Protokoll der Sitzung vom 17.06.2015

und Jugendlichen ist es jedenfalls wichtig, dass ihr Wohl im Mittelpunkt des Handelns der Jugendämter steht.

Aber Jugendliche haben nicht immer ein großes Vertrauen zum Jugendamt und erzählen nicht alles, was sie bedrückt. Vielleicht ist eine unabhängige Ombudsstelle, an die sich die Jugendlichen in Kinder- und Jugendhilfeeinrichtungen zusätzlich wenden können, ein Weg, um die Wahrnehmung ihrer eigenen Rechte und die Stärkung des Kinderschutzes in Schleswig-Holstein zu erreichen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, Fakt ist, dass das Sozialministerium die Fraktionen und die Öffentlichkeit ausführlich vom jeweils aktuellen Kenntnisstand informiert hat. Ich sehe hier also keinen Platz für eine Skandalisierung, zumal die CDU schon im Februar dieses Jahres durch einen Brief eines ehemaligen Mitarbeiters des Friesenhofs über die Arbeit des Landesjugendamtes dort Kenntnis hatte. Scheinbar ist auch die CDU mit der Arbeit der Heimaufsicht zufrieden gewesen.

(Zurufe FDP)

Der Presseberichterstattung des „Hamburger Abendblattes“ ist die Antwort von Herrn Günther auf den Brief zu entnehmen:

„Der Fall zeigt, dass die Heimaufsicht ihrer Pflicht nachgekommen ist und die eingegangenen Hinweise sehr ernstgenommen hat.“

(Zuruf SPD: Ist das peinlich! - Zuruf FDP: Wie, ist das peinlich?)

Daniel Günther hat nicht nur hier darüber gesprochen, sondern hat auch seinen zuständigen Fraktionsarbeitskreis darüber informiert und den Brief weitergeleitet. Es hat aber weder eine Kleine Anfrage noch Aktivitäten der Fachpolitiker gegeben.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Jetzt ist die Uni- on schuld, oder was?)

Darum ist es nicht nachzuvollziehen, warum jetzt hier von einem Skandal geredet wird und man sich in dieser Form aufspielt.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Geht doch nach Hause, dann machen wir das hier!)

- Ich kann schon verstehen, dass Sie jetzt laut werden. Wenn Sie ertappt werden, ist das eben so.

(Beifall SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

(Wolfgang Baasch)

Meine Damen und Herren, lassen Sie uns darauf verständigen, dass der Abgeordnete Baasch das Wort hat.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, der Fall zeigt, dass wir hier eine Diskussion zu stationären Hilfen zur Erziehung führen müssen. Diese Diskussionen hat die Jugendministerin schon längst aufgegriffen. Wir wollen, dass alle Kinder und Jugendlichen adäquat pädagogisch betreut werden und der Staat beziehungsweise die Jugendämter ihrem Wächteramt für die Kinder und Jugendlichen aktiv nachkommen können. Das ist der Auftrag, den wir alle aus dieser Diskussion mitnehmen sollten.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, begrüßen Sie gemeinsam mit mir die Vorsitzende des Kinderschutzbundes Schleswig-Holstein, Frau Irene Johns, auf der Tribüne. - Herzlich willkommen, Frau Johns!

(Beifall)

Nun hat für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN die Abgeordnete Dr. Marret Bohn das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lassen Sie mich am Anfang meines Redebeitrages darauf hinweisen: Für uns Grüne hat der Kinder- und Jugendschutz höchste Priorität. Die Vorwürfe, die im Raum stehen, über das, was im Friesenhof passiert ist, hätte ich vor wenigen Wochen noch hier bei uns in Schleswig-Holstein nicht für möglich gehalten.

In den Einrichtungen der Jugendhilfe sind Kinder und Jugendliche, die Hilfe, Unterstützung und Förderung brauchen, und zwar individuell und so, wie sie für sie die richtige ist. Drakonische Strafmaßnahmen, Zwang und Drill sind da völlig fehl am Platz.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das, was dort von der Jugendeinrichtung Friesenhof beschrieben worden ist, klingt wirklich eher wie ein Bootcamp. Es kann nicht sein, dass diese pädagogischen Konzepte, die eigentlich fördern

sollten, in so etwas enden. Daran haben wir alle kein Interesse.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und SSW)

Die Opposition hat in den Ausschusssitzungen sehr darauf abgestellt zu ergründen, wie der zeitliche Verlauf gewesen ist. Das ist auch das gute Recht der Opposition. Ich beschreibe Ihnen gern an dieser Stelle, wie es sich für mich darstellt: Am 30. Mai 2015 gibt es Informationen in Hamburg, eine Kleine Anfrage der LINKEN, verbunden mit schweren Vorwürfen gegenüber dem Friesenhof. Am 1. Juni 2015 sind die familienpolitischen Sprecherinnen ins Ministerium eingeladen worden, um einen ersten aktuellen Überblick über die vorliegenden Informationen zu bekommen.

Am 1. Juni 2015, also am selben Tag, findet eine erneute Kontrolle statt. Liebe Kolleginnen und Kollegen, es ist eine erneute Kontrolle, und es ist mir ganz wichtig, dass Sie das zur Kenntnis nehmen, wenn Sie den zeitlichen Verlauf kritisieren. Am 3. Juni 2015, also keine 48 Stunden später, ist, weil die Auflagen nicht eingehalten wurden, weil die Vorwürfe so schwer sind, die Einrichtung geschlossen worden. Das halte ich für konsequent, und das halte ich für richtig!

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und SSW)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wenn in einer Einrichtung der Jugendhilfe Fenstergriffe abmontiert sind und Türen verschlossen wurden, dann ist das für uns eine geschlossene Einrichtung. Ich sage ihnen ganz klar: Wir Grüne lehnen geschlossene Einrichtungen in der Jugendhilfe ab.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und vereinzelt PIRATEN)

Ich appelliere an dieser Stelle an die CDU-Fraktion: Bitte überdenken Sie noch einmal Ihre Einstellung zu geschlossenen Einrichtungen.

Da wir gerade bei der CDU sind, Herr Kollege Baasch hatte es eben ausgeführt: Es ist sehr viel Kritik am zeitlichen Verlauf geäußert worden. Trotzdem müssen Sie für sich entscheiden - das möchte ich für Sie nicht übernehmen -, ob es wirklich angesichts dieser schweren Vorwürfe sinnvoll ist, dass Sie mit Steinen um sich werfen, während Sie vielleicht doch selber im Glashaus sitzen.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und SSW)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich möchte auch gern den Blick nach vorn richten. Wenn wir an das denken, was passiert ist, müssen wir darüber nachdenken, was wir künftig besser machen können. Wie muss der Kinder- und Jugendschutz aufgebaut sein? Welche pädagogischen Konzepte sind die richtigen? - Es liegen von unserer Sozialministerin Kristin Alheit schon erste Vorschläge auf dem Tisch. Ein erstes Maßnahmepaket ist bereits auf den Weg gebracht. Wir Grüne haben lange in unseren Reihen über einen Kinderschutzbeauftragten diskutiert. Die Ombudsstelle, die dort für Kinder und Jugendliche eingerichtet werden soll, die in Not sind, halte ich für richtig. Ich würde mich freuen, wenn diese auch für ehemalige Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Einrichtungen geöffnet wird, damit auch diese auf Missstände hinweisen können.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Es kristallisiert sich auch jetzt schon heraus, dass die gesetzlichen Regelungen erneuert und verbessert werden müssen. Wir brauchen bessere und schnellere Kontrollmöglichkeiten. Wir brauchen einen verbindlichen Fachpersonalschlüssel.

Wir müssen genau schauen, ob es ausreichend ist, dass ein Landesjugendamt mit sechs Mitarbeiterinnen für 1.300 Einrichtungen der Jugendhilfe Verantwortung tragen soll, oder ob da nicht Nachbesserungen erforderlich sind.

Ein anderer Punkt ist uns auch ganz wichtig, darauf hat der Kollege Tietze bereits im Sozialausschuss hingewiesen: Wir brauchen eine viel bessere Informationskette zwischen Jugendamt am Heimatort, Jugendamt im Bereich der Einrichtung und dem Landesjugendamt. Dann können wir darauf hinwirken, dass zukünftig so etwas in Schleswig-Holstein nicht wieder passieren wird.

Ich freue mich auf die weiteren Beratungen. - Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und SSW)

Das Wort für die Fraktion der PIRATEN hat nun der Abgeordnete Wolfgang Dudda.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Frau Ministerin Alheit, Sie werden auf der Internetseite Ihres Ministeriums mit dem Satz zitiert:

„Mein Ziel ist es, Kinder und Jugendliche in Einrichtungen insgesamt besser zu schützen.“

Da ist das ganze Haus bei Ihnen. Ich muss Ihnen, Frau Ministerin, aber auch sagen: Sie müssen, um genau das zu tun, nicht einmal Ihr Haus verlassen. Man kann auch sagen: Warum in die Ferne schweifen, wenn das Schlechte liegt so nah?

Ihr Haus hat mittelbar an den Grundrechtsverletzungen in der Friesenhof-Einrichtung mitgewirkt. Das zu Ihnen gehörende Landesjugendamt hat im April dieses Jahres einen Vertrag mit dem Friesenhof geschlossen, und dieser Vertrag legalisiert die üble Schwarze Pädagogik und die Praktiken des Friesenhofs. Der Friesenhof hat sich mal eben pfiffig durch Ihr Haus seine „Bootcamp-Methoden“ absichern lassen, indem er diese Praktiken in seinen Vertrag geschrieben hat.

Zwei Beispiele aus diesem Vertrag möchte ich hier anführen. Das Mildere - mit dem fange ich an - ist § 3. Dort heißt es wörtlich:

„Persönliche Gegenstände, die ausschließlich emotionalen Interessen der Bewohnerinnen dienen und deren Besitz unter Berücksichtigung der persönlichen Geschichte der jeweiligen Bewohnerin keine Gefährdung ihres Wohls oder Beeinträchtigung ihrer Erziehung bedeutet, werden den Bewohnerinnen nicht abgenommen.“

Man kann sagen, dieser Passus ist die Legalisierung von Willkür. Er berechtigt dazu, den Bewohnerinnen alle persönlichen Gegenstände abzunehmen. Die Dehnbarkeit von „emotionalen Interessen“ und „keine Beeinträchtigung der Erziehung“ ist juristisch betrachtet außerhalb jeder eigentlich notwendigen Bestimmtheit.

(Beifall PIRATEN und vereinzelt FDP)

In der Praxis berechtigt diese Passage die Mitarbeiter des Friesenhofes dazu, den Bewohnerinnen alles außer dem Teddybär aus den Kindertagen wegzunehmen. Das ist nicht nur pädagogisch völlig unsinnig und fragwürdig, das ist brutal und missachtet Grundrechte.