Protokoll der Sitzung vom 12.11.2014

Ich kann es Ihnen nicht ersparen: Zu vielen Themen, die in Ihrer Regierungserklärung vor zweieinhalb Jahren eine Rolle gespielt hatten, haben Sie überhaupt nichts gesagt. Was ist zum Beispiel mit der Zusammenarbeit mit Hamburg? Dazu gab es kein einziges Wort.

(Zuruf Eka von Kalben [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

- Das ist für Sie tatsächlich ein Fremdwort. Die einzigen Verbindungen zwischen den Kabinetten in Hamburg und Schleswig-Holstein sind familiärer Natur. Ansonsten findet in diesem Bereich überhaupt keine Zusammenarbeit statt.

(Dr. Ralf Stegner [SPD]: Das ist unter Ihrem Niveau, Herr Kollege!)

- Herr Dr. Stegner, Sie haben recht: Es war ehrlich, zu diesem Thema nichts zu sagen, denn wenn man die Bilanz zieht und nichts Positives zu berichten

(Daniel Günther)

hat, dann lässt man es weg. Ich kann sehr gut verstehen, dass Herr Albig das so gemacht hat. Wir aber verschonen Sie nicht damit, dass in diesem Bereich überhaupt nichts passiert ist.

(Beifall CDU)

Zum Stichwort Pflege: Hier wurde nichts gemacht mit Ausnahme dessen, was die CDU-Fraktion eingefordert hat.

Zum Thema Landwirtschaft: Hier wünsche ich mir, dass diese Regierung wieder über den Wirtschaftsfaktor Landwirtschaft redet.

(Beifall CDU - Zurufe SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

- Ja, das machen wir auch. Ich habe große Sympathien dafür, dass wir uns über den Verbraucherschutz und über das Tierwohl austauschen. Ich glaube, dass wir als CDU in diesen Bereichen einiges mehr machen könnten. Das sind Themen, die wir bei uns durchaus angehen wollen. Landwirtschaftspolitik funktioniert aber nur, wenn man sie mit den Landwirten macht.

(Beifall CDU und vereinzelt FDP)

Sie funktioniert nur, wenn man die Landwirte nicht bevormundet und keine Eingriffe vornimmt. Herr Habeck, Sie können gern darüber lachen. Es macht den Landwirten wenig Spaß, wenn Sie auf dem Bauerntag sanfte Themen ansprechen, damit die Stimmung gut bleibt, und sagen, Sie wollten sich dafür einsetzen, dass die Leistungen der Landwirte wieder mehr honoriert würden und dass mehr Geld bei den Landwirten hängen bleibe. Das erklären Sie auf dem Bauerntag. Drei Tage später erklären Sie das genaue Gegenteil. Dann erklären Sie, in welche Bereiche Sie überall eingreifen wollen und in welchen Bereichen Sie gegen das Eigentum arbeiten wollen. So schafft man kein Vertrauen, das die Landwirte in ihre Landesregierung setzen.

(Beifall CDU und FDP)

Herr Albig, die bittere Wahrheit ist doch: Sie haben keinen blassen Schimmer davon, wie Sie Ihr angebliches Lieblingsland weiterentwickeln wollen. Ihr Problem ist: Sie interessieren sich weder für das Land noch für die Menschen. Sie interessieren sich nur für sich selbst. Sie reden mit keinem, nicht einmal mit Ihren engsten Mitarbeitern. Sie reden weder mit Ihrem Kabinett noch mit den Abgeordneten Ihrer regierungstragenden Fraktionen. In den letzten zwei Jahren konnten Sie sich noch mit pastoralen Reden über Wasser halten. Damit ist aber längst

Schluss. Jetzt hätten Sie liefern müssen, Herr Albig. Von Ihnen kommt aber nichts.

(Zurufe SPD)

In den letzten sechs Monaten haben wir den wahren Herrn Albig erlebt; denjenigen, den es immer ereilt, wenn er ein Amt über zwei Jahre lang ausübt. Dann wollen die Menschen nicht nur Reden hören, dann wollen sie Ergebnisse sehen. Es ist Ihnen gelungen, aus Ihren bisherigen Ämtern rechtzeitig zu flüchten, sodass keiner die Chance hatte zu sehen, was von Ihren Reden am Ende wirklich bei den Menschen hängen bleibt. Herr Albig, in diesen Monaten erleben wir einen Mann, der das politische Geschäft nicht beherrscht, der auf keinen hört, der nicht einmal die kleinste Krise meistert, der nicht in der Lage ist, diesem Land Perspektiven zu bieten. Wir brauchen aber eine Regierung, die die richtigen Prioritäten setzt. Wir brauchen eine Regierung, die nicht über Bildung redet, sondern den Hochschulen im Land wirklich hilft. Wir brauchen eine Regierung, die sich um die Breitbandversorgung und um den Straßenbau kümmert. Das wären Punkte gewesen, zu denen wir heute erwartet haben, dass Sie hier etwas Konkretes vorlegen. Das haben Sie nicht getan.

Herr Albig, in Wahrheit ist diese Halbzeitbilanz Ihre Schlussbilanz. Sie haben dem Land nichts mehr zu bieten. Das ist die Wahrheit Ihrer heutigen Regierungserklärung.

(Anhaltender Beifall CDU und FDP)

Das Wort für die SPD-Fraktion hat der Fraktionsvorsitzende Dr. Ralf Stegner.

(Hans-Jörn Arp [CDU]: Unser Außenminis- ter!)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Menschen in Schleswig-Holstein sind in Aufruhr. Sie machen ihrem Ärger Luft. Sie kommen mit ganz unterschiedlichen Hintergründen. Aber eines haben sie gemeinsam: Sie sind enttäuscht von den Politikerinnen und Politikern. Sie wollen die Entscheidungen der amtierenden Landesregierung nicht hinnehmen. Deshalb kommen sie immer wieder zu großen Demonstrationen gegen die Politik des sozialen Kahlschlags zusammen. Allein am 15. Juni sind es rund 14.000 Studierende - die größte Demonstration im Land seit Jahrzehnten.

(Daniel Günther)

Das war die Situation im Jahr 2010. SchleswigHolstein wurde zweieinhalb Jahre lang von CDU und FDP und ihrer Haushaltsstrukturkommission regiert. Diese Politik war, so wurde uns damals gesagt, alternativlos.

(Christopher Vogt [FDP]: Schuldenbremse!)

Es sei gar nichts anderes machbar. Wer den Menschen doch etwas anderes verspreche, der lüge sie schlicht an.

Unsere Überzeugung war eine andere. SPD, Grüne und SSW wollten und konnten das nicht glauben. Wir wollten eine andere Politik. Wir waren davon überzeugt, dass sich auch die Einhaltung der von uns mitbeschlossenen Schuldenbremse mit einer Politik für Bildung, soziale Gerechtigkeit und Nachhaltigkeit verbinden lassen muss.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Vorsorgende Finanzpolitik darf nicht an einer Schuldenbremse scheitern, sondern sie muss die Antwort auf diese sein. Auf diesem Verständnis, meine sehr geehrten Damen und Herren, fußt die Idee unseres Politikwechsels, ein Politikwechsel, der gerade in schwierigen Zeiten einen anderen Regierungsstil mit Leben erfüllt hat, ein Politikwechsel, der mit einer anderen Ausrichtung die Zukunft des Landes Schleswig-Holstein gestaltet, ein Politikwechsel, der von Parteien getragen und umgesetzt wird, die eine gemeinsame Idee verbindet: unser Bündnis für den Norden. Der Koalitionsvertrag unserer Küstenkoalition beinhaltet all dies.

Ich danke unserem Ministerpräsidenten Torsten Albig für seine überzeugende Regierungserklärung, die die beeindruckenden Erfolge unserer Politik für Schleswig-Holstein in den vergangenen zweieinhalb Jahren dargestellt hat, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW - Lachen CDU)

Sie hat darüber hinaus aufgezeigt, wie die Perspektiven für die zweite Halbzeit dieser Legislaturperiode sind.

(Lachen CDU und FDP - Christopher Vogt [FDP]: Eine große Männerfreundschaft!)

Eingeleitet haben diesen Politikwechsel aber nicht unsere Parteien und Fraktionen alleine, nicht wir in diesem Hause, nicht Anke Spoorendonk oder Lars Harms, nicht Robert Habeck oder Eka von Kalben, nicht Torsten Albig oder auch ich, sondern ermöglicht haben diesen Politikwechsel die Menschen in

Schleswig-Holstein. Sie haben nämlich am 6. Mai 2012 ihre Stimme abgegeben und so eine Koalition mit einer parlamentarischen Mehrheit ausgestattet, die es anders und vor allem besser machen wollte und, wie wir heute alle gesehen haben, auch besser machen kann, meine Damen und Herren.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW - Zuruf Wolfgang Kubicki [FDP])

Sie hat es viel besser gemacht als dieses abgewählte konservativ-neoliberale Regierungsbündnis vor zweieinhalb Jahren.

(Christopher Vogt [FDP]: Sie wissen doch gar nicht, was liberal ist!)

- Nur kein Neid, Herr Kollege! Der Regierungswechsel 2012 war die Voraussetzung für den Politikwechsel in Schleswig-Holstein. Meine Partei hat intensiv unter Beteiligung aller Mitglieder darüber beraten, wie wir in den Landtagswahlkampf ziehen wollen. Unser Spitzenkandidat Torsten Albig hat in seinem „Demokratiesommer“ in bisher nicht gekanntem Umfang mit den Menschen gesprochen. Das Ergebnis wurde die Basis für unser Regierungsprogramm.

Es waren diese Botschaften, die wir mit in die Koalitionsverhandlungen genommen haben und die auch heute unsere Politik bestimmen, die Basis einer Küstenkoalition dreier Fraktionen und einer erfolgreichen Landesregierung, die eine gemeinsame Idee für unser Land verfolgen, nämlich dass wir das Leben der Menschen besser zu machen haben, meine sehr verehrten Damen und Herren. Das ist unsere Idee von Schleswig-Holstein.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Aufmerksamkeit für Themen und Glaubwürdigkeit hat der Wissenschaftler Friedbert Rüb als wichtige Faktoren bei der Umsetzung eines erfolgreichen Politikwechsels benannt.

(Zuruf Hans-Jörn Arp [CDU])

Unsere Aufmerksamkeit gilt der Gerechtigkeit in diesem Land, unsere Glaubwürdigkeit der verlässlichen Umsetzung unserer Wahlversprechen. Nicht umsonst hat die SPD-Fraktion ihre Halbzeitbilanz betitelt mit „Versprochen. Gehalten!“. Die Liste ist viel länger, als meine Redezeit heute sein kann. Deswegen kann ich Ihnen nicht alles im Einzelnen erläutern.

Herr Kollege Günther, ich muss Ihnen ehrlich sagen: Einige von uns können mit Stolz auf die Vergangenheit zurückblicken, andere müssen sich auf

(Dr. Ralf Stegner)

ihre Amnesie begrenzen, Herr Kollege. Das ist in der Tat der Unterschied zwischen uns beiden. Das hat man heute ja auch gemerkt.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Der Kern des Politikwechsels in den vergangenen zweieinhalb Jahren liegt im Verständnis einer anderen Finanzpolitik, nämlich einer vorsorgenden Finanzpolitik, die wir nach dem ungerechten Kürzungskonzept von CDU und FDP eben anders gemacht haben: konsolidieren und investieren. Wir konsolidieren den Haushalt und investieren in die Zukunft des Landes, in Bildung und Infrastruktur.