Protokoll der Sitzung vom 12.12.2014

(Beifall)

Auch wenn wir nicht immer einer Meinung sind manchmal ja schon -, freuen wir uns ganz besonders, dass du wieder den Umweltausschuss übernehmen wirst. Ein guter Rat: Übertreib es nicht gleich wieder!

(Zuruf von der CDU: Womit?)

- Das ist euren Gedanken überlassen.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Seit meiner ersten Legislaturperiode, also seit 2000 diskutieren wir über das Tierschutz-Verbandsklagerecht. Heute endlich legt die rot-grün-blaue Koalition einen Gesetzentwurf vor, der das bisherige Ungleichgewicht zwischen der Lobby der Tiernutzer und dem Tierschutz beendet. Mein Dank gilt insbesondere Detlef Matthiessen, der dies für unsere Koalition federführend vorangetrieben hat.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Tiere können ihre Interessen nicht selbst artikulieren. Sie brauchen eine rechtliche Vertretung.

(Beifall Dr. Heiner Garg [FDP])

- Zu Ihnen komme ich noch, Herr Dr. Garg. - Damit geben wir ein deutliches Signal für den Tierschutz.

Mit der Aufnahme des Tierschutzes ins Grundgesetz und in die Landesverfassung ist das Verbandsklagerecht eine logische Weiterentwicklung und ebenso eine Konsequenz. Tiere haben nicht nur eine Daseinsberechtigung, sondern sie gehören zum Kreislauf der Natur und müssen unseren Schutz genießen.

(Beifall SPD und SSW)

Schleswig-Holstein ist auf diesem Weg nicht allein. Bundesweit gibt es eine engagierte Diskussion. Fünf weitere Bundesländer haben sich entschlossen, den Tieren eine Stimme zu geben und werden damit dem hohen Stellenwert des Tierschutzes in unserer Gesellschaft gerecht. Ich möchte jetzt nicht alles wiederholen, was Detlef Matthiessen schon ausgeführt hat, komme aber gleich noch zu einigen Punkten, die von Herrn Rickers angeführt wurden.

Die immer wieder vorgetragenen Argumente der Gegner greifen aus unserer Sicht nicht.

(Beifall Dr. Heiner Garg [FDP])

Das zeigen die Erfahrungen im Naturschutz mit nur wenigen, aber zumeist erfolgreichen Klagen der Naturschutzverbände. Es hat übrigens einen Grund, warum diese Klagen erfolgreich sind. Mit seinen hohen Anforderungen an die klageberechtigten Verbände gefährdet dies weder die Zukunftsfähigkeit der Landwirtschaft noch den Forschungsstandort Schleswig-Holstein.

(Beifall SPD und SSW)

Auch die Erfahrungen der anderen Bundesländer im Umgang mit dem Verbandsklagerecht zeigen, dass sehr verantwortlich mit dieser Möglichkeit umgegangen wird. Wenn wir uns einmal anhören, wie es in anderen Bundesländern läuft, insbesondere in denen, die es schon länger so haben, dann kann ich bisher von dem, was Herr Rickers vorgetragen hat, nicht eine einzige Klage erkennen. Ich glaube, es ist reine Panikmache, was Sie betreiben.

Nach einer umfangreichen Anhörung im Frühjahr gab es neben Lob auch Kritik an unserem Gesetzentwurf. Dies haben wir ernst genommen und legen Ihnen heute deshalb einen überarbeiteten Gesetzestext vor. Bedanken möchte ich mich bei vielen Vereinen und Verbänden, die engagiert für die Rechte der Tiere streiten, aber auch bei Dr. Heiner Garg, Lars Harms und unserem ehemaligen Umweltminister Klaus Müller, die in der Vergangenheit immer an unserer Seite standen.

(Beifall SPD, SSW und vereinzelt BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN)

Heute, liebe Kolleginnen und Kollegen, ist ein guter Tag für den Tierschutz in Schleswig-Holstein. Ich bitte Sie um Zustimmung zu unserem Gesetzentwurf.

(Beifall SPD, SSW und vereinzelt BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank. - Für die FDP-Fraktion spricht der Herr Abgeordnete Oliver Kumbartzky.

Sehr geehrte liebe Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Dieses Thema war in den letzten Legislaturperioden in der Tat schon öfter auf der Tagesordnung. Für die FDP-Fraktion gilt nach

wie vor: Tierschutz einstimmig ja, und Verbandsklagerecht mehrheitlich nein. Ich will Ihnen unsere mehrheitliche Ablehnung gerne begründen und will die nächsten viereinhalb Minuten nutzen, den einen oder anderen vielleicht noch davon zu überzeugen, gegen den Gesetzentwurf zu stimmen, Ich meine wegen des Themas Datenschutz insbesondere die PIRATEN, vielleicht auch einige Kolleginnen und Kollegen von der SPD. Schauen wir einmal.

Wir haben rechtliche Bedenken, wie schon gesagt, zum Beispiel beim Datenschutz, aber auch sachliche fachliche Einwände. Das Gesetz ist, das muss man leider so sagen, vielleicht gut gemeint, aber an einigen Stellen nicht wirklich gut gemacht.

(Vereinzelter Beifall CDU)

Es kann eben dazu kommen, dass der bürokratische Aufwand bei den Behörden steigt und damit die Arbeitszeit für den wirklichen, praktischen Tierschutz vor Ort verlorengeht. Das ist genau das Problem.

(Vereinzelter Beifall CDU)

Was wir nicht verkennen dürfen, meine Damen und Herren, ist die Tatsache, dass die Aufgabe des Tierschutzes vom Gesetzgeber mit dem Tierschutzgesetz an die staatlichen Verwaltungsbehörden und damit an die verbeamteten Tierärzte übertragen wurde. Da empfehle ich einen Blick in die Berufsordnung der Tierärztekammer SchleswigHolstein - Detlef Matthiessen wird das kennen -: § 1 Absatz 2 sagt aus, dass Tierärzte berufene Schützer der Tiere sind. Mir erschließt sich auch nicht, warum private Tierschutzverbände eine höhere Sachkompetenz als diese Tierärzte haben sollten.

Ganz besonders hat mich die Begründung des Gesetzes erschüttert. Auch im neuen Gesetzentwurf steht dort gleich am Anfang: Verwaltungsakte werden nicht selten im Zweifelsfall zulasten der Tiere getroffen. - Das schreiben Sie so, „im Zweifelsfall zulasten der Tiere“. Das entbehrt nicht nur jeglicher Grundlage, Frau Redmann, sondern es zeugt von einem tiefen Misstrauen gegenüber den Veterinärund Ordnungsämtern.

(Vereinzelter Beifall CDU)

Zudem stellt das Gesetz auch die Arbeit der Kreise und Kommunen als zuständige Baugenehmigungsbehörde infrage. Wo wir gerade bei Baugenehmigungsbehörden sind: Das Gesetz zielt nicht nur auf die Tierschutzbehörden, sondern auch auf die rund 140 örtlichen Ordnungsbehörden der Städte, Gemeinden und Ämter. Soweit ist auch bis jetzt noch

kein anderes Tierschutzgesetz in anderen Bundesländern gegangen. Ich halte es für vollkommen überzogen und kontraproduktiv, dass dieses Gesetz auch in den Bestandsschutz eingreift.

(Vereinzelter Beifall CDU)

Völlig außer Acht lassen Sie das Thema Datenschutz. Da möchte ich gerne etwas erklären. Ich bitte Sie wirklich, ganz genau zuzuhören. Ich glaube, es ist in der Anhörung nicht so richtig deutlich geworden. Auch mir ist es erst in den letzten Tagen richtig klar geworden. Es ist wirklich ein großes Problem, was in diesem Gesetz geschrieben steht. Ich mache das an einem Beispiel fest. Laut vorliegendem Gesetzentwurf sind Rechtsbehelfe zu Verfügungen nach § 16 a Tierschutzgesetz, also Erlasse von örtlichen Ordnungsbehörden, möglich. In einer verwaltungsrechtlich korrekt erstellten Ordnungsverfügung sind von der Behörde sämtliche Sachverhalte ausführlich zu schildern und zu bewerten. Dies beinhaltet selbstverständlich auch persönliche Verhältnisse und Verhaltensweisen, die letztendlich zu einer Verhaltensprognose und daraus resultierend zu Anordnungen oder der Androhung von Zwangsmaßnahmen führen. Diese Inhalte, meine Damen und Herren, dürfen meiner Meinung nach nicht in einem Verein auf einer Mitgliederversammlung, auf einer öffentlichen Versammlung, in Umlauf gebracht und diskutiert werden. Die Unverletzlichkeit von Grundrechten muss auch für Tierhalter gelten.

(Vereinzelter Beifall FDP und CDU)

Um das noch einmal zu untermauern: Die Anordnungen nach § 16 a Tierschutzgesetz sind grundsätzlich nicht öffentlich und werden auch im verwaltungsrechtlichen Verfahren nicht veröffentlicht. Hier sind verwaltungsrechtliche Verfahren strikt von Bußgeld- oder Strafverfahren abzugrenzen und zu unterscheiden. Man darf es auch nicht mit Gerichtsverfahren verwechseln. Ich hatte diese Frage schon im Ausschuss gestellt. Da kam einen Tag später eine Mail vom Ministerium. Da wurde nur auf Gerichtsverfahren Bezug genommen und nicht auf das, was ich eben sagte.

Wenn man das Gesetz nun so in Kraft treten lässt, ist das damit vergleichbar, als wenn man alle im Rahmen eines strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens oder durch eine Hausdurchsuchung zusammengetragenen Fakten vor Eröffnung eines Verfahrens und somit vor Erhebung der Anklage öffentlich macht. Das ist wirklich ein datenschutzrechtlicher Alptraum, meine Damen und Herren, das sage ich gerade Ihnen von den PIRATEN. Ich kann mir

(Oliver Kumbartzky)

beim besten Willen nicht vorstellen, dass Sie dem einfach so zustimmen werden. Außerdem wäre mit diesem Gesetz der Vorverurteilung Tür und Tor geöffnet.

(Vereinzelter Beifall FDP und CDU)

Aus diesen Gründen lehnt die FDP-Fraktion das Gesetz mehrheitlich ab. Ich verwahre mich entschieden dagegen, dass daraus jetzt unterstellt wird - es ist nicht unterstellt worden, das wollen Sie auch nicht, das finde ich gut -, dass die FDP gegen Tierschutz sei. Ich möchte es noch einmal ganz klar sagen: Die gesamte FDP-Fraktion ist natürlich für den Tierschutz. Wir räumen dem Tierschutz einen hohen Stellenwert ein. Wir haben ihn gemeinsam eingefordert und durch unsere Initiative auch in die Landesverfassung aufgenommen. Es gibt auch noch eine Initiative zur Änderung des Bundesgesetzes, die wir hoffentlich sehr bald beschließen werden. Abschaffung der Rasseliste ist das Stichwort. Auch da wollen wir für mehr Tierschutz sorgen.

Es hat sich in Sachen Tierschutz in den letzten Jahren sehr viel getan. Wir brauchen auch weiterhin einen lösungsorientierten Dialog über Transparenz und Tierwohl in der Landwirtschaft. Hier sind gute Ansätze vorhanden, aber den heute vorliegenden Gesetzentwurf halte ich persönlich nicht für einen guten Ansatz, insbesondere wegen des Themas Datenschutz. - Ich danke für die Aufmerksamkeit.

(Vereinzelter Beifall FDP und CDU)

Vielen Dank. - Für die Fraktion der PIRATEN hat das Wort Frau Abgeordnete Angelika Beer.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die datenschutzrechtlichen Bedenken der FDP, wie sie auch in der Pressemitteilung vom 5. November 2014 vorgetragen worden sind, haben wir nach bestem Wissen und Gewissen geprüft. Ich kann nicht bestätigen, dass sie zutreffen. Wir werden dem Gesetz zustimmen. Ich will kurz begründen, warum.

(Vereinzelter Beifall PIRATEN und SPD)

Ich will gleich sagen, ich möchte nicht, dass nach dieser Debatte in der Öffentlichkeit der Eindruck entsteht, im Bereich Tierschutz sei bei uns alles in Ordnung. Deswegen werde ich Einzelbeispiele beschreiben, um zu zeigen, dass im Bereich Tierschutz nach wie vor, auch wenn wir den Tieren

diese Stimme geben, Handlungsbedarf aus unserer Sicht vorhanden ist.

Ich denke, es ist gut - das sage ich einfach einmal -, dass heute ein Wahlversprechen tatsächlich eingehalten wird. Es hat lange gedauert. Die Anhörung hatte aber auch sehr wichtige Hinweise gebracht. Deswegen ist diese Zeit notwendig gewesen.

Wie dramatisch die Situation für Tiere und die Schieflage trotzdem noch ist, mache ich am Beispiel der Berichterstattung vom Montag deutlich. Da war in der „taz“ zu lesen, dass die Pelztierfarm Soerensen in Plön mit einer Klage vor dem Oberverwaltungsgericht Erfolg hatte. Das seit 2011 für Nerze vorgeschriebene Platzangebot von mindestens 1 m² müssen die Soerensens nun doch nicht einhalten. Die Tiere bleiben weiterhin in etwa 0,3 m² große Käfige eingepfercht. Das ist der real existierende Widerspruch zu dem, was wir ändern wollen.