Wir werden das kanadische Punktesystem im Ausschuss noch kritisch analysieren. Wir sind ein bisschen skeptisch, wie flexibel und zeitnah ein Kriterienkatalog auf die Anforderungen des Arbeitsmarkts reagieren kann. Bis die gesuchten Berufe Eingang in Verwaltungsvorschriften gefunden haben, verstreicht viel Zeit. Vielleicht ist Kanada dabei flexibler als Deutschland. Das sagt mir jedenfalls meine Erfahrung als Verwaltungsbeamtin. Insofern müssen wir prüfen, ob das für uns das richtige Kriterium ist und ob wir so wirklich zeitnah, schnell und individuell reagieren können.
Wenn wir das Einwanderungsrecht neu gestalten, brauchen wir auch einen neuen Ansatz in der Bildungspolitik. Ein Bildungsangebot für diejenigen, die zu uns kommen, gehört zwingend dazu.
Ich sage jedoch nicht, dass alle Menschen, die zu uns kommen, in Deutschland bleiben können und bleiben sollen. Das kann sicherlich nicht funktionieren. Es ist aber doch - mit Verlaub - hinreichend schwachsinnig, jemandem, der gut ausgebildet ist, der die Chance auf einen Arbeitsplatz hat und der dringend gebraucht wird, zu sagen: Du bist nur ein Wirtschaftsflüchtling. Du musst erst einmal ausreisen. Dann kannst du bei der Botschaft erneut anfragen, ob du einreisen kannst, um diesen Arbeitsplatz vor Ort zu besetzen.
Wenn das unser Ansatz ist, dann wird sich dieser Mensch schnell für ein anderes europäisches oder nichteuropäisches Land entscheiden. Andere Länder stehen im Wettbewerb mit uns. Es ist mitnichten so, dass andere Länder das demografische Problem nicht haben, das wir haben. Auch diese Länder suchen zunehmend gut ausgebildete Leute. Wenn wir die Hürden zu hoch setzen und denjenigen, die schon hier sind, sagen: „Tschüss, jetzt wirst du erst einmal abgeschoben, aber du kannst gern versuchen, über ein Punktesystem wieder hier einzuwandern“, dann kann es uns passieren, dass der eine oder andere Klempner oder die eine oder andere Ärztin sehr schnell in ein anderes europäisches Land abwandert, wo er beziehungsweise sie sich mehr willkommen fühlt. Das fände ich nicht nur aus humanitären, sondern auch aus volkswirtschaftlichen Gründen nicht schlau.
Deswegen möchte ich - Sie haben das vorhin in der Nachfrage ein wenig ausgeräumt - dafür werben, dass wir Flüchtlingspolitik und Integrationspolitik nicht mehr trennen. Ich habe den Eindruck, dass wir uns hierbei im letzten Jahr sehr stark aufeinander zubewegt und dass wir diesen Punkt wieder aufgemacht haben. Wir sind unbedingt der Meinung, dass das zusammen gedacht werden muss. Ich habe auch das Gefühl, dass die Küstenkoalition in dieser Frage auf einem sehr guten Weg ist.
Meine Damen und Herren, die Einwanderung kann nur funktionieren, wenn es wirklich den Menschen so geht, dass sie sagen: Im Moment ist Deutschland noch ein sehr beliebtes Land, zum Glück. - Die Menschen sollten sich hier willkommen fühlen und auch sicher fühlen. Dazu gehört natürlich auch die schwierige Debatte um eine zumindest in manchen Regionen stärker werdende Ausländerfeindlichkeit.
Ich habe aus Dresden von einer befreundeten Fraktion die Anfrage bekommen, dass diese ganz dringend einen Juristen sucht. Daraufhin habe ich mei
ne Tochter in Berlin gefragt, die Juristin ist, ob sie nicht jemanden kennt. Sie sagte: Das klingt ja interessant. Aber für mich kommt das nicht infrage, denn ich habe einen italienischen Mann. Ich gehe nicht nach Dresden.
Weil ich Dresden sehr mag, tat mir das sehr leid. Ich war mir nicht sicher, ob diese sehr spontan geäußerte Meinung für viele Menschen zutrifft. Aber ganz spontan entsteht ein Gefühl, dass man sich mit einem Menschen, der sehr südländisch aussieht, nicht sicher und in einer wunderschönen deutschen Stadt nicht wohlfühlt, die sich aufgemacht hat, modern zu werden. Sicherlich sind die Leute dort politisch mehrheitlich der Meinung, dass jeder dort willkommen ist. Aber - das sage ich bewusst - eine Minderheit zerstört einen Ruf. Das dürfen wir nicht zulassen. Wir müssen uns parteiübergreifend alle dafür einsetzen, dass das nicht das Bild für Deutschland wird.
- Ich fische nicht gern nach Komplimenten, aber dass Sie von der CDU das nicht unterstützen können, kann ich, ehrlich gesagt, nicht so richtig verstehen.
Ich bin sehr dankbar für den Vorschlag der FDP. Er zeigt den Weg auf, den Deutschland dringend gehen muss - eher gestern als morgen. Daher unterstütze ich eine Bundesratsinitiative - sicherlich nach ausführlichen Diskussionen im Ausschuss - von ganzem Herzen.
Die Richtung ist klar: Deutschland und besser noch Europa - diesen Aspekt konnte ich jetzt nicht ausführen - brauchen ein flexibleres Einwanderungsrecht. - Vielen Dank.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lieber Kollege Garg! Er hört gerade nicht zu, aber vielleicht der Kollege Kubicki. Sie haben so viel
Lob von allen Seiten bekommen, dass ich zu Anfang sagen möchte: Die Rede des Kollegen Garg fand ich richtig gut. Da kann ich fast alles unterschreiben. Das Gleiche kann ich nicht zu Ihrem Antrag sagen. Insofern haben wir da Diskussionsbedarf.
Die Debatte um ein Einwanderungsgesetz in Deutschland wird seit Anfang 2000 immer wieder angestoßen. Damals hat der Bundesinnenminister der SPD, Otto Schily, sie blockiert und durch das Zuwanderungsgesetz so weit zusammengestampft, dass das Grundrecht auf Asyl weiter eingeschränkt wurde.
Jetzt kommen die Forderungen sowohl aus Teilen der CDU als auch der SPD und FDP: Wir finden das gut. - Herr Oppermann hat angekündigt, dass er das Rahmenkonzept noch im Februar vorlegen wird. Das sollte in unsere Diskussionen in den entsprechenden Ausschüssen einfließen.
Aus unserer Sicht gilt es, erst einmal festzustellen: Eine Chance auf Asyl in Deutschland hat nur, wer als politisch verfolgt gilt. Sogenannte Armutsflüchtlinge haben kaum eine Chance. Dabei sind auch unter diesen Flüchtlingen viele Studenten und Fachkräfte oder arbeitsfähige und -willige Menschen, die in diesem Land einen wertvollen Beitrag leisten könnten und wollten, wenn sie dürften. Wer eine moderne Einwanderungspolitik fordert, muss auch Menschen berücksichtigen, die konkrete Hilfe in akuter Not benötigen. Diese kann und darf man nicht einfach aussortieren, weil sie vordergründig kaum oder gar keine persönlichen oder beruflichen Qualifikationen aufweisen, um aktiv zum Bruttoinlandsprodukt beizutragen. Diese kann man auch nicht aussortieren, und wir wollen sie nicht aussortieren, weil sie keinen politischen, sondern einen persönlichen Fluchtgrund haben, den wir ebenfalls anerkennen. Alle Menschen können, wenn man sie an die Hand nimmt, nicht nur vor dem Hintergrund des demografischen Wandels in unserem Land wertvolle Teile unserer Gesellschaft werden, wenn sie es denn wollen und wenn man sie fordert sowie fördert und dabei auf die einzelnen Individuen eingeht.
Dabei gilt es zu verinnerlichen, dass nicht nur Krieg ist, wenn Bomben fallen. Auch die Flucht vor Hunger oder Folter treiben Menschen dazu, ihr Heimatland und das ihnen vertraute Umfeld zu verlassen, weil sie um ihr Überleben kämpfen, weil sie für sich und ihre Kinder in ihrem Heimatland keine Perspektiven mehr sehen.
Die Öffnung des Landes für Migranten und Flüchtlinge aus der ganzen Welt und deren Auswahl darf nicht ausschließlich auf der Grundlage individueller Voraussetzungen, die sich an gesellschaftlichen und volkswirtschaftlichen Zielvorgaben orientieren, erfolgen. Da habe ich ein Fragezeichen beim Antrag der FDP. Ich kann die Bemerkungen des Kollegen Stegner dazu voll unterstreichen. Eine Öffnung ausschließlich an Wertschöpfungsprozessen orientiert, eine Willkommenskultur nur für Eliten, wird es mit uns PIRATEN jedenfalls nicht geben.
Hierin - wenn wir zurückschauen; ich habe das Jahr 2000 schon erwähnt - liegt der Fehler der bisherigen Änderungen der Gesetze im gesamten Zuwanderungsbereich. Sie sind immer nur diskutiert und beschlossen worden, wenn es wirtschaftliche Interessen gab. Es gab nie eine Gesamtanalyse, was wir brauchen, was die Menschen brauchen und was wir als solidarische Staatengemeinschaft brauchen, sondern man hat das immer aus eigenem Kalkül gemacht. Dieses politische Kalkül möchten wir in der vor uns liegenden Diskussion nicht.
Genau diese Fragen werden wir bei unserer Bewertung der Vorschläge, die die FDP als Bundesratsinitiative eingebracht hat, stellen. Jedem Vorschlag, der zwischen „guten“ und „schlechten“, zwischen „produktiven“ und „bildungsfernen“ Flüchtlingen unterscheiden möchte, jedem Schnellschuss, der einen Keil zwischen dem ausländischen Facharbeiter auf der einen und dem hungerleidenden Wirtschaftsflüchtling auf der anderen Seite treibt, werden wir entschieden widersprechen.
Der FDP-Antrag - das kann ich mir sparen; der Kollege Garg hat zum Glück schon darauf hingewiesen - sieht einen Auswahlmodus der Migranten nach einem Punktesystem nach kanadischem Vorbild vor. Das kanadische Punktesystem hat sich in der vorliegenden Form nicht als effizient erwiesen. Jetzt eine Bundesratsinitiative nach dem kanadischen Punktesystem zu fordern, greift für uns zu kurz. Das werden wir im Ausschuss diskutieren. Das habe ich so auch verstanden.
Trotzdem will ich sagen: Wir haben in Deutschland in Form des aktuellen Aufenthaltsgesetzes pro forma so etwas wie ein Einwanderungsgesetz. Dieses verfügt schon jetzt über wesentlich unbürokratischere und flexiblere Funktionen, als ein Punktesystem jemals haben könnte. Mit dem Aufenthaltsgesetz wird schon heute bei uns Zuwanderung ermöglicht und gestaltet, gerade bei der Arbeitsmigration.
Wir haben diverse Maßnahmen auf der europäischen Ebene - deswegen begrüßte ich den Vorschlag, diesen Antrag in den Europaausschuss zur Mitberatung zu überweisen -, die bis heute flexibilisiert worden sind. Ich nenne als Stichpunkte nur die Blue Card der Europäischen Union, um ein Visum zur Arbeitsplatzsuche zu bekommen. Wir haben Programme wie ERASMUS Plus zur Verfügung, um Studium und Ausbildung zu ermöglichen. Bei der grenzübergreifenden Suche gibt es das Jobportal EURES. Das Anrechnungs- und Übertragungssystem European Credit Transfer System sorgt für die Anerkennung von Studienleistungen. Der Europass-Berufsausbildung steht ebenfalls zur Verfügung.
Ich will nicht sagen, dass all diese Instrumente ein Einwanderungsgesetz ersetzen, ich will aber damit sagen, dass wir in Deutschland keine nationalstaatliche Lösung und keine Bundesratsinitiative brauchen. Stattdessen wünschen wir uns, dass eine gesellschaftliche Debatte über unsere nationalstaatlichen Grenzen hinaus stattfindet, dass wir eine europäische Debatte dazu führen und dann eine Antwort finden, die uns tatsächlich nach vorne bringt.
Die OECD ist erwähnt worden. Das ist ein gutes Zeichen. Ich teile die Sorgen, dass das positive Ansehen Deutschlands im Moment droht, ein wenig beschädigt zu werden. Ich bin mir aber auch sicher, dass eine starke Demokratie wie bei uns im Land den Rechtspopulisten und Rechtsextremisten klare Grenzen ziehen und ihnen deutlich machen wird, dass sie bei uns keinen Platz haben.
Kollege Stegner hat die Integrationsministerkonferenz angesprochen. Insgesamt hat er sie angesprochen. Ich habe mir noch einmal die Resolution von 2014 durchgelesen. Ich glaube, dort sind ganz wesentliche Elemente festgehalten, die wir in die Beratung einbeziehen sollten. Wenn sich alle Bundesländer diese Resolution von 2014 zu eigen machen würden, wären schon viele Bereiche der Probleme der Einwanderung gelöst. Auch dort möchte ich nicht unbedingt ein neues Gesetz, sondern tatsächlich das, was wir an Fundus haben, erst einmal umsetzen. Schleswig-Holstein ist auf einem guten Wege, aber nicht alle Bundesländer teilen diese mehrheitlich gefasste Resolution.
Ich bin gespannt, wann wir eine Regierungserklärung zur Integrationskonferenz 2015 bekommen. Diese Konferenz wird im März bei uns in Kiel stattfinden, weil Schleswig-Holstein im Moment den Vorsitz hat.
Ich habe gestern schon bei der Debatte über Zuwanderung auf die Gründe hingewiesen, aus denen Flucht auch aus dem Kosovo erfolgt. Da teile ich die klare Aussage der SPD und bin froh darüber. Wenn wir wissen, dass gerade Jugendliche im Kosovo, die mit Begeisterung die Universität in Tetovo stürmen, weil sie dort lernen und sich bilden können, hochqualifiziert ausgebildet sind und trotzdem keinen anderen Weg sehen, als das Kosovo zu verlassen, um im europäischen Ausland oder gerade auch in Deutschland überleben zu können, dann können wir keine Politik unterstützen, die sagt: Kommt doch, ihr seid toll, ihr seid gebildet, ihr könnt wahrscheinlich sogar Deutsch - die Kosovoalbaner haben eine große Affinität zu unserer Sprache oder zur Schweiz -, nein, da müssen wir auch ganz ehrlich sagen: Natürlich könnt ihr kommen, aber wir wünschen euch, uns und vor allen Dingen dem Kosovo, dass ihr mit den Vorteilen des Aufenthalts bei uns auch zurück in euer Land geht, das ihr liebt.
Wir sehen uns in der Verpflichtung, die Situation in den Herkunftsländern zu verbessern. Auch das gehört für mich zu einer Integrations- und Einwanderungspolitik, die glaubwürdig ist.
Zum Ende: Wir denken, dass wir vielleicht auch über eine gemeinsame Anhörung des Europaausschusses und des Innen- und Rechtsausschusses diskutieren sollten, um uns verschiedene Modelle näherbringen zu lassen. Aber was dabei herauskommen sollte, ist aus meiner Sicht eine ganz breite gesellschaftliche Diskussion, um dann im breiten Konsens mit allen Parteien - ich habe die Rede der CDU nicht so verstanden, dass sie das ausschließen würde - die Maßnahmen zu konkretisieren, die unser Land, die die Menschen und die Flüchtlinge heute brauchen. - Danke für die Aufmerksamkeit.
Für die Kolleginnen und Kollegen des SSW steht Lars Harms schon bereit. Ich erteile ihm jetzt das Wort.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ja, wir brauchen ein Einwanderungsrecht. Am besten kommt es aus einer Hand und ist nicht verteilt auf alle möglichen unterschiedlichen Gesetze. Ich möchte mich im Namen des SSW für die
Initiative der FDP bedanken und kann auch schon sagen, dass sich all das, was dort drinsteht, im Groben mit dem deckt, was wir uns vorstellen können. Möglicherweise kann man das auch noch mit anderen Dingen garnieren, aber ich glaube, der Antrag ist eine sehr gute Grundlage, um hier eine möglichst breite Mehrheit auf die Beine zu stellen.
Wenn ich schon über die breite Mehrheit rede, ist natürlich auch von unserer Seite immer das Ansinnen da, die Kolleginnen und Kollegen der CDU davon zu überzeugen, dass wir hier mehr tun und uns hier für ein Einwanderungsland einsetzen müssen. Ich glaube nicht so sehr, dass die PEGIDA-Diskussion da eine Rolle spielt. Sicherlich ist das eine aktuelle Frage, aber ich glaube, es wäre auch notwendig, ein Einwanderungsrecht zu schaffen, wenn es diese Bewegung nicht gäbe.
Ich weiß, dass gesamtgesellschaftliche Diskussionen nicht unbedingt das sind, was die CDU in diesem Bereich führt. Aber ich habe schon wahrgenommen, dass Sie von der CDU wirtschaftlichen Argumenten gegenüber durchaus aufgeschlossen sind. Es sind nicht immer unbedingt meine Argumente, aber trotzdem möchte ich das wiederholen, was der Kollege Garg sagte: Demnächst gibt es acht Millionen Rentner mehr, dafür aber sieben Millionen Menschen weniger, die diese Rente erwirtschaften können. All die jungen Leute auf der Tribüne haben sich sicherlich noch keine Gedanken über ihre Rente gemacht,
aber wenn man die Politik weiterverfolgen würde, wie wir sie bisher machen, dann müssten sie auf eine Rente verzichten, die wird es dann in der Form nicht mehr geben, wie es sie jetzt gibt. Schon allein das ist ein Zwang für uns, dafür Sorge zu tragen, dass Menschen zu uns kommen können. Wir brauchen Fachkräfte, wir brauchen viele Menschen, wir brauchen diese Menschen insbesondere dafür, um unseren Wohlstand erhalten zu können.
Durch die inzwischen unüberschaubare Vielzahl von Situationen, in denen Einwanderer rechtlich stecken können, ergibt sich automatisch eine Ungleichbehandlung von oft sehr ähnlichen Fallkonstellationen, und am Ende haben wir eine riesige Bürokratie, die eigentlich keiner braucht. Wenn uns also ein neues Einwanderungsrecht von dieser Bürokratie befreit, dann wäre das schon Grund genug, um hier tätig zu werden. Der Antrag der FDP macht dies auch deutlich, und in der Grundtendenz geht er auch in die richtige Richtung. Die Idealvorstellung muss doch sein, dass das Recht, hier bei uns zu le