Protokoll der Sitzung vom 18.06.2015

Die Fakten über die demografische Entwicklung in diesem Land, die Veränderung der Nachfrage nach den verschiedenen Sportarten in diesem Land kennen wir schon länger, denn der Landessportverband legt ja schon seit 2008 regelmäßige Strukturentwicklungspapiere auf, die in der Großen Anfrage noch einmal zusammengefasst sind.

Zehn Punkte wollte ich gerne ansprechen, bei denen ich Handlungs- und Diskussionsbedarf sehe, ich kann sie jedoch in der Kürze der Zeit nur als Begriffe nennen:

Erstens. Die Zahl der Mitgliederentwicklung. Da macht es wirklich Sinn, sich das etwas genauer anzusehen. Wenn man nur die drei Massensportarten in Schleswig-Holstein ansieht wie Turnen, Fußball und Handball, wird man feststellen, dass die Zahlen bei den über 14-Jährigen gar nicht sinken, sondern teilweise konstant sind, und sich sogar positiv entwickeln, während wir dramatische Einbrüche bei den unter 14-Jährigen haben. Das wird genau zu betrachten sein.

Zweitens. Sportentwicklungsplanung. Hierauf sind Sie eingegangen. Uns liegen nur 15 Antworten vor, ich weiß nicht, ob einige, die Sportentwicklungsplanungen vorgenommen haben, nicht geantwortet haben. Das geht daraus leider nicht so deut

lich hervor. Das ist natürlich extrem mager und wirklich keine Basis für eine fundierte Untersuchung und Bewertung, was dort passiert ist. In diesem Bereich muss dringend mehr geschehen, und die Erhöhung von 5.000 auf 10.000 € zur Förderung ist ein richtiger Schritt.

Drittens. Hier muss man deutlich sagen, dass wir Entwicklungen, die wir in der Gesellschaft haben, auch im Sport erkennen. Das ist genauso, wie wir es im Parteiensystem haben: Weniger Menschen sind bereit, längerfristig Mitglied einer Partei zu werden, aber trotzdem möchten sie sich politisch aktuell an einzelnen Projekten beteiligen und engagieren. Diese Entwicklung sehen wir auch im Sport. Es wird nicht mehr unbedingt eine langfristige Mitgliedschaft eingegangen, sondern wichtig sind Sportangebote, die man aktuell nutzen kann. Wir reden auch hier nicht von einer Entpolitisierung, weil sich sozusagen das politische System ändert. Man kann auch nicht sagen, dass die Menschen weniger Sport machen, weil wir weniger Mitglieder in den Vereinen haben. Diesen Sachverhalt müssen wir uns auch genauer ansehen.

Die Punkte vier und fünf lasse ich weg, da mir die Zeit dafür nicht zur Verfügung steht.

Einen Aspekt meiner zehn Punkte greife ich noch heraus, weil der in Ihrer Großen Anfrage so spannend ist. Sie fragen nämlich nach vermeintlichen Forderungen künftiger Förderschwerpunkte, bezogen auf die Entwicklung moderner Vereinsstrukturen.

Der Landessportverband sagt: Nein, von solchen Forderungen haben wir irgendwie noch gar nichts gehört.

Herr Abgeordneter!

Ja, ich formuliere meine letzten zwei Sätze.

Das war gar nicht mein Anlass. Ich bin hier ziemlich sportlich, was die Zeit angeht. Ich wollte fragen, ob Sie eine Bemerkung des Herrn Abgeordneten Dr. Stegner gestatten?

Das mache ich sehr gern.

Lieber Kollege Weber, trotz Ihrer brillanten Kürze habe ich die Punkte vier und fünf nicht richtig verstanden. Mögen Sie mir die bitte noch einmal erläutern?

(Heiterkeit)

Bei aller Großzügigkeit, lieber Herr Dr. Stegner: Wir haben das im Ältestenrat miteinander vereinbart. Ich glaube nicht, dass es angemessen wäre, wenn wir die Zwischenfrage dahin gehend interpretieren. Das würde ich auch nicht zulassen. Ich bin bereit, dass der Punkt, den der Kollege ausführen wollte, jetzt noch ausgeführt werden kann. Ich glaube, der Sport ist wichtig. Deshalb werden wir das sicherlich alle gestatten.

Herzlichen Dank. - Ich weiß die Großzügigkeit des Präsidenten in dieser Frage zu schätzen. Er ist ja selbst ein großer Förderer und Unterstützer des Sports in Schleswig-Holstein. Nichtsdestotrotz will ich die Geduld der Kollegen nicht überstrapazieren. Diesen einen Punkt, den Punkt fünf, nach dem der Kollege Stegner fragt, will ich noch einmal kurz ausführen. Das ist ein zentraler und spannender Punkt, den Sie angesprochen haben und auf den der Landessportverband etwas schwierig reagiert. Es geht darum, ob wir die Förderinstrumentarien verändern müssen. Dazu stellt sich die Frage, ob die Trends zu neuen Sportarten, die Herausforderungen, Integration, Migrantinnen und Migranten, die vielfältigen Aufgaben von Kooperation, in Kooperation mit Kindergärten, mit Krankenkassen, mit Schulen und Ähnlichem mehr, Sonderaufgaben, Gewaltprävention und so weiter, ob das alles eigentlich noch - es wird immer mehr und immer schwieriger - in den klassischen Vereinsstrukturen, die häufig relativ kleine Vereinsstrukturen mit keiner oder wenig Hauptamtlichkeit sind, geleistet werden kann. Dann stellt sich natürlich die Frage, die es auch in Kommunen und anderen Bereichen gibt: Müssen wir zu Kooperationen kommen? Hier und da gibt es vielleicht schon Fusionen.

An dieser Stelle will ich nur sagen: Wir als Politik sind nicht diejenigen, die dem Sport sagen sollen: Passt einmal auf, schafft größere Einheiten und Strukturen. Das geht im ländlichen Raum vielleicht nicht. Was wir sagen und worüber wir nachdenken sollten, ist - das ist in der Tat mein letzter Gedanke -, dass wir Anreizsysteme schaffen, dass es dem

(Jürgen Weber)

Sport möglich ist, sich in Vereinsstrukturen so modern aufzustellen, dass die neuen Herausforderungen auch wirklich geschafft werden können. Das scheint mir ein ganz wesentlicher Punkt, wenn die Sportvereine zu privaten und kommerziellen Anbietern im Sport konkurrenzfähig sein sollen.

Okay.

Ich würde jetzt meinen Abschlusssatz mit der Bitte, die Dinge im Ausschuss weiter zu beraten, formulieren, aber Frau Ostmeier steht da hinten.

Ich hätte Sie jetzt auch gefragt, ob Sie die Zwischenbemerkung oder -frage von Frau Ostmeier noch zulassen.

Ich wollte Ihnen noch eine Vorlage für Ihren letzten Satz geben. Ich habe den Eindruck, es gibt wirklich viele Themen, die aufgrund dieser Anfrage miteinander zu beraten sind. Ich frage Sie, ob Sie sich mit mir gemeinsam auf die Ausschussberatungen freuen, damit wir das mit mehr Zeit miteinander beraten können?

Das tue ich, Frau Ostmeier. Ich freue mich auf die Beratungen im Ausschuss. In dem Zusammenhang darf ich mich noch einmal für die Antwort auf die Große Anfrage bedanken, für viele Punkte, die dort aufgeführt sind. Wir reden auch über Geld, aber wir reden vor allen Dingen über die Frage, ob wir auf den verschiedenen Ebenen einfach einmal über neue Instrumente nachdenken müssen. Denkverbote soll es auch im Sport nicht geben. - Danke schön.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat jetzt der Herr Abgeordnete Burkhard Peters das Wort, ebenfalls mit einer sportlichen Betrachtung der Uhr.

Sehr gern, Herr Präsident! Vielen Dank. - Zunächst auch von mir herzlichen Dank an die Mitarbeiterin

nen und Mitarbeiter des Innenministeriums, an alle Sportverbände und die Kommunen, die bei der Erarbeitung der Antwort auf die Große Anfrage mitgewirkt haben.

Der demografische Wandel ist eine Herausforderung. Aber der organisierte Sport in SchleswigHolstein hat die Herausforderungen der Zukunft sehr wohl erkannt. Sport ist mehr als nur fit und schön. Das zeigt die Antwort ganz deutlich. Der organisierte Sport hat eine gesellschaftlich wertvolle Funktion und nimmt den damit verbundenen sozialpolitischen Auftrag sehr ernst. Aus der Antwort der Landesregierung kann man sehen: Landesregierung, Kommunen und Sportverbände sind sozusagen am Ball.

Die CDU entwirft den Fragenhorizont, die Antworten der Landesregierung, der Verbände und der Kommunen weisen weit darüber hinaus. Gemeinsam sucht das Land mit dem Sport Antworten auf die geänderten Alters- und Siedlungsstrukturen, auf die Nachfrage nach neuen Sportarten, auf geändertes Freizeitverhalten bei jungen Menschen und insgesamt veränderte Erwartungen des Publikums, wie Vereinssport heute gelebt wird. Die klassische, generationenübergreifende Langzeitbindung an „den Sportverein der Wahl“ einer ganzen Familie löst sich auf. Da müssen neue Antworten gefunden werden.

Zwei Aussagen aus der Vorbemerkung der Anfrage der CDU sind nach der uns vorliegenden Antwort so nicht haltbar: Der Sport in Schleswig-Holstein befindet sich nicht im - so schreiben Sie, Frau Ostmeier - „Tabellenkeller der Förderung und der Entwicklung“. Ich glaube nicht, dass sich der Landessportverband mit einer solchen Aussage anfreunden kann. Der Sport in Schleswig-Holstein spielt auf einem deutlich höheren Rang in der Liga. Zweitens: Das Land hilft bereits mit finanziellen Mitteln, wo es kann.

Die vorliegende Antwort zeigt vor allem: Kommunen, aber auch das Land, leisten im Rahmen der extrem begrenzten Spielräume - darauf kommen wir auch heute beim Sport wieder zurück - bereits das Maximum an finanzieller Förderung. Die letzte Erhebung hat ergeben, dass die Kommunen allein in den Jahren 2012 und 2013 mehr als 61 Millionen € für Sanierung und Modernisierung der Infrastruktur von Sportstätten investiert haben.

Das Land stellt von den Glücksspieleinnahmen 8 %, mindestens aber 8 Millionen € jährlich, für die Förderung des Sports zur Verfügung. Für das Jahr 2015 stehen darüber hinaus 2 Millionen € zur För

(Jürgen Weber)

derung kommunaler Schwimmsportstätten bereit. Hinzu kommen die Landesmittel für die Entwicklung kommunaler Sportstättenentwicklungspläne. Diese wurden bereits seit 2010 mit 5.000 € pro Plan bezuschusst, ab Mitte 2015 soll dieser Betrag auf bis zu 10.000 € pro Sportentwicklungsplan erhöht werden. Das wird mit Sicherheit noch weitere Kommunen anspornen, eigene Sportstättenentwicklungspläne in Auftrag zu geben.

Die Expertinnen und Experten waren sich im Innen- und Rechtsausschuss bei der durchgeführten Anhörung zum Thema Sportstättensanierung völlig einig: Die Sportstättenentwicklungspläne sind das Mittel der Wahl, um für eine zukunftsfeste und auskömmlich finanzierte Infrastruktur im Sport zu sorgen.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Meine Damen und Herren, Schleswig-Holstein spielt also oben mit, finanziell und in Bezug auf innovative Ideen.

Ältere Menschen, Migrantinnen und Migranten, Kinder, Jugendliche und Familie, Inklusion und Gesundheit, Sport und Umwelt: Der organisierte Sport ist auf all diesen Feldern mit neuen Ideen sehr aktiv. Unser Sport ist stark genug aufgestellt, auch zukünftig seine gesellschaftliche Integrationskraft unter Beweis zu stellen.

Dieser Aspekt ist mir als rechtspolitischem Sprecher meiner Fraktion ein besonderes Anliegen. Das Förderkonzept „Sport gegen Gewalt“, das in Zusammenarbeit mit dem Landesjugendring, dem Kinderschutzbund und dem Weißen Ring durchgeführt wird, hat mich sehr beeindruckt. Auch die Landesarbeitsgemeinschaft „Sport im Justizvollzug“ zeigt auf, dass die integrativen Potenziale des Sports heute in vielen erdenklichen gesellschaftlichen Bereichen erkannt und genutzt werden.

Mir ist um die Zukunft des Sports in SchleswigHolstein nach alldem nicht bange.

Liebe Kollegin Ostmeier, der Chansonier Konstantin Wecker sang bereits 1977 die Zeilen: „Genug ist nicht genug, genug kann nie genügen.“ Das stimmt in gewisser Weise natürlich auch für die heutige Sportförderung. Dabei dürfen wir aber nicht vergessen: Sportförderung ist originäre Aufgabe der Kommunen, nicht der Landesebene. Unter dieser Maßgabe ist das, was das Land aktuell für den Sport in Schleswig-Holstein tut, sehr viel, gemessen an unserer finanziellen Lage sogar rekordverdächtig. - Vielen Dank.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und SSW)

Das Wort für die FDP-Fraktion hat der Abgeordnete Dr. Ekkehard Klug.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Sport ist mit 2.600 Vereinen und rund 800.000 Mitgliedern nach wie vor die größte gesellschaftliche Bewegung in unserem Land. Allerdings bleibt auch der Sport nicht unberührt von strukturellen Veränderungen, die unsere Gesellschaft insgesamt betreffen und die auch den Sport vor neue Herausforderungen stellen. Übrigens ist die Mitgliederzahl seit 2008 um 7,5 % gesunken. Das entnehmen wir den Antworten auf die Große Anfrage. Auch bei den Sportvereinen hat es mit 2,7 % einen - allerdings deutlich geringeren - Rückgang gegeben.

Strukturelle Veränderungen, das sind Veränderungen, die insbesondere im Bereich der Demografie liegen. Unsere Gesellschaft wird von der Struktur her älter. Der höhere Anteil älterer Menschen drückt sich dann in einer veränderten Nachfrage nach Sportangeboten aus. Es gibt erhebliche regionale Unterschiede - auch das ist zu Recht angesprochen worden -, weil eben diese demografischen Veränderungen auch mit regional sehr unterschiedlichen Entwicklungen verbunden sind, weiterer Zuwanderung in bestimmten eher städtisch geprägten oder im städtischen Umland liegenden Regionen und einer sehr starken Reduzierung der Bevölkerung im ländlichen Raum. Wir haben einen erheblichen Anteil von Menschen mit Migrationshintergrund, etwa 350.000 Einwohnerinnen und Einwohner unseres Landes, die es eben auch in die Arbeit und in die Angebote der Sportvereine einzubeziehen gilt.

Die Sportvereine haben offenkundig Probleme beim Zugang zu jüngeren Menschen, aus mehreren Ursachen heraus. Zum einen hängt das mit der Demografie zusammen, es gibt einfach weniger jüngere Menschen als früher. Der zweite Grund liegt in der Entwicklung im Schulbereich. Der Trend in Richtung Ganztagsschule läuft, zuletzt natürlich auch sehr stark verstärkt durch G 8. Ich kann mich noch an Veranstaltungen des Landessportverbands erinnern, in denen Vertreter der Sportverbände deutlich gesagt haben: In den G-8-Gymnasien haben die Schüler am Nachmittag keine Zeit mehr für sportliche Aktivitäten. Das haben sowohl die Ver

(Burkhard Peters)

treter der damaligen Oppositionsfraktionen von SPD und Grünen nicht gern gehört als auch Kollegen von der Union, die damals auch leidenschaftliche G-8-Fans waren und eigentlich nichts anderes gelten lassen wollten, wie beispielsweise der damalige Landesgeschäftsführer Daniel Günther, die das auch nicht so gern gehört haben. G 8 ist also in der Tat ein Problem für Sportvereine, aber die Studienstruktur mit Bachelor und Master ebenfalls, weil die so straff organisiert ist, dass eben auch Studierende heute kaum noch Zeit für sportliche Aktivitäten nebenbei haben oder auch für Tätigkeiten als Übungsleiter in Sportvereinen.

Was tun? Ich will mich jetzt auch aus Zeitgründen auf einen Punkt beschränken: Ich denke, beim Thema Ganztagsschulen und Sportvereine kommt es darauf an, wirklich vernünftige Ansätze zur Kooperation zu suchen, denn man kann natürlich - gerade im Rahmen offener Ganztagsangebote - sehr gut auch Angebote von Sportvereinen mit integrieren. Dafür gibt es auch tolle Beispiele im Lande. Mein Eindruck ist: Das klappt tendenziell, insbesondere in kleineren Gemeinden, sehr gut. Schwieriger wird es in den größeren Orten und Städten, wo man einerseits viele Schulen, aber auch viele Sportvereine hat. Dann wird die Konkurrenzsituation, der Konflikt um die weniger werdenden jungen Menschen, deutlich größer. Da bedarf es dann möglicherweise auch einer stärkeren Nachhilfe von politischer Seite, um die Kooperation, die sinnvoll und produktiv ist und beiden Seiten hilft, voranzubringen.