Protokoll der Sitzung vom 18.03.2015

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW - Zuruf Christopher Vogt [FDP])

Darauf werde ich aber noch zu sprechen kommen.

Nunmehr, Herr Abgeordneter Habersaat, hat die Frau Abgeordnete Franzen das Bedürfnis, Ihnen eine Frage zu stellen.

Herr Habersaat, stimmen Sie mit mir überein, dass die Beschlusslage 2007 ein Schulsystem aus zwei Regelschulen, nämlich dem Gymnasium und der Regionalschule und eine Angebotsschule der Gemeinschaftsschule vorsah? Das ist also mitnichten das, was Sie hier gerade vorgestellt haben.

- Darin stimme ich mit Ihnen überein. Wenn Sie daraus aber die Schlussfolgerung ziehen, dass Sie an Gemeinschaftsschulen derzeit dauerhaft diese ungerechte Bezahlung in Kauf genommen hätten, dann freue ich mich darüber, dass wir heute nicht mehr zusammen in einer Großen Koalition regieren.

(Beifall SPD und SSW)

Nun ist in der Tat zu fragen: Wo gibt es Ungerechtigkeiten, und wo müssen wir etwas tun? Ich stim

(Eka von Kalben)

me mit allen überein, die sagen, eigentlich müssten auch Grundschullehrerinnen und Grundschullehrer besser bezahlt werden. Das schaffen wir noch nicht, das halten wir aber für richtig.

Die CDU fordert konsequenterweise nicht, die Grundschullehrerinnen und Grundschullehrer besser zu besolden. Das halten wir fest. Das wäre auch meine Zwischenfrage an Sie gewesen, Frau RathjeHoffmann. Insofern habe ich auch den empörten Unterton in Ihrem Beitrag gar nicht verstanden, weil Sie insoweit offensichtlich gar nichts verändern wollen. Insofern bleibt auch unverständlich, was Sie uns eigentlich vorwerfen, wenn wir zumindest für einige die Lage verbessern wollen.

Ansonsten gilt das, was bei Amazon immer gilt: Kunden, denen diese Debatte gefallen hat, denen wird auch die Debatte am Freitag um 11:10 Uhr gefallen. - Vielen Dank.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Das Wort für die Landesregierung hat der Minister für Wirtschaft, Arbeit, Verkehr und Technologie, Reinhard Meyer.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Über den Equal Pay Day, der übermorgen, am 20. März 2015, stattfinden wird, ist schon eine ganze Menge gesprochen worden. Es ist auch schon eine ganze Menge gesprochen worden über die Entgeltunterschiede in Höhe von 22 %.

Aber man muss sich einmal auf der Zunge zergehen lassen, dass Frauen in Deutschland 79 Tage im Jahr quasi umsonst arbeiten müssen, um das Jahresgehalt der Männer im Durchschnitt zu erreichen. Darum geht es, meine Damen und Herren. Dass diese Lohnunterschiede ungerecht sind, ist wohl ohne Zweifel so.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Das hat weder etwas mit dem Grundsatz „Gleicher Lohn für gleiche Arbeit“ noch mit der Verwirklichung der Geschlechtergerechtigkeit zu tun. Das kann niemand akzeptieren. Ich sage ausdrücklich: Hier sind Gesellschaft, hier sind Unternehmen, hier ist Politik gleichermaßen gefordert.

Der Equal Pay Day ist natürlich ein Symbol. Er nimmt ein gesellschaftliches Problem in den Fokus. Ich sage auch angesichts dieser Debatte sehr deutlich: Die Zahl von Stellschrauben, an denen wir drehen müssen, um mehr Gerechtigkeit zu erreichen, ist groß.

Zunächst jedoch zu der Frage: Wieso gibt es diese Lohnlücke mit 22 % Unterschied? Zunächst muss man wissen, dass das natürlich eine unbereinigte Lohnlücke ist. Das heißt, von allen werden alle Verdienste zusammengenommen, und was nicht einberechnet wird, das sind etwa Teilzeitbeschäftigungen, längere Auszeiten oder die Verteilung der Geschlechter auf bestimmte Branchen. Diese Faktoren sind aber entscheidend. Es arbeiten deutlich mehr Frauen als Männer in Teilzeit. Es sind deutlich mehr Frauen als Männer geringfügig beschäftigt, besonders in der Altersgruppe zwischen 55 und 64 Jahren. Es sind nach wie vor traditionell viele Frauen in Branchen beschäftigt, die insgesamt weniger Lohn zahlen als andere. Darüber hinaus auch das haben wir festgestellt - sind weniger Frauen in gut dotierten Führungspositionen anzutreffen als Männer. Das führt zu den Unterschieden, die zu den genannten 22 % führen.

Besonders ist jedoch darauf hinzuweisen, dass es auch eine bereinigte Lohnlücke gibt. Und diese, so sagt das Statistische Bundesamt, liegt bei 7 % bis 8 % Unterschied. Das heißt, Frauen werden im gleichen Job bei Wahrnehmung der gleichen Aufgaben um 7 % bis 8 % schlechter bezahlt - und das im Deutschland des 21. Jahrhunderts! Ich nenne das unanständig.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Nun wird Herr Kubicki zu Recht auf die Rechtslage und das AGG aus dem Jahre 2006 verweisen. Aber, Herr Kubicki, ich möchte nicht, dass diejenigen, die davon betroffen sind, immer zur Antidiskriminierungsstelle gehen müssen, dass diejenigen, die betroffen sind, sich gleich einen Anwalt nehmen müssen, um ihr Recht einzuklagen. Ich möchte, dass wir etwas gegen diese gesellschaftliche Realität, gegen diesen Unterschied von 7 % bis 8 %, tun.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Es geht nicht nur um ein Entgeltgleichheitsgesetz dazu werde ich gleich noch zu sprechen kommen -, sondern es gibt natürlich viel zu tun. So müssen wir uns die Frage stellen, warum Frauen heute immer noch deutlich häufiger in Teilzeit gehen als Männer. Das hat natürlich etwas mit Themen zu tun wie

(Martin Habersaat)

Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Das hat damit zu tun, dass Kindererziehung und die Pflege von Angehörigen oftmals Aufgaben sind, die nach wie vor mehrheitlich von Frauen übernommen werden. Erst langsam greifen die neuen Elternzeitmodelle, erst langsam setzt sich auch bei Männern der Wunsch durch, Auszeiten zu nehmen, um sich um die Familie zu kümmern. Das alles sind Dinge, die wir befördern müssen.

Und Veränderungen? Insoweit stellen wir fest, dass es diese gibt, dass sich diese auch in Statistiken niederschlagen. Aber sie dauern zu lange. Zu Recht ist auch gesagt worden: Es gibt Untersuchungen darüber, dass gerade in der Altersgruppe der 25- bis 34-jährigen Frauen die Tendenz zur Teilzeitbeschäftigung weit weniger ausgeprägt ist als in anderen Altersgruppen. Um diese Tendenz weiter zu stärken, brauchen wir mehr familienunterstützende Dienstleistungen. Wir brauchen flexible Arbeitszeitmodelle insbesondere auch für Frauen. Wir brauchen eine gut funktionierende Betreuungsinfrastraktur für Kinder, aber auch für zu pflegende Angehörige. Das ist ein ganzes Paket, das wir hier in Angriff nehmen müssen, um dieses Thema endlich nach vorn zu bringen.

Wir brauchen natürlich auch Weiterbildung und Nachqualifizierung. Wir müssen über das Thema reden, dass wir einen hohen Fachkräftebedarf haben und dass wir die Frauenerwerbsquote auch gerade in Schleswig-Holstein weiter erhöhen können. Hierin steckt viel Potenzial. Deswegen ist es Thema in der Fachkräfteinitiative, deswegen gibt es die Beratungsstellen Frau & Beruf, und deswegen gibt es auch heute schon eine geschlechtergerechte Berufsberatung, meine Damen und Herren.

Wir sollten aber schon die Schulen ermutigen, beim Übergang von Schule zu Beruf intensiv zu unterstützen. Aktionen wie der Girls‘Day - dieses Jahr am 23. April 2015 - zeigen, dass man auch Mädchen sehr früh an sogenannte Jungenberufe heranführen kann, aber umgekehrt auch die Jungen für Branchen interessieren kann, in denen sie bislang unterrepräsentiert sind. Es gehört gesamtgesellschaftlich dazu, auch diese Möglichkeiten sehr früh zu eröffnen.

Meine Damen und Herren, wir müssen sehr frühzeitig über Berufsperspektiven und über Karrierechancen offen und ehrlich informieren. Aber das kann nicht allein die Politik. Ausbildungsbetriebe und Hochschulen sind gefordert. Betriebe müssen vorleben, dass sie heutzutage Frauen in Führungspositionen nehmen und dass das eine Selbstverständlichkeit wird. Deswegen ist das Ge

setz zur verbindlichen Frauenquote in Aufsichtsräten, das die Bundesregierung erlassen hat, ein Anfang, diesen Weg bewusst zu gehen, natürlich mit einer Symbolik, aber um Zeichen zu setzen, dass mehr Frauen in Führungspositionen in Deutschland anzutreffen sind, meine Damen und Herren.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Die Gruppe der Existenzgründerinnen und Existenzgründer ist hier noch gar nicht genannt worden. Alle Statistiken in Deutschland sagen: Wenn Frauen Unternehmen gründen, dann sind sie erfolgreicher als Männer. Auch das müssen wir nutzen und mehr Frauen ermuntern, in die Selbstständigkeit zu gehen, mit Beratung in die Existenzgründung. Auch dieser Punkt ist wichtig zur Gleichstellung.

(Vereinzelt Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Aber wir als Land sind auch gefragt. Auch der öffentliche Arbeitgeber - das ist keine Frage - hat in dieser Sicht eine Vorbildfunktion. Dazu dient das Gleichstellungsgesetz für Schleswig-Holstein. Meine Kollegin Kristin Alheit hat dazu vor Kurzem den Vierten Gleichstellungsbericht vorgelegt. Für die Landesregierung ist deshalb klar: Auch im öffentlichen Dienst Schleswig-Holsteins bleibt noch einiges zu tun, um die Gleichstellung von Frauen und Männern weiter zu fördern. Aber ich denke, auch hier sind wir auf einem guten Weg. Bei aller Debatte um die Grundschullehrerinnen und Grundschullehrer - das wird am Freitag ein Thema sein möchte ich jetzt hier keine weiteren Bemerkungen hinzufügen. Dazu wird die Kollegin Britta Ernst am Freitag sicherlich vieles zu sagen haben. Herr Habersaat hat das politisch ja eben eingeordnet.

Meine Damen und Herren, wir haben allerdings auch zur Kenntnis zu nehmen, dass es nicht genügt, sich auf freiwillige Übernahme guter Vorbilder zu verlassen. Deswegen brauchen wir Maßnahmen zur Herstellung von Lohntransparenz. Die Bundesfamilienministerin hat einen Entwurf für ein Entgeltgleichstellungsgesetz angekündigt, was übrigens im Koalitionsvertrag auf Bundesebene verankert ist. Das muss an dieser Stelle deutlich gesagt werden. Bei diesem Thema geht es um Lohngerechtigkeit. Es geht darum, dass selbst Tarifverträge nicht immer Gewähr für den sogenannte Equal Pay bieten und man auch an die Rolle der Tarifpartner in dieser Frage appellieren muss.

(Minister Reinhard Meyer)

Worum geht es? - Die Pläne von Frau Schwesig sehen so aus, dass es um eine Verpflichtung von Unternehmen ab 500 Mitarbeitern geht, sich mit der Lohnlücke zwischen Frauen und Männern auseinanderzusetzen. 30 % der Unternehmen mit 500 bis 1.000 Beschäftigten in Deutschland haben keinen Tarifvertrag. Deswegen ist das an dieser Stelle ganz wichtig.

An anderer Stelle in der Welt klappt das übrigens. Herr Stegner hat schon auf Kanada hingewiesen. Wir haben bisher nicht gemerkt, dass in der Wirtschaft in Kanada die Welt untergegangen wäre.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Wie wäre es mit Schweden?)

Übrigens müssen alle Unternehmen, Herr Kubicki, mit mindestens 50 Mitarbeitern einen Bericht zur Lohngleichheit vorlegen, der dann von den dortigen Behörden geprüft wird.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Ich habe nicht gehört, dass die Aktienkurse großer kanadischer Unternehmen deswegen eingebrochen wären, meine Damen und Herren.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Hat sich der Gap geändert? - Dr. Heiner Garg [FDP]: Welche großen kanadischen Unternehmen kennen Sie denn?)

- Es gibt zum Beispiel einige Unternehmen direkt an der Elbe. Wenn wir zum Beispiel über Aluminium reden, dann gibt es dort ein Tochterunternehmen. Dann reden wir über weitere kanadische Unternehmen, die zum Beispiel hier in der Nähe unterwegs sind.

(Beifall SPD)

Entgeltungleichheit hat aber auch eine zweite Seite, eine strukturelle Ebene. Ich will sie kurz benennen, weil wir hier mehr an die Verantwortung in der Wirtschaft appellieren müssen; denn Frauen auf höheren Stufen der Karriereleiter fehlen heute häufig immer noch. Dazu, das zu ändern, helfen Gesetze nur bedingt. Deswegen mein Appell auch an Männer in Führungspositionen, mich eingeschlossen, Frauen zu ermuntern, Frauenkarrieren zu fördern. Das können häufig nur Männer in Führungspositionen erreichen. Deswegen auch der Appell an dieser Stelle, darauf zu achten, weil das zu mehr Entgeltgleichheit führt, meine Damen und Herren.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Meine Damen und Herren, ein Gesetz auf Bundesebene zur Entgeltgleichheit ist als Symbol wichtig. Es ist nicht das Allheilmittel, ich sage es gleich. Aber wir werden damit noch einmal Zeichen setzen. Denn wir brauchen die Lohngerechtigkeit zwischen Mann und Frau. Es ist ein weiter Weg. Das wissen wir. Wir müssen dabei konsequent Schritt für Schritt in die richtige Richtung vorangehen. Aber, meine Damen und Herren, es geht um Gerechtigkeit. Ich sage ausdrücklich: Für Gerechtigkeit lohnt es sich immer zu streiten. Das tut die Landesregierung. - Vielen Dank, meine Damen und Herren.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)