ich komme trotzdem zum Schluss. Ich möchte noch sagen, dass es in dieser ganzen Debatte nichts nützt, die Geschichte der Kernenergie noch einmal aufzuarbeiten, alte Koalitionsverträge noch einmal vorzulesen oder auf fremde Planeten zu verweisen. Während Sie hier so etwas tun, rosten die Fässer nämlich weiter.

(Zuruf SPD)

- Das ist tatsächlich so, Herr Dr. Stegner, das haben Sie scharf erkannt.

(Beifall FDP)

Fakt ist aber auch - auch dies möchte ich ganz klar sagen -: Die Fässer sind nicht etwa von gestern auf heute gerostet, sondern das ist ein Prozess über Jahrzehnte gewesen. In diesen Jahrzehnten hatte fast jede der hier anwesenden Parteien die Verant