Protokoll der Sitzung vom 19.06.2015

Herr Abgeordneter, schauen Sie zwischenzeitlich einmal auf die Uhr.

Herr Präsident, ich komme zum Schluss. - Meine Damen und Herren, Atom braucht keiner, Kohle braucht keiner.

(Hartmut Hamerich [CDU]: Strom braucht keiner!)

Gas und KWK sind die Brücke ins Zeitalter einer ausschließlich auf Erneuerbaren fußenden Energiewirtschaft einschließlich Wärme, einschließlich Mobilität. Schleswig-Holstein geht voran, und das ist gut so. - Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall Dr. Andreas Tietze [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Ich möchte noch beantragen, Herr Präsident, dass der Bericht in den Ausschuss für Wirtschaft und den Umweltausschuss zur abschließenden Kenntnisnahme überwiesen wird. - Danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, Beate Raudies [SPD] und Flemming Meyer [SSW])

Das Wort für die FDP-Fraktion hat Herr Abgeordneter Oliver Kumbartzky.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zunächst auch von mir ein Dankeschön an das MELUR für den Bericht, der die aktuelle Entwicklung in Schleswig-Holstein detailliert beschreibt und auch eine gute Grundlage für weiteres Handeln und für weitere Diskussionen ist. Deswegen stimmen wir gern einer Überweisung an den Ausschuss zu.

Es ist gut, dass der Landtag im Jahr 2012 beschlossen hat, dass von der Regierung jährlich ein Energiewende- und Klimaschutzbericht beziehungsweise Monitoring vorzulegen ist. Ebenso halte ich nach wie vor die Einrichtung eines Energiewendebeirates für richtig und wichtig.

Erfreulich ist auch, dass der schlafende Riese der Energiewende endlich mehr Beachtung findet. Ich meine mit dem schlafenden Riesen nicht irgendeinen Minister, sondern den Wärmesektor.

Auf der letzten Sitzung des Energiewendebeirates war die Wärmewende das zentrale Thema. Unter dem vorliegenden Bericht sind die Empfehlungen der Teilnehmer vorzufinden.

(Zuruf)

- Sie haben trotzdem ein bisschen gebraucht. Gleich die erste Aussage bringt es auf den Punkt.

(Dr. Kai Dolgner [SPD]: Einfach nur „nicht witzig“! Das ist die neue Kategorie!)

- Macht ja nichts.

(Detlef Matthiessen)

Zusätzliche Bürokratie und neue Datenberge durch verpflichtende kommunale Wärmepläne sind unbedingt zu vermeiden - so steht es auch in dem Energiewendebericht. Die Landesregierung wird demnächst ein Energiewende- und Klimaschutzgesetz vorlegen. Zumindest dessen Eckpunkte sind auch hier im Landtag schon diskutiert worden. Die FDP bleibt bei ihrer kritischen Haltung zu dem geplanten Gesetz. Gerade der Klimapakt als freiwillig ausgehandelte Vereinbarung hat doch gezeigt, dass es eben auch ohne Ordnungsrecht geht.

Ich komme zu einem weiteren Thema, das ist das Thema Windenergie. In dem vorliegenden Bericht steht einleitend, dass der Ausbau der Windkraft einen wichtigen Beitrag zur Erreichung der Klimaziele in Schleswig-Holstein leistet. Dann folgt ein Hinweis auf das OVG-Urteil. Die Mehrheit hat im letzten Mai-Plenum eine landesplanerische Veränderungssperre im Hauruckverfahren und einer Minianhörung beschlossen. Was folgen sollte, war ein Erlass, der die Ausnahmen durch harte und weiche Tabukriterien regeln sollte. Ich frage mich ganz ehrlich: Wo ist denn der Erlass? Wo bleibt er? - Es gab letzte Woche im Wirtschaftsausschuss die Anregung, dazu eine Anhörung durchzuführen. Ich hatte auch viel Sympathie für diese Idee, aber da ist dann von der Landesregierung gesagt worden: Nein, keine Anhörung, der Erlass wird ja schon am 16. Juni 2015 abschließend im Kabinett behandelt. Also, wo ist der Erlass? Die Antwort auf die Frage würde mich wirklich interessieren. Es kann nicht sein, dass die Landesregierung die Windkraftbranche und die Bürgerinnen und Bürger hängen lässt. Die warten auf diesen Erlass.

Herr Dr. Habeck, das ist kein Vorwurf an Sie, das will ich klarstellen.

(Angelika Beer [PIRATEN]: Das Kabinett hat andere Sorgen gehabt!)

- Trotzdem hätte man ja den Erlass - - Es ist kein Vorwurf an Sie, Herr Dr. Habeck. Ich weiß, dass Sie bei diesem Thema nicht zuständig sind. Da rächt sich ein bisschen, dass Sie sich noch vor Ihrer Vereidigung die Butter haben vom Brot nehmen lassen und dass die Landesplanung eben beim Ministerpräsidenten angesiedelt ist. Es ist jetzt so, wie es ist. Aber es wird noch einmal deutlich, dass eben nicht überall, wo Energiewendeminister draufsteht, auch Energiewende drin ist.

Zurück zum Windenergie-Erlass. Da gibt es den Kriterienkatalog. Stand Mai waren darin Sätze enthalten, die im krassen Widerspruch zu dem stehen, was Energiewendeminister Habeck eben so sagt,

und was auch in diesem Bericht hier so steht. Im Bericht steht beispielsweise auf Seite 43 im Kapitel „Steigerung der regionalen Wertschöpfung“, dass Sie die Beratungsinitiativen zum Aufbau von Genossenschaften und Bürgerenergieprojekten unterstützen wollen. Wenn man dann einmal schaut, was in den Kriterien zur Ermittlung geeigneter beziehungsweise ausgeschlossener Flächen für Regionalpläne steht, liest man dort einen Satz, der lautet:

„WKA sind primär wirtschaftliche Tätigkeit der Anlagenbetreiber. Das öffentliche Interesse Energiewende (Wohl der Allgemeinheit) spielt nur nachrangig eine Rolle.“

Das ist wirklich ein Schlag ins Gesicht, gerade ins Gesicht der Windkraftbranche und insbesondere ins Gesicht der zahlreichen Bürgerwindbeteiligten.

Ich frage mich, was so ein Satz im Erlass oder im Kriterienkatalog zu suchen hat.

(Beifall Dr. Heiner Garg [FDP])

Ein drittes und letztes Thema, das ich noch ansprechen möchte, sind die Netze und Netzentgelte. Das hatten Sie eben auch erwähnt, und das waren auch die Schwerpunkte in den letzten Energiewendeberichten. Da erinnere ich an einen FDP-Antrag, Drucksache 18/2090, zum Thema bundeseinheitliche Netzentgelte einzuführen. Der liegt noch im Wirtschaftsausschuss. Ich plädiere dafür, dass wir zeitnah einen Beschluss dazu fassen; denn mittlerweile hat auch diese Idee einen prominenten Unterstützer, und zwar Herrn Dr. Habeck, der sich in den „sh:z“-Blättern mit dem Satz „Energiewende-Netzkosten müssen solidarisch getragen werden“ zitieren ließ. Außerdem gibt es mittlerweile eine Entschließung des Landtags aus Mecklenburg-Vorpommern dazu. Im Übrigen - das ist mein abschließender, freundschaftlich gemeinter Hinweis - ist es auch so, dass sämtliche grünen Landtagsfraktionen in den ostdeutschen Bundesländern diese Forderung unterstützen. Wenn Sie da bundesweit für sich werben und bei Ihren ostdeutschen Parteifreunden beliebt werden wollen, gebe ich Ihnen den Tipp, unsere Idee zu unterstützen, sodass wir uns im Landtag vielleicht in der nächsten Tagung für bundeseinheitliche Netzentgelte aussprechen können. Warme Worte alleine genügen nämlich nicht, es müssen auch Taten folgen, insbesondere vom Minister. Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit.

(Beifall FDP)

(Oliver Kumbartzky)

Das Wort für die Fraktion der PIRATEN hat Frau Abgeordnete Angelika Beer.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Schleswig-Holstein liegt bei der Energiewende und beim Klimaschutz im angepeilten Zeitplan. Die natürlichen Gegebenheiten - allseits viel Wind - legen bei uns den Grundstein für den Erfolg; denn bislang - das muss man mit Blick auf andere Bundesländer fairerweise auch sagen - stützt sich unsere Rolle als Vorreiter insbesondere auf die vielen Windmühlen, die sich bei uns häufiger drehen als anderswo.

Die Landesregierung zieht aus diesem Umstand auch weiterhin die richtigen Schlüsse. Der Ausbau der Windenergie bleibt - mit Blick auf die geplatzten Regionalpläne derzeit allerdings unter einem etwas unglücklichen Vorzeichen - das vorrangige Ziel. Relativ neu ist, dass nun der Wärmeenergiemarkt verstärkt in den Fokus genommen wird. Wir haben es schon diskutiert, ich will es trotzdem erwähnen: Auch das halte ich für vernünftig, denn wie der Bericht zeigt, ist der Energiebedarf hier am Größten, folglich also auch das Potenzial, Energie einzusparen. Leider - kann man sagen, muss man sagen - haben wir hier im Gegensatz zum Elektrizitätspotenzial Wind gegenüber anderen Bundesländern keinen ultimativen Vorteil zur Hand.

Die Einsparung im Wärmesektor ist und bleibt mühsam und kostenaufwendig. Es ist zwar richtig, dass unser Energiewendeminister sagt, dass die Wärmewende der ungehobene Schatz der Energiewende sei, aber wir diskutieren die damit verbundenen Herausforderungen bislang zu selten.

Die Hamburger beispielsweise machen sich schon seit vielen Jahren Gedanken darüber, wie sich die Wärmedämmung mit den klassischen norddeutschen Klinkerbauten verträgt. Imitationen aus Kunststoff lassen die Fassaden von Weitem zwar originalgetreu aussehen, aus der Nähe betrachtet aber geht ein gutes Stück norddeutscher Identität verloren. Für Städte wie Flensburg und Lübeck ist diese Frage mit Sicherheit ebenso relevant wie für Hamburg. Innendämmung wäre eine Lösung, nur geht dabei der Kachelofeneffekt verloren.

Ebenso stellt sich die Frage nach dem richtigen Dämmstoff. Das vielfach verwendete Polystyrol ist aufgrund der kurzen Haltbarkeit derzeit die denkbar schlechteste Lösung, weil es sich für Immobilienbesitzer einfach nicht lohnt, die Investitionen nach

30 Jahren wieder aus den Wänden zu reißen. Aus diesem Grund sollten wir darüber nachdenken, nur qualitativ hochwertige, langlebige Dämmstoffe zu fördern.

(Beifall PIRATEN)

Die konsequente Nutzung der Wärme aus Biogasanlagen hingegen ist ein wichtiger Ansatz, der bei uns unbedingt weiter intensiviert werden sollte. Ebenso wichtig ist es uns, bei der Biomasse vom Silomais wegzukommen und verstärkt auf Bioabfälle zu setzen. Denn wie der Bericht der Landesregierung richtig feststellt, ist der klimawirksame Immissionsanteil der Landwirtschaft in SchleswigHolstein im bundesweiten Vergleich deutlich zu hoch.

Ich habe schon beim letzten Energiewendebericht erwähnt, dass das Treibhauspotenzial von Methan etwa 25-mal und das von Lachgas rund 300-mal größer ist als das von CO2 - ein Umstand, der aus meiner Sicht in zukünftigen Klimaschutzberichten unbedingt Berücksichtigung finden sollte. Es wäre sinnvoll, die erfreulichen schleswig-holsteinischen Werte bei den Kohlendioxidemissionen ins Verhältnis zur Klimawirkung unserer Lachgas- und Methanemissionen zu setzen.

Im Übrigen möchte ich daran erinnern, dass der Mais die Bodenpreise in die Höhe treibt und auch mit Blick auf die Bienenproblematik nicht gerade das Ideal ist. Diese indirekten Kosten lassen die Bioenergie alles in allem nicht sonderlich gut aussehen.

(Unruhe)

Nicht zuletzt werden wir das begrenzte Potenzial der Bioenergie zukünftig verstärkt für den Betrieb von Schiffen und Flugzeugen benötigen. Die Stena Germanica fährt bereits mit Methanol; mit der Umrüstung weiterer Fähren wird der Bedarf steigen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, Energieübertragung und -speicherung sind die Themen der Zukunft. Als Fürsprecher der Bürgerenergiewende finden wir PIRATEN den Bericht und die nächsten Schritte außergewöhnlich gut.

Ich komme zum Schluss. Angesprochen auf Ideen und Visionen an dieser Stelle möchte ich von der letzten Sitzung des Beirats für Energiewende und Klimaschutz eine Bitte unterstreichen. Das Format, das die Landesregierung mit diesem Beirat gewählt hat, ist gut. Es bringt neue Initiativen, es bringt die Verzahnung unterschiedlicher Interessen. Dieses Format sollte auch über das Jahr 2017 hinaus beibehalten werden. - Danke für die Aufmerksamkeit.

(Beifall PIRATEN)

Das Wort für die Abgeordneten des SSW hat der Abgeordnete Flemming Meyer.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Im Vergleich zu anderen Bundesländern zeichnete sich Schleswig-Holstein im Bereich der erneuerbaren Energien bereits frühzeitig aus. Lange bevor die Energiewende beschlossen wurde, waren wir Vorreiter im Bereich der Windenergie. Hier haben Pioniere etwas angeschoben, und zusammen mit Forschung und Entwicklung über die Produktion von WKA bis zur Gewinnung von Windstrom ist die Windenergie zu einem Erfolgsmodell für das Land geworden.

Bereits damals zeichnete sich Schleswig-Holstein durch seine Innovation und den Mut aus, hier voranzugehen. Heute profitieren wir maßgeblich von diesem Pionierdrang. Angefangen als Nischensektor hat sich die Windkraftwirtschaft bei uns im Land zu einem echten Wirtschaftssektor entwickelt. Auch die Zahlen aus dem Bericht machen dies deutlich. So ist davon auszugehen, dass wir in Schleswig-Holstein bis 2025 rechnerisch mindestens dreimal so viel erneuerbaren Strom produzieren, wie hier verbraucht wird. Dabei hat der Windstrom - onshore und offshore - den bei Weitem größten Anteil, gefolgt von Photovoltaik und Biomasse.

Der Ausbau der erneuerbaren Energien ist aber nur so gut, wie wir ihn wirklich nutzen können. Das heißt, es muss gelingen, den Strom zum Verbraucher zu leiten. Das ist derzeit die große Herausforderung. Hier spielt der Netzausbau eine maßgebliche Rolle. Aber wir wissen auch, dass gerade der überregionale Netzausbau nicht immer die gewünschte Geschwindigkeit hat. Das ist bedauerlich, aber dadurch entsteht andererseits der Druck, verstärkt nach Speicherlösungen zu suchen.