Protokoll der Sitzung vom 21.05.2015

Wenn damals, anno dunnemals, im alten Lübeck irgendjemand auch nur annähernd so protestierend seine Nase hätte vorstrecken wollen, dann wäre er sehr schnell von den alten Hanseratsleuten in Lübeck einen Kopf kürzer gemacht worden. Frau Ernst, ich weiß nicht, ob das auch in Hamburg so war. Die alten Lübecker haben damals zur Hansezeit sogar ihre eigenen Bürgermeister enthauptet.

(Zurufe FDP und SPD)

Wenn man das bedenkt, dann kann man sagen, dass der geschätzte Kollege Saxe froh darüber sein kann, dass er heute in Lübeck als Bürgermeister amtiert und nicht zu jenen Zeiten, die er bei entsprechenden Anlässen immer in Erinnerung zu rufen pflegt, nämlich die Zeit der alten Hansetradition und so weiter. Von Björn Engholm haben wir darüber auch im Plenarsaal gehört.

Herr Abgeordneter Dr. Klug, gestatten Sie eine Zwischenbemerkung oder eine Frage des Herrn Abgeordneten Dr. Stegner?

Herr Kollege Klug, wir sind zutiefst dankbar, dass dem Bürgermeister bei solchen Veranstaltungen nicht die Enthauptung droht. Er erinnert ja immer einmal wieder daran, dass in früheren Zeiten in Lübeck die Judikative und die Exekutive in einer Hand gewesen sind, dass also gleichzeitig Urteile gefällt und vollstreckt wurden. Wir sind ganz dankbar dafür, dass auch das nicht mehr der Fall ist.

- Ich stimme Ihnen ausdrücklich zu. Deshalb haben ja die Konservativen, die immer den Eindruck erwecken, als sei früher alles besser gewesen, überhaupt nicht recht.

(Beifall FDP, CDU, PIRATEN und verein- zelt BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich bin auch dem Kollegen Andresen sehr dankbar dafür, dass er darauf hingewiesen hat, und ich komme noch einmal auf den Kollegen Saxe zu sprechen. Genau das war auch mein Gefühl. Es ist in der Tat so gewesen, dass Bernd Saxe keine Kamera ausgelassen hat. Nun, er sollte ja auch etwas für die weltweite Bekanntheit seiner Stadt tun. Dann aber gibt es diesen Kontrast. Man sieht, dass der Ministerpräsident unseres Landes im Vergleich dazu mit

einem bemerkenswerten Understatement geradezu im Hintergrund geblieben ist. Ich kann nur feststellen: Im Zusammenhang mit dem G-7-Treffen haben die Schleswig-Holsteinerinnen und Schleswig-Holsteiner hier eine neue Erfahrung machen können. Danke.

(Beifall FDP und Wolfgang Baasch [SPD])

Für die Abgeordneten des SSW hat jetzt Herr Abgeordneter Lars Harms das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Getreu einer alten Fußballweisheit ist ja nach dem Treffen vor dem Treffen. Damit will ich sagen: Es ist sehr erfreulich, dass wir nach dem Treffen der Außenminister der G-7-Staaten in Lübeck gemeinsam Bilanz ziehen. Diese sollte die Vorbereitung beziehungsweise der Ausgangspunkt für zukünftige internationale Konferenzen oder Zusammenkünfte in Schleswig-Holstein sein.

(Dr. Ralf Stegner [SPD]: Die nächste ist in Husum!)

- Das hoffe ich doch sehr, Herr Kollege Stegner. Darüber werden wir uns nachher am Rande der Landtagssitzung unterhalten. - Wenn man bei einem Treffen Bilanz zieht, kommt es natürlich immer auf den Standpunkt an. Hat man hohe Erwartungen, dann ist es schwer, kleinen Ergebnissen etwas Positives abzugewinnen. Das gilt insbesondere für das Treffen der Außenminister der G-7-Staaten. Da waren die Erwartungen enorm. Die politischen Ergebnisse sind aber eher mager ausgefallen. Die Außenminister sind zwar ins Gespräch gekommen, was prinzipiell zu begrüßen ist, doch viele Punkte, die auf der transatlantischen Tagesordnung stehen, wurden gar nicht erörtert oder nur angerissen. Weder zu den Atomverhandlungen mit dem Iran noch bezüglich einer klaren Aussage zum Ukraine-Konflikt gab es messbare Fortschritte. Von dieser Warte aus betrachtet fiel das Treffen eher enttäuschend aus.

Im Gegensatz zur politischen Bilanz fällt die Bilanz bezüglich der Sicherheit der Gäste sehr gut aus. Es gab keine Angriffe auf Diplomaten, das möchte ich betonen, schließlich waren die Befürchtungen in Sachen Ausschreitungen im Vorwege enorm. Die Sicherheitslage war aber zu keiner Zeit prekär. Die Polizei war zu jedem Zeitpunkt Herr der Lage. Sie war gut vorbereitet und gut organisiert.

(Dr. Ekkehard Klug)

Ja, es gab Vermummte, und ja, es wurden Flaschen und Steine geworfen, Müllcontainer umgeworfen und Bengalos gezündet. Doch das waren nur einzelne Vorfälle. Im Großen und Ganzen liefen die Demonstrationen nicht aus dem Ruder. Die Bilanz in dieser Beziehung ist zwar nicht lupenrein, doch eines ist klar: Es bestand keine Gefährdung. In dieser Hinsicht können Außenminister, Diplomaten, die Veranstalter der Demonstrationen und die Polizei sehr zufrieden sein. Es ist aber auch gut, dass wir uns heute fragen, wie sie das hinbekommen und wie sie sich dabei gegenüber den Bürgerinnen und Bürgern verhalten hat. Dieses Informationsrecht ist selbstverständlich. Das sollten wir nicht künstlich überbewerten. Das ist Teil des parlamentarischen Prozesses, aber nur so lange, wie sich dies nicht in ein grundsätzliches Misstrauen in der Debatte wandelt. Das, so glaube ich, sollte nicht sein.

Im Nachhinein zeigt sich, dass es richtig war, dass kein Demonstrationsverbot veranlasst wurde. Die Demokratie muss Kritik aushalten. Dass der Schutz des Grundrechts auf Demonstrationen erheblichen Aufwand bedeutet, müssen wir akzeptieren. Nach dem Treffen wurden wenige Festnahmen und keine Verletzten in den Reihen der Beamten gemeldet. Die Zahl der Festnahmen und die Höhe der Sachschäden sind nach anderen Demonstrationen weit größer gewesen. Daran gemessen fiel die Bilanz der Polizeiführung im Großen und Ganzen positiv aus. Die solide Vorbereitung und der Großeinsatz haben sich ausgezahlt. Es gab keine Gewaltexzesse wie wenige Wochen vorher in Frankfurt.

Und die Bilanz für Schleswig-Holstein? - Natürlich hat das Treffen tatsächlich Kosten in Millionenhöhe verursacht. Trotzdem: Schleswig-Holstein hat die Chance ergriffen und kräftig Werbung für den echten Norden gemacht. Das ist ausgesprochen gut gelungen; so gut, wie das bei einem solchen Treffen gelingen kann. Die Bilder aus Lübeck gingen um die ganze Welt. Viele Delegationsteilnehmer waren das erste Mal in Lübeck und haben angekündigt, noch einmal zu kommen. Unser Bundesaußenminister hat unserem Minister geschrieben und sich sehr dafür bedankt, wie hervorragend die Menschen in Lübeck aufgenommen worden sind und wie hervorragend das Land Schleswig-Holstein dieses Event abgearbeitet hat.

Eigentlich kann man sehr zufrieden sein, auch wenn klar ist, dass den Lübeckerinnen und Lübeckern dabei einiges abverlangt wurde. Das lässt sich aber - so glaube ich - bei einer solchen großen und wichtigen Veranstaltung nicht unbedingt vermeiden. Übertriebene Härten hat es zumindest nach

meiner Einschätzung nicht gegeben, weil alle Maßnahmen in Abstimmung mit den Bürgerinnen und Bürgern abliefen und weitgehend mit einem langen Vorlauf bekanntgegeben worden waren. Diese Offenheit hat sich durchaus ausgezahlt.

Wir hatten es bei dem Außenministertreffen mit einer Ausnahmesituation zu tun, die alle gemeinsam gemeistert haben. Dafür möchte ich mich im Namen des SSW bei allen Beteiligten bedanken.

(Beifall SSW, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und Dr. Ekkehard Klug [FDP])

Für einen Dreiminutenbeitrag hat jetzt der Herr Abgeordnete Dr. Patrick Breyer das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Lieber Lars Harms, zu der Theorie, dass Schleswig-Holstein irgendeinen Nutzen aus der Veranstaltung gezogen hätte, hat, so glaube ich, mein Kollege Wolfgang Dudda schon das Erforderliche gesagt.

Ich will noch einmal darauf eingehen, dass wir heute nach Abschluss dieser Debatte in zweiter Lesung auch über unseren Antrag abstimmen, eine unabhängige Demonstrationsbeobachtung zu ermöglichen und zu unterstützen. Hier muss man sagen, dass eine Beobachtung der Demonstrationen im Zusammenhang mit dem G-7-Gipfel durchaus lohnenswert gewesen ist.

Es ist heute schon ausgeführt worden: Es war sicherlich so, dass die Polizei um Deeskalation des Einsatzes bemüht war, und das ist auch definitiv anzuerkennen. Nichtsdestotrotz wurde gleich am Montag von einem gefährlichen Ort ausgegangen. Auf dieser Grundlage wurden scheinbar wahllos stichprobenartig Personengruppen herausgezogen, kontrolliert und durchsucht. Herr Innenminister, Ihre Statistik ist in dieser Hinsicht nicht vollständig, weil darin nicht deutlich wird, bei wie vielen Personen Durchsuchungen vorgenommen worden sind. Das ist eine der Fragen, um deren Beantwortung ich Sie noch bitten würde.

Hinzu kommt, dass den Bürgern weder der „gefährliche Ort“ mitgeteilt wurde noch, in welchem Zeitraum und in welchem Gebiet sie mit solchen Durchsuchungen rechnen mussten. Vielleicht waren sie nur einkaufen oder auf dem Weg in ihre Wohnung. Ohne diese Transparenz kann man es nicht vermeiden, durchsucht zu werden. Auch uns Abge

(Lars Harms)

ordneten - mein Kollege Uli König war genauso vor Ort wie ich selbst - ist nicht gesagt worden, wann und wo diese Durchsuchungen vorgenommen werden. Kein Bürgertelefon, kein Facebook und keine Anwohnerstelle hat darüber wirklich Informationen geben können, Herr Innenminister. Selbst die Polizei hatte offensichtlich keine Klarheit darüber.

Hinzu kommen andere Vorfälle, nachzulesen in dem heute per Umdruck veröffentlichten Bericht der Humanistischen Union, etwa, dass in Gewahrsam genommene Personen daran gehindert wurden, den Namen Rechtsanwälten zuzurufen, dass sie aus dem Gewahrsam heraus keinen Rechtsanwalt verständigen durften, dass aber auch Anwälten der Zugang zu in Gewahrsam genommenen Personen verwehrt wurde. Nicht nur die Humanistische Union kommt daher zu dem Ergebnis:

„Insgesamt zeigen die Behinderungen, dass eine unabhängige Kontrolle der Exekutive offensichtlich nicht erwünscht war.“

Herr Kollege Andresen, vor diesem Hintergrund ist das Konzept einer „embedded Demobeobachtung“ durch Abgeordnete in Polizeibegleitung offensichtlich gescheitert. Die Öffentlichkeitsarbeiter waren weder willens noch personell in der Lage, Abgeordnete wirklich zur längerfristigen Beobachtung des Einsatzgeschehens vor Ort zu begleiten. Auch Sie, Herr Andresen, waren allein, ohne Polizeibegleitung, unterwegs. Das belegt erneut die Notwendigkeit der von uns beantragten nichtstaatlichen Demonstrationsbeobachtung, die es in anderen Bundesländern übrigens längst gibt. Lesen Sie den Bericht der Humanistischen Union. Dafür braucht es kein neues Gesetz.

Kommen Sie bitte zum Ende.

Das Ministerium könnte schon jetzt entsprechend handeln. Dementsprechend bitte ich um Zustimmung zu unserem Antrag zur unabhängigen Demonstrationsbeobachtung. - Danke.

(Beifall PIRATEN)

Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Beratung.

Ich stelle zunächst fest, dass die Berichtsanträge Drucksachen 18/2907 und 18/2910 durch die Berichterstattung der Landesregierung ihre Erledigung gefunden haben. Ob es Anlass gibt, noch Kleine Anfragen oder Ähnliches zu stellen, ist hiervon unberührt.

Abstimmen müssen wir allerdings über den Antrag der Piratenfraktion, Drucksache 18/2783 (neu). Der Ausschuss empfiehlt, den Antrag abzulehnen. Wer der Ausschussempfehlung folgen und so beschließen will, den bitte ich jetzt um das Handzeichen. Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? - Gegen die Stimmen der Piratenfraktion und mit den Stimmen der anderen Fraktionen ist der Antrag abgelehnt worden.

Wir kommen zu Tagesordnungspunkt 28:

Kommunalpaket des Bundes sachgerecht und schnell umsetzen

Antrag der Fraktion der CDU Drucksache 18/2916

Wird das Wort zur Begründung gewünscht? - Das ist nicht der Fall.

Ich eröffne die Aussprache. Das Wort für die CDUFraktion hat Frau Abgeordnete Petra Nicolaisen.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Mit der Verabschiedung des Entwurfs eines Gesetzes zur Förderung von Investitionen finanzschwacher Kommunen hat das Bundeskabinett am 18. März 2015 die Weichen für eine Entlastung der Kommunalfinanzen und eine gezielte Förderung finanzschwacher Kommunen gestellt.

(Dr. Ralf Stegner [SPD]: Auf Drängen der Sozialdemokraten wurde das durchgesetzt!)

Es geht um einen zusätzlichen Spielraum von 500 Millionen € ab 2017 für Investitionen, ermöglicht durch einen höheren Bundesanteil an den Kosten der Unterkunft und Heizung, und um einen um 1 Milliarde € höheren Gemeindeanteil an der Umsatzsteuer; dieser geht zulasten des Bundesanteils an der Umsatzsteuer. Ab Sommer 2015 erwarten die Kommunen vom Bund 3,5 Milliarden € als Sondervermögen. Für Schleswig-Holstein sind das 100 Millionen €. Das Kommunalpaket des Bundes ist ein großer Erfolg für die kommunale Familie und somit auch für die Kommunen in SchleswigHolstein.

(Dr. Patrick Breyer)

(Beifall CDU)

Für die Verteilung der 3,5 Milliarden € Sondervermögen kommen allerdings die Bundesländer ins Spiel; denn sie haben die Definition von „finanzschwach“ vorzunehmen. Damit das Programm auch zu einem Erfolg für unsere Kommunen in Schleswig-Holstein wird, haben wir die Landesregierung aufgefordert, die Mittel sachgerecht und schnell einzusetzen.