Protokoll der Sitzung vom 15.07.2015

Ich erzähle Ihnen jetzt kurz eine Geschichte aus Ostholstein, wo ich wohne. Da ging es um die Frage der Aufnahme von Flüchtlingen in einem Ort. Es ging auch um eine bestimmte Anzahl von Flüchtlingen. Das war keine Erstaufnahme, aber eine Situation, in der Anwohnerinnen und Anwohner eine Einwohnerversammlung durchgeführt haben und bei der der Bürgermeister erklärt hat, warum soundso viele Leute kommen sollen.

Es gab natürlich auch dort Gedanken, Sorgen und Fragen. Wer kommt da? Was wird passieren? Was wird sich hier im Ort verändern? Es zeigte sich also all das, was im Bornkamp oder wo auch immer passiert und was ich auch ganz normal finde. Wenn sich Veränderungen ergeben, wenn Veränderungen an einen herangetragen werden, fragt man sich diverse Dinge. Das alles ist überhaupt nicht schlimm.

Man hatte auch die Sorge, ob viel Kritik kommen würde, ob möglicherweise so etwas wie eine Antistimmung kommen würde. Es kam aber nichts. Die Menschen, die vielleicht mehr Sorgen hatten als andere, haben sich am Ende überzeugt beziehungsweise informiert gefühlt. Jedenfalls waren sie nicht dagegen und haben auch keine öffentliche Äußerung dagegen gemacht, dass in ihrem Ort 40 Flüchtlinge untergebracht werden sollen. Das ist ein kleiner Ort in Ostholstein.

Nachdem die Entscheidung in Lübeck gefällt wurde - die Bornkämper haben sozusagen gewonnen, und es gibt, wenn überhaupt, eine kleine Erstaufnahme im Bornkamp -, kamen in dieser Gemeinde die ersten Anrufe, sie würden auch noch einmal infrage stellen wollen, warum es unbedingt 40 sein müssten, warum es nicht weniger sein könnten. Das, was die Bornkämper geschafft haben, würde man in ihrem Ort doch auch schaffen.

Das halte ich für schwierig, und das ist das Signal von Lübeck. Dafür müssen wir als Demokraten auf kommunaler, Landes- und sonstiger Ebene Verantwortung tragen. Dabei müssen wir sehr aufpassen, welchem Druck wir uns dabei beugen. - Vielen Dank.

(Vereinzelter Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und SSW - Wortmeldung Wolfgang Kubicki [FDP])

Sie erlauben eine Zwischenfrage des Abgeordneten Kubicki. - Bitte schön.

Frau Kollegin Fritzen, ich teile Ihre Ausführungen inhaltlich voll und ganz. Das Problem beim Bornkamp ist nur, dass man anders als bei Ihnen mit den Menschen nicht geredet,

(Serpil Midyatli [SPD]: Hat man!)

sondern sie vor vollendete Tatsachen gestellt hat. Bei der Anhörung hat man zudem erklärt, dass es gar nicht darauf ankomme, wie sie ihre Sorgen artikulierten, weil die Entscheidung längst gefallen sei.

(Zurufe SPD)

Meine Befürchtung ist, dass, wenn das Methode wird, die Bereitschaft der Bevölkerung, die Sie und ich für notwendig erachten,

(Unruhe)

Ich würde gerne zuhören.

eher abnehmen als zunehmen wird, weil die Menschen nicht mehr das Gefühl haben, dass sie ernst genommen werden und sich im Zweifel auch einbringen können. Das ist meine Befürchtung.

- Ich kann Ihre Befürchtung nachvollziehen. Meine Ausführungen gehen ja in eine ähnliche Richtung. Meine Wahrnehmung im Bornkamp war eine andere. Das muss ich sagen. Soweit ich weiß, gab es zwei oder drei sehr große Veranstaltungen. Die Frage, wer wem am Ende glaubt, werden wir hier nicht beantworten können.

Ich sage nur, dass ich mir von demokratisch gewählten Vertretern, die Verantwortung tragen, andere Entscheidungen wünsche. Ich wünsche mir, dass man diesen Tendenzen deutlich entgegentritt. Man muss erkennen, was so etwas auslösen kann. Das ist das, was ich damit sagen wollte, und das halte ich für ausgesprochen problematisch.

Ich bin in großer Sorge, dass Bornkamp sozusagen ein Fanal ist. Das treibt mich wirklich um. - Vielen Dank.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und SSW)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, bitte begrüßen Sie mit mir auf der Tribüne unsere ehemaligen Abgeordnetenkollegen Susanne Herold und Manfred Ritzek. - Seien Sie herzlich willkommen im Schleswig-Holsteinischen Landtag!

(Beifall)

Es geht nun weiter mit den Dreiminutenbeiträgen. Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Dr. Heiner Garg.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Mich hat die Erklärung des Kollegen Stegner zu der Eigenschaft der regierungsamtlichen Meldungen

(Marlies Fritzen)

etwas irritiert. Nun unterstelle ich uns beiden, dass wir keine EDV-Experten sind. Deswegen würde ich Sie bitten, sich vielleicht noch einmal zu überlegen, ob es sich lediglich um einen technischen Fehler gehandelt haben kann, und bitte auch um Nachhilfe.

Meiner Information nach handelt es sich bei der Pressemitteilung der regierungstragenden Parteien von SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW um eine PDF-Datei. Diese PDF-Datei, und zwar die gesamte PDF-Datei, hat die Eigenschaft, dass Verfasserin die Stabsleiterin des Sozialministeriums ist, und zwar genau in dieser Funktion. Wäre die Version mit dem technischen Fehler zutreffend, dann würde ja das Dokument, das dann in der Landesgeschäftsstelle zur PDF-Datei beziehungsweise zur Pressemitteilung verarbeitet wurde, automatisch die Eigenschaft des verarbeitenden Mitarbeiters oder der verarbeitenden Mitarbeiterin in der Landesgeschäftsstelle annehmen und hätte dann die Eigenschaft von XY, SPD-Landesgeschäftsstelle.

Möglicherweise sitzen dort sehr aufgeweckte Menschen, die anders arbeiten, mit sehr komplizierten Programmen arbeiten. Nach meiner Kenntnis ist es, wenn überhaupt, technisch ausgesprochen aufwendig, beispielsweise aus verschiedenen Word-Dokumenten eine PDF-Datei zu machen, ohne dass die Eigenschaften des Dokuments geändert werden. Da müssen Sie mich aufklären, Herr Dr. Stegner. Ich habe jedenfalls Zweifel an der Version, dass es sich hierbei lediglich um einen technischen Fehler handeln kann, und bitte darum, dass diese Frage geklärt wird.

(Beifall FDP und CDU)

Als Nächstes hat für einen Dreiminutenbeitrag der Herr Abgeordnete Wolfgang Baasch das Wort.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich will noch einmal versuchen, ein paar erläuternde Bemerkungen zum Thema Bornkamp zu machen. Der Bornkamp liegt in meinem Wahlkreis. Die Menschen im Bornkamp wählen so, wie sie wählen. Das ist auch in Ordnung. Das darf ja auch jeder von uns. Dass die Menschen im Bornkamp die Entscheidung, dass die Erstaufnahmeeinrichtung in ihrem Stadtbezirk errichtet werden soll, ein wenig überrascht hat, ist richtig. Richtig ist aber auch, dass die Menschen dort sehr unterschiedlich und auch ganz differenziert reagiert haben. Es gab dort Menschen, die komplett jegliche Form von

Einrichtung abgelehnt und gesagt haben: Das wollen wir auf keinen Fall. Da ist uns ein Sportplatz versprochen worden, und wir wollen einen Sportplatz haben. - Da gab es Menschen, die gesagt haben: Na ja, dann müssen wir nach Alternativen suchen. Das muss sich vielleicht ein wenig anders gestalten. - Es gab drittens eine Initiative, die sich „Willkommen in Lübeck“ nannte, auch Menschen, die im Bornkamp leben. Es gab also mitnichten nur Ablehnung, sondern auch Menschen, die sich dafür eingesetzt haben.

Ich könnte Ihnen E-Mails zeigen, bei denen man eindeutig sagt: Wenn man so etwas schreibt, zeigt man, dass man Gedankengut hat, das wir als Demokraten eigentlich aktiv bekämpfen. Ich kann Ihnen aber auch Mails zeigen, in denen Menschen aus lauter Verzweiflung geschrieben haben, dass Freundschaften im Bornkamp kaputtgegangen sind, weil man unversöhnlich miteinander diskutiert hat, weil man andere Meinungen gar nicht mehr zugelassen hat. Wenn man sich jetzt hier hinstellt und so tut, als wenn diese Entscheidung, diese Form von Auseinandersetzung im Bornkamp einfach so spurlos an den Menschen vorübergeht, dann ist das nicht in Ordnung und auch nicht fair.

Gleichzeitig, glaube ich, ist es richtig, dass sich die Politik - das gilt auch für die Kommunalpolitik von diesen Diskussionen vor Ort nicht so beeinflussen lassen darf, dass man nicht in der Lage ist, zu einer Entscheidung zu kommen und zu sagen: Das, was dort geschieht, ist trotz allem in Ordnung und kann auch umgesetzt werden;

(Vereinzelter Beifall SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

denn machen wir uns doch nichts vor: Im Bornkamp kommen erst einmal Menschen an und keine Probleme. Menschen kommen dahin, und Menschen brauchen Unterstützung und Hilfe. Die sollen sie im Bornkamp erhalten.

(Vereinzelter Beifall SPD)

Wo anders wäre es geeigneter als an dieser Stelle, und zwar mit einem Konzept, wie wir es bei den Erstaufnahmeeinrichtungen haben? Das, was sich an Diskussionen und Ablehnung nachher in der Bürgerschaft manifestiert hat, ist auch etwas, was den Menschen im Bornkamp nicht gerecht wird.

Es sind viele zum Diskutieren da gewesen. Gut, ich bin recht oft dort gewesen und habe mit vielen gesprochen. Ich habe wenige Kolleginnen und Kollegen aus den Landtagsfraktionen dort getroffen. Ich glaube, es ist nach wie vor richtig zu sagen: Wir

(Dr. Heiner Garg)

brauchen Erstaufnahmeeinrichtungen. Genau in diesem Stadtteil kann man es sehr gut umsetzen. In diesem Stadtteil kann man dafür sorgen, dass Menschen, die vor Unterdrückung und Misshandlung flüchten, zur Ruhe kommen und einen ersten Anker in Deutschland, in Schleswig-Holstein, werfen können. Das sollte man organisieren.

Was die Behauptung angeht, dass keine alternativen Standorte geprüft worden sind

Kommen Sie bitte zum Schluss!

- ja, Herr Präsident; letzter Gedanke -: Es sind über 20 Standorte in Lübeck geprüft worden. Das steht sogar in jeder Vorlage innerhalb der Bürgerschaft. Das hat die SPD-Fraktion genauso wie die FDPFraktion bei der Entscheidungsfindung gehabt. Die FDP-Fraktion in der Lübecker Bürgerschaft hat sich gegen die Flüchtlingsaufnahme entschieden, die SPD-Fraktion dafür. Ich finde es schrecklich,

Kommen Sie bitte zum Ende!

- dass man solche Entscheidungen nicht einfach einmal revidiert. Dafür ist jetzt noch Gelegenheit. Dann gibt es vielleicht die Möglichkeit, allgemein die Menschen im Bornkamp auch willkommenzuheißen.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe den Tagesordnungspunkt „Regierungserklärung“ und rufe jetzt den gesetzten Tagesordnungspunkt 25 auf:

Europa ohne Grenzen

Antrag der Fraktionen von CDU und FDP Drucksache 18/3172 (neu)

Wird das Wort zur Begründung gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat für die FDP-Fraktion der Herr Abgeordnete Dr. Ekkehard Klug.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Europa steht vor einer wichtigen Weichenstellung. Es geht um die Frage: Kommt es in immer mehr Bereichen zu einer Renationalisierung, zum Abbau der europäischen Integration, zu immer mehr nationalen Alleingängen und zu dem Versuch einzelner Mitgliedstaaten, sich abzuschotten, oder wird es gelingen, die europäische Idee wieder mit Leben zu erfüllen? Einer von vielen Punkten, an denen sich dies entscheiden wird, ist die Frage: Bleiben wir bei offenen Grenzen innerhalb Europas, oder kommt es wieder zur Einführung von Grenzkontrollen?