Protokoll der Sitzung vom 14.10.2015

(Beifall CDU und FDP)

Ich glaube, wenn wir dieses so positiv nach draußen formulieren, dann wäre auch dies ein Beitrag zur Erhöhung der Wahlbeteiligung.

Darum müssen wir uns in der Tat kümmern. Wenn wir uns die Zahl der Nichtwähler bei den letzten Wahlen anschauen bei der Bundestagswahl 26,9 % Nichtwähler, bei der letzten Landtagswahl 39,8 % Nichtwähler, bei der letzten Europawahl 51,9 % Nichtwähler, bei der letzten Kommunalwahl 53,3 % Nichtwähler -, dann macht einen das besorgt. Wer denn, wenn nicht wir hier im schleswig-holsteinischen Landtag muss sich denn darum kümmern, dass wir diese Menschen wieder an die Wahlurne bekommen?

Insbesondere das Jubiläum 25 Jahre Deutsche Einheit macht einem ja auch selbst wieder bewusst: Wählen ist keine Selbstverständlichkeit. Es ist die Aufgabe aller Demokraten, dafür zu werben, dass die Wahlbeteiligung wieder höher wird. Viele Menschen müssen sich das erst noch erkämpfen; in Deutschland dagegen ist es bereits zur Selbstverständlichkeit geworden. Deswegen, finde ich, darf es auch keine Ausrede dafür geben, an diesem Festtag der Demokratie nicht teilzunehmen.

(Beifall CDU und FDP)

Ich will mich ausdrücklich bei allen Fraktionen für die Zusammenarbeit in den letzten anderthalb Jahren bedanken. Das gilt für die PIRATEN, die immer deutlich gemacht haben, dass sie in einigen Punkten eine andere Auffassung haben - deswegen war immer klar, dass dies kein vollständig gemeinsamer Antrag wird -, ebenso wie für die Zusammenarbeit mit den anderen Fraktionen, die diesen Antrag unterschrieben haben. Wir haben schon viele Anhörungen durchgeführt und haben richtig spannende Diskussionen geführt. All das war hervorragend.

An dieser Stelle möchte ich mich aber ausdrücklich bei unserem Kollegen Heiner Garg bedanken, der in den letzten anderthalb Jahren über die gesamte Zeit hinweg wirklich mit Bravour in dieser Kommission mitgearbeitet hat. Wir haben gemeinsame Pressekonferenzen durchgeführt und haben unseren Antrag dort gemeinsam vorgestellt. Sie, Herr Dr. Garg, haben wahnsinnig viele Vorschläge eingebracht, die in diesen Antrag eingeflossen sind. Ich glaube, alle letzten Vorschläge der FDP, die Sie uns unterbreitet haben, sind jetzt auch in diesen Antrag eingeflossen.

(Beifall CDU)

Deswegen ein herzliches Dankeschön an die FDP. Denn dieser Antrag trägt zu einem großen Teil Ihre Handschrift, Herr Dr. Garg. Vielen Dank dafür.

(Beifall CDU)

Wir sind uns aber wohl auch alle darin einig: Wenn wir jetzt von draußen her vor die Wahl gestellt werden, welche dieser einzelnen Punkte, die wir jetzt miteinander beschließen wollen, die Wahlbeteiligung um wie viele Prozentpunkte nach oben bringen wird, dann weiß doch jeder von uns, dass dieser Antrag nicht der entscheidende Schlüssel dafür ist, dass sich die Wahlbeteiligung erhöht. Ich finde, dies macht aber auch ein Selbstbewusstsein deutlich, das wir als Parlament zum Ausdruck bringen, weil wir zu diesem Thema eben ganz bewusst sagen, wir müssen uns als Demokraten überhaupt nicht verstecken.

Natürlich haben wir Schulen. Gerade die jungen Menschen müssen sich doch mit Wahlen auseinandersetzen. Das Interesse an Politik und an der politischen Diskussion ist doch in den Zeiten unmittelbar vor den Wahlen besonders hoch. Wie unsinnig ist es doch in der Vergangenheit gewesen, dass ausgerechnet in den Phasen, in denen die Menschen am sensibelsten sind, in denen sie sich am meisten

(Dr. Patrick Breyer)

dafür interessieren, was Politik eigentlich macht und eine Wahlentscheidung unmittelbar bevorsteht, die Schulen Closed-Shops sind. Damit wollen wir Schluss machen.

Wir wollen auch großzügig darüber hinwegsehen und sagen, dass natürlich auch einzelne Abgeordnete in die Schulen hinein dürfen. Insoweit sollten wir nicht immer so kritisch darauf gucken, ob dieser oder jener Parteienvertreter dort beteiligt ist. Nein, in diesem Punkt müssen wir uns auch großzügiger zeigen.

Es kann auch nicht sein, dass wir wahlkampffreie Zonen in unserem Land geduldet haben, weshalb Gemeinden zum Beispiel einfach sagen durften: „Bei uns findet Wahlwerbung nicht statt. Das ist eine Verschandelung der Landschaft.“ Ich meine, es gehört zur Demokratie, dass wir auch Informationspflichten gegenüber den Bürgerinnen und Bürgern haben. Ich finde es super, dass damit jetzt ebenfalls Schluss gemacht wird.

(Beifall CDU, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP und SSW)

Mein Appell an die PIRATEN lautet: Ich glaube wir haben hier ein gutes Ergebnis nach der Arbeit der Kommission vorgelegt. Wir haben sehr intensiv über diese Thematik diskutiert und haben eine breite Beteiligung gehabt. Helfen würde nun, wenn wir einfach unseren Job machen würden, wenn wir den Menschen draußen die Unterschiede zwischen den politischen Parteien hier im Parlament auf hohem Niveau deutlich machen, wenn wir den Menschen klar machen, dass es sich lohnt, zu einer Wahl zu gehen, weil sich Parteien unterscheiden, weil es sich lohnt, wählen zu gehen, weil Regierungen auch etwas Unterschiedliches wollen, wenn sie von anderen Parteien getragen werden.

Lassen sie uns also unseren Job machen, lassen sie uns um die Probleme der Menschen kümmern und das umsetzen, was wir hier vorgelegt haben. Ich glaube, dann leisten wir gemeinsam einen großen Beitrag zur Verbesserung der Wahlbeteiligung. Herzlichen Dank.

(Beifall CDU, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP)

Das Wort für die SPD-Fraktion hat der Fraktionsvorsitzende Dr. Ralf Stegner.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lassen Sie mich mit einem Satz beginnen, den ich selten an diesem Mikrofon sage: Ich stimme jedem Satz zu, den der Herr Oppositionsführer vorhin vorgetragen hat.

(Beifall SPD, CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP und SSW)

Das liegt daran, dass es uns in der Tat um die Stärkung der parlamentarischen Demokratie geht. Es geht uns um Maßnahmen zur Steigerung der Wahlbeteiligung. Meine sehr verehrten Damen und Herren, das ist ein Thema, das uns gerade in diesen Tagen bewegen muss; denn sinkt die Wahlbeteiligung, stärkt dies die Möglichkeiten von demokratiefeindlichen Parteien, in Parlamente zu kommen. Dies würde die Möglichkeiten schwächen, unseren Job zu machen. Deswegen müssen wir dringend etwas tun, um dies zu verbessern.

(Beifall)

Jedermann ist klar, Herr Kollege Breyer, dass das mit technischen Möglichkeiten allein nicht zu schaffen ist, sondern dass wir natürlich über die Substanz von Politik und darüber reden müssen, wie wir das machen. Trotzdem ist jede Maßnahme gut, die Hürden senkt; sei sie auch nur technischer Natur. Jedes Zehntel Wahlbeteiligung mehr bedeutet eine Stärkung der Demokratie. Deswegen sollte man auch dies nicht geringschätzen, meine sehr verehrten Damen und Herren.

Wir hatten ein breites parlamentarisches Verfahren. Wir hatten Fachberatungen im Ausschuss sowie schriftliche und mündliche Anhörungen. Das alles wurde im Internet veröffentlicht. Außerdem gab es ein Seminar von Politikwissenschaftlern der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel. Ich möchte mich herzlich bei den Studierenden bedanken, die sich eingesetzt und uns geholfen haben.

(Beifall)

Ferner gab es Gespräche und Bürgerbriefe. Dabei haben wir den Eindruck gewonnen, dass wir mit unseren Anliegen, Sorgen und Zielen nicht allein dastehen. Viele Menschen wollen die Debatte mit uns führen. Die Rückmeldungen waren unterstützend, sie waren abwägend, in Teilen aber auch erschreckend demokratiefeindlich, meine sehr verehrten Damen und Herren. Das ist ein Umstand, mit dem wir uns dringend auseinandersetzen müssen; denn es nimmt zu, dass sich im öffentlichen Raum Demokratiefeindlichkeit ausbreitet. Es gibt auch

(Daniel Günther)

große Skepsis gegenüber der parlamentarischen Demokratie.

Wenn wir wissen, dass wir in einem Zustand leben, der in der deutschen Geschichte geradezu einmalig ist, nämlich dass wir in Wohlstand, in Frieden und in einer parlamentarischen Demokratie leben, dann haben wir etwas zu verteidigen, meine sehr verehrten Damen und Herren, und das ist nicht irgendetwas.

(Beifall)

Ich möchte mich bei allen bedanken, die mitgewirkt haben. Ich möchte mich aber auch bei allen bedanken, die diese Demokratie leben. Dazu gehören insbesondere diejenigen, die ehrenamtlich Politik im Lande machen oder die sich als Wahlhelfer einsetzen. Diese verdienen unseren Dank; denn sie tragen dazu bei, dass wir Demokratie leben können, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Vereinzelter Beifall)

Wir haben uns darauf verständigt, dass wir heute verschiedene Punkte zur Entscheidung vorlegen. Wir haben uns auf zehn Maßnahmen verständigt. Ich bedaure, dass am Ende die FDP und die PIRATEN nicht mehr dabei waren.

Was die FDP angeht, will ich sagen: Es ist in der Tat so, wie es der Kollege Günther gesagt hat und wie es die FDP in ihrem eigenen Antrag dargelegt hat. Das können wir überweisen. Das ist meiner Meinung nach in vielerlei Hinsicht vernünftig. Ich finde es nur ein bisschen schade, dass Sie am Ende den Antrag nicht mehr mitgetragen haben; denn dieser trägt zu einem großen Teil auch Ihre Handschrift.

Nun zum Vorschlag der PIRATEN eine Enquetekommission betreffend. Vielleicht machen wir das in der nächsten Legislaturperiode. Wir sind jedoch der Meinung, dass in der gegenwärtigen Situation gehandelt werden muss und nicht länger geredet werden darf, weil wir auch den Auftrag haben, etwas gemeinschaftlich zu tun. Im Übrigen haben wir an manchen Punkten gar kein Erkenntnisdefizit mehr, sondern ein Umsetzungsdefizit.

Es kann uns nicht egal sein, wenn die Wahlbeteiligung zurückgeht. Deshalb haben wir uns auf vier Punkte verständigt.

Erstens. Wir wollen die Hürden senken, niemanden zurücklassen und alle einladen, sich zu beteiligen. Deshalb wollen wir in jeder Hinsicht barrierefreie Informationen und unbürokratische Möglichkeiten

zur Wahlteilnahme. Sprache, Design und Barrierefreiheit sind wichtige Stichpunkte.

Zweitens. Wir wollen mehr Möglichkeiten zur Stimmabgabe entwickeln. Diejenigen, die ins Rathaus gehen, um vorzeitig zu wählen, sind die hochgradig Motivierten. Sie sind am Wahltag nicht da und wählen deshalb vorher. Vielleicht kann man das auch auf diejenigen ausdehnen, die nicht so motiviert sind und am Wahltag nicht wählen gehen. Deshalb wollen wir mithilfe eines Modellprojekts testen, ob ein mobiles Wahllokal möglicherweise hilfreich ist. Das wird vielleicht auch von einer Studie unterstützt werden, die die Anforderungen dafür festlegen wird.

Drittens. Schulen sind die Schulen der Nation. Dort wird auch Demokratie gelernt. Deshalb muss Demokratie dorthin. Das darf nicht die Ausnahme sein. Jeder, der an eine Schule geht und dort platte parteipolitische Propaganda verbreitet, der ist nicht zu retten; denn Schüler sind ja nicht doof. Schüler wählen so jemanden gar nicht. Deswegen müssen wir diesbezüglich gar keine Sorgen haben, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Vereinzelter Beifall)

Vielmehr sollten wir alles dafür tun, das dazu beiträgt, auch die Partizipation von Schülerinnen und Schülern zu verbessern. Deshalb wollen wir die Juniorwahl 2017 an allen Schulen ermöglichen. Auch das ist ein gutes Beispiel.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SSW und Dr. Heiner Garg [FDP])

Viertens. Kommunen dürfen Wahlkämpfe nicht schwerer machen, als sie gerade für ehrenamtliche Helferinnen und Helfer ohnehin schon sind. Ich teile das, was der Kollege Günther gesagt hat. Wahlen sind die Festtage der Demokratie, und Wahlkämpfe sind die Debatte darüber, welchen Weg wir für dieses Land wollen.

Insofern müssen sich Parteien unterscheiden. Wenn wir uns nicht mehr unterscheiden, gehen die Leute nicht wählen. Das muss ausgetragen werden dürfen. Das ist nicht „Igittigitt!“, sondern es ist prima, dass es Wahlen gibt. Bei uns darf man das. In anderen Ländern sitzt man im Gefängnis, wenn man für freie Wahlen ist. Deswegen muss auch in den Kommunen aktiv für Wahlen geworben werden. Es darf nicht gesagt werden: Das verstecken wir irgendwo.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SSW und vereinzelt CDU)

(Dr. Ralf Stegner)

Deswegen glaube ich, dass das ein Punkt ist, der übrigens auch in anderen Ländern beachtet wird. Wir streiten leidenschaftlich über verschiedene Themen, und das werden wir morgen wieder tun. Über diesen Punkt sollte in diesem Haus aber kein Streit herrschen. Wir tun alles, um Menschen zu motivieren, die Demokratie zu stärken.