Protokoll der Sitzung vom 12.12.2014

Wie dramatisch die Situation für Tiere und die Schieflage trotzdem noch ist, mache ich am Beispiel der Berichterstattung vom Montag deutlich. Da war in der „taz“ zu lesen, dass die Pelztierfarm Soerensen in Plön mit einer Klage vor dem Oberverwaltungsgericht Erfolg hatte. Das seit 2011 für Nerze vorgeschriebene Platzangebot von mindestens 1 m² müssen die Soerensens nun doch nicht einhalten. Die Tiere bleiben weiterhin in etwa 0,3 m² große Käfige eingepfercht. Das ist der real existierende Widerspruch zu dem, was wir ändern wollen.

Genauso schlimm ist ein Fall, der eben angesprochen worden ist. Ich finde es dramatisch. Lieber Herr Kollege, Sie haben es so dargestellt, als wenn der Hof Straathof zu Unrecht angezeigt worden wäre und die Berechtigung zur Schweinehaltung zu Unrecht entzogen worden wäre. Wer den Bericht auch heute Morgen gesehen hat, kann nur sagen: Es ist viel zu spät die Konsequenz gezogen worden,

(Beifall PIRATEN und FDP)

trotz des Nachweises, dass dort Tierquälerei stattgefunden hat. Es reicht, dass ein solcher Hofbesitzer sagt, er sehe das vollkommen anders, seine Anwälte hätten das geprüft, seinen Tieren gehe es gut. Dann werden die Tiere weiter gequält. Das ist absolut unverantwortlich. Ich weiß nicht, wie Sie das als exemplarisches Beispiel für eine Ungerechtigkeit gegenüber einem Tierhalter vorzeigen können.

(Zuruf CDU: Habe ich nicht gesagt!)

Frau Kollegin, gestatten Sie eine Bemerkung des Abgeordneten Rickers?

Ich habe ihm sehr genau zugehört. Bitte.

Frau Kollegin, wenn ich darf: Ich habe genau das Gegenteil behauptet. Ich habe gesagt, wir können es nur begrüßen, dass der Apparat Staat in seinen Instanzen genau das gemacht hat, was wir gestern Abend im „heute-journal“ aktuell ge

(Oliver Kumbartzky)

sehen haben, nämlich die Betriebserlaubnis entzogen. Dem können wir nur zustimmen und klatschen. Das macht in seinen Instanzen die Kontrollbehörde, Ordnungsamt, Kreisveterinäramt. Dagegen kann der Betroffene Einspruch einlegen. Aber das können Sie nicht den Laien überlassen. Es ist da genau richtig gelaufen. Nach wie vor - ich sage das noch einmal im Namen der Fraktion - unterstützen wir, dass dem die Lizenz entzogen wurde.

(Vereinzelter Beifall CDU)

- Herr Kollege, ich muss klar widersprechen. Das zeigt nämlich, dass die Aufsicht über die Behörden und die Art der Kontrolle weitestgehend versagt haben. Es kann nicht sein, dass über fünf Jahre Ferkel massenweise getötet werden oder kein Futter mehr bekommen, wo es auch zu Hygieneverstößen kommt, wo immer wieder ermahnt wird, der Verantwortliche solle es verändern, wo wieder geprüft wird und über fünf Jahre keine Änderung erfolgt.

(Beifall Dr. Patrick Breyer [PIRATEN])

Dann entzieht man ihm endlich die Genehmigung, und dann hat er das Recht, sich dagegen zu wehren, und kann die gleiche Tierquälerei weiterführen. Das kann dem Verbraucher nicht recht sein. Wer würde heute noch ein Schnitzel von diesem Hof essen, wenn er die Bilder gestern im Fernsehen gesehen hat?

Frau Abgeordnete, gestatten Sie eine weitere Bemerkung des Herrn Abgeordneten Rickers?

Eine abschließende Frage dazu. Wie sehen Sie das, anders als wir? In einem Rechtsstaat gehen wir doch davon aus, dass genau dieser Tatbestand am Ende gerichtlich geklärt wird. Das verlangen wir. Das darf nicht laienhaft aus irgendeiner Verbandsebene heraus geklärt werden,

(Sandra Redmann [SPD]: Das passiert doch auch gar nicht!)

sondern dass muss gerichtlich geklärt werden. Deswegen sind die Behörden vor Ort genau richtig vorgegangen. - Vielen Dank.

(Eka von Kalben [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN]: Der Verband richtet nicht!)

- Kollege Rickers, es geht doch darum, wie im Moment die Praxis ist. Die Praxis ist unzureichend. Ich denke, die Erfahrung in den anderen Bundesländern - Herr Kollege Matthiessen hat es gesagt -, Nordrhein-Westfalen, Bremen, Hamburg, Saarland, Rheinland-Pfalz, zeigt, dass nur in Ausnahmen die zugelassenen akzeptierten Tierschutzverbände initiativ geworden sind. Ich glaube, es gibt drei Klagen. Das ist doch keine Massenklage und betrifft auch diesen Fall nicht.

(Vereinzelter Beifall PIRATEN)

Was ich Ihnen aber auch sagen möchte - ich darf das hier im Detail nicht tun, weil wir zweimal eine vertrauliche Unterrichtung durch die Staatsanwaltschaft hatten -: Es wird in Zukunft zu überprüfen sein, ob die Ordnungsbehörden, die dem Minister unterstehen, ihre Verantwortung wirklich in jedem Einzelfall in der Vergangenheit und in der Gegenwart wahrgenommen haben, oder auch andersherum, ob es zu Maßnahmen durch entscheidende Stellen im Bereich der Strafprozessordnung gekommen ist, die zu Unrecht getroffen worden sind. Deswegen habe ich eingangs gesagt: Wir werden diese Debatte zukünftig hier noch führen müssen. Das Gesetz ist gut, aber es wird nicht verhindern, dass wir im Bereich Tierschutz Probleme in SchleswigHolstein haben.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich denke, es kommt eben einfach zur rechten Zeit. Denn man kann auch sagen: Wo kein Kläger ist, ist kein Beklagter. Die Tiere haben bisher nun einmal keine Stimme gehabt. Es ist wichtig, dass in besonderen Fällen zum Beispiel der Tierschutzbund SchleswigHolstein das Recht bekommt, sich darum zu kümmern.

(Beifall Dr. Patrick Breyer [PIRATEN] und Detlef Matthiessen [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Herr Kumbartzky, wenn Sie sagen, dass wir einen lösungsorientierten Dialog über Transparenz und Tierwohl in der Landwirtschaft und keine Klageflut brauchen: Zu Transparenz und Tierwohl gebe ich Ihnen völlig recht. Ich beziehe mich auf Ihre Pressemitteilung; Sie wissen das. Aber dann würde ich Sie gerne einmal fragen: Wo verorten Sie eigentlich den Runden Tisch zum Tierschutz? Wir haben beide zweimal daran teilgenommen. Das ist genau das, was wir brauchen und was parallel zu den gesetzlichen, den Klagemöglichkeiten weiter intensiviert

(Angelika Beer)

werden sollte. Oder sehen Sie das auch als Gängelung?

(Oliver Kumbartzky [FDP]: Eben nicht!)

- Okay. Man muss nachfragen, weil die Positionierung in Ihrer Pressemitteilung widersprüchlich war.

Wenn Sie Klagen für den falschen Weg halten, warum haben Sie und die FDP in den vergangenen Jahren nicht schon alles dafür getan und sich dafür eingesetzt, dass zum Beispiel das Schnabelkürzen beendet wird?

(Beifall Dr. Patrick Breyer [PIRATEN])

Im Übrigen erstaunt mich die Argumentation Ihres Parteikollegen Friedrich Bullinger, der das Tierschutz-Verbandsklagerecht mit der Begründung ablehnt, dass - Zitat - die Tierschutzstandards in Deutschland zu den höchsten der Welt gehörten. Das erstaunt mich schon, gerade aus dem Munde der FDP. Das ist so, als würde die FDP höhere Investitionsausgaben wie gestern auf einmal mit der Begründung ablehnen, dass Deutschland bereits Exportweltmeister und eines der reichsten Länder der Welt ist. Stattdessen lautet Ihr Mantra aber wie gestern: Investitionsausgaben müssen steigen, müssen steigen, müssen steigen. Wissen Sie was? In diesem Ausnahmefall stimme ich Ihrer Logik sogar zu: Der Tierschutz muss weiter verbessert werden. Ich danke für die Aufmerksamkeit.

(Beifall PIRATEN und Jette Waldinger- Thiering [SSW])

Vielen Dank, Frau Kollegin. - Das Wort hat nun der Abgeordnete Flemming Meyer für die Kolleginnen und Kollegen des SSW.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Wie bereits erwähnt, ist in vorherigen Legislaturperioden der Versuch unternommen worden, ein Tierschutz-Verbandsklagerecht in Schleswig-Holstein einzuführen. Leider ist es seinerzeit immer wieder an den jeweiligen Regierungsmehrheiten gescheitert. Dies wird sich mit dem heutigen Tag Gott sei Dank ändern.

(Beifall SSW und vereinzelt SPD)

Der SSW hat sich seit Langem für das TierschutzVerbandsklagerecht eingesetzt. Dies haben wir nicht aus ideologischen Gründen getan, sondern aus konsequenten Erwägungen heraus. Tiere sind in

Deutschland durch das Tierschutzgesetz und durch Verordnungen geschützt. Zudem ist der Tierschutz seit 2002 sogar im Grundgesetz verankert. Auch in Schleswig-Holstein hat der Tierschutz mittlerweile Verfassungsrang. Daher ist die Einführung der Tierschutz-Verbandsklage die logische politische Weiterentwicklung dessen, was wir bereits an Vorgaben haben. Daher wollen wir die Sache jetzt rund machen, indem wir für Schleswig-Holstein die rechtliche Grundlage für ein Tierschutz-Verbandsklagerecht beschließen.

Wie gesagt, es gibt eine Reihe von Regelungen hinsichtlich der Haltung von Tieren oder des Tierschutzes, aber wenn es darauf ankommt, haben Tiere letztendlich keine rechtlichen Vertreter,

(Beifall SSW und vereinzelt SPD)

sprich: anerkannte Tierschutzorganisationen, die eine solche Aufgabe übernehmen könnten. Das ist der Grund, warum wir eine gesetzliche Regelung benötigen. Unsere Rechtsordnung sieht vor: Wer nicht selbst sein Recht wahrnehmen kann, erhält einen gesetzlichen Vertreter. Wenn es beispielsweise um Belange des Umwelt- oder Naturschutzes geht, dürfen entsprechende Vertreter das Klagerecht wahrnehmen. Solche Mitwirkungs- und Vertretungsrechte gibt es für die Belange der Tiere nicht. Ein Klagerecht für Tierschutzverbände entspräche daher dem grundsätzlichen Klagerecht.

Die rechtliche Handhabe von Tierschutzorganisationen ist derzeit eher als gering einzustufen. Nur wenn anerkannten Tierschutzverbänden ein solches Verbandsklagerecht ermöglicht wird, ist es möglich, die Einhaltung tierschutzrechtlicher Vorschriften gerichtlich überprüfen zu lassen. Diese Möglichkeit werden wir künftig für anerkannte Tierschutzverbände schaffen.

Der Gesetzentwurf wurde in mehreren Ausschusssitzungen beraten, und es hat zudem eine Anhörung gegeben. Die vorliegende Fassung der Beschlussempfehlung ist nunmehr das Ergebnis eines ausführlichen parlamentarischen Verfahrens. Wir haben die vorgebrachten Hinweise und Bedenken bezüglich der unverhältnismäßigen Weite und der Unbestimmtheit von gesetzlichen Tatbeständen sehr ernst genommen und dem Rechnung getragen, indem die entsprechenden Passagen konkretisiert wurden.

(Beifall SPD und Detlef Matthiessen [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Angesichts der Erfahrungen aus anderen Ländern, in denen es die Verbandsklage bereits gibt, teile ich

(Angelika Beer)

die Bedenken, dass künftig eine Prozessflut von den anerkannten Tierschutzverbänden auf uns zukommt, bestimmt nicht. Vielmehr wird deutlich, dass dort mit diesem Instrument sorgsam umgegangen wird. Mit dem Verbandsklagerecht verhelfen wir den Tieren in Schleswig-Holstein zu dem Schutz, der ihnen in gewisser Weise rechtlich zusteht. - Jo tak.

(Beifall SSW, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, bevor wir zu den Dreiminutenbeiträgen kommen, bitte ich Sie, mit mir zusammen einen Gast im Haus zu begrüßen. Es ist der CDU-Landesvorsitzende Ingbert Liebing, der soeben eingetroffen ist. - Herzlich willkommen im Kieler Landeshaus!

(Beifall)