Protokoll der Sitzung vom 21.05.2015

Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat jetzt Herr Abgeordneter Rasmus Andresen das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Wenn wir im Landtag darüber abgestimmt hätten, ob das G-7-Außenministertreffen inklusive der wahrscheinlich 4,7 Millionen € Kosten - die im Übrigen in einem Umdruck an den Finanzausschuss transparent dargelegt wurden, Herr Kollege Bernstein, den anscheinend auch die Pressevertreter gefunden haben - hier stattfinden soll, dann wäre ich mir nicht so sicher, ob alle Grüne dafür die Hand gehoben hätten.

Das G-7-Außenministertreffen in Lübeck war aus unserer Sicht zu teuer, und die Sicherheitsmaßnahmen waren - auch wenn Festungsvergleiche natürlich überzogen sind - eine Belastung für viele Menschen, die in der Lübecker Innenstadt wohnen. Wenn man vor Ort war - und ich habe diese Gespräche geführt -, konnte man auch einige finden, die das so wahrgenommen haben.

Es ist erfreulich, dass friedliche Demonstrationen weitestgehend durchgeführt werden konnten und dass es nicht zu Ausschreitungen wie bei den EZBProtesten einige Wochen vorher in Frankfurt kam. Sowohl die Humanistische Union wie auch die Gewerkschaft der Polizei stellen dies - wenn auch in unterschiedlicher Tonalität - in ihren Abschlussbewertungen fest.

Leider haben aber - auch da sind wir uns relativ sicher - die Schreckensbilder aus Frankfurt dazu ge

führt, dass viele Menschen davon abgehalten wurden, friedlich zu demonstrieren. Ihnen ist wahrscheinlich durch diese Bilder in Frankfurt Angst vermittelt worden. Das bedauern wir Grüne sehr. Denn es macht schon Sinn, für eine andere Welthandelspolitik, für eine friedliche Außenpolitik und für mehr Klimaschutz auf die Straße zu gehen.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD, PIRATEN und SSW)

Wie viele andere Kolleginnen und Kollegen war ich vor Ort und habe auch an einer der Informationsveranstaltungen der Landespolizei teilgenommen. Lassen Sie es mich deutlich sagen: Es ist gut, dass unsere Landespolizei inzwischen diesen Schritt gegangen ist, um uns Abgeordnete über ihre Sicht auf das Demonstrationsgeschehen zu informieren. Auch ich bedanke mich bei den Verantwortlichen in der Landespolizei. Wir werten das als Öffnung.

Allerdings - und wie soll es auch anders sein konnte uns als Abgeordnete all das, was uns dort in dem Verwaltungsgebäude theoretisch beschrieben und zugesagt wurde - Begleitung durch die Polizei, all die Informationen und all die Zugänge - dann oft in der Praxis, beim konkreten Demonstrationsgeschehen, doch nicht gewährt werden. Das muss auch erwähnt werden.

(Vereinzelter Beifall PIRATEN)

Es gehört eben auch dazu, dies zu erwähnen, weil dies mit Polizeikräften aus anderen Ländern und in anderen Ländern liberaler und flexibler gehandhabt wird. Als Beispiel kann man die da die Kolleginnen und die Kollegen aus NRW nennen, die selbst bei diesem Einsatz in Lübeck diese Fragen ganz anders gehandhabt haben als es die schleswig-holsteinischen Kolleginnen und Kollegen getan haben.

(Zuruf Torge Schmidt [PIRATEN])

Das ersetzt vor allen Dingen auch nicht die wichtige Demonstrationsbeobachtung, die die Humanistische Union gerade in Lübeck bei unterschiedlichen Demonstrationen von Mal zu Mal mit viel ehrenamtlichem Engagement organisiert. Diese bleibt aus unserer Sicht absolut richtig und wichtig, denn sie liefert wertvolle Erkenntnisse, die alle anderen Teilnehmerinnen und Teilnehmer so nicht liefern.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und PIRATEN - Wortmeldung Dr. Patrick Breyer [PIRATEN])

- Wie auf Knopfdruck; ich habe das schon fast erwartet.

(Tobias von Pein)

Ja, Sie gestatten also eine Zwischenfrage oder -bemerkung des Abgeordneten Dr. Beyer?

Bitte schön.

Herr Kollege Andresen, wenn Sie die unabhängige Demonstrationsbeobachtung so richtig und wichtig finden wie wir auch, was sagen Sie dann zu dem Bericht der Humanistischen Union, in dem unten ganz klar gefordert wird, endlich auch die Demonstrationsbeobachtung zu ermöglichen, indem die entsprechenden Teilnehmer das Recht bekommen zu beobachten und dahin zu gelangen, wo sie beobachten müssen?

Diese Debatte haben wir hier im Landtag schon oft geführt, vielleicht nicht mit mir, aber mit dem Kollegen Peters, der Ihnen mehrfach ausführlich dargelegt hat, dass wir keine rechtssichere Möglichkeit sehen, eine Demonstrationsbeobachtung per Gesetz zu ermöglichen.

Mein Kenntnisstand ist auch, dass zumindest in der Humanistischen Union auch nicht alle wollen - soweit ich weiß, sogar kaum einer -, dass das auf gesetzlicher Ebene geregelt wird. Das grundsätzliche Problem, über das hier schon oft gesprochen wurde, bleibt nämlich: Wer soll bewerten, wer als Demonstrationsbeobachter zugelassen werden kann? Ich weiß, dass es von Ihrer Seite dazu Vorstöße gegeben hat, die haben uns aber nicht überzeugt. Nichtsdestotrotz bleibt Demonstrationsbeobachtung für uns zivilgesellschaftliches Engagement, was wir zivilgesellschaftlich auch unterstützen werden, auch wenn hierzu eine gesetzliche Grundlage fehlt.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und Lars Harms [SSW])

Ich glaube, zum anderen muss man in dieser Debatte auch über die Kosten des Polizeieinsatzes und die anderen Kostenaspekte reden. Ganze 4,7 Millionen € muss das Land voraussichtlich für die Sicherheitsmaßnahmen zahlen - das Ganze, ohne dass wir

das Außenministertreffen bestellt haben. Das finden wir nicht in Ordnung.

Ich will das hier auch ganz deutlich sagen - Kollegen aus der Sozialdemokratie müssen jetzt einmal weghören; sie mussten das im Finanzausschuss auch schon hören -: Dass ausgerechnet der Lübecker Bürgermeister, der sich nun wirklich für jedes Foto zu den Außenministern gesellt hat, dem Land noch Mietkosten für die Plätze, auf denen wir unsere Unterkünfte aufgestellt haben, abverlangt, finde ich ziemlich dreist.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, CDU, FDP, SSW und vereinzelt SPD)

Herr Abgeordneter, erlauben Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Bernstein?

Bitte schön, Herr Abgeordneter Dr. Bernstein.

Lieber Kollege Andresen, ich würde Ihnen gern in diesem Zusammenhang die Frage stellen - nachdem Sie auf den Umdruck des Finanzausschusses hingewiesen hatten, und ich als Anmerkung in meiner Rede gemacht hatte, dass ich mir wünschte, dass das Innenministerium die Ankündigung aus den „Kieler Nachrichten“ von heute, dass der Ausgleich dieser Ausgaben nicht zulasten der Polizeiarbeit gehen werde, belegen möge -, ob Sie mir zustimmen, dass der Umdruck des Finanzausschusses lediglich über die Ausgaben Auskunft gibt, nicht aber über deren Deckung?

Das stimmt. Anscheinend haben Sie die ersten 4 Minuten meiner Rede genutzt, das noch einmal nachzulesen. Das freut mich, und das ist auch in Ordnung so. Dazu bleibt dann ja vielleicht auch im Finanzausschuss und in Ihrem Ausschuss, dem Innen- und Rechtsausschuss, Gelegenheit, das konkret zu besprechen.

Richtig ist aber auch, dass wir - anders als es die PIRATEN schon kritisiert haben - hier nicht vor der

Frage stehen, dass diese Ausgaben beispielsweise dann bei Frauenhäusern oder im Bereich der Bildung fehlen würden, sondern dass sie aus dem Einzelplan des Innenministeriums im Vollzug gegenfinanziert werden müssen. Die Erfahrungen aus den letzten Jahren in der Haushaltspolitik zeigen, dass das in der Höhe auch formal haushaltspolitisch oder haushaltstechnisches kein Problem sein wird. Dafür werden keine Frauenhäuser geopfert, und auch der Bildungsbereich bleibt unangetastet. Ich finde, das ist auch wichtig, in dieser Debatte festzustellen.

(Dr. Heiner Garg [FDP]: Was heißt das dann für den Einzelplan?)

- Das machen wir dann im Ausschuss, Herr Kollege.

Zum Abschluss möchte ich sagen, dass es auch viele Punkte gibt, die im Vorfeld des G-7-Außenministertreffens gut gelaufen sind, wo Informationskampagnen besser waren als sie früher bei anderen Ereignissen waren. Trotzdem dürfen wir dabei nicht stehenbleiben; die Debatte muss weitergehen, und wir müssen die Themen Information, Transparenz und demokratische Legitimation von Kosten und die Frage, wo solche Treffen stattfinden, immer wieder diskutieren. Ich bin gespannt darauf, wann es das nächste Mal dazu kommen wird. - Vielen Dank.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Für die Abgeordneten der Fraktion der FDP spricht jetzt Herr Abgeordneter Dr. Klug.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zunächst möchte ich für meine Fraktion feststellen: Wir sind wirklich sehr froh darüber, dass es Mitte April während des G-7-Außenministertreffen in Lübeck nicht zu Vorfällen gekommen ist, wie sie leider vier Wochen vorher in Frankfurt am Main durch die Blockupy-Demonstrationen gegen den EZB-Neubau beziehungsweise dessen Eröffnung aufgetreten sind.

Das ist eine große Erleichterung für die Bürgerinnen und Bürger unseres Landes, speziell für die Bürgerinnen und Bürger der Stadt Lübeck, für die Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten, die in Lübeck eine großartige Leistung erbracht haben, und natürlich auch für uns alle, die wir in der Politik dieses Landes Verantwortung tragen.

Unsere Landespolizei und die in Lübeck ebenfalls im Einsatz befindlichen Polizeikräfte des Bundes und anderer Bundesländer verdienen ein großes Lob für ihr Geschick, ihre Umsicht und ihr Augenmaß. Ich bedanke mich auch ausdrücklich - wie der Kollege von Pein es auch schon getan hat - für die gute Information und die gute Betreuung,

(Beifall Dr. Heiner Garg [FDP])

mit der man uns Einblicke vor Ort gegeben hat, die für meine Arbeit - auch als Mitglied des Innen- und Rechtsausschusses des Landtages - sehr wichtig sind.

Wenn im Nachhinein von einigen kritisiert wird, all diese Maßnahmen zur Wahrung der öffentlichen Sicherheit seien übertrieben gewesen, so möchte ich darauf erwidern: Nach Frankfurt war es angezeigt, sich auf den schlimmsten denkbaren Fall vorzubereiten, alles andere wäre fahrlässig gewesen.

(Beifall FDP)

Und es war auch nicht der Polizeieinsatz, der friedliche Demonstranten von der Wahrnehmung ihres Grundrechts auf Versammlungsfreiheit abgehalten hat. Richtig ist vielmehr, dass viele Menschen wegen der zuletzt in Frankfurt in Erscheinung getretenen Gewalttäterszene davon abgeschreckt worden sind, sich an friedlichen Demonstrationen zu beteiligen, weil man befürchten musste, dass eine solche friedliche Kundgebung als Deckung für gewaltsame Ausschreitungen missbraucht werden könnte. Das war zum Beispiel das Motiv für die Absage der eigentlich geplanten Demonstration des DGB. Mit anderen Worten: Wenn man über dieses Thema diskutiert, darf man nicht Ursache und Wirkung verwechseln.

Die Kosten der Veranstaltung sind in der Tat nicht von Pappe. Wir haben es heute Morgen schon im Detail durch die Presseberichterstattung erfahren: Für das Land sind es knapp 5 Millionen €. Das ist eine Menge Geld, das man sicher auch für andere Sachen ausgeben kann, Herr Kollege Andresen. Wer aber darüber jammert und auch ein bisschen zu viel darüber jammert, dem sei gesagt: Ein Polizeistaat kostet erfahrungsgemäß sehr viel mehr Geld. Abgesehen davon ist Freiheit ohnehin nicht in Geld aufzuwiegen.

Wenn nun der Kollege Dudda in seiner Rede die vom Bundesaußenminister getroffenen Vergleiche mit den historischen Hansetagen nach dem Motto in Abrede stellt, da wären solche Proteste nie dagewesen, so etwas hätte nie stattgefunden, dann muss ich dem Kollegen Dudda als Historiker entgegnen:

(Rasmus Andresen)

Wenn damals, anno dunnemals, im alten Lübeck irgendjemand auch nur annähernd so protestierend seine Nase hätte vorstrecken wollen, dann wäre er sehr schnell von den alten Hanseratsleuten in Lübeck einen Kopf kürzer gemacht worden. Frau Ernst, ich weiß nicht, ob das auch in Hamburg so war. Die alten Lübecker haben damals zur Hansezeit sogar ihre eigenen Bürgermeister enthauptet.