Protokoll der Sitzung vom 19.06.2015

(Beifall Sandra Redmann [SPD])

Für das Gelingen der Energiewende ist die dezentrale Energieversorgung von besonderer Bedeutung. Deshalb werden Energiespeicher immer wichtigere Bausteine. Sie tragen zur Versorgungssicherheit ohne Rückgriff auf fossile Kraftwerkskapazitäten bei. Und genau da wollen wir hin.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Speicher können zudem für die Netzstabilität eingesetzt werden. Auch dafür darf ihre Bedeutung nicht geringgeschätzt werden. Im Wärmebereich kann Power-to-Heat für erneuerbare Energien genutzt werden. Power-to-Gas mit „grünem“ Wasserstoff, lokal erzeugt und gespeichert, kann in vielen Bereichen genutzt werden - in der Wärmeversorgung ebenso wie bei der Rückverstromung oder auch in der gewerblich-industriellen Nutzung.

Ein großer Bedarf wird zukünftig in der Mobilität liegen. Hier können wir als Schleswig-Holsteiner von den Anstrengungen der Bundesregierung profitieren, das Wasserstofftankstellennetz mit der Wasserstoff- und Brennstoffzellentechnologie zu forcieren.

Gerade die Speichertechnologie entwickelt sich in Schleswig- Holstein sehr dynamisch. Dies muss gefördert werden, um den Vorsprung von SchleswigHolstein zu erhalten.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Wir haben in diesem Bereich mehrere Unternehmen und Projekte in unserem Land, die von motivierten Menschen getragen werden.

Wir sollten zusätzlich darüber nachdenken, die Idee für ein Pilotprojekt ,,Grüner Wasserstoff für die Region“ in Flensburg zu unterstützen.

(Beifall Flemming Meyer [SSW])

Ich freue mich auch, dass die Landesregierungen in Schleswig-Holstein und Hamburg die Bewerbung

eines länderübergreifenden Konsortiums aus Wissenschaft und Wirtschaft in dem vom Bundeswirtschaftsministerium aufgelegten Förderprogramm ,,Schaufenster Intelligente Energie“ unterstützen, mit dem demonstriert werden soll, dass intelligente Netze auf Basis von zeitweise bis zu 100 % Strom aus erneuerbaren Energien unter Ausschöpfung der Optionen bei Erzeugungs- und Lastmanagement Systemsicherheit gewährleisten und einen Beitrag zur Versorgungssicherheit leisten können. Ich möchte mich herzlich bei Wirtschaftsminister Reinhard Meyer bedanken, dass er dieses Projekt mit seinem Kollegen Frank Horch aus Hamburg vorangetrieben hat. Das zeigt, dass die Energiewende nicht nur klimaschutzpolitisch richtig, sondern auch wirtschaftspolitisch von Bedeutung ist. In Schleswig-Holstein waren 2013 rund 15.700 Beschäftigte im Bereich der erneuerbaren Energien tätig. Damit haben wir im Vergleich zu anderen Bundesländern den höchsten Anteil an Unternehmen der Branche der erneuerbaren Energien an der Gesamtzahl der Unternehmen im Land.

Der Bericht der Landesregierung zeigt aber auch: Die wirtschaftlichen Potenziale der Energiewende sind noch nicht ausgeschöpft. Unser Land und die Kommunen profitierten 2011 von über 50 Millionen € Einnahmen aus der Einkommen-, Körperschaft- und Gewerbesteuer und aus Neuinstallation, Wartung und Betrieb von Windkraftanlagen. 2021 werden durch den weiteren Ausbau der Windenergie 100 bis 200 Millionen € erwartet. Die Energiewende ist daher auch ein Standortfaktor für den Wirtschaftsstandort Schleswig-Holstein.

Lassen Sie mich mit einem Zitat von Hermann Scheer schließen:

„Der beschleunigte Wechsel zu erneuerbaren Energien ist eine ökologische, wirtschaftliche und soziale Existenzfrage mit friedenspolitischer Dimension. Es darf keine Zeit mehr verspielt werden.“

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Für die CDU-Fraktion hat Herr Abgeordneter Jens Magnussen das Wort.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Auch wenn die heutigen Meldungen zu den Länderquoten bei der Windenergie und die Diskussion

(Olaf Schulze)

über Castoren und Atommüll diese Debatte vielleicht ein Stück weit ins Negative ziehen, glaube ich, dass wir uns um den Bericht kümmern sollten. Auch ich darf mich recht herzlich bei dem Minister und seinen Mitarbeitern für den vorgelegten Bericht bedanken.

(Vereinzelter Beifall CDU)

Sie haben es aufgrund der Situation indirekt angedeutet: Wir nehmen angesichts der heutigen Pressemitteilungen zur Kenntnis, dass wir uns strategischer aufstellen müssen und dass wir Strategien entwickeln müssen, um hier entgegenzuwirken. Wir müssen Ideen und Visionen entwickeln, um dem Rechnung zu tragen, dass wir unsere erneuerbaren Energien weiter in die Republik tragen.

Ich glaube, wir sind uns auch einig darüber, dass die Energiewende sich nicht zur politischen Profilierung eignet und dass die Energiewende nicht ein Ziel bis zur nächsten Wahl sein darf. Wir diskutieren hier über die Interessen Schleswig-Holsteins und der Bundesrepublik Deutschland, über Arbeitsplätze und Ausbildungsplätze und letztlich über Steuereinnahmen. Vielleicht wiederhole ich mich: Wir sollten die Energiewende parteiübergreifend gestalten. Ich kann Ihnen sagen: Die CDU steht hier sicherlich zur Verfügung.

Auch wir von der CDU wissen, dass die Energiewende nicht ohne die Wärmewende funktionieren wird. Wenn man sich den Energiebedarf der deutschen Haushalte ansieht, dann sieht man: 38 % gehen in die deutschen Haushalte. 8 % davon decken den Strombedarf, 30 % fließen in die Wärme. Dies zeigt, welches Potenzial der Energiewende im Bereich der Wärme zur Verfügung steht.

Um die Ziele halbwegs zeitnah zu erreichen, brauchen wir einen geeigneten Ordnungsrahmen, und zwar nicht ausschließlich unter der Federführung durch das Umweltressort, sondern unter Einbeziehung des Wirtschaftsministeriums. Sie hatten eben angedeutet, dass Sie in engem Kontakt mit dem Wirtschaftsministerium stehen. Ich wünsche mir aber eine noch stärkere Einbeziehung der Wirtschaft und des Wirtschaftsministeriums in diese Bereiche. Wir merken, dass wir uns im Bereich der Energiewende von Phase zu Phase hangeln. Herr Meyer, ich glaube, gerade die Bereiche Energie und Technologie sind nicht voneinander zu trennen. Wir sehen die Entwicklung. Sie sind ständig in der Region unterwegs, Sie sind am Fraunhofer Institut, und Sie haben mit PROKON zu tun. Ich glaube, dass sich auf dieser Grundlage für die Energieeffekte viele Chancen ergeben werden.

Wir müssen darüber nachdenken und die Zusammenarbeit auf allen Ebenen überdenken und stärken. Letztendlich wird die Wärmewende nur durch ein funktionierendes Zusammenspiel von Immobilieneigentümern, Politik, Industrie und Handwerk gelingen können. Es ist gut, dass die Bundesregierung das Kraft-Wärme-Kopplungsgesetz in die Beratung gebracht hat. Nachteilig ist jedoch, dass dieses erst 2016, während der nächsten Heizperiode, kommen wird. Bis dahin verlieren unsere Stadtwerke weiter täglich Geld, weil sie über ihre KWK-Anlagen Lieferverpflichtungen haben, die sie wegen des Preisverfalls auf dem Strommarkt nicht kostendeckend darstellen können.

Ich persönlich bin der festen Überzeugung, dass wir die Kraft-Wärme-Kopplung nach 2020 noch dringender brauchen werden als jetzt schon. Die KraftWärme-Kopplung wird eine tragende Säule unserer Energieversorgung sein. Für den steigenden Anteil der erneuerbaren Energien brauchen wir künftig flexiblere konventionelle Anlagen, die die fluktuierenden Anlagen ergänzen. Aber wir müssen den Wärmemarkt dahin gehend weiterentwickeln, dass wir den Rückgang des Wärmebedarfs auch heute schon perspektivisch abbilden. Das bedeutet aber auch, dass im Wärmebereich der Rückgang des Wärmebedarfs langfristig eine große Herausforderung darstellt. Wir dürfen deshalb den Kraftwerksbestand nicht verrotten lassen.

Abschließend lassen Sie mich noch kurz Bezug nehmen auf die Situation vor dem Hintergrund des Wärmeerlasses. Sie hatten es ebenfalls eben angekündigt, vielfach diskutieren wir wie zu Beginn der Energiewende nach dem Motto: Wir brauchen bei den erneuerbaren Energien einen Leistungszuwachs um jeden Preis. Wir sind aber heute in einer anderen Phase der Energiewende. Ich wünsche mir, dass man erkennt, dass heute der zweite Ortstrafo wichtiger sein kann als der dreißigste Windpark. Wir brauchen somit einen geordneten Zubau. Dies hatten Sie eben angedeutet. Dieser ist gerade vor dem Hintergrund des Netzausbaus wichtig. Wir nehmen im Moment in der Diskussion über SuedLink intensiv wahr, dass nicht alles so rund läuft, wie es laufen sollte.

(Vereinzelter Beifall CDU)

Wie gesagt, hier ist noch jede Menge Musik im Karton. Wir müssen uns also noch intensiv mit diesem Thema befassen.

Herr Abgeordneter, Ihre Redezeit ist abgelaufen.

(Jens-Christian Magnussen)

Einen abschließenden Satz noch: Die Energieeffizienz ist für mich ein zentraler Bestandteil der Energiewende. Das ist mehr als die Sanierung von Gebäuden und die Dämmung von Häusern oder die Erneuerung von Heizungen. Effizienz ist die Optimierung von Verfahrensprozessen in Produktionsanlagen und die Optimierung von Leistungskapazität von Großverbrauchern.

Wenn Sie jetzt keinen Punkt machen, dann ist die Großzügigkeit erschöpft.

Dann mache ich jetzt ein Komma und sage: Ein strategisches Energiekonzept ist in Schleswig-Holstein und auch im Bund nicht erkennbar. Daran sollten wir gemeinsam arbeiten. Jetzt kommt der Punkt, Herr Präsident. Vielen Dank für das großzügige Zugeständnis.

(Beifall CDU)

Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat Herr Abgeordneter Detlef Matthiessen das Wort.

Vielen Dank, Herr Präsident. - Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Zunächst einmal sage ich einen Dank an Minister Robert Habeck und an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Ministeriums für den Energiewendebericht. Mein Dank schließt auch die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Statistischen Landesamtes für Hamburg und SchleswigHolstein ein. Mit 86 Seiten ist das schon fast ein kleines Buch, ergänzt um ein statistisches Werk, das sich hochinteressant liest. Dort sitzt die Herrin der Zahlen. Frau Meyer, mir geht das Herz auf, wenn ich diese vielen Zahlen zur Energie zur Kenntnis nehme. Er mag manchem etwas trocken und langweilig erscheinen, aber der Bericht beeindruckt ohne Geschwafel und Gesülze durch einen deskriptiv analytischen Stil. So manche Zahl spricht eben für sich.

Ich will mich heute mit meinem Beitrag auf den Zusammenhang der verschiedenen Sektoren Strom, Wärme und Verkehr konzentrieren. Die Botschaft lautet: Die Energiewende umfasst mehr

als Strom. Wärmewende und Mobilitätswende gehören dazu. Sie stehen nicht nebeneinander, sondern müssen miteinander verknüpft werden, damit die Energiewende gelingen kann. So manche Zahl spricht für sich. In der Tabelle auf Seite 14 und in der dazugehörigen Grafik auf Seite 16 wird ersichtlich: Wir haben im Jahr 2014 die 100-%-Marke erreicht und überspringen sie in diesem Jahr 2015.

(Vereinzelt Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Bilanziell erzeugen wir in Schleswig-Holstein mehr Strom aus erneuerbaren Energien, als wir insgesamt an Strom verbrauchen. Es sitzt also „Mister Hundert Prozent“ neben dem Ministerpräsidenten. Das ist unser Minister Robert Habeck.

Zur 300-%-Grenze: Wir wollen also dreimal mehr Energie aus erneuerbaren Energien erzeugen, als wir verbrauchen. Diese strategische Vorgabe ist ehrgeizig, aber realistisch. Wir reden dabei nicht vom Sankt Nimmerleinstag, sondern von der kommenden Legislaturperiode und dem Beginn der darauf folgenden.

Wir haben bei der Biogasverstromung fast gar keinen Zuwachs mehr. Das finden wir wegen der engen ökologischen Grenzen der Landnutzung auch richtig. Wir haben einen Zuwachs bei Strom aus solarer Strahlung von circa 100 MW pro Jahr in Schleswig-Holstein. Dies könnte aus unserer Sicht deutlich mehr sein, wenn der bundespolitische Rahmen dies zuließe. Ende 2014 hatten wir 4,8 GW an installierter Windenergie. Das war erreichbar, weil die Windbranche im letzten Jahr mehr als 1,1 MW Windkraft zugebaut hat.

Das bedeutet ein Investitionsvolumen von circa 1,5 Milliarden € in unserem Land. In einem Jahr ein Investitionsvolumen von 1,5 Milliarden € in unserem Land - das kann keines Menschen Herz nicht rühren, der hier Verantwortung für unser Land trägt. Das ist wesentlicher wirtschaftlicher Impuls.

Wir erzeugen viel Strom und in Zukunft noch mehr aus Erneuerbaren, aus volatiler Erzeugung. Wenn wir aber aus stochastischer Erzeugung einen ebenfalls schwankenden Strombedarf abdecken, dann haben wir auch große Zeitfenster, in denen wir Strom erzeugen, den der Strommarkt alleine nicht nachfragt. Wir brauchen in Zukunft also mehr Lastverschiebung in mehrere Sektoren. Flexibilitäten im Strommarkt - was heißt das eigentlich? Steuerbare, flexible Lasten heißt Folgendes: Wir schaffen Stromverbräuche sozusagen als Diener des Strommarktes, mit Power-to-Gas - also Methanund Wasserstofferzeugung -, mit Power-to-Heat

Wärmeerzeugung -, mit Power-to-Mobility, also von der Haustür bis zum Ziel: elektro-mobil. Alle diese Verbrauchsarten können und sollen - vermittelt durch Preissignale des Strommarktes - ihren Verbrauch drosseln oder einstellen, wenn der Strommarkt nach Strom schreit und andererseits Strom nachfragen, wenn das Angebot da ist.

Energiewende ist daher auch Wärmewende. Wärmewende ist kommunal. Wir möchten, dass Kommunen Wärmepläne aufstellen. Dazu haben wir auf unserem Lübecker Parteitag im letzten Monat einen Beschluss gefasst. Was bedeutet das eigentlich? Kommunen untersuchen, wo es eine hohe Wärmedichte gibt, also viele Einwohner oder Gewerbe, die Energie verbrauchen. Dann werden eben die Hotspots der Rentierlichkeit für Wärme und Nahwärmenetze, für Objekt-KWK, identifiziert. Da gibt es Beispiele in Eckernförde, das gibt es Beispiele in Flensburg. Da gibt es auch Beispiele in den kleinen Kommunen wie zum Beispiel in Börnsen.

In Berlin muss mehr für Klimaschutz und Energiewende getan werden. Wie unsere Autoindustrie von E-Mobilität redet, redet die Bundesregierung von Energiewende. Fakt ist, dass in Deutschland eine Senkung der Treibhausgasemissionen im Moment nicht gelingt. Und das ist traurig für das Beispiel, das Deutschland in der Welt eigentlich abgeben will.

Kohleverstromung muss teurer werden, sei es durch Fossilsteuern oder Verknappung von Emissionszertifikaten oder CO2-Abgaben. Ansonsten werden umweltfreundliche Erzeugungsarten auf die Verliererseite gestellt. Sonst bleibt Klimaschutz nur ein Wort. Das Gaskraftwerk Irsching bei München mit einem Wirkungsgrad von 60 % steht still, während IG BCE und viele Vertreter der Berliner Koalition Gabriel auffordern, älteste Kohledreckschleudern mit Wirkungsgraden von unter 30 % am Leben zu halten.

Herr Abgeordneter, schauen Sie zwischenzeitlich einmal auf die Uhr.